Deutsche   Stimmen

Feuilletonbeilage der Deutschen Freiheit"

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Schlageter- Johst s

Ereignisse und Geschichten

slumbt sic

an Juden Wetterbericht

Eine Geschichte von Jehova, Fritz Kortner   und Kain und Abel  

Herr Hanns Johst  , Intendant der Staatstheater, Autor des befehlsgemäß überall im Reiche gespielten Schlageter  " Dramas, wird jetzt überall den arischen Hulden und Hul­dinnen herumgereicht als Erempel der heilig glühenden Flamme ewig deutscher   Begnadung. Von den Kathedern der deutschen Jugend zischen, wenn er spricht, die völkischen Rafeten in subtiler Sprache hoch in den teutonischen Sternen

himmel.

Jüngst( am 10. Juli) redete er in der Münchener   Uni­versität über ,, Wort- Schrift 3ucht". In dieser Rede be= findet sich nach dem Bericht des Völkischen Beobachters" fol

gende Stelle:

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" Dir, dir Jehova will ich fingen" lernen unsere Kinder immer noch singen in der Kirche. Wir bleiben im Innersten gefährdet, wenn wir falsche Worte und damit falsche Vorstellungen für unser Empfinden aus­wendig lernen wollen. Wir schleppen ein Altes Testament  als Bildungsgut immer noch mit, das mit unserer vol­tischen Moral, unserem natürlichen Wesen auch nicht das geringste zu tun hat. Wir befommen jährlich auf unserem Entwicklungswege das jüdische Volt als das aus­erwählte hingestellt, aber was gehen uns die unerhörten Betrugsgeschichten von Esau   und Jakob, diese Erzväter und Erzgauner, an? Dafür aber werden unsere Helden als heidnisch und barbarisch abgelehnt.

Und so weiter. Hanns Jobst schüttelt sich förmlich vor Abschen vor jüdischer Ueberlieferung, jüdischem Geist, jüdischen Menschen. Wenigstens seit einigen Monaten, seit­dem er eine braune Prominenz ist. Früher war er gar nicht so. Im Jahre 1927 hatte er, um diesen Beweis zu liefern, ein Drama Thomas Paine  " verfaßt. Sein Held war ein britischer Kolonialführer, aber das Ganze war eine ziemlich langweilige Sache, so daß sich nur wenige deutsche Bühnen entschlossen, es aufzuführen. Ein paar Vorstellungen dann

vergessen!

Damals machte Johst   viele Bittgänge. Er kam zu jüdischen Theaterdirektoren, flehte jüdische Schauspieler an. Zu ihnen gehörte Friz Kortner, der auf die Pgs. geradezu auf­reizend wirkt. Als kurz vor dem Siege der nationalen Re­volution" auf einer Berliner   Bühne, so teilt das Neue Lagebuch" mit, Kortner   auftrat, benutte dies der heutige Pro pagandaminister Göbbels zu dem unverhülltesten Bogrom- Aufruf, der bis dahin in einer deutschen  Zeitung möglich gewesen war. Die Pas. erklären vom Schau­ſpieler stortner, er ſei die personifizierte Beleidigung jeden wahren deutschen   Gefühls und seine Art und Darstellungs­weise müsse ein deutsches Blut bis zum Sieden erhitzen. Zum großen Glück für Kortner   haben die SA.- Kameraden des Dichters Johst  , die ihn verhaften wollten, nicht mehr an­

getroffen.

Bei solcher Rollenverteilung hat es gewiß einen mehr als bloß historischen Wert, von Briefen des Dichters Johft an den Schauspieler Kortner   in Sachen Thomas Paine  " zu hören. Einer, vom 3. September 1927 datiert, lautet folgen­

dermaßen:

" Sehr geehrter Herr Kortner  . Ein Ihnen Unbekannter überfalle ich Sie heute mit einer mir eminent wichtigen Bitte: Lesen Sie dieses mein Schauspiel, Thomas Paine  ". Es

anspringt... Aber dann, Herr Fris Kortner, ich weiß es genau, wird und muß Sie die Melodie dieses Menschen

erregen und zur Darstellung reizen. Ich höre, Herr Direk­tor Barnowsky hat das Stück erworben und ich hoffe, daß es gelingt, Ste für die Darstellung des Thomas Paine  zu interessieren...

Ich höre, daß auch Herr Jeßner vom Staatstheater sich für die Aufführung interessiert. Wo dieses mein Stück auch zur Aufführung fommt: es ist mir ein inneres Bedürfnis, von mir her zum Ausdruck gebracht zu haben, daß ich durch nichts mehr beschenkt werden könnte als durch Arbeits: fameradschaft mit Ihnen am Thomas Paine  .

