Der Nürnberger Judenpogrom

Rohheitsakte- Zusammenstöße mit der Reichswehr

Nürnberg , 28. Juli. ( Eigener Bericht.)

Die Demonstrationen und die Gewaltakte gegen jüdische Geschäfte und jüdische Passanten auf den Straßen nehmen immer noch ihren Fortgang; am Sonnabend nachmittag sind, wie gemeldet wird, nationalsozialistische Trupps in zahl reichen Fällen

in die Privatwohnungen jüdischer Fami: lien eingedrungen, haben die Einrichtuns gen demoliert und die Insassen verhaftet. Es handelt sich hier ohne Ausnahme um Personen, die po litisch niemals hervorgetreten find, denen lediglich ihre Zugehörigkeit zum Judentum zur Last gelegt wer= den kann Wohin die Verhafteten transportiert wurden und was mit ihnen geschehen ist bzw. geschehen soll, ist nicht zu er­fahren, da die Polizeibehörden jede Auskunft verweigern; die wildesten Gerüchte durchschwirren Nürnberg , man spricht davon, daß viele Juden ermordet worden sind.

Das Standortkommando der Reichswehr hat den Reichsstatthalter für Bayern , Ge= neral von Epp, die Reichsregierung und den Reichspräsidenten telegraphisch von den Vorfällen, deren Umfang und deren Art über das in der Auslandspresse veröffent lichte Maß weit hinausgehen, unterrichtet und hat dringend um Abhilfe gebeten. Nach einer anderen Meldung, für die eine Bestätigung je doch bisher nicht zu erlangen gewesen ist, hat das Reichswehr­fommando die Verhängung des militärischen Ausnahmezus ftandes für Nürnberg gefordert. Tatsächlich aber durchziehen jeit Tagen zahlreiche Patrouillen der Reichswehr , ausge= rüftet mit Stahlhelm, Gewehren und Handgranaten, die Hauptstraßen Nürnbergs und Fürths.

Sierbei kam es in Fürth zu einem blutigen Zusammenstoß zwischen einer Abteilung der Reichswehr und demonstrierenden Na: tionalsozialisten, bei der das Militär, in Notwehr gebracht, von der Schußwaffe Ge= brauch zu machen gezwungen war. Fünf Na= tionalsozialisten wurden verlegt, darun= ter zwei schwer.

Nach einer weiteren Meldung hat das Standortkommando der Reichswehr die sofortige Absegung des örtlichen Führers der Nationalsozialisten, des Abgeordneten Streicher, der die Vorfälle planmäßig inszeniert habe, und das Verbot des Streicherschen Standalblattes, des Stürmer", gefordert. Der Bayrische Innenminister hat durch Polizeifunt ein Verbot an die gesamte Presse in Bayern erlassen, über die Vorgänge zu bes richten.

..Ich bin der Jude NN.!" Hinter ihnen Gummiknüppel und Lederpeitsche!

Von besonderer Seite, die ebenso kompetent wie glaubwürdig ist, wird uns über den Beginn der immer noch andauernden Judenverfolgung in Nürnberg Folgendes geschrieben:

Am 20. Juli wurden in Nürnberg 800 der angesehenen jüdischen Bürger- Aerzte, Kaufleute, Rechtsanwälte, Wirte schaftsführer ohne jeden Grund verhaftet, zusammengetrieben, entwürdigend behandelt, z. T. geschlagen und im Laufe des Tages wieder entlassen. Nachstehend einige Einzelheiten über den Vorgang. Früh in der 6. Stunde erschienen in den Wohnungen SA.- Leute,

veranstalteten Haussuchungen, die ohne Ausnahme ergebnislos vers liefen, und führten die Hausherren unter starker Bewachung ab. Die Verhafteten wurden gesammelt und nach stundenlangem Warten auf den Straßen und Pläzen der Stadt in einzelnen Gruppen wie Verbrecher abgeführt. Eine Gruppe kam auf einen Sportplatz, ber 6. 3. als SA. - Lager eingerichtet ist.

Dort gestaltete fich die Begrüßung" jedes Einzelnen etwa wie folgt:

Strammgestanden! Wie heißt Du?

NN.

Du haft nachzusprechen: Ich bin der Jude NN." Dann wurde Arbeitsdienst" und Ererzieren vers anstaltet.

