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Fretheil

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands  

Nummer 38-1. Jahrgang Saarbrücken  , Donnerstag, den 3. August 1933 Chefredakteur: M. Braun

Das ruhevolle Licht, welches der sterbende Goethe begrüßte, scheint in unserem aufgeregten Jahrhundert entschwunden zu

sein; aber es wird in der Ferne widergespiegelt von den hohen sozialistischen   Gipfeln, und wir begrüßen es als eine Ankün­digung der Morgenröte.

Jaurès  .

Gekaufter Mordspitzel verhaftet!

Das Bild eines Menschenjägers

Das ist Heinrich Müller   aus Dortmund  , der im Auftrage der Geheimen Staatspolizei das Saargebiet wiederholt bereift hat. Das Ziel seiner Arbeit war, fich an bekannte sozialdemokratische Emigranten herans zumachen, diese auszuhorchen und sie möglichst in die Nähe der Reichsgrenze zu loden. Seine Hintermänner hoffen, die gesuchten Sozialdemokraten dann ebenso leicht über die Grenze bringen zu können, wie ihnen das bei Homburg   vor jegt zehn Tagen gelungen ist.

Dieser Spigel der Geheimen Staatspolizei versuchte ferner über die illegale Arbeit im Reiche Näheres zu ers fahren. Er überbrachte Grüße von Sozialdemokraten im Reich, die ihn nie beauftragt haben. Er bot sich als Ueber­mittler von Nachrichten an und glaubte wohl auf diese Art, hinter einen gar nicht bestehenden Kurierdienst zu kommen. Er wurde aber nur an der Nase herumgeführt.

Er war mit reichen Geldmitteln ausgestattet und glaubte burch Spenden das Vertrauen armer Emigranten erwerben zu können. Seine Auftraggeber lassen sich die sorgfältig vor: bereitete Attion etwas tosten. Für die Jagd auf Marxisten haben die Herren Hitler   und Göring   immer Geld. In einem alle wandte er, ganz nach der alten Methode Judas Jicharioth, den Trid an, einen Sozialdemokraten, den er von früher her kannte, zu umschmeicheln und ihn vor den drohen­den Gefahren zu warnen, da er wohl dachte, ihn so besonders vertrauensselig zu machen. Auch diese Methode mißlang. Müller gilt in seiner Heimat, aus der wir uns sein Bild beschaffen konnten, als Kommunist". Er ist auch einmal zu

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eineinhalb Jahren Gefängnis wegen Hochverrat verurteilt worden, brauchte aber nur knapp ein Jahr davon abzufigen. Ob er unter eine der vielen Amnestien gefallen ist oder

Meincide im Reichstagsprozeß

Die Nationalsozialisten kaufen Zeugen

Die Hitler  - Regierung ließ dieser Tage die Nachricht ver­breiten, daß mit wetteren Angeklagten im Reichstagsbrand­prozeß, der Anfang September in Leipzig   stattfinden soll, au rechnen sei. Es ist bereits mehrfach vorgekommen, daß die Hitler  - Regierung die Zahl der Angeklagten einschränkte, und dann wieder erweiterte. Sofort nach dem Reichstags­brand behaupteten führende Leute der Hitler- Regierung, daß sie alle Beweise über die Schuld der angeblich kommu­nistischen Brandstifter in Händen habe. Später hörte man nur noch von der Anklage gegen van der Lubbe. Nach einiger Zeit wurde bekannt gegeben, daß nach wie vor Torgler  , Popoff und Taneff in die Anklage einbezogen jeien.

Der Untersuchungsausschuß zur Aufklä zung des Reichstagsbrandes hat klare Be weise in der Hand, daß die Hitler  - Regierung nicht nur van der Lubbe, das Werkzeug der wahren Brandstifter,& u

19 sifont des

der Geheimen Staatspolizei

einzeln begnadigt worden ist, konnten wir nicht feststellen. Sicher aber ist, daß er schon vor einer Reihe von Jahren als dunkler Ehrenmann galt, der gegen entsprechende Be zahlung sich jeder Organisation als Spigel zur Verfügung ftellte.

