Deutsche Stimmen

Feuilletonbeilage der Deutschen Freiheit"

Ereignisse und Geschichten

Sie sitzen am braunen Bronnen Stechschritt- Professoren

Hans Heinz Vampir und Bienchen Maja

1. ,, Meine Mutter war untceu..

Einer der feinsten Aciec

Der Arierparagraf des Dritten Reiches ist im Interesse der Rassenreinheit sehr streng. Ist die Mutter Christin, der Vater aber Jude, so ist das aus dieser Ehe hervorgegangene Kind ein Bastard", ein Judenstämmling, ein verachtens­wertes Individuum- mit einem Worte ein Staatsbürger zweiten Ranges. Aber auch in diesem Falle besteht eine Möglichkeit, daß der Sproß aus einer solchen Mischehe zu einem vollwertigen Bürger avanciere, wenn er nämlich die notwendige Gemeinheit besitzt, die einen jeden echten Nationalsozialisten auszeichnet.

Arnolt Bronnen , der Verfasser einiger schlechter Kriegsromane, ist seit einigen Monaten, seit der Machtüber­nahme durch Hitler , ein überzeugter Nationalsozialist. Er verstand es auch, im Münchener Braunen Haus Fuß zu fassen, ja selbst in Hitlers nähere Umgebung einzudringen und ein Vertrauensmann des Hunnenkönigs zu werden.

Seine Karriere schien im Dritten Reich gesichert zu sein, aber da passierte ihm ein kleines Unglück. Es kam der berüchtigte Arierparagraf und die Aktion zur Ausrottung der Judenstämmlinge machte selbst vor dem Braunen Hause nicht halt. Auch Arnolt Bronnens Rassenreinheit wurde einer näheren Untersuchung unterzogen, und da kam alles Bro Tageslicht. Es stellte sich einwandfrei heraus, daß Arnolt

ans

Bronnen mit seinem bürgerlichen Namen Arnolt Bron­ner heißt und daß er aus Mährisch- Ostrau stammt. Seine Familie besteht aus lauter reichen jüdischen Schnapsfabrikanten. Seine Mutter ist allerdings eine Christin. Aber was tuts? Bronnen mußte das Braune Haus mit Schimpf und Schande verlassen.

Arnolt Bronnen war tief unglücklich. Sein national­sozialistisches Herz schlug immer stärker und stärker und er wollte nicht einsehen, warum er, ein seit sechs Monaten über­zeugter Nazi, nun plößlich ein als im Dritten Reiche ver­achteter Jude sein Leben bis zu dem unausbleiblich nahen Tode weiterfristen soll.

Er sann nach Abwehrmaßnahmen, und endlich nach zwei Monaten langem Grübeln hatte er eine Idee, vor dessen Gemeinheit selbst die Herren des Dritten Reiches den Hut zogen.

Er suchte die zuständigen Stellen auf und gab eine ganz eigenartige, an Gemeinheit unübertreffliche Erklärung ab. Er erklärte eidesstattlich, daß er, wenn auch sein Vater ein Jude ist, dennoch ein reinrassiger Arier sei, denn... Und nun sprach er ganz im Sinne von Hunnen- Deutschland:

Seine Mutter hätte seiner Zeit die eheliche Trene nicht immer gehalten; sie hätte die Ehe neun Monate vor seiner Geburt mit einem reinraffigen Arier gebrochen. Der Sproß dieses Ehebruches sei er- Arnolt Bronnen .

Er ist also ein reinrassiger Arier und als solcher hat er das Recht, im Dritten Reich eine Führerstellung einzunehmen.

Nun war der Tatbestand sonnenklar. Hitler und seine Henkersknechte sahen reumütig ein, daß sie nicht das Recht hatten, an Arnolt Bronnens Ariertum zu zweifeln und nahmen ihn wieder in ihrer Mitte auf. Der Mann, der seine Mutter öffentlich des Ehebruchs bezichtigt, um sich dadurch Vorteile zu schaffen, ist entschieden würdig, ein Führer des Dritten Reiches zu sein.

SD 21osion stb

ser beiden Rassen sehr erwünscht, sowohl für uns Deutsche, wie für die Juden."

" Ich bin durchaus fein Chauvinist, ich habe vielmehr mei­nen Patriotismus erst auf langen Reisen in allen Weltteilen erworben, ja, ich muß sagen, daß ich mich gegen eingefleischte humane Menschheitsgedanken" erst in Jahren zu meinem Deutschtum durchgekämpft habe. Die einzige Rasse aber, die ich der meinen als gleichberechtigt anerkennen muß, ist die jüdische."( Seite 37.)

Es ist durchaus kein Zufall, daß gerade die geistig hoch­stehenden Deutschen sich so oft zu Jüdinnen hingezogen füh­len, während umgekehrt die kulturell entwickelten Juden sich physisch wie psychisch der blonden Germanin zuwenden; bei den Frauen ist das ganz ebenso. Die Entwicklung geht ganz von selbst vor sich, und sie ist, da die Natur sie will, ganz gewiß erwünscht. Da sie nun einmal da ist, so soll man ihr alle Wege ebnen, nicht aber, wie es wohl oft genug geschieht, thr Steine und Knüppel vor die Füße werfen."( Seite 38.) So schrieb Hans Heinz Ewers damals. Dazumal spielte er noch mit Alraune, saugte mit Vampiren und saß mit Jüdin­

Jm Berliner Grunewald veranstalteten die Uni. versitätsprofessoren gemeinsam mit den Stu­denten einen Gepäckmarsch in Uniform.

Und wenn der ganze Erdball lacht: Das Hakenkreuze durchgedrüdt, Marschiert der Vollbart in die Schlacht- Und scht, wie es vortrefflich glüdt!

*

So wird die Sehnsucht doch gestillt Die stumm in seinem Herzen ruht, Der Untertan figt ungefillt In seinem rassenreinen Blut.

Was stört ihn Geist und was Kultur? Die Brust heraus, den Bauch hinein. Der Stechschritt wird zur Badekur Für so ein Stubenhockerschwein! Gepäckmarsch, durchgedrückter Schritt­Die Professoren sind erwacht", Sie schleppen ihre Schande mit Gepäck, das niemand Ehre macht!

nen beim Tee. Heute ist er raſſiſch ertüchtigt und ergießt sei. Ohne Marx geht es nicht

nen grausamen Kitsch in die stets offenen Becher national­sozialistischer Legenden, die das Ohr der Zeit und die Münze der Konjunktur besitzen.

3. Bonsels summt ums Kunnenkreuz

Der zarte Lyriker hat Sinn für den Gummiknüppel

Die gleichgeschalteten deutschen Schriftsteller haben in Wal­ demar Bonsels einen neuen Geistesverkünder der brau­nen Barbarei erhalten. Dieser lyrisch verträumte Aesthet galt bisher als viel zu differenziert und vornehm, um in die plebejischen Niederungen politischer Erkenntnisse hernieder zusteigen. Da nun im Dritten Reich ein Kulturmanschen­tentum" erwacht ist, erwacht im warmen Süden auch der Dichter der Biene Maja", beginnt seine parfümierten Hemd­ärmel hochzustreifen, um sich mit hinterhältiger- treuherziger

Ec bleibt in wissenschaftlichen Bibliotheken

Feg.

Wie der Amtliche Preußische Pressedienst mitteilt, hat der

Preußische Stultusminister in einem an die Univerſitäts -,

Hochschul- und Akademiebibliotheken gerichteten Runderlaẞ darauf hingewiesen, daß für die wissenschaftlichen Bibliothe= ten die Beschlagnahme oder Vernichtung jüdischer oder marristischer Literatur nicht in Frage kommt. Der Ausleihung dieser Literatur soll aber in Zukunft besondere Aufmerksamkeit zugewendet werden. Sie darf nur noch er­folgen, wenn der Entleiher den Nachweis führt, daß er die Bücher zu ernster wissenschaftlicher Forschungsarbeit benötigt. Auch der preußische Minister des Innern hat den Gemeinden und Gemeindeverbänden hinsichtlich ihrer wissen­schaftlichen Büchereien entsprechende Anweisung gegeben.

Biederfeit im Hakenkreuz- Proletarischen" den Nazioten Arbeitersänger nicht gleichgeschaltet

vorzustellen. Er. fißt fern vom Brennpunkt der Geschichte" auf Capri , der Insel der gleichgeschalteten Seligen, und hat keine Ahnung von der Kerferlust der Konzentrations lager. Aber vielleicht erhebt er gerade deswegen seine lyrische Stimme. In einem Artikel der Berliner Kreuz- Zeitung ", Vorstoß und Auswirkung" betitelt, versucht der selt­same März, sozialist" in aktuellem Tiefsinn zu machen.

Er sei, so schreibt Bonsels , durch zahllose Zuschriften( aus gerechnet den Vergessenen auf Capri haben sich die Unbe­fannten ausgesucht) zu einem flammenden Protest aufge­fordert worden; der Ungeist verdränge den Geist, deutsche Kulturgüter seien in Gefahr, das Mittelalter fehre zurück. Gerade das Gegenteil werde ich tun", heißt es unmittelbar darauf.

