DAS BUNTE BLATT

TAGLICHE UNTERHALTUNGS- BEILAGE

Sportflüge über alle Ozeane

Einer will eiliger um die Welt rasen als der andere

Die Ereignisse auf bem Gebiete der Ozeanfliegerei schlagen fich geradezu. Kaum ein Tag vergeht, daß nicht vom Draht über dieses oder jenes neue Unternehmen berichtet wird. Raum daß der große Beifallssturm über Balbos geglückten Geschwaderflug nach Nordamerika   sich gelegt hat und schon stehen wieder die Einzelflüge im Vordergrund.

Da ist vor allem einmal ber einäugige amerikanische   Welt­flieger Wiley Post   zu nennen, dem es nach anstrengendem Fluge gelungen ist, den von ihm zusammen mit Harold Gatty gehaltenen Weltumfliegungsrekord von 8 Tagen, 15 Stunden, 51 Minuten zu brechen und um rund 22 Stunden zu kürzen. Das Schicksal hat es mit ihm besser gemeint als mit James Mattern, der vor einigen Wochen nach ebenfalls imposantem Ozeanflug- Debut in Sibirien   auf der Strecke blieb. Zwar hat Post, der also in Ozeanflug Angelegenheiten absolut tein Neuling mehr ist, etliche Male Störungen gehabt und auch sein Robot- Apparat hat nicht immer funktioniert. Aber er hat sich tapfer durchgeschlagen und sich durch nichts stören lassen. Glüdlicherweise waren die Störungen meist geringerer Art. Eine zu verschiedenen Malen defekt gewordene Del- guleitung fonnte rasch repa­riert werden und für den bei der Landung in Flat( Alaska  ) in die Brüche gegangenen Propeller war ebenfalls innerhalb furzer Zeit Ersatz beschafft. Post soll bei der Landung in Neuyork die Erklärung abgegeben haben, daß er den Flug um die Welt in 4% Tagen(??) erledigt hätte, wenn nicht verschiedene fleine Zwischenfälle ihn aufgehalten hätten. Nun, die Welt ist auch so um einen Reford reicher, und so geschwind wird ihm ein anderer die Sache nicht strittig machen.

Neuport ist momentan ganz auf Empfang eingestellt. Emp­fang von Balbo und seinem Geschwader, Empfang von Post und nun auch des Ehepaares Mollison, das gerade über den Atlantik   Neuyort auschwirrte, als Post landete. Schon am 8. Juni wollte Mollison starten. Damals sind sie aber beim Abflug durchgesackt. Der Apparat, ein zwei­motoriges Landflugzeug, wurde beschädigt und die Reparatur nahm lange Zeit in Anspruch. Seit einigen Wochen warteten fie bereits auf Ozeanflug- Wetter, das in diesem Falle be­sonders gut sein mußte; handelte es sich doch um eine Ost­West- Traversierung. Samstagmorgen sind sie in Wales   zum Non- Stop- Flug nach Amerika   gestartet. Sie haben den Atlantit in 20 Stunden hinter sich gebracht. Aber beinahe angesichts des Ziels hat sie ihr Schicksal erreicht. Mollison und seine sympathische Frau, die ehemalige Jmy John

son, wollten infolge Benzinmangels in Bridgeport   im Staate Connecticut   eine Landung vornehmen, wobei sich der Apparat aus noch unbekannten Gründen überschlug und voll­tommen zerstört wurde. Die beiden Insassen wurden von ihren Sigen geschleudert und mußten, glücklicherweise nicht lebensgefährlich verlegt, ins Spital transportiert werden. Glück im Unglück! Man denkt unwillkürlich an das tragische Ende, das vergangene Woche in Nord- Deutschland der litauische Ozeanflug nahm und an den Atlantikflug der beiden Spanier Barberan und Collar, die den Ozean in seiner größten Breite überflogen und nachher auf der verhältnismäßig furzen Strede von La Havana nach Merito verschollen blieben. Wenn die Flieger Mollison ge­nesen sind, wird ihnen in Neuyork doch ein splendider Emp­fang zuteil werden, weil das nun einmal so Mode ist, obwohl nicht durchsichtig erscheint, was mit solchen Raids bezweckt werden soll. Soloflüge in diesem Sinne sind nach wie vor als rein sportliche Unternehmen zu bewerten.