Erlauben Sie mir Ausdruck und Versicherung meiner lebendigsten Verehrung. Mit den herzlichsten Grüßen stetig Ihr Hanns Johst  ."

Am 11. Februar 1928 schrieb Herr Johst   an Kortner   einen zweiten Brief:

Sehr geehrter Herr Kortner  ,... das Erlebnis meiner Berliner   Tage war mir Ihre Wedekindinterpreta­tion. Als Sie sich in den gläsernen Sarg einer imaginären Vaterschaft stürzen ließen, um die verborgenste Jungfräu­lichkeit eines Weibes wach zu zaubern, nahm meine Ber­ehrung für Ihre Kraft und Ihre Persönlichkeit eine Form an, die mich zu äußerster Bescheidenheit zwang. Ich fand nicht den Mut, mich Ihnen in eigener Sache aufzudrängen ... Ich hörte, daß Sie, sehr verehrter Herr Kortner  , nicht mehr so ganz positiv zum Thomas Paine   stehen. Ich glaube nun, daß ein Stück es immer erleben muß, daß man sich zu ihm distanziert, daß aber der erste instinktive Eindruck wesentlich bleibt und entscheidend. Ich glaube, daß, wenn Sie das Stück für die praktischen Proben zur Hand nehmen, es Ihnen wieder aufblüht zu jenem Gesicht, mit dem Sie es begrüßten... Ich würde diese meine Bitte und Hoffnung nicht schreiben, wenn ich Ihren Paine nicht schon sähe, wenn ich diefe Beglückung nicht so sehr nötig hätte. Und so schließe ich diese Zeilen, lieber und sehr verehrter Herr Friß Kortner, mit einem Appell an unsere bisher sehr platonische Kameradschaft: Gehen Sie zu Barnowsky und sagen Sie: Ich will Paine sein! Ich weiß, es wird ein ganz großer Erfolg!

Mit den lebendigsten Zeichen meiner aufrichtigen Be­

grüßung bin ich und bleibe ich stets Ihr Hanns Job it."

Man sieht, Herr Johst hat nicht allein, woraus ihm nur ein allzu billiger Vorwurf gemacht werden könnte, mit den Jahren seine Weltanschauung geändert. Er war auch vor nenigen Jahren noch so wenig sachverständig in Fragen der Rasse, und er war so schwerhörig für die Stimmen des deutschen   Blutes, daß er die allertiefste Beglückung von der artfremden Stunst eines Juden erfuhr und sehr darum bettelte, die Hauptrolle seiner Werte von einem Kortner  

verkörpert zu sehen.

Das hat sich also gründlich geändert, und Herr Jobst könnte im Dritten Reich   nicht Intendant der Staatstheater sein, wäre er nicht heute der Ansicht, daß ein Künstler, der eine jüdische Großmutter hat, fünstlerische Fähigkeiten im deutschen   Sinne überhaupt nie und nimmer besitzen könne.

Der zarte Hanns Johst   mag die Geschichte von Esau   und Jakob nicht. Vermutlich meint er die Geschichte vom ver­fauften Linsengericht. Es fragt sich, wer vor der höheren Warte der Sittlichkeit besser besteht: Esau  , der nur einen Topf Linsen hergab, oder unser repräsentativer deutscher  Dichter, der Gesinnungen auf den Konjunkturmarkt brachte

und sich privat bei Juden anbiederte, die er offiziell in­fernalisch haßt.

nicht ihr Leben...

Es war war nicht Dec Blick in die Ferne

Es war von Emigrantenschicksalen die Rede. Der Jude, mit dem ich sprach, sagte: O, lieber Herr, wir ver­stehen das. Kein Volk kann es so verstehen wie wir. Seit aweitausend Jahren sind wird ohne Heimat. Immer waren wir verfolgt. In Spanien  , in Deutschland  , in Rußland  , im­mer und überall. Durch alle Länder und durch die Jahrhun­um die ganze Erde. Aber sie dürfen nicht glauben, daß sie in irgendeinem Lande eine Heimat haben. Immer wieder einmal müssen sie geben, verfolgt und verfemt wie jest in Deutschland  . Immer und überall müssen sie bereit sein. Nir­gends sind wir zu Hause. Wir wissen das. Wir brauchen nicht davon zu sprechen. Es ist in uns seit zweitausend Jahren." Das Gespräch erinnert mich an eine alte Jüdin. Mit ihren zwei Kindern war sie aus dem zaristischen Rußland   nach Deutschland   geflohen. Der Mann war tot, Vermögen, Be­fig, das Stück Erde  , das ihr ein Leben lang die Heimat gewesen war- alles blieb zurück. Ich weiß nicht, wie sie die ersten Jahre in Deutschland   verbracht hat, wovon sie mit ihren Kindern gelebt hat; sie hat nie davon gesprochen. Die Sie besuchten deutsche   Schulen. Sie wurden tüchtige, kluge Menschen und sie durften sich in Deutschland   daheim füh­len, im Bereiche ihrer Tätigkeit und im Kreise gleichge­finnter Freunde.