Jetzt ist er in Met verhaftet worden, und zwar im Zus sammenhang mit einer Aktion, die von Köln   her zur Ver: schleppung und Ermordung führender Sozialdemokraten im Saargebiet geplant war.

Heinrich Müller   wird einstweilen seine Arbeit einstellen müssen. Er hat aber viele Komplicen. Vorsicht bis zum Mißtrauen ist angebracht. Die Menschenjagd wird vom Reiche her organisiert und bezahlt. Es gibt kein Verbrechen, das man nicht zu begehen entschlossen ist, wenn es verhaẞte Marristen in die Gewalt und in die Folter der Henker des Dritten Reiches   zu bringen geeignet ist.

Die neue Terrorwelle

Paris  , 2. Aug.( Inpreß.) Le Journal" spricht von den Ausbürgerungsankündigungen der deutschen   Regierung und bemerkt in den Zusammenhang, die nationalsozialistische Preffe hete besonders gegen Breitscheid  , den die Kreuz­ zeitung  " sogar mit dm Tode bedrohe.

Manchester Guardian" stellt fest, daß die ganze Kampagne wahrscheinlich nur eine Vorbereitung für eine neue Terrors welle gegen Margisten" ist.

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falschen Aussagen bewogen hat, sondern daß auch mehrere Nationalsozialisten von ihrer Parteileitung fom­mandiert sind, unter Eid falsche Aussagen gegen Torg­ ler   und gegen die verhafteten drei Bulgaren   zu machen.

Ein Beispiel für die Arbeit solcher kommandierter Zeugen ist folgende zuverlässige Nachricht:" Im Gefängnis Plößen­see sitzt der Schriftsteller Werner Hirsch  , der seit März verhaftet und Ende April im Horst Wessel  - Haus bei einer Vernehmung schwer mißhandelt wurde. Hirschs Name wurde bisher niemals im Zusammenhang mit dem Reichstags­brand genannt. Anfang Juli wurde Hirsch wieder zur Ver­nehmung vorgeführt und mehreren Beugen" gegenüber­gestellt, die aussagten: sie hätten ihn im Februar vor dem Berliner   Karl Liebknecht- Haus im Gespräch mit Marinus von der Lubbe   gesehen. Es droht demnach auf Grund falscher Zeugenaussagen die Einbeziehung von Werner Hirsch   in die Reihe der unschuldig Angeklagten

Blanke Waffe

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...... Und schlagen Hitler   tot!"

Westfälische Kunde

It

Aus Dortmund   wird uns geschrieben: Immer stärker wird in den Industriegebiete aber auch im östlichen Teile der Provinz der SA. und SS. Täglich wird die Bevölkerung dura cue Hiobspost erschreckt. In den vergangenen Wochen be­schäftigten sich die braunen Bataillone mit Streifzügen gegen die zahlreichen Heime sowohl der Jugendorganisationen der SPD. wie des Jungdeutschen Ordens, der in der dortigen, überwiegend protestantischen Gegend eine ziemlich große Anhängerschaft besitzt. Der Zustand dieser Gebäude läßt sich kaum beschreiben. Alles ist zertrümmert, gestohlen oder ver­wahrlost wie überall, wo SS. oder SA  . besetzen". Ganz offizell wird jetzt SA. nicht bloß zum Polizeihilfsdienst herangezogen, sondern man stellt sie an die Stelle der Poli­zei ein, die zum Zwecke militärischer Uebungen im Senne­ lager   eingezogen" wurde. Die Polizeibeamten erhielten zu diesem Zweck Urlaub und werden nun, jedermann sicht­bar, bei Paderborn   militärisch gedrillt.