Die Verhafteten unter ihnen Herzleidende, Kriegsbeschädigte mit Beinprothesen, alte Männer von 60, 70 Jahren und darüber mußten

in der Sonnenglut Badsteineschleppen, Parade. marsch, Dauerlauf und Niederlegen Sprung aufmarschmarsch" üben, während SA.- Autreiber mit Gummiknüppeln und Lederpeitschen dafür sorgten, daß keine Müdigkeit anffam.

Niemand durfte um sich blicken, denn jeder sollte nur die eigenen Mißhandlungen fühlen, aber nicht die der anderen sehen. Trotzdem wurde mancherlei festgestellt.

In einer Barade wurden besonders Auserkorene verprügelt. Man sah die Bedauernswerten nach der Prozedur herauswanken; sie hatten z. T. das Hemd noch nicht wieder über den mit blutigen Striemen bedeckten Oberkörper gezogen. Wer mit den Schlägen nicht ganz einverstanden war, mußte zur Strafe in der glühenden Size noch einige Schnellanfrunden um die Aschenbahn machen. Einem jüngeren Manne wurde wieder und wieder mit der Faust ins Geficht geschlagen.

Andere mußten sich anf den Boden legen und mit den Zähnen Gras ausreißen. Nachdem so die körperliche Ertüchtigung ausreichend gefördert war, wurde in Marschkolonne angetreten, und nun gings in strammem Marsch durch die mittaglich belebten Straßen der Stadt. Die Reattion des Publikums war sehr verschiedenartig. Es gab Passanten, die beim Anblick dieses schmachvollen Aufzuges hochangesehener Mit­bürger empörte und entsetzte Geften machten, aber natürlich kein Wort des Einspruchs wagen konnten. Andere riefen höhnisch: Gott der Gerechte!" oder Schlagt sie tot!".

Den Verhafteten war gesagt worden, sie sollten in die Hölle von Dachau gebracht werden. Aber man führte sie nur ins Polizeis präsidium. Hier wurde jeder Einzelne durch Beamte der regulären Velizei verhört, wobei auch die erlittenen Mißhandlungen zu Protokoll genommen wurden. Der Ton war hier durchaus höflich. Sofort nach der Vernehmung durfte jeder nach Hause gehen, denn gegen keinen einzigen lag ja auch nur der geringste Verdacht einer ungesetzlichen Handlung vor.

Was war geschehen? Die Polizei( und die Reichswehr ! D. Red.) hatte fich offenbar ins Mittel gelegt und an höherer Stelle durch­gesetzt, daß der Aktion,

die anscheinend nur zur Beschäftigung und Be. Inftigung der A. diente,

ein Ende gemacht wurde. Während noch am Morgen das Ueberfall­

kommando, das vielfach von den Ehefrauen der Verhafteten zum Schute ihrer Männer angerufen worden war, ein Eingreifen mit der Begründung, es handle fich um eine politische Aktion", abge

lehnt hatte, war es jetzt um die Mittagstunde der Polizei gelungen,

der SA. ihre Opfer zu entreißen. Die Beamten machten feinen Hehl

barang, bah fie dag ganze Borgehen der A. mißbilligten. Das

..Todesstrafe!"

Verhör sollte zum Schluß nur noch den Anschein der Gesezmäßigkeit wiederherstellen.

Es dürfte noch von Interesse sein, daß die SA- Vente wiederholt unfreiwillig ihre unzufriedenheit mit dem eigenen Schicksal zu erkennen gaben.

Für Bekämpfer des Hitler - Regimes

Berlin , den 28. Juli 1983.( Eig. Bericht.) Auf Vorschlag des preußischen Ministerpräsidenten Göring hat die Reichsregierung ein Sondergesetz erlassen, nach welchem gegen deutsche Staatsbürger, die vom Ausland her die deutsche Regierung bekämpfen und deren Autorität in gefährden bestrebt find, wegen Hochverrats eingeschritten werden und in Abwesenheit" die Todesstrafe verhängt wer= den kann.

Aber die Mörder werden begnadigt!

15. Juli ,, Stichtag"

Der Amtliche Preußische Pressedienst fündigt ans Anlaß der Beendigung der nationalsozialistischen Revolution" einen besonderen Gnadenerlaß für die SA. und SS. an, wonach man diesen für alle Straftaten, die sie bis zur Beendigung der Revolution, d. h. bis zum 15. Juli bes gangen haben( ganz gleich, ob das Mord, Raub, Tots schlag, Bandendiebstahl, Mihhandlung,

Körperverlegung, Freiheitsberaubung usw. war!), Straffreiheit gibt!