Diese finden dennoch genug Nachahmer. Folgende Flüge sind gegenwärtig in Vorbereitung:

Ulm  , Allen und Tavlor, die fürzlich einen Flug von Australien   nach England ausgeführt haben, wollen von London   direkt nach Neuyork fliegen und anschließend von Ean Franzisko in Richtung Sydney  ( Australien  ) den Pazifit überqueren.

Codos und Rofft, die berühmten französischen   Flieger, wollen den Welt- Distanz- Neford brechen, der von den Eng­ländern Gayford und Nicholettes mit 8592 Kilometer inne­gehalten wird. Sie hoffen, ab Neuport in direktem Fluge Bagdad   oder den Persischen Golf zu erreichen.

Williams und Bonelli beabsichtigen von Neuyork aus direkt nach Rom   zu fliegen. In ihr Flugzeug haben sie, wie Wiley Post  , eine selbsttätige Steuervorrichtung einge­baut, ein sog. Robot, der die Maschine in der erforderlichen Höhe und Gleichgewichtslage hält.

Rem Loring, ein spanischer Pilot, wird in den nächsten Wochen einen Raid Spanien  - Argentinien   an Bord eines Leichtflugzeuges unternehmen.

Der unbekannte Soldat der Luftfahrt

Er hat einen auffallenden Namen, der Mann in dem blauen Arbeitsanzug, und fein Mensch weiß eigentlich, war­um er Apparatchauffeur heißt. Der Apparat, das ist das Flugzeug, daß er zu betreuen hat, aber er lenkt es nicht.

Denn der Lenker des Flugzeugs ist ber Pilot. Das weiß jeder. Der Apparatchauffeur aber ist der Mann, ohne den kein Flugzeug fliegen könnte. Und das weiß feiner.

4.30 Uhr. Der Wecker schrillt in der Proletenwohnung in Simmering  . Nur sehr wenige Apparatleute fönnen am Flugfeld wohnen. Heraus aus den Federn, den Schlaf aus den Augen gewaschen und mit der überfüllten Straßenbahn geht es nach Aspern   hinaus, aufs Flugfeld. Um 7 Uhr ist Arbeitsbeginn.

Quietschend unb raffelnb werden die mächtigen Tore der Wellblechhangars zur Seite geschoben und langsam rollt aus einer Halle das erste Flugzeug auf den taufeuchten Rafen. Die Sonne rötet die Spizzen des Propellers: das glatt polierte Holz scheint zu glühen. Der Motor wird an­geworfen und die Explosionen in den Zylindern zer­trümmern die morgendliche Stille.

Der Apparatchauffeur seßt sich in den Pilotenfis, er gibt Gas, und während das Flugzeug durch Bremsflöße vor den Rädern am Boden festgehalten wird, singt der Motor seinen stählernen Gesang. Eine zweite, eine dritte Maschine wird herausgeschoben, und eine zweite, eine dritte Stimme fällt ein in den brausenden Chor. Der Propellerwind wirbelt fegend abgerissene Blätter, Staub und kleine Steinchen durch die Luft und die Grashalme werden tief, tief zur Erde hinabgebeugt.

Das kraftvolle, tiefe Dröhnen wird schwächer, ebbt ab: die Motorprobe ist vollendet. Große Kannen mit Del und Wasser werden herbeigeschleppt, Kühlwasser muß nach­gefüllt, das verbrauchte Del muß ersetzt werden. Ein Hand­farren mit einem Benzinbarrel und einer Pumpe rollt her­an, der Brennstoff wird ergänzt.

Dann wird die Maschine genau durchgesehen, ein aus­geleiertes Spannschloß wird ersetzt, ein etwas abgescheuertes Steuerfeil muß ausgewechselt und neu gefpleißt werden. Können Sie übrigens seilspleißen? Man bekommt aus­gefranste Finger davon! Zündkerzen müssen gereinigt, Reifen nachgepumpt, Federzüge des Fahrgestells und des Schwanzsporns müssen überprüft und nachgezogen, Fett muß in die Stauffer( Schmier)-Büchsen nachgefüllt werden und... Einige Minuten vor 8 Uhr rollt die Maschine auf die be­tonierte Abfertigungsplattform. Der Flugfapitän er­scheint, er geht um den Apparat herum und rüttelt an den Steuerorganen. Er klettert in seinen Sig, eine kurze Motor­probe, die Fluggäste steigen ein, ihr Gepäck wird verstaut und Punkt 8 Uhr heult die Sirene.