Und dieser Schriftsteller in den Reihen der Konjunktur­ritter hat wohl im Bölkischen Beobachter" von dem mit: telalterlichen Herentanz um die Scheiterhaufen der deut schen Kultur" gelesen, benn er nennt diese Maßnahmen jugendlicher Gemüter eine Proklamation, eine symbo lische Handlung, eine Kundgebung der Heraufdrängenden, das Echte, Wahre und Erhabene hochzustellen und das Nich tige und Schädliche in der Literatur zu verdammen". Der beliebte Waldemar scheint also seine Leute zu kennen und weiß, daß sie die ganze schöne Literatur nicht freut, wenn

2. Vampic, zu Jüdinnen hingezogen fie fie nicht auf einen Scheiterhaufen werfen können. Ja­

Der Fundvogel des Dritten Reichs

"

Hans Heinz Ewers , Autor der Romane Fundvogel" und Vampir" und der nur auf Geilheit spekulierenden Al­raune" aber auch des von Hitler approbierten Horst Wessel " Romans , einer der widerlichsten Konjunktur­ritter des Aufbruchs ins Dritte Reich", dürfte wohl nicht

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gern an einen Aufsatz erinnert werden, den er in dem Buch " Judentaufen", in dem Werner Som bart im Jahre 1912 eine Reihe von Aufsäßen über dieses Thema( bei Mül­Ier, München ) veröffentlichte, der Ewigkeit überließ. Damals schrieb Hans Heinz Ewers noch ganz anders, und wir wollen mit einigen Proben die Erinnerung auffrischen:

Und mich deucht, daß das Beispiel der beiden Dichter und ihrer Kinder zur Evidenz beweist, wie völlig gleich­berechtigt die germanische und die jüdische Raffe ist, wenn schon ein Tröpflein Blutes genügt, dem Rassegefühl Ans: druck zu verleihen." " So erscheint mir die möglichst enge Assimilation die:

Der Zusammenstoß

Ort der Handlung: Gerichtssaal. Publikum sitt gelangweilt da und folgt den Vorgängen vor dem Rich­tertisch ziemlich teilnahmslos. Die meisten kamen, um der für 10.30 Uhr anberaumten Verhandlung über den Zusammenstoß auf der Untergrundbahn beizuwohnen. Endlich ist es so weit. Der Gerichtsdiener ruft: Willy Lehmann und Genossen. Und herein strömt be­sagter Willy, gefolgt von ein paar Männern, denen man es sofort anmerkt, daß sie Beamte des Dritten Reichs sind. Nicht nur an den mostrich- braunen Uniformen... Gedrückt, verprügelt, getreten naben sie sich dem Richter­tisch. Nach Aufnahme der Personalien beginnt die Ver­handlung.

Staatsanwalt: Willy Lehmann , Sie wissen, was Ihnen zur Last gelegt wird. Sie haben den Zug Nr. 30 74 durch Unachtsamkeit, ja durch grenzenlose Leichtfertigkeit zum Entgleisen gebracht. Im Dritten Reich ist für solchen, dent­scher Wesenart völlig fremden Leichtsinn fein Raum Danken Sie Ihrem Schöpfer, daß das Rasseamt eindeut festgestellt hat,...

so sind sie, die auf hohen Kothurn einherstelzenden Aesthe­ten Menschen, die noch jeder Entscheidung feige ausgewichen sind. Menschen, die noch immer vornehm näselnd im Hinter­grund sich unterhielten, während die wahren Repräsentanten der deutschen Geistigkeit ihre ganze Person für das einsehen, was sie als wahr und notwendig erkannt hatten. Nachdem Waldemar Bonsels , in befohlener Gesinnung

Der Deutsche Arbeitersängerbund in Berlin ( DAS.) mit seinen 130 000 Mitgliedern und einer vierzigjährigen, groß­zügigen und erfolgreichen Sulfurarbeit hat zu bestehen auf­gehört. Das Kultusministerium hatte dem DAS. die Gleich­schaltung angetragen, das Aufgehen in die staatliche Sänger­bewegung, die natürlich nur hakenkreuzlerischer Prägung sein darf. Während der Deutsche Sängerbund mit fliegenden Fahnen übergegangen ist, hat es der DAS. einstimmig abgelehnt, sich gleich schalten zu lassen. Da aber ein weiteres Arbeiten im Interesse des Kulturlebens der Arbeiter im Deutschland der Konzentrationslager und Ker­fer nicht mehr möglich ist, wurde gleichzeitig die Liquidation des DAS. beschlossen. Damit hat dieser den in dieser Situa­tion für Sozialisten einzig gangbaren Weg gewählt und ist in Ehren gestorben.