Das hat man bereits erwartet! Aber das Interessanteste ist der Schlußsaß, der feststellte, daß diese Maßnahmen nicht Straftaten betreffen, die nach dem 15. Juli 1983 begangen find oder begangen werden sollten!

Damit ist also jedem SA.- und SS.- Mann mit aller Dent: lichkeit gesagt, daß seine Verbrechen solange straffrei blieben, als er das Schwertapital und die Großagrarier wieder zur

Der Arierschwur

Laut Justizministerialblatt Nr. 159 haben die preußischen Justizbeamten, sofern sie dazu in der Lage sind, folgende Erklärung abzugeben: Ich versichere hiermit dienstlich: Mir find trotz sorgfältiger Prüfung feine Umstände bekannt, die die Annahme rechtfertigen könnten, daß ich nicht arischer Abstammung sei; insbesondere hat keiner meiner Eltern­oder Großelternteile zu irgendeiner Zeit der jüdischen Religion angehört. Ich bin mir bewußt, daß ich mich dienst­strafrechtlicher Verfolgung mit dem Ziele der Dienst­entlassung aussetze, wenn diese Erklärung nicht der Wahrheit entspricht."

unumschränkten Herrschaft brachte. Nachdem diese aber wieder an der Macht sind, sind sie entschloffen, auch gegen diese ihre Kulis vorzugehen, wenn fie fich einfallen lassen sollten, oder Bolschewismus" zu machen. " Sozialismu s

Göring schwelgt im Blut"

Sagt der Pariser ,, Rempart"

In der richtigen Gesellschaft!

Der frühere deutsche Kronprinz bei dem Nazi- Sportkom­missar von Tschammer- Osten. Beide als Zuschauer auf der Avus- Bahn. Jest wissen die SA. - Leute doch wenigstens, für wen sie die sogenannte nationale Revolution" ge= macht haben und weshalb Göring jezt gegen sie Galgen­gesetze und Todesstrafen verordnete!

Mutige Bürger

Protestbrief

an den Hamburger Oberbürgermeister

Hamburger Bürger richteten an den Oberbürgermeister Krogmann von Hamburg , der zugleich Führer der deutschen Delegation auf der Londoner Wirtschaftskonferenz war, einen Brief, in dem sie die bestialischen Methoden der Ham: burger Polizei und Hilfspolizei darstellen. Sie beschreiben, wie die Spezialabteilungen der Polizei im Hamburger Rathaus, Zimmer 254-256, einen Mann namens Edgar Andre schwer mißhandelt haben, wie dann der bereits bewußtlose Andre auf den Flur geworfen und dort fast zu Tode getrampelt wurde, wie ein kommunistischer Funktionär Anton Saeffow schwer mißhandelt wurde, wie ein junges Mädchen namens Annemarie Jacobs auf das entblößte Hinterteil geschlagen wurde, wie Geiseln genommen wurden, auch Kinder und vor allem, wie im Hamburger Tageblatt " diese sadistischen Uebungen der SA. unter den Vers gnügungsanzeigen beschrieben wurden.

Braunes Beamtenrecht gegen die Frauen

lichen Geschlechtes in wichtigen Punkten praktisch außer Kraft Die Regierung Hitler hat die Gleichberechtigung des weib­gesetzt. So bestimmt das neue Beamtenrecht, daß der Zeitpunkt, in dem eine Beamtin des Reiches definitiv und unkündbar wird, auf das fünfunddreißigste Lebensjahr hin­aufgesetzt wird. Für die männlichen Beamten ist eine solche Beschränkung nicht eingeführt worden. Diese Sonderstellung der weiblichen Reichsangestellten ist sehr bedenklich, gibt sie doch den Behörden den Freibrief willkürlicher Kündigungen in die Hand. Dadurch gelangen die Frauen auch viel später als die übrigen Angestellten des Reiches in den Genuß der Pensionsberechtigung und erleiden auch, was Beförderung und Rangsreihung betrifft, zahlreiche schwerwiegende Nach­nicht bewenden! Es setzt mit einem Federstrich den Absatz 2 teile. Damit läßt es aber das deutsche Reichskabinett noch bestimmt wird, daß weibliche Beamte für gleiche Leistung des Artikels 128 der Reichsverfassung außer Kraft, in dem genau soviel Gehalt zu erhalten haben wie ihre männlichen Kollegen in gleicher Stellung und unter gleichen sonstigen Voraussetzungen. Diese Maßnahme bedeutet ebenso eine schwere moralische Ungerechtigkeit wie eine erhebliche mate­rielle Schädigung der weiblichen Beamten.