Die Mutter nicht. Sie blieb stummer Gast. Sie war nur da als Mutter ihrer Töchter. Der russische Zarismus ging im Weltfriege unter, die alte Heimat wurde polnisch. Die Mutter blieb, denn hier wurzelte nun das Leben ihrer Töch­ter. Jahrelang saß sie in einem Lehnstuhl am Fenster der fleinen Wohnung. Sie saß und schwieg, gütig und freund­lich zu allen Menschen, die ins Haus tamen. Sie nahm stil­len Anteil an den geselligen Stunden der Töchter und ihrer Gäste, aber es war nicht ihr Leben. Ihre grauen Augen blickten über das Dasein der Stunden und über alle Dinge hinaus in eine raumlose Ferne. Mit der stillen Geduld einer alten tränkelnden Frau, die viel erfahren hat, faß sie am Fenster und schien es nicht zu bemerken, wenn ihre schweig­

Von Wenzel Sladek

Jeder Rundfunk hat seinen Wetterbericht, s der sagt, ob es schneit, ob die Sonne sticht, ob es regnet, hagelt oder taut,

ob fichs umzieht, oder ob es blaut.

Der Rundfunkmann, der Rundfunkmann sagt dem ganzen Reich das Wetter an,

nur manchmal, wenn er meint, der Schnee werde óraun zu Quatsch und Dreck und Mulm zertaun, spürt der Prophet an den eigenen Ohren, es ist kalt geworden und es hat gefroren.

Seinen Wetterbericht jeder Rundfunk hat,

für den Bauern, den Bürger, den Mann in der Stadt; was den einen freut, macht dem andern Leid, so daß keiner allen zu Recht prophezeit.

Der Rundfunkmann, der Rundfunkmann sagt dem ganzen Reich das Wetter an.

Ueber Deutschland Wolken, Druck und Tief, ab ein Gewitter fommt, das lange schon schlief, so lange, daß der Prophet unterdessen,

Bliz, Donner und Stürme ein wenig vergessen.

Jeder Rundfunk hat seinen Wetterbericht, der prophetisch zu allen Deutschen   spricht, was morgen und übermorgen wird sein, nur irrt er sich manchmal beim Prophezein.

Der Rundfunkmann, der Rundfunkmann sagt dem ganzen Reich das Wetter an,

er redet von Regen, doch der Himmel will blauen, so muß man dem Rundfunk nicht immer trauen, er redet von Sonne, doch Gewitter krachen, denn noch gibts ein Wetter, das wir selber machen.

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Neuer deutscher   Geal

Hier hat Er gesessen..

Bekanntlich hat Adolf Hitler   die ihm vom Münchner  

Volksgericht nach dem sogenannten Hitler  - Putsch im No­vember 1923 auferlegte Festungshaft in der Gefangenen­und Festungshaftanstalt Landsberg am Lech verbüßt.

Nun soll die dortige Hitler  - Zelle der Deffentlichkeit zugäng­lich gemacht werden. Die Zelle wird so ausgestaltet, wie sie während der Festungshaft des jeßigen Reichstanzlers war. Zur Einweihung und Uebergabe der Hitler  - Zelle an die Allgemeinheit find nach Mitteilungen der Landsberger  Lokalpresse besondere Feierlichkeiten vorgesehen...( Aus der gleichgeschalteten Preffe.)

sind mic sofort zu melden! So reden Christen!

02

Der Gauleiter der Ostmark, Pfarrer Edert, gibt fol­genden Erlaß an die Bezirksleiter heraus: Geistliche, die nicht absolut im neuen Geiste arbeiten, sind mir sofort zu melden, ebenso jede Miesmacherei von Personen aus den Kirchengemeinden. Gegen solche muß mit derselben Strenge eingeschritten werden. Pastoren, die schlapp oder gehässig ge­predigt haben, sind mir zu melden. Mit der firchlichen Neu­ordnung wird sich auch eine nicht unerhebliche Umbefeßung in den Pfarrstellen ergeben..."

Die Schubladen- Dichter

same Gegenwart vergessen wurde. Und wenn man fie an­Ich habe mir die Abwesenheit dieser klugen Augen nie ,, Jn welches Fach gehörst Du!"

sprach, kam ihr Blick aus innerer Ferne zurück.

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recht erklären können jetzt verstehe ich sie: es war der gegenwartsferne Blick einer Vertriebenen, einer Frau, deren Gang ins Ungewisse nie ein Ende, nie ein Ziel fand,

nie wieder ein Hier und Zuhause. Nur die Töchter waren noch der Sinn ihres Lebens.

In den letzten Jahren wurde sie immer abgewandter. Wie ein Monument faß die kleine Gestalt auf ihrem Play am Fenster. Man hätte sie für erloschen halten können, wenn es nicht gelegentlich überrascht hätte, wie scharf und wie bitter zuletzt sie dachte. Sie wurde immer schweigiamer; wie oft

mögen ihre Gedanken denselben heimlichen Weg gegangen sein. Sie saß da wie das Schweigen selbst. Und es geschah,

daß die Gäste betroffen verstummten, wenn abends die Frau plöslich aufstand und wortlos durchs Simmer wie durch

einen menschenleeren Raum in ihre Schlaffammer ging.

Eines Tages ist sie gestorben. Nach einer Krankheit, die ihre geduldige Kraft langsam und unauffällig verzehrte. Ste starb fast unbemerkt. Mitten im Sommer. Als wir von einer Urlaubsreise zurückkamen, war die alte Mutter schon lange begraben. Die Töchter waren allein in schwarzen Kleidern. Am Fenster stand der Lehnstuhl verlassen, als warte er auf die alte stille Frau.

Das ist nun einige Jahre her. Was ist seitdem aus uns geworden! Die Töchter haben den Weg weitergehen müssen,

In einer Versammlung des Reichsverbandes deutscher   Schriftsteller wurde die erste Fachschaft, die der Erzähler, gegründet. Der Stellvertreter des Präst denten Stoffregen Hans Richter setzte Ziel und Zweck des Verbandes auseinander. Zweck ist, das deutsche Schrifttum einzige vom Propagandaministerium aner- 1 tannte Organisation des freien Schrifttums zu einem

in einen Verband überzuführen, Ziel ist, den Verband als

zwangsverband auszubauen, so daß in Zukunft in Deutsch­ land  

nur ein Buch erscheinen tann, dessen Autor Mitglied des Reichsverbandes ist. Im ganzen werden zehn Fachschaften gebildet, die der Erzähler( Vorsitzender Werner Beumel­ burg  

), Fachschaft der Lyriker( Albert Sergel  ), Fachschaft der Tagesschriftsteller( Walther), Fachschaft der Uebersetzer( Dülberg), Fachschaft der Rundfunk schriftsteller( Arnhoevler). Alle Fachschaften sollen nach demselben Prinzip, wie oben angedeutet ist, ausgebaut worden. Der Schutzverband deutscher Schriftsteller, der Ver­band deutscher   Erzähler und der Deutsche Schriftsteller­verband werden in dem Reichsverband aufgehen.

den die Mutter einst angetreten hatte. Das erwachende Kosmos" von heute Deutschland  " hat sie ihres bescheidenen Brotes beraubt. Ver­trieben und verfemt haben sie Deutschland   verlassen müssen. Wie einst die Mutter den reicheren Besit, haben sie ihre kleine Habe im Stich lassen müssen. Ohne Mittel ſizen fie nun in einem fremden Zimmer im fremden Lande. Hier in der Emigration haben wir uns wiedergesehen.

Die alte Mutter ist tot. Sie ist zur rechten Zeit gestor­ben. Ihr Blick in die Ferne ist erloschen. Die Töchter tragen das Schicksal der Mutter weiter. Und es gibt kein Ziel. Manfred.

Daß die meisten deutschen   Verleger nur und nur Geschäfte­macher sind, wußten wir schon lange. Es wundert uns darum nicht im entferntesten, daß sie es besonders eilig mit der Gleichschaltung hatten. Uns allen ist die Franckhsche Ver­lagsbuchhandlung, Stuttgart  , bekannt, die ehemals fozia­liftische Bücher und Zeitschriften, u. a. den Kosmos, heraus. gegeben hat. Nun lesen wir eine Anzeige diefes tüchtigen Verlages, die fitr die von ihm veröffentlichten Uniform. tafeln der A. und SS." wirbt,