Der Luftpolizist hebt die Hand, der Start ist freigegeben. Das Flugzeug rollt erst langsam, dann immer schneller über

den Rasen, es hebt sich vom Boden ab, es zieht noch eine Schleife um den Plaß und entschwindet schließlich füdwärts im Dunst über der Stadt. Das erste Flugzeug nach Graz ist abgefertigt, die Apparatmannschaft macht die nächste Maschine flugbereit.

Aber schon um 8.50 Uhr kommt eine Maschine aus Buda­ pest   an, zehn Minuten später ist der Flug nach Prag   fällig, um 9.30 Uhr startet das Flugzeug nach Salzburg  , um 9.50 Uhr kommt eine Maschine aus Graz.

Dreizehn große Verkehrsflugzeuge kommen täglich in Wien   an, dreizehn fliegen täglich ab, die erste Maschine startet um 8 Uhr, die letzte kommt um 19.15 aus Prag   an. Sechsundzwanzig Maschinen im Tag, nein, in rund elf Stunden! Alle müssen abgefertigt, durchgesehen, betreut werden, Oel, Wasser, Benzin sind zu ergänzen die Apparatmannschaft darf nicht tarchenieren, fie muß tüchtig tschinageln"!

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Der Flugzeugführer ist der erklärte Held der Luftfahrt, in schmucker Uniform und goldbestickter Müße. O gewiß, er steuert sein Flugzeug sicher durch Nebel und Sturm, er lenkt es mit ruhiger Hand über weite Ebenen und hohe Gebirge. Er hat eine verantwortungsvolle, schwere Auf­gabe und es ist kein Kinderspiel, Flugzeugführer zu sein. Seine Leistung soll nicht geschmälert werden.

Aber kein Pilot könnte sicher und ruhig fliegen, wüßte er nicht, daß er sich auf seine Apparatmannschaft unbedingt verlassen kann. Und doch sehen die Fluggäste nur ihn und teiner denkt an den Apparatmann im öligen, blauen Anzug mit den zerfetzten Händen.

Immer funktioniert der Motor, immer find Benzin, Del und Wasser gefüllt, immer haben die Staufferbüchsen genug Fett, immer sind die Gellonfenster der Kabinen von den Delsprißern und vom Schmuß gereinigt.

Niemals fehlt die Luft in den Pneumatiks, niemals startet ein Flugzeug mit durchscheuertem Steuerfeil, niemals fehlt ein Bolzen, eine Schraube, ein Splint.

Ein Splint? Ja, das Fehlen eines Splintes kann zu einem schweren Unglück führen und selbst der beste Pilot könnte es kaum verhindern! Eine Schraube locker in der ungeheuer komplizierten Maschine verursacht einen Todessturz.

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Alle Welt sieht den Piloten und feiert ihn. Geringgeschäht aber ist der Dienst der Apparatmannschaft und kein Flug­gast mißt ihr besondere Bedeutung bei, wenn sie scheinbar müßig den Start der großen Verkehrsmaschine überwacht. Kein Fluggast weiß, daß der schwere Dienst dieser Arbeiter der Luftfahrt nicht sehr gut entlohnt und dabei doch auch nicht ungefährlich ist. Die Verantwortung für Leben und Gesundheit der Passagiere trägt feineswegs allein der ele­gante Pilot, ein gerüttelt Maß an Verantwortung ist auch aufgebürdet dem unscheinbaren, unbekannten Soldaten der Luftfahrt, dem Apparatchauffeur,

Die Toten 99

an die Lebenden

Von Heinrich Brachtl

Wenn ihr redet, dann vergeßt es nicht, daß wir in dem Drecke verwesen. Ihr wart zu Haus bei eurer Pflicht und heute steht Ihr auf unserm Gesicht und sagt, wir sind Helden gewesen. Ein Meter unter euren Füßen- das Massengrab, in dem wir liegen zerfetzt von Granaten und Schüssen. Ein Meter unter euren Füßen und Ihr redet von neuen Kriegen. Wir sind tot. Und das gibt euch den Mut, von uns zu sprechen, wie von Helden Wir starben, vergossen unser Blut, opferten Weib, Kind, Haus und Gut. Ihr sollt es der Nachwelt melden. Wir können nicht rufen und schrei'n. Unser Gerippe hat keine Kraft, sonst zögen wir euch zu uns herein. Ihr würdet nur bei jenen sein, denen Ihr oben Denkmäler schafft. Wenn Ihr redet, dann vergeßt es nicht, daß wir in dem Drecke verwesen. Ihr wart zu Hause bei eurer Pflicht und heute steht Ihr auf unserm Gesicht und sagt, wir sind Helden gewesen. Wenn Ihr redet, dann vergeßt das nicht!