Paris , den 28. Juli 1933.( Eig. Bericht.) Tolle Preiserhöhungen

Der Rempart" beschäftigt sich eingehend mit der gegen­wärtigen Lage in Deutschland . Nach Ueberzeugung der sehr einflußreichen Zeitung haben die jüngsten Geseze die außer ordentliche Schwäche der Regierung Hitler enthüllt. Der Rempart" schreibt dann wörtlich:

Wer regiert in Deutschland ? Der Henter!- Eine Unzahl von neuen Gefeßen hat der Metzger Göring ers laffen. Alle diese Geseze haben einen gemeinsamen Re: frain: die Todesstrafe. Wenn sich irgendwo und irgendwie ein vermeintlicher Gegner des Hitlerismus zeigt, dann fann er bestraft werden, unbesehen: Todesstrafe. Wenn in den Straßen ein Hitlermann scharf angeschaut wird, dann fann er sich einbilden, er solle angegriffen werden. Erfolg: Todesstrafe. Wenn jemand die Grausamkeiten des Hitleris mus Grausamkeiten zu nennen wagt: Tadesstrafe. Das deutsche Volt, soweit es überhaupt noch flar zu sehen wagt, wird immer nur den Henker sehen, wird immer nur abge= schlagene Köpfe sehen. Herr Göring schwelgt im Blut. Herr Göring berauscht sich im BInt. Herr Göring schwimmt im Blut."

Unterdrückte Friedensarbeit

" Die Deutsch - Französische Gesellschaft", die bekannte Bers einigung repräsentabler Deutscher und Franzosen , die von beiden Ländern offiziell unterstüßt wurde und als besondere Verständigungs- Aktion gedacht war, ist automatisch zugrunde Berständigungs- Aktion gedacht war, ist automatisch zugrunde gegangen. Die deutschen Mitglieder find entweder verhaftet oder flüchtig, Dr. Grantoff und Dr. Gesell, die beiden geschäftsführenden Deutschen und Herausgeber der Deutsch- Französischen Rundschau" haben nunmehr auch die

Die Baustoffsyndikate wuchern

Die Frankfurter Zeitung " berichtet refigniert:

Seit dem Winter 1933 sind die Preise verschiedener wich­tiger Baustoffe mehr oder weniger stark gestiegen. Das iſt zum Teil eine Saisonerscheinung, die sich auch in früheren Jahren abgezeichnet hat. In diesem Jahre kommt hinzu, daß die verschiedenen Arbeitsbeschaffungsprojekte die Bautätigkeit insgesamt belebt haben, so daß die Nachfrage nach Baustoffen merklich wuchs. Die Nachfrage und damit auch die Preise waren allerdings in den früheren Jahren schlechter Konjunktur stark zurückgegangen, wie das den Marktgeseßen entspricht. Wenn jetzt die Bewegung sich um­kehrt und mit der erhöhten Bautätigkeit auch die Preise sich von ihrem Tiefstand erholen, so wird man hierin im allgemeinen auch nur die Auswirkung desselben Marktgesetzes zu er­blicken haben. Die Frage ist nur, in welchem Ausmaß die Preissteigerungen erfolgt sind. Die Gefahr besteht gewiß, daß überhöhte oder gar spekulative vorweggenommene Preis­steigerungen die Ankurbelungsversuche am Bau­markt beeinträchtigen tönnten; denn jede unbegründete oder übertriebene Preiserhöhuna fann den raffaft Sa... förderung schmälern. Nach Mitteilungen des Rheinisch- West­Westfälischen Baugewerbeverbandes in Gen frei Baustelle in den ersten 5 Monaten 1933 gestiegen: für Kies von 4,20 auf 6,50 pro Kubikmeter, für Rheinsand von 4,70 auf 7,25, für baumkantiges Bauholz von 29 auf 39, für scharftantiges Bauholz von 36 auf 47 und für Zementfalt ( 10 To.) von 179 auf 192 RM.

Grenze überschritten, fie mußten zuletzt den Schuß einer aus Alle Frauen gekündigt

wärtigen Diplomatie in Anspruch nehmen, um außer Landes gehen zu können. Damit ist auch die französische Sektion zu fammengebrochen.

Auf Antrag der NSDAP . hat die Stadt Mettmann be­schlossen, sämtlichen bei der Stadtverwaltung und bei der Sparkasse beschäftigten Frauen zu kündigen.