Preis: 60 1. cts.

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Poniface

Freiheit

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands  

-O

Nummer 39 1. Jahrgang

Saarbrücken  , Freitag, den 4. August 1933

Chefredakteur: M. Braun

In einigen Tagen erscheint:

..Revolution

gegen Hitler  "

die neueste Kampfschrift gegen

das faschistische System.

Preis 1, Fr. Bestellungen jetzt schon an der Verlag ,, Deutsche Freiheit".

Vom Bettelstudenten zum Millionär

Galerie reichgewordener Nazi- Führer- Spezialisten für Korruption Jeder für sich, keiner für alle

In allen Siegesreden der nationalsozialistischen Rezi­fatoren hörte man immer wieder das schließlich zum geflügelten Wort gewordene Märchen von den« vier­zehn Jahren". 14 Jahre Schmach, 14 Jahre Befrug, 14 Jahre Korruptionssumpf usw. usw. Und hoch und heilig schwor man, daß nun wieder Reinheit in Deutsch­ land   einkehre, daß keine Vettern- und Protektions­wirtschaft in Deutschland   eintreten würde!

Ja, man hat die Korruptionisten der« 14 Jahre zum Teil entfernt. Hat sie und viele andere, denen man Korruption andichtet e, in Konzentrationslager gesteckt, aber die Bestechung und Erpressung feierte im felben Moment fröhliche Urständ. Eine niegeahnte Hoch­konjunktur der Korruption brach herein und der Unter­schied dieser neudeutschen von jener berühmten der 14 Jahre" ist nur der, daß die jetzige Reservatrecht der Führer des erneuerten Deutschlands   ist.

Der erste, der die günstige Gelegenheit, über Nacht reich zu werden, beim Schopfe faßte, war des neuen Reiches

Propagandaminister Dr. Göbbels  

Ein armer Junge aus Rheydt   bei Gladbach  , Sohn eines fleinen Werkbeamten, der nicht mehr lebt. Die Mutter konnte den Sohn nur mit Hilfe eines Darlehns des Albertus- Magnus- Vereins studieren lassen. Noch vor einigen Jahren war Dr. Göbbels   bettelarm. Dann er= oberte" er Berlin   für die NSDAP  . und sofort fand Anschluß nicht nur an die Kassen der Partei, sondern auch an die Rassen der großen Kapitalisten. Er machte schon vor dem Erwachen Deutschlands  " ein gutes Geschäft, indem er sich mit der Gattin des Großindustriellen Quandt  verband. Die Beziehung zu Quandt, wenn auch in dieser un­deutschen Art angeknüpft, schuf nicht nur sofort gewaltige Borteