DAS BUNTE BLATT

TAGLICHE UNTERHALTUNGS- BEILAGE

Heiratsmarkt in Indien

Wer kauft eine Frau um ein Odisengespann?

Das Raschmirhochland ist die nördlichste Provinz des indischen Kaiserreiches. Es liegt schon mitten im mäch­tigsten und höchsten Gebirgsmassiv der Erde, im Himalaja , und wird daher auch das Dach der Welt" genannt. Einmal im Jahre, und zwar in den ersten Julitagen, findet in der Hauptstadt Simla ein Jahrmarkt statt, dessen größte Attrat­tion der Heiratsmarkt bildet. In diesen Tagen ist das ganze Land in gehobener, festlicher Stimmung. Aus allen Teilen strömen sie herbei, aus den Niederungen der indischen Ebene, aus den Tälern und Schluchten und von den schnee­igen Höhen des Gebirges, in ihren bunten malerischen Trach ten, jung und alt, Männer und Frauen, auf ihren Maul­tieren oder barfuß, wie es die Sitte vorschreibt.

Die Verlobung"

99

Die Festwiese liegt etwas oberhalb der Stadt auf einer von hohen schlanken Pinien umgebenen Richtung. Auf der einen Seite befinden sich terrassenförmig ansteigend die Sig­plätze, auf denen die Frauen auf ihre Wahl warten. Sie fizzen dort hinter Schlagbäumen, streng abgesondert und ganz unter sich, während die heiratslustigen Männer vor den Bänken auf und ab wandeln und sorgfältig prüfen. Es ist nicht nur die Jugend, die hier Brautschau hält. Mehr als eine der Frauen trägt einen oder zwei oder gar drei Nasen­ringe, was ihr Wittum anzeigt und ihren Wunsch, sich noch einmal zu verheiraten. Meist gelingt es ihr auch, denn die Paharifrauen vom Kaschmirhochland haben in ganz Indien den Ruf, schön, raffig und bescheiden zu sein.

Ein Maultier für eine Frau

Hat nun der Mann unter den Schönen des Landes seine Wahl getroffen, und hat die Erwählte dadurch, daß sie seinen Blick erwiderte, zu erkennen gegeben, daß auch sie mit der Wahl einverstanden ist, dann bleibt er vor dem Schlagbaum, möglichst in ihrer Nähe stehen. Und nun nähern sich ihm die

nächsten Verwandten des Mädchens, um mit ihm den Kauf abzuschließen, denn die Frauen des Landes werden zur Ehe gekauft. Der Handel vollzieht sich erstaunlich rasch. Ein paar Rühe, ein Ochsengespann, manchmal gar nur ein Bergmaul­tier bilden den Kaufpreis. Bargeld wird zwar häufig ge­fordert, aber sehr selten bezahlt. Eine Braut, die ihrem Vater drei oder vier englische Pfund einbringt, muß eine ganz außergewöhnliche Schönheit sein oder sonst eine beson­ders gute Partie. Ist das Geschäft schließlich perfekt gewor­den, dann erhält die Braut einen Wink, darf ihren Plaz verlassen und sich ihrem zukünftigen Gatten nähern: Jetzt gilt sie als verlobt.

Die kirdilidie Weifie

Fast ohne besonderes Zeremoniell vollzieht sich auch der gelegenen Tempel, wo sie der Priester empfängt. Er läßt sie Trauaft. Braut und Bräutigam begeben sich nach dem nahe gemeinsam an einer dargebotenen Schale mit einsamöl riechen, dessen Aroma eine berauschende Wirkung zuge­schrieben wird. Dann nimmt er, je nach dem Vermögen des Brautpaares, eine goldene oder silberne Münze, die er an­gesichts eines grell bemalten Götterbildes in ein fupfernes Meßgerät fallen läßt, und erteilt nun den Segen. Braut und Bräutigam geben sich jetzt den ersten Kuß, worauf sich auch die beiderseitigen Verwandten umarmen und verbrüdern und bald so vertraut tun, als seien sie seit langer Zeit gute Bekannte.

In den meisten Fällen begibt sich das jungvermählte Paar anschließend an die Zeremonie im Tempel nun hinunter nach Simla, wo es bald im Gewühl und Trubel des Jahrmarktes untertaucht. Man kann sie dann Hand in Hand durch die Buden und Stände wandern sehen. Irgendwelche besondere Festlichkeit, selbst nur ein bescheidener Hochzeitsschmans, sind nicht üblich. Bricht dann die Nacht herein, entführt der junge Ehemann schließlich seine Gattin in sein Heim.

Zefinmal Lacien

Wir lesen im Journal" nachfolgende gute Anweisung, die wir des aktuellen Interesses wegen unseren Lesern nicht vorenthalten möchten:

Während ich diesen Artikel schreibe, zögere ich eigentlich damit, denn Sie werden sich über mich lustig machen oder, was noch schlimmer wäre, Sie werden glauben, ich mache mich über Sie lustig. Ich sehe mich also einer doppelten Ge­fahr aus: für einen schlechten Spaßmacher gehalten zu wer­ben oder für einen Narren. Der alte Arzt hatte es mir vor­ausgesagt:

Ich gebe Ihnen mein Rezept," sagte er. Benutzen Sie es, und Sie werden es ausgezeichnet finden. Aber ich rate Ihnen, es niemandem mitzuteilen. Ich weiß Bescheid, ich habe es versucht: mit dem einzigen Erfolg, meine Patienten verjagt zu haben."

Er war ein ganz kurioser Mensch. Er glaubte nicht nur an feine Arzneimittel mehr, was bei einem Arzt eigentlich nicht so erstaunlich ist, sondern er weigerte sich auch, welche zu ver­ordnen, was noch seltener vorkommt. Er behauptete, alles mit Suggestion zu heilen; doch ich glaube, bin aber dessen nicht ganz sicher, daß er übertrieb. Ich möchte fast annehmen, daß man beide Methoden zugleich anwenden muß, wenn man trant ist; daß man zwar verschiedene Arzneien schlucken soll, ohne aber zu vergessen, zwei Gramm Vertrauen und vier Pillen guter Laune hinzuzufügen.

" Nein," sagte er, es genügt die gute Laune. Schon die gute Laune allein heilt. Nur auf die gute Laune kommt's an." Als ich am Ende doch ungeduldig wurde, konnte ich es mir nicht verkneifen zu antworten:

,, Und die gute Laune, wovon hängt die ab?"

Der Einwurf irritierte ihn nicht.

wird dagegen protestieren und Ihnen ein paar ernüchternde Worte zuflüstern. Aber nach einigen Tagen schweigt sie. Es ist also kein Grund zur Beunruhigung mehr vorhanden. Glücklicherweise neigt der Mensch dazu, sowieso fufionen zu machen; warunt ſoll er fich da nicht von der Illusion des Guten in der Welt einnehmen lassen.

Efire der Arbeit

Wer den wuchtigen Hammer schwingt, Wer im Felde mäht die Aehren, Wer ins Mark der Erde dringt, Weib und Kinder zu ernähren; Wer stroman den Nachen zieht, Wer bei Woll' und Werg und Flachse Hinterm Webstuhl sich bemüht, Daß sein blonder Junge wachse: Jedem Ehre, jedem Preis! Ehre jeder Hand voll Schwielen! Ehre jedem Tropfen Schweiß, Der in Hütten fällt und Mühlen; Ehre jeder nassen Stirn Hinterm Pfluge!- Doch auch dessen, Der mit Schädel und mit Hirn, Denkend pflügt, sei nicht vergessen!

Ferdinand Freiligrath .

Schilddrüsenfiormon gegen Krebs Die Krebsforschung hat in den letzten Jahren, besonders dank der unermüdlichen Arbeit deutscher Wissenschaftler, eine Reihe bemerkenswerter Fortschritte zu verzeichnen. Es gelang, neue serologische Methoden ausfindig zu machen, Anfangsstadien erkennen kann. In Tiererperimenten wurde mit deren Hilfe man die Krebskrankheit schon in ihren die Krebskrankheit künstlich hervorgerufen und neuerdings auch wieder künstlich beseitigt und geheilt. Jetzt hat nun der deutsche Gelehrte Prof. W. Weichardt, Wiesbaden , die außerordentlich wichtige Entdeckung gemacht, daß man durch Einspritzen von Schilddrüsenhormon das Wachstum der Krebsgeschwülste hemmen kann! Vor wenigen Monaten hatte man gefunden, daß verschiedene Hormone unseres Körpers, besonders das Prolan, krebsfeindliche Wirkungen befizen. Prof. Weichardt stellte nun in zahlreichen Versuchen fest, daß Geschwülste in ihrem Wachstum aufgehalten werden, wenn man dem Organismus bestimmte Stoffe ein­sprißt. Zuerst verwendete er Eiweißinjektionen, die ja heute bei der Behandlung vieler Krankheiten eine große Rolle spielen. Es gelang auch, durch die Eiweißeinsprißungen eine 15prozentige Hemmung der Krebswucherung zu erzielen. ( Die Prozentzahlen ergaben sich aus dem Ausgleich mit gleichartigen unbehandelten Geschwülsten.) Viel wirksamer aber war das Thyrorin, das Hormon der Schilddrüse. Mit dieser Substanz erreichte er, daß die Geschwulst nun noch etwa halb so schnell nicht ausbreitete wie vorher. Die Wachstum­hemmung betrug durchschnittlich 42 Prozent! Worauf diese Erfolge beruhen, ist bisher noch völlig ungeklärt; sicher ist jedoch, daß zwischen dem allgemeinen Stoffwechsel, vor allem zwischen dem Spiel der Hormone und der Entstehung des Krebses gewisse Zusammenhänge bestehen.al st

Ist das erste Lächeln gelungen, schließe man die Augen Ortscfiaften mit einem Einwofiner

eine halbe Minute und beginne dann zehnmal von vorn. Dann ist die gute Laune für den ganzen Tag sichergestellt.

" Nämlich," sagte der alte Arzt, dieser Verächter der medi­zinischen Wissenschaft, der Ausdruck des Gefühls erweckt be­reits das Gefühl. Bedenken Sie, mein Lieber, daß es Ihnen unmöglich wäre, sich in Rage zu verseßen, während Sie Ihr Gesicht zu einem liebenswürdigen, sanften Ausdruck zwin­gen. Ebenso erweckt infolge des Zusammenhangs zwischen Körper und Seele das hervorgebrachte Lächeln eine heitere Stimmung."

Sie werden sagen, ich sei damals noch jung und naiv ge­wesen. Ich bekenne, das Verfahren probiert zu haben, und gestehe, daß ich es noch jetzt jeden Morgen übe. " Wie dumm mögen Sie dabei aussehen!" " Wenn schon."

Und wie ist der Erfolg?"

,, Bitte fragen Sie meine Freunde! Denn, wenn ich selbst sage, ich sei vergnügt, glauben Sie es mir nicht, und wenn ich Ihnen sage, ich sei traurig, werden Sie mir doch hoffent­lich erst recht nicht glauben."

Aus dem Französischen von Geotto.

Mein Gott," sagte er, die bringen ein paar kleine täg Ladien nicht verlernen

liche Uebungen zuwege!"

Und dann vertraute er mir seine Methode, oder wenn Sie wollen, den Trick des zehnmaligen Lächelns an.

-

Man wacht auf. Man hat gut oder schlecht geschlafen, und schon beginnt man an seine Sorgen zu denken. Von hundert Menschen gibt es feinen einzigen und das besonders in den heutigen Zeiten der nicht als erstes, wenn er die Augen öffnet, seine Sorgen sähe. Da gilt es nun, sie sofort zu vertreiben. Man lege sich auf den Rücken, entspanne die Muskeln und lächle zehnmal. Wirklich, also wie man jetzt zu sagen pflegt, hundertpro­zentig. Das ist gar nicht so einfach, wie man sichs vorstellt. Vielen Leuten, die zu lächeln glauben, gelingt es höchstens, ihrem Gesicht einen furchterregenden Ausdruck zu verleihen. Ganz besonders muß man darauf achten, nicht die Brauen dabei hochzuziehen, nicht die Nase zu rümpfen und nicht den Mund zu verziehen. Und dann darf das Gesicht nicht zur Grimasse werden. Mit etwas Fleiß und gutem Willen ge lingt einem das breite, richtige Lächeln. Hat man es, halte man es eine halbe Minute lang fest, und dann denke man sich: Ich lächle, weil ich glücklich bin, und weil alles gut geht, denn ich habe überhaupt keinen Grund zu klagen. Alle, die mir auf die Nerven fallen, sind von der Bildfläche ver­schwunden, und ebenso alle Räuber und Menschenschinder. Um mich sind lauter gute Menschen. Sie lieben mich, und ich liebe sie wieder. Das Leben ist herrlich!"

Natürlich wird es Ihnen anfangs einige Mühe machen, sich vorzustellen, daß alle unangenehmen Leute verschwunden sind und daß Sie jeder liebt. Eine geheime innere Stimme

" Werden Sie auch das große Konzert besuchen?" Selbstverständlich, koste es, was es wolle! Können Ste mir nicht ein Freibillett verschaffen?"

,, So, Sie sind Mediziner," sagte die Tänzerin zu ihrem Partner auf dem Studentenball, also Zugführer auf der Bahn in den Himmel."

" Nein," meint der Student, bloß Bremser!"

*

Einbrecher zum Hausherrn: Haben Sie die Hundesteuer bezahlt?"

Ich habe gar keinen Hund!"

" Haben Sie das Telefon bezahlt?"

,, Aber, bitteschön, ich habe doch gar kein Telefon!" Nun, dann ist's schon richtig.. machen Sie den Kassen­schrank auf!" ( Nebelspalter ".)

Minna, gehen Sie zur Theaterkasse und holen Sie zwei Karten für heute abend zu je zehn Mark."

Als das Mädchen zurückkommt, wird es gefragt: Haben Sie die Karten bekommen?"

Ja, es gab aber keine zu zehn Mark, und da habe ich zwanzig zu einer Mark gebracht."

Sie sind doch solch ein erfahrener Frauenfenner, lieber Schmidt. Sagen Sie, ist das unrecht, wenn man ein junges Mädchen einen Abend ausführt und feinen Pfennig für sie ausgibt?"

Unrecht? Keineswegs, lieber Freund! Aber äußerst schwie­Passing Show".)

rig!".

Seit vielen Jahren schon ist der Ort Petsoe Manor. drei Meilen von Olney , in der englischen Grafschaft Buckings hamshire gelegen, nichts, als ein ganz zerfallenes Nest. Es gehört dem Lincolne College in Orford, also einer weltbe­kannten Korporation. Der letzte direkte Eigentümer zog sich vor vielen Jahren schon vor den ungeheuren Scharen von Ratten zurück, die sich in allen noch stehenden Gebäuden breit machen und vor denen weder Hunde noch Kazen aufkommen können. Aus diesem Grunde wurde dieser Tage der ver­lassene Ort seiner Selbstverwaltung beraubt und in die be­nachbarte Gemeinde Emberton eingemeindet.

Das Interessante ist aber, daß die Ortschaft nur einen Einwohner besitzt, und zwar einen einstigen Schaf züchter, der sich von seiner kleinen Hütte die zugehörigen Schafstallungen sind längst verfallen und vermorscht- abso lut nicht trennen kann. Mr. Percival, so der Name dieses Unerschrockenen", ist scheinbar nicht wenig stolz, der einzige Einwohner einer ganzen, freilich höchst minderwertig aus­sehenden Ortschaft zu sein. Er teilt das Schicksal mit dem Einzigen Einwohner" der amerikanischen Stadt Calico in Südkalifornien , die noch vor fünf bis sechs Jahren 25 000 Einwohner und eine blühende Industrie aufzuweisen hatte. Die großen Erzlager ließen das Städtchen in echt ameri­kanischem Tempo aufschießen. Als sich aber das Erzlager als nicht reich genug zum Abbau erwies, die Arbeiter entlassen und die Fabriken entvölkert wurden, da verließ auch wieder echt amerikanisch die ganze Bevölkerung Calicos die Stadt, und heute ist es wieder nur ein einziger Mann, der als Einwohner von Calico anzusprechen ist. Im übrigen gibt es sowohl in Amerika als auch in Europa Orte und Städte mit ganz ähnlichen Schicksalen; man denke nur an die teranische Stadt Grubb oder an die schwedische Niederlassung Boliden, nächst Stockholm .

Eine Kräfie fält eine Surmufir an Auf dem sogenannten Turm des Mauren in Orvieto ( Mittelitalien ) hat sich dieser Tage eine Krähe den Spaß ge­macht, die Turmuhr anzuhalten. Sie hatte sich nämlich auf den Minutenzeiger gesetzt, was ihr allerdings gar nicht gut bekommen ist, denn eine Zehe wurde eingeklemmt zwischen Zifferblatt und Zeiger. So war nicht nur die Uhr, sondern auch die Krähe angehalten. Mit der bei Krähen üblichen Solidarität fanden sich Dutzende von Krähen ein, die der Gefangenen zu Hilfe kommen wollten und mit lautem Ge­frächz den Turm umflogen und immer wieder gegen den Zeiger stießen. Es mußte dann aber doch ein Arbeiter auf den Turm steigen, um das Tier zu befreien, nachdem die Zeit von Orvieto eine Viertelstunde stillgestanden hatte.

Wer wafir sein will, muß frei sein! Wer wahr sein will, muß frei sein. Frei von den Ketten, in die Erziehung, Bildung, Tradition uns geschmiedet haben, frei von den Zauberbrillen, mit denen die Priester unser Augenlicht verdunkelten, frei von der Tracht der Lakaien, in die die Machthaber der Erde die Abhängigen zwingen.