Dr. R. Thorwesten:

Von Niederlage zu Niederlage

Die Außenpolitik des Dritten Reiches vollbringt Wunder

Das hätte sich Karl Radet sicher nicht träumen lassen, daß er, der Bolschewik, einmal in Polen und noch dazu im Polen Pilsudskis mit nahezu fürstlichen Ehren empfangen werden würde. Aber Adolf Hitler bringt Wunder zuwege, sogar das einer freundschaftlichen Annäherung zwischen Polen und Sowjetrußland. Allerdings sind es ungewollte Wunder, denn es kann nicht in der Absicht der deutschen Außenpolitik gelegen haben, einen Block im Osten herbeizu­führen, über dessen antideutsche Tendenz kein Zweifel besteht. Man erinnert sich daran, daß im nationalsozialistischen Lager zwei außenpolitische Richtungen vorhanden waren. Die eine, gruppiert um den Grafen Reventlow, war ruffens freundlich, die andere, geführt von Alfred Rosenberg , sah im Bolschewismus den Feind und suchte engste Verbindung mit den weißen Russen ringsum in den europäischen Ländern.

Reventlom fonnte furz nach dem Umsturz Hoffnungen hegen. Er feierte in seinem Reichswart" in hohen Tönen die sympathische Haltung, die die russischen Machthaber gegenüber der nationalen Revolution" einnahmen. Er war in der Lage, mit großer Befriedigung die Erneuerung des Freund­schaftsvertrages zu registrieren. Die nicht nur für die deutschen Kommunisten, sondern für die deutschen Prole­tarier ganz allgemein unverständliche und ver­abscheuungswürdige Politik der Sowjetregierung war Wasser auf seine Mühle. Aber sein Gegenspieler Rosen­berg war doch der geschicktere und einflußreichere. Er wurde der außenpolitische Vertrauensmann Hitlers , und seine Ideen sind maßgebend.

Rosenbergs engftirnige Absichten gehen dahin, das heutige Rußland zu schwächen und zu zerschlagen.

Seine und des Führers" Blicke sind auf die Ukraine als deutsches Kolonisationsgebiet gerichtet. Es soll aus der Ukraine ein Staat gemacht werden, der scheinbar Autonomie besitzt, in Wirklichkeit aber unter deutscher Oberherrschaft steht. Die kühne Phantasie erstreckt sich sogar bis zu der Gr­werbung eines deutschen Hafens am Schwarzen Meer . Auf dieses Ziel steuerte auch das berüchtigte Memorandum hin, das Hugenberg der Weltwirtschaftskonferenz in London vorlegte, und das auf die Vertreter der übrigen Staaten wie eine Bombe wirkte. Herr Hugenberg ist nachträglich des avouiert worden. Ob bei dieser Abschüttelung taktische Er­mägungen oder innerpolitische Motive mitspielten, kann da­hingestellt bleiben.

Jedenfalls steht fest, daß der Inhalt der Deutschrift von der deutschen Delegation in London einstimmig gutgeheißen worden war, und sicher hat diese Delegation keinen Bes schluß ohne Zustimmung der Berliner Regierung gefaßt. Herr Rosenberg hat seine Fäden auch bereits weiter ge­Sponnen, und namentlich auch in London Anknüpfungspunkte gesucht. Als er sich vor einem Jahr in England aufhielt, war er der Gast des seiner Delinteressen wegen sowjetfeind­lichen Herrn Deterding, und auch bei seiner letzten be= kanntlich so glorreich verlaufenen Reise nach London ist er, allen Dementis zum Trozz, mit diesem Manne wieder zu­sammengetroffen. Es gibt in London mehrere ukrainische Komitees, die für das, was sie die Befreiung ihres Vaterlandes nennen, tätig sind und dabei sehr enge Be­ziehungen zu dem Hitler- Regime unterhalten. Mit ihnen arbeiten Hand in Hand Deterding sowohl wie Lord

Zwischen Prag

Rothermere, der vor kurzem in seiner Daily Mail" einen für Hitler- Deutschland begeisterten Artikel veröffent. lichte.