Wenige Wochen Hitlerismus haben einer glänzenden Be­wegung im deutschen Kulturleben ein Ziel gesetzt- vorläu fig, bis auf weiteres.

Die Arbeiter werden sich ihr eigenes Kulturleben wie­dererobern, nicht nur in ihrem Interesse, sondern in dem für die gesamte Menschheit.

Schauspielertournee verboten

Eine Auslandstournee von Schauspielern der preußt. schen Staatstheater, die von den Nazis entlassen worden sind, wurde, trotzdem die Schauspieler arbeitslos sind, durch Verweigerung der Ausreiseerlaubnis unmöglich gemacht.

schäumend, einige diskrete Warnungszeichen aufgepflanzt hat Blinder

(... nicht alles, was deutsch ist, ist ein Hakenkreuz"), emp­fiehlt er schließlich den Nazioten mit herzlicher Stimme mehr Humor und Güte, um, und dies ist der Zweck seiner allzu billigen und allzu zweckbewußten Einschränkungen, schließlich mit Stentorstimme zu behaupten, daß öffentliche Kritik ge­duldete Gültigkeit behält und bekennt zum Schluß: Es ist nicht richtig, daß man heute in Deutschland seine Gedan­fen nicht äußern darf."

So ist Waldemar Bonsels brauner Lyriker geworden. Seine braune Biene Maja sucht Nektar im freien Dritten Reich".

Lehmann: Aber, ich habe...

Staatsanwalt: Schweigen Sie... Sie haben den Zug zum Entgleisen gebracht... Und das genügt. Sie haben ihn abfahren lassen in einem Augenblick, da Sie genau wuß ten, daß die Ausfahrt nicht frei war. Und diese sträfliche Handlungsweise, dieses dem Germanen völlig artfremde, die Staatsautorität mit Füßen tretende Wesen, das seit der nationalen Erhebung, im Sinne unseres allseits hochver­ehrten Herrn Reichskanzlers , von uns bekämpft, zerstampft, vernichtet wird, verlangt nach strengster Bestrafung. Lehmann: Ja, aber... ich habe... Staatsanwalt( brüllend): Was haben Sie? Das Zeichen zum Abfahren haben Sie gegeben... Sie haben es aber viel zu früh gegeben... Das ist es...( liest aus dem Strafgesetzbuches alle diesbezüglichen Paragrafen vor). Lehmann( zieht indessen einen ganz zerknitterten Zet­ el aus der Tasche, entfaltet, glättet ihn...)

kehr vor der Tür!

Der Frankfurter Blindenverein hat seinen Mitbegründer, den jüdischen blinden Arzt Dr. Cahn, aus= geschlossen. Alle jüdischen Blinden sind aus den Mitglie­derlisten gestrichen worden.

Börse wird arisch

Am 30. September erlöschen sämtliche Börsenzulassungen der Berliner Makler. Ausgeschaltet werden sollen laut offiziöser Meldung Elemente, die nach Herkunft, Ge­sinnung und Betätigung nicht an die Börse gehören."

aaa- ber eine... Ver- ver- Verordnung der Reichsbahn­ver- ver- verwaltung..

Staatsanwalt( reißt ihm den Zettel aus der Hand und liest): Die Verwaltung der Reichsbahn ordnet hier­durch, mit sofortiger Wirkung, an, daß mit Rücksicht auf die Verbundenheit der deutschen Reichsbahn mit Reich und Volk sämtliche Beamte, Angestellte und Arbeiter im Dienste durch Erheben des rechten Armes zu grüßen haben." Na, und...?

Lehmann( schnell):... und da is der Frizze jekom­men... jerade von der andern Seite des Bahnhofs... und da ha' ick natierlich vorschriftsmäßig mein'n rechten Arm zum Hitlerjruß erho'm. Uff eenmal jibts' n Ruck und der Zuch setzt sich in Bewejung. Paar Minuten spä­ter is et passiert. Heil Hitler.

( Erschüttert zieht sich der Gerichtshof zurück. Nach kurzer Zeit kam er wieder und sprach Lehmann frei.)

Staatsanwalt( mit überschnappender Stimme): An= getlagter... Sind Sie des Teufels? Was tun Sie Nachspiel: Einige Tage darauf erhielt Lehmann seine denn da? Beförderung zum Obergauleiter der SA. und eine Bern­Turl. Lehmann( stotternd): Ich... Ber- ver- verzeihung... fung ins Eisenbahnministerium e