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Füße küssen und Stiefel lecken"

Ein christliches Zeugnis über die braunen Banden des deutschen Reichs­kanzlers- Viele haben sich in den Zellen erhängt

Der Buchdrucker Desider Takacs, ein Mitglied der christlichen Gewerkschaften, ist nach dreieinhalb Monaten Haft in einem Zuchthaus und einem Konzentrationslager aus Nazideutschland in seine Heimat­stadt St. Pölten in Oesterreich zurückgekehrt. Er berichtet: Jw hatte vor anderthalb Jahren bei dem Zentrumsblatt in Düsseldorf eine Stelle als Maschinenseßer gefunden. Am 17. März wurde ich von SA.- Leuten während der Arbeits­zeit aus der Druckerei des Zentrumsblattes geholt.

Ich kam in die Strafanstalt. Dort waren schon hunderte Schußhäftlinge in einem großen Saal. Später führte man mich in einen Raum, in dem vierzig Personen untergebracht waren. Es gab weder Tische noch Bänke, und die meisten von uns mußten auf dem Erdboden liegen, aber auch dazu war der Raum zu klein! Die Kost war nicht ausreichend. Wir wurden abwechselnd von SA.- oder SS. ­Leuten bewacht. Wiederholt protestierte ich gegen meine Festnahme. Man sagte mir, ich soll den Mund halten, ich werde schon drankommen.

Im Laufe der Zeit wurde es immer ungemütlicher, die Kost schlechter, die Absperrung strenger, die Briefe sensuriert oder unterschlagen. Es fehlte uns die Gelegenheit, die Wäsche zu waschen, und bald entdeckten wir Läuse. Das Strafhaus, das für 350 Personen Raum hat, war mit 800 Menschen angefüllt!

,, Verhöre", die man hört

Wiederholt hörten wir um 12 Uhr nachts und um 2 Uhr früh laute Hilferufe. Da wurden neu angekommene Schutz­häftlinge verprügelt. Eines Abends drückte ich auf die elektrische Klingel, um zu veranlassen, daß in unserem finste­

ren Raum Licht gemacht werde. Der SA.- Mann, der erschien, gab mir mehrere Ohrfeigen. Ich sagte: Warum schlagen Sie mich, da ich doch wehrlos bin?" Da fuhr er mich an: " Noch ein Wort!" Und hielt mir den Revolver vor das Gesicht.

2800 Menschen hinter Stacheldraht

Am 28. Mai wurde ich zum Polizeipräsidium gebracht und kam von dort in das Konzentrationslager nach Siegburg . Da waren 2800 Menschen aus allen Volts­schichten: Aerzte, Advokaten, Schriftsteller, Schauspieler, auch Priester. Die Behandlung war sehr schlecht. Wir wurden als Gefangene betrachtet. Das Lager ist mit Stacheldraht eingefaßt und wurde militärisch scharf bewacht. Es war unmöglich, durchzukommen.

Auf der Flucht erschossen"

Zwei Kommunisten, die zu flüchten versuchten, wurden erschossen. Bei den kleinsten Anlässen wurden die Leute mit dem Gummiknüttel schrecklich zugerichtet. Vor­mittags und nachmittags mußten wir exerzieren. Wer nicht wollte, bekam den Gummiknüppel. Das Lager war in ver schiedene Klassen eingeteilt. Am schlechtesten hatten es die Kommunisten und radikalen Sozialisten in der dritten Klasse".

Seht die Diätenschinder!

Schweigegelder für die Nazibonzen

Die neugebackenen preußischen Staatsräte erhalten, wie man weiß, eintausend Mark pro Monat. Dafür haben sie auch nichts zu beschließen.

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finden, weil man die gesamte Opposition Sozialdemo kraten und Kommunisten aus den Parlamenten aus­geschlossen und die Reste der bürgerlichen Parteien als noch eine Partei im Parlament sißt, die höchstens Monologe halten kann.

Bei dieser Gelegenheit muß aber daran erinnert werden, Gäste" der Nazifraktion gleichgeschaltet" hat, so daß nur daß es außerdem noch

im Reich etwa 280, in Preußen etwa 210 nationalsozia­listische Diätenschlucker gibt, die für absolutes Nichtstun monatlich pro Kopf 600 RM. erhalten, d. h. insgesamt rund 500 Mann, die die öffentlichen Kassen monatlich mit 300 000 Mart, im Jahr mit 3 600 000 RM. belasten.

Es sind dies die am 5. März d. J. gewählten Reichs= tags und Landtagsabgeordneten. Beide Parlamente find längst in den Schoß der Vergessenheit gesunken. Jedes hat in den fünf Monaten seines Bestehens ganze zwei und zwar rein dekorative Vollsizungen abgehalten. Sizungen von Ausschüssen, sonst die Hauptarbeit der Parla­mente, finden überhaupt nicht statt, da keinerlei Ausschüsse

gebildet sind.

Den Parlamenten selbst sind alle Befugnisse genommen. Sie beraten weder Gesetze, noch den Staatshaushalt, noch üben sie sonst irgend eine kontrollierende Tätigkeit aus. Debatten können schon aus dem Grunde nicht mehr statt­

Der einzige Zweck dieser Rumpfparlamente besteht also im Diätenempfang der Regierungsanhänger. Sie haben 500 braune Bonzen mit je 7200 Mark jährlich zu füttern.

Die Gegenleistung dieser Diätenschinder ist Null. Neun undneunzig Prozent von ihnen haben, seitdem die Gala­sitzungen vorbei sind, ihren Fuß nicht mehr in die Parla­mentsgebäude gesetzt, es sei denn zum Besuch der Re­staurationen.

In früheren Zeiten schrien die Nazis über Diäten­schinderei. Aber die Weimarer Verfassung legte den Ab­geordneten ein so großes Maß von Arbeit auf, daß die meisten von ihnen ihren Zivilberuf daneben nicht ausüben fonnten.

Heute zeigen die Nazis den parlamentarischen Ideal­zustand: Diätenbezug für absolutes Nichts

tun!

Rüstung zum Bürgerkrieg

Gehelmschreiben an die Bürgermeister- Gas, Elektrizität und Wasser soil den..Staatsfeinden" gesperrt werden- Die Furcht der Schreckensmänner

Berlin , 28. Juli. Die Reichsregierung hat sich auf Veranlassung des preußischen Ministerpräsidenten Göring in diesen Tagen an den unter Leitung des Münchener nationalsozialistischen Oberbürgermeisters Fiehler stehenden Berband der Gemeinde verwaltungen gewendet, um eine Reihe von Maß nahmen vorzubereiten, die offenbar im Zusammenhang mit vor ihr befürchteten politischen Unruhen stehen.

Wenn es losgeht...

In dem Schreiben der Reichsregierung, das an die Kommunalverbände der einzelnen deutschen Länder weitergeleitet wurde, beschäftigt man sich mit der Frage, was zu geschehen habe, wenn die politischen Zwischenfälle in den proletarischen Bezirken einzelner Großstädte weiter um sich greifen. Das Reichsfabinett erklärt hierzu, daß es dann nicht nur notwendig sein werde, mit allem Nachdruck und aller Unerbittlichkeit Waffengewalt in Anwendung zu bringen, sondern daß es gegebenenfalls zweckmäßig sein werde ,,, andere Maßnahmen" zu ergreifen.

Licht, Gas und Wasser absperren!

Die Reichsregierung denkt hierbei, so teilt sie den Ge­meinden durch deren Spitzenvertretung mit, daß auch für den Fall Vorbereitungen getroffen werden müssen, in denen sich einzelne Bezirke zeitweilig im Besitz Auf­ständischer" befinden würden. Um hier gegenüber allen Eventualitäten gewappnet zu sein, empfiehlt die Reichs: regierung dort, wo das noch nicht geschehen ist, schleunigst sämtliche technischen Möglichkeiten zu prüfen,

um im Augenblick der Gefahr die Zuleitung von Elek: trizität und Gas zu unterbrechen. Insbesondere wird aber barauf aufmerffam gemacht, daß es zur schleunigen Brechung des Widerstandes erforderlich sein könne, die Wafferzuleitung zu sperren.

Es ist aber nicht bei diesen Empfehlungen und An­regungen geblieben! Jn einer ganzen Reihe von Städten

haben bereits in dieser Hinsicht Beratungen zwischen den zuständigen Stadträten, den in Frage kommenden tech nischen Beamten und den Führern der SA., sowie dem Polizeipräsidium stattgefunden. Es sind auch bereits Bor­bereitungen im Gange, um für den Fall, daß sich die von der Reichsregierung angeregten Maßnahmen als not­wendig erweisen,

die in den betreffenden Bezirken wohnenden prominenten Leute der NSDAP . und des nationalen Bürgertums rechts zeitig zu einer zeitweiligen Wohnungsänderung zu vers anlassen.

Die NSDAP . und die gleichgeschalteten Gemeinde­vertretungen sind jedenfalls entschlossen, alles zu tun, um in den Arbeiterbezirken den Einsatz militärischer Kräfte zu unterstützen, indem der proletarischen Bevölkerung Licht, Gas und Wasser gesperrt werden.

Die hier veröffentlichten Mitteilungen werden zweifel­los berechtigtes Aufsehen erregen. Sie bilden eine prak. tische Ergänzung zu den Göringschen Blutgefegen: all bas scheint zu beweisen, daß sich die braunen Bonzen des Dritten Reiches bereits ernsthaft vor Unruhen unter der Arbeiterschaft zu fürchten beginnen.

..Fühler"

Die unliebsamen Emigranten

Die Berliner Regierung hat ihre Vertretungen in Prag , Bern und Paris angewiesen, gegen die deutschfeindliche Pros paganda gewiffer Emigranten" entsprechende Schritte zu unternehmen. In Paris wurden Ende legter Woche ents sprechende" Fühler ausgestreckt, die sich aber sogleich zurücks ziehen mußten, da sie auf klaren Widerstand stießen. Bern foll dagegen ein gewisses Entgegenkommen bekundet haben, eine Prager Antwort steht noch ans, in London scheint man es gar nicht erst versucht zu haben.

Die Juden wurden zwar von der jüdischen Gemeinde ver töftigt, mußten aber die niedrigsten Dienste verrichten: die Klosetts reinigen, den SA.- Leuten die Stiefel puzen, auf Befehl

die Füße küssen oder die Stiefel lecken. Ich sah, wie ihnen die Haare ausgerissen wurden, daß Stücke Kopfhaut mits gingen.

Die Juden wurden gezwungen, sich selbst zu schlagen und gegeneinander zu bogen: Haut euch, Hunde!" hieß die Parole. Sonst trat der Knüttel in Aktion, bis das Blut sprite. Viele bekamen Nervenzusammenbrüche, andere wurden frank. Aerztliche Visite war einmal wöchentlich. Aber da hieß es immer nur: Der Nächste, der nächste", ohne jemand anzuhören. Neben mir sagte einer: Die Lunge ist nicht in Ordnung, ich spude Blut." Die Antwort war: Rizinusö I!"

Viele haben sich in den Zellen erhängt

Die Ausländer wurden besser behandelt als die eigenen Landsleute. Was ich sage, ist nur ein Viertel von dem, was passiert ist.

Biele haben sich in den Zellen erhängt. Unter ihnen auch Dr. Odenkirchner, der Bürgermeister von Düsseldorf . Endlich abgeschoben!

gelegt, in dem ich mich verpflichten mußte, daß Deutsche Reich Am 1. Juli wurde mir ein Formular zur Unterschrift vor nicht mehr zu betreten. Man sagte mir, ich werde über die nächste Grenze abgeschoben. So kam ich nach Luxemburg ."