Druck erzeugt Gegendruck. Trotz aller Maßnahmen, trotz der Beschlagnahmungen und Verhaftungen geht antifascht­stische Literatur von Hand zu Hand. In Dortmund   erlebten wir vor einigen Tagen eine seltsame Ueberraschung, die den berüchtigten Polizeipräsidenten Schepmann und seine Helfer in furchtbare Aufregung versezte. An mehr als tau­send Häusern der Stadt waren über Nacht Plakate angeklebt

Reichswehrsoldaten und SS.   worben, die folgenden Text hatten:

Sannover, 1. Aug.( Eig. Bericht.) In dem Kaffeehaus Georgs- Palast" in Hannover   kam es zu einem schweren Swischenfall zwischen Reichswehr  - Soldaten und Angehörigen der SS. Gegen Mitternacht betraten etwa ein Dußend SS. Beute in Uniform und in offensichtlich stark betrunkenem zu stande des vollbesetzte Lokal. Als sie an dem Tische der Reichs­webr- Soldaten vorübergingen, versuchten einige der ES. Leute, eine Unterhaltung mit den Soldaten zu beginnen, was diese jedoch in eindeutiger Weise ablehnten. In der Musik­pause rief einer der Nationalsozialisten( seinen Abzeichen nach 8 er ein höherer Führer gewesen sein) den Reichswehr  , grüßen haben Die Soldaten reagierten auch auf diese An­rempelung nicht. In seiner Wut stürzte sich in diesem Augen blid der SS.  - Führer auf den Kapellmeister mit den Worten:

das gleiche tue. Ein Teil der Gäste folgte der Anweisung. andere, darunter die Reichswehr  - Soldaten, blieben sizzen. Hierauf sprangen die SS.  - Leute gegen den Tisch der Reichs­ wehr  , schrien auf sie ein und forderten die Namen; einer der Unteroffiziere verbat sich dieses Benehmen und ersuchte die SS.  - Leute, sich von dem Tisch zu entfernen. Als Antwort versuchte ein SA.- Mann, den Unteroffizier zu fassen, gleich­zeitig drangen die SS.  - Leute geschlossen auf die Soldaten ein. Es entstand ein Handgemenge; die mehr rückwärts stehenden Soldaten zogen in der Notwehr die Waffen. Auf diese Wen­

buna tienen die eerteten Waffen uger ett Anblick der auf flohen sie mit Riesen­schritten. soweit ihre Besoffenheit es gestattete, und mit Hilferufen aus dem Lokal.

Braunschweig  , 1. Aug.( Inpreß.)

Wir werden diesen Burschen schon zeigen. Ich befehle Ihnen, Jüdischer S udent ermordet! lebt sofort das Horst- Wessellied zu spielen!" Der Kapell­meister verwies mit höflichen Worten darauf. daß das Spielen dieses Riedes durch Verordnung der Regierung in öffentlichen Lokalen verboten sei. Als der SS.  - Führer aber auf seinem Befehl beharrte und eine drohende Haltung ein­nahm, wurde das Horst Wessellied intoniert. Die S.- Leute standen auf und verlangten, daß das Publikum

Ein junger polnischer Student, namens Zauberel, ist von SA.  - Leuten ermordet worden, weil er angeblich absprechende Bemerkungen über Göbbels   gemacht hätte. Seine Leiche wurde der jüdischen Gemeinde übergeben.

Gibt uns Adolf bis Weihnachten kein Brot, dann werden wir wieder rot

und schlagen Hitler   tot!"

In hellen Scharen standen die Dortmunder   vor diesen An­schlägen, die schließlich von Polizeibeamten mit Hilfe von SA.   mühevoll entfernt wurden. Das bezeichnende Verschen aber geht unter der Dortmunder   Bevölkerung von Mund zu Mund und hat bereits überall in Westfalen   Eingang ge= funden, wenn es aus begreiflichen Gründen auch nur ge= flüstert werden kann.

In Särgen!

Barbarische Mißhandlung kommunistischer Gefangener

Im Gefängnis Plößensee verübten die Nazis eine sadistische Missetat. Sie fündigten einigen kommunistischen   Gefangenen an, daß diese lebendig begraben werden sollen, legten sie in Eärge, die sie vorher mit Luftlöchern versehen hatten und trugen sie lange Trepp auf und Trepp ab, damit die so Ge­folterten den Eindruck hatten, daß die viehische Drohung wirklich ausgeführt würde. Später brachten sie die Gefolter ten in ihre Bellen zurück.