Balbos Kriegsjubef

General Balbo hats als erster geschafft: mit fünfund zwanzig Bombenwerfern, mit vollster und fomplettester Kriegsbelastung inklusive Propa­gandamaterial ist er von Europens friedlichen Gestaden zur neuen Welt vorgestoßen. Weder Sturm noch Regen, noch Jslands Romantik und das Gewicht der eigenen Gas- und Flammenbomben haben das Geschwader zurückhalten können. Der Beweis ist endgültig erbracht worden, daß der Ozean nicht mehr trennend ist für die Kriegskünfte der Völker: die territoriale Internationalität erscheint geschaffen, das große Wasser ist heute wirklich nur mehr ein Teich, der die all­fälligen Kriegsoperationen höchstens um einige Stunden ver schieben, nicht aber mehr unmöglich machen kann. Und darüber haben die Sportbegeisterten Ameritas gejubelt; sie haben ganz vergessen( oder es nicht wissen wollen), daß sie nicht mehr vor der Freundschaft ihrer euros päischen Kriegskameraden geschüßt sein werden. Auch ihre Städte werden die Kunst von Arm strong- Vickers, von Junkers und Caproni   kennen lernen; europäische Gasbomben und Brandwerfer können heute bis nach Neuyork vorstoßen, sie müssen das nicht mehr einzeln tun, sie können sich in Gruppen zusammenschließen und da durch sozusagen das Kriegspotential und ihren Kampfes­wert stärken. Ja, müssen es denn nur 25 Flieger sein, die im Ernstfall den heute so kurzen Weg über den großen Teich antreten werden? Es werden Hunderte sein, die Tod und Verderben hüben wie drüben ausspeien müssen; Hunderte und Tausende von Fliegern werden wechsel. seitig Europa   und Amerika   bebomben, sie werden, zusammen an dem Untergang der Menschheit arbeiten. Und wenn es zu neuer männerfreudiger Schlacht kommen sollte, darüber, daß der immer kriegslustige Faschismus den Be­weis erbringen konnte, wie sehr die Welt heute dem Kriegs­moloch, der Bestie des Mordens, untertan ist, darüber hat einträchtig Europa   wie Amerika   gejubelt! Ja, ia, wir leben in einer ganz großen Zeit und Intellekt der Menschen ist stets im Wachsen begriffen.

Die Sofieidungsmühle von Reno

Je leichter es den Amerikanern gemacht wird, sich scheiden zu lassen, desto banaler werden ihre Scheidungsgründe. In der Stadt der Scheidungsmühle" in Reno   im Staate Nevada  wird jede Scheidung innerhalb zweier Tage durchgeführt. Die Aemter zeigen den Scheidungswilligen das größte Ent­gegenkommen. Nach einer Meldung aus Nevada   erwartet jetzt den Scheidungswilligen eine sensationelle Neuerung. Richter Clark Guild vom ersten Regierungsbezirk will in feinem Bezirk von Ort zu Ort reisen, um jede Scheidung innerhalb zweier Stunden durchzuführen. Er will der Stadt Reno Konkurrenz machen. Der amerikanische   Richter Boult warnt vor dieser Scheidungspraxis und sagt ganz richtig, daß sie jeden Idealismus zerstöre. Eine eben veröffentlichte Scheidungsstatistit für das Jahr 1983 zeigt, daß im Schei­dungsparadies Reno von zehn Ghen sechs innerhalb zweier Jahre beim Scheidungsrichter enden. Noch schlimmer steht es mit der Dauerhaftigkeit der Ehen in Hollywood  . Der Statistik nach werden dort mehr Ehen geschieden als ge­gründet. Es handelt sich meist um Künstlerehen, die sich ja nie sehr dauerhaft zeigen. In den übrigen Staaten Ame­rifas, in denen den Eheleuten die Scheidung nicht so leicht gemacht wird, hat die Zahl der Scheidungen gegenüber dem Vorjahr abgenommen. Durchschnittlich kommt auf sechs Hoch­zeiten eine Scheidung. In einigen südlichen Staaten ist die Ehescheidung fast unbekannt und in West- Virginien läßt sich von fünfzehn Ehen eine einzige scheiden.