Was ist

der wahre Sozialismus?

Ley erklärt: Wenn die Arbeiter alles opfern! Seit Hitler die Revolution für beendet erklärt hat, müssen die Nazi- Häuptlinge wieder unerhörten Dampf blasen, um den, Arbeitern die Tatsache zu vernebeln, daß jetzt der nackte kapitalismus regiert. Den Voge! hat der berüchtigte Len abgeschossen, der vor den zu­sammenkommandierten Arbeitern in Breslau nach dem Bericht der Germania " folgende Weisheit verkündete:

Die wahre Revolution habe jetzt das deutsche Bolt erlebt und mit ihr sei der Sozialismus, den die früheren Machthaber nur im Munde führten, wahrges macht. Das Merkmal des wahren Sozialismus sei Opferfreudigkeit. Das Opfer zertrete nicht ein Bolt, sondern erhebe es. Dieser Opfergeist werde auch weiter der Leitstern der heutigen Führer sein.

Tatsächlich, die Arbeiterklasse hat den Nazis alles opfern müssen: ihre Organisation, ihr Wahlrecht, ihre Söhne. Und weil sie alles geopfert haben, ist nun der wahre Sozialis mus" da. Der verruchte Margismus versteht freilich unter Sozialismus die Enteignung der Kapitalisten zugunsten der Allgemeinheit. Hitlers , deutscher Sozialismus ist die Enteignung der Arbeiter zugunsten der Kapitalisten. Ein ganz kleiner Unterschied...

SS .- Leute Haus wird besetzt

Brüder...

Breslau , 28. Juli 1933( Eig. Bericht). In Gleiwit bestehen seit der bekannten Hitler - Rede in Bad Reichenhall schwere Konflikte zwischen der meist aus proletarischem Milien stammenden SA . und der SS. In einer gemeinsamen Mitgliederversammlung hatte die SA. eine scharfe Resolution gegen den neuen Kurs der Regierung und für einen ents schiedenen Sozialismus eingebracht; die Abstims mung über diese Resolution aber hatte die SS. verhindert und die Versammlung wurde unter Einsatz eines Kommans dos der Schutzpolizei vorzeitig aufgelöst. Vor einigen Tagen wurde der SA. bekannt, daß sie entwaffnet und in ein schlesisches Arbeitslager abtransportiert werden solle; diese Nachricht, die außerordentliche Erregung hervorries, vers anlaßte die SA., die starke Kräfte von außerhalb herbeis gezogen hatte, sich mit einem Gewaltstreich in den Bes siz des Standquartiers und des dort sich befindlichen Waffenlagers der SS . au feßen. Die anwesenden SS. Leute wurden vers haftet, das Haus in den Verteidigungss zustand gebracht. Bisher lehnen die SA.- Leute jede Verhandlung mit dem aus Breslau eingetroffenen Bes auftragten des schlesischen Oberführers eines ab.

Hauptsache: Beine

Studenten und Professoren müssen vor allem marschieren

Die neuen Instruktionen für die Hochschulen, die den Rustschen Geist atmen, schreiben vor allem Wehrsport­übungen vor, die Wissenschaft kommt erst an letzter Stelle. Infolgedessen mußten dieser Tage Studenten und Pro­fessoren der Berliner Universität im Grunewald antreten. um Wehrsportübungen zu absolvieren. Die Studenten haben ihre Sache sehr schlecht gemacht, sie werden verschärft nach­zuegerzieren haben. Dagegen haben die gleichgeschalteten Professoren sich die größte Mühe gegeben und bei einem Gepäckmarsch über 6 Kilometer unter insgesamt 60 Mann­schaften der Studenten, sich an 16. Stelle placiert.

Welch ein Glück für die Professoren und welch ein Glück für die Nazis. daß ihr Vorkämpfer, der berüchtigte Germanist Roethe, schon längst gestorben ist, der mit seinen stadtbe­fannten Plattfüßen das Team der Professoren an eine schäbige Stelle gebracht hätte.