Der Vorstoß gegen Sowjetrußland bedeutet natürlich den wenigstens vorläufigen Verzicht auf die vordem so lebhaft propagierte antipolnische Politik.

bings ließ man sie nicht ohne Weiteres ziehen. Sie wurde für den nächsten Tag zur Belehrung" bestellt. Bei dieser Beleh rung" erklärte man thr: Wir wissen, daß Sie ins Ausland und zwar zu Ihrem Gatten nach Prag fahren wollen. Es steht dem auch nichts im Wege. Aber wir warnen Sie! Hüten Sie sich, auch nur die geringste gegen Deutschland oder die jezige Regierung gerichtete Aeußerung zu machen! Wir ha ben überall, auch in Prag , unsere Beobachter, die uns alles Derartige überbringen. Sie haben sich ja jetzt schon davon überzeugt, wie unser Dienst funktioniert. Bei der kleinsten Aeußerung können Sie niemals mehr nach Deutschland , in Ihr Heimatland zurück, ohne sofort verhaftet zu werden. Damit hat man ganz offiziell zugegeben, daß man überall im Ausland, auch in Prag , festangestellte Spione unterhält. Ja, die untergeordneten Organe! Nicht wahr, Herr Führer Hitler? 3 and toresd] TA

Man weiß zudem, daß ein Angriff auf Polen außerordent- Dieser Trotz chrt cuch!"

lich bedenklich wäre, weil weder Frankreich noch die Kleine Entente in diesem Fall ruhige Zuschauer bleiben würden. Gegen Rußland vorzugehen scheint oder schien wenigstens den frivolen deutschen Ostpolitikern weniger gefähr= Itch, weil sie damit rechnen oder rechneten, die fapitalistischen Regierungen Westeuropas an ihrer Seite zu haben und auch Bei den Polen Sympathien zu finden. Um diese Sympathien zu gewinnen, empfing Herr Hitler alsbald nach seinem Amtsantritt den polnischen Gesandten in Berlin und versicherte ihn seiner Vertragstreue. Deswegen auch hatte die neue Naziregierung von Danzig nichts Eiligeres zu tun, als in Warschau ihre Visitenkarte abzugeben und da mit die Hoffnungen auf die Wiedereroberung des Korridors und die Eingliederung Danzigs in das Dritte Reich zu zer­stören.

Aber das ganze Spiel ist allzu durchsichtig. Die russische Diplomatie hat sich sofort zur Wehr gesezt und, entgegen früher verkündeten Grundsägen, mit den andern Staaten des europäischen Ostens, ohne Rücksicht auf ihre anti­bolschewiftische Einstellung, Nichtangriffspatte abgeschlossen, die mit aller Dentlichkeit ihre Spitze gegen deutsche Ges lüfte richten.

Und besonders eng gestalten sich die Beziehungen an der pols nischen Republik, die klug genug ist, zu erkennen, daß eine unter deutschem Einfluß stehende Ukraine für sie eine um so größere Gefahr darstellen würde, als Polen dann in eine Zange deutschen Einflusses geriete. Diese Sorge war groß genug, um Warschau zu veranlassen, selbst dem sicher nicht ge­liebten früheren Polen Karl Radek den freundschaftlichsten und ehrenvollsten Empfang zu bereiten.

Wir stehen also vor einem neuen Fiasko nationalsozias listischer Außenpolitik. Jeder Versuch, sich nach irgend einer Seite hin Luft zu verschaffen, oder irgendwo Freunde und Verbündete zu gewinnen, schlägt grausam fehl.

Dieses Deutschland manövriert sich in eine immer größere Isolierung hinein. Es hat Desterreich von sich abgestoßen, es hat die Annäherung zwischen Frankreich und Italten her­beiführen helfen, es hat die freundschaftliche Hilfsbereitschaft Englands verscherzt, und jetzt hat es Polen und Rußland gegen sich zusammengeführt. Die Folgen dieses geradezu verbrecherischen Dilettantismus aber werden sich nicht nur auf dem eigentlich politischen, sondern vor allem auch auf wirtschaftlichem Gebiete geltend machen. Der Boykott deutscher Waren in den westlichen Ländern nimmt immer größeren Umfang an, und jetzt sprechen alle

Sie winseln um Arbeiterleser

H.

In Berlin hat man das Aushängeschild des nationalen Sozialismus" längst schon wieder abgehängt. In der Provinz wird es zum Zweck des Arbeiterfangs noch immer gebraucht. Vor uns liegt ein Flugblatt aus Kiel vom 28. Juni, in dem die Leser der früheren sozialdemokratischen Volks. zeitung" aufgefordert werden, ein gleichgeschaltetes Schund­blatt zu abonnieren, das pompös als Kampforgan für den deutschen Sozialismus" bezeichnet wird. In dem Waschzettel heißt es unter anderem:

"

Die vergangenen Wochen dürften Euch darüber Klarheit gegeben haben, daß es uns wirklich ernst und heilig ist mit der Durchführung des deutschen Sozialismu 3 und daß dieser deutsche Sozialismus tatsächlich marschiert .... die Ereignisse haben Euch gezeigt, daß wir aufrechte deutsche Sozialisten sind. So wie wir niemals daran gedacht haben, Eure Gewerkschaften zu zerschlagen(!), so wenig haben wir je daran gedacht, Eure Volkszeitung". die auch mit Euren Groschen erbaut wurde, zu enteignen. Gebäude und Betrieb der eingegangenen Volkszeitung" find heute Staats- und damit nach wie vor Euer Eigentum.(!!)

Um den Hohn voll zu machen, wird dann weiter immer von Ehrlichkeit" geredet und versichert, jeder ehrliche" Sozialist müsse sofort die ehrliche Nordische Rundschau" abonnieren.

Ob die Kieler Arbeiter auf diesen Schwindel hereinfallen werden? Der Verfasser des Lügenblattes scheint das selber nicht zu glauben, wendet er sich doch an die Arbeiter mit folgenden Worten:

Seit dem Tage, an welchem die Schleswig- Holsteinische Boltszeitung", Euer Organ, ihr Erscheinen einstellte, find die meisten von Euch ohne Zeitung. Diese Treue und dieser Trotz ehren Euch.

Der Flugblattverfasser gesteht also, daß die sozialistische Arbeiterschaft Schleswig- Holsteins der Sache der Sozial demokratie die Treue hält und der nationalsozialistischen Despotie gegenüber in troßiger Ablehnung verharrt. An dieser Treue und an diesem Troß werden seine Lügenkünste nichts ändern.

Anzeichen dafür, daß das für die deutsche Ausfuhr so wich- Die anderen

tige, Rußland seine Bestellungen immer mehr nach andern Staaten hinüber legen wird. Zuletzt werden die deutschen Arbeiter diejenigen sein, die die Folgen zu tragen haben. Gefälschte Arbeitslosenziffern werden sie über ihre Not nicht hinwegtäuschen können, und die verschärften Maßnahmen gegen jede oppositionelle Regung werden die Massen nicht an der Erkenntnis verhindern, daß ihnen unter dem Hakenkreuz nicht nur die Freiheit geraubt, sondern auch das Brot vom Munde weggenommen wird.

und dem Dritten Reich zwei Fälle

Man schreibt uns aus Prag :

Wer fann die Greueltaten, die Verbrechen zählen, die zwt Ychen Prag und dem erwachten Deutschland " spielen. Wie­viele mag es aber noch geben, von denen die Oeffentlichkeit nichts erfährt? Nur durch Zufall gelingt es, hie und da ein besonders brutales Geschehen an das Licht der entsetzten Al­gemeinheit zu zerren. So etwas, was auszudenken nur ge­meingefährlichen Wahnsinnigen vorbehalten ist, etwas, vor dem ein normaler Mensch fassungslos steht, das man nicht glauben möchte, wenn nicht unwiderlegbare Beweise die Wahrheit verbürgen würden, hat sich vor kurzem abermals ereignet.

Es betrifft ein altes Prager Ehepaar, tschechoslowakischer Staatsangehörigkeit. Der einzige Sohn der Leutchen war seit Jahren in Deutschland ansässig und hat sich dort naturali­sieren lassen. Er betätigte sich politisch und hat sich als Jude und Linksradikaler bei den Stüßen des Dritten Reiches " selbstverständlich sehr mißliebig gemacht. Das Schicksal vieler Zehntausender, die den Konzentrationslagern überwiesen" wurden, ward auch ihm zuteil.

Die alten Eltern in Prag hörten wochenlang nichts von ihrem einzigen Kind. Sie machten die Behörden mobil, auch die tschechoslowakischen, aber es war alles vergebens. Schließlich erfuhren sie aber doch, daß ihr Sohn in dem fächsischen Konzentrationslager bei Grünhainichen saß. In ihrer Naivität machten sich die alten Leute auf, um den Sohn zu besuchen und vielleicht seine Freilassung zu bewir­fen. Sie fuhren zu dem Konzentrationslager hin, ließen sich bei dem Lagerkommandanten melden, wiesen sich als tschecho­slowakische Staatsbürger aus und baten ihn, das einzige Kind frei zu geben. Sie versicherten dem Führer", daß sie sofort mit ihrem Sohn über die Grenze fahren würden, daß er sich nicht mehr politisch betätigen und über Deutschland und das regierende Regime nichts Nachteiliges veröffent­lichen würde.

Der Lagerkommandant ließ das bedauernswerte Paar ruhig zu Ende sprechen und schwieg. Da die Eltern das als Ablehnung auffaßten, baten ste, man möge ihnen ihr Kind wenigstens einmal zeigen.

" Sie sollen ihn sogar gleich mitnehmen", erklärte da der Herr" Kommandant und hieß das Elternpaar warten. Er verschwand und kehrte nach einer Viertelstunde mit vier

SA.- Leuten, die einen Sarg trugen, zurück. Den Sarg stellte man vor die alten Leutchen hin und der Kommandant sagte: Hier haben Sie Ihren Sohn. Sie können ihn sofort mit­nehmen. Den Sarg aber( es war ein Zinksarg) dürfen Sie nicht öffnen. Die Leiche wird hier beerdigt. Sollten Sie aber den Wunsch haben, Ihren Sohn noch einmal zu sehen, wozu Sie ja den Sarg aufmachen lassen müßten, so wären wir ge­zwungen, Sie beide hier im Konzentrationslager fest­zuhalten."

Was blieb den unglücklichen Eltern anders übrig, als den ihnen vor die Füße gestellten Sarg von dem eiligst herbeige­holten Rabbiner einsegnen und an Ort und Stelle beisezen zu lassen?

Jeder Kommentar zu dieser Sache ist überflüssig!

Ein anderer Fall: Seit mehreren Wochen hält sich in Prag ein emigrierter Arzt aus Köln auf. Er war dort an einem Krankenhaus angestellt und entlassen worden. Seine Frau ließ er noch zurück. Sie sollte einstweilen alles für den Umzug vorbereiten und dann nachkommen. Einige Tage später wurde die Frau in Köln in Schußhaft" ge= nommen. Man warf ihr vor, daß sie vor einem Jahr in einer Gesellschaft geäußert hätte, man müßte den Hitler auf­hängen.

Wochenlang saß die Frau im Gefängnis, bis es ihr durch Protektion gelang, die Freiheit wieder zu gewinnen. Aller­

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wird von Gewerbetreibenden in Brüssel mit feinem Kundenkreis wegen Ver­größerung gesucht

Briefe unter Mitätig" an die Expe dition dieser Zeitung erbeten

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Schreibmaschinen,

neu u. gebraucht, auf Teilzahlung in monatlichen Raten von Fr. 40 Unverbindliche Vorführung. Zuschriften unter Nr. 32 an die Geschäftsstelle dieses Blattes erbeten

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für Flüchtlinge, die arbeiten wollen. Kollektionsnach nahmepaket Fr. 100. Garantiert gangbarer Artikel zum Engros Preis. Bei Nicht zusagen wird Geld zurückerstattet. Bestellungen sind zu richten an Etbl. Sadose, Paris , 88, rue de Faub. Poissonnière

mögen verhungern

Der Bürgermeister von Schmalkalden hat angeordnet, baß Arbeitslose, die marristischer Gesinnung verdächtig sind, keine Unterstützung mehr erhalten. Dasselbe wird aus anderen deutschen Städten berichtet.

In Bayern probiert man eine andere Methode der Aus­Hungerung durch. Der Präsident des bayerischen Landes­arbeitsamtes fordert Bevorzugung der SS. und SA. bei allen Stellenbeseßungen. Gegen Arbeitgeber, die Ange­hörige der aufgelösten Parteien und Organisationen ein stellen und damit die Unterbringung der braunen Präto­rianer zu sabotieren versuchen, werde mit den allerschärfsten Mitteln vorgegangen" werden.

Tönend verhieß Hitler einst allen Arbeitern Freiheit, Arbeit, Brot. Da es eine Lüge war, muß er jeßt seine Parteianhänger versorgen, sonst knüpfen sie ihn auf. Also mögen die anderen Deutschen verhungern. Wer im Wege steht, ist einfach marristischer Gesinnung ver dächtig..." Noch nie hat es in der neueren Geschichte eine Bewegung gegeben, die so heuchlerisch mit Idealen prozte und so partei materialistisch war wie die des Haken­freuzes.

Gute Gelegenheit

Durch das Ausscheiden jüdischer Aerzte ist in günstiger Lage Neuköllns gute Niederlassungsmöglichkeit für deutschen Arzt gegeben. Anfragen unter...( Groß- Berliner Aerzte­blatt, 20, 1933.)

Post hängt Hitler auf

Die enge Verbundenheit der deutschen Reichspost mit der Person des Reichskanzlers Hitler soll, nach einer Anord­nung des Reichspostministeriums, auch äußerlich dadurch dargetan werden, daß in den wichtigsten Diensträumen Bilder Hitlers aufgehängt werden sollen.

Verantwortlich: für die Redaktion Joh. Piz; Inserate Otto Kuhn, beide in Saarbrücken . Druck und Verlag: Volksstimme" G. m. 5 H.. Saarbrücken , Schüßenstraße 5. b

Französische Weberei

sehr gefragter Spezialartikel, sucht Kapital zum weiteren Ausbau.

Referenzen, Antwort:

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Marigny, 7, avenue Foch , Paris ( XVI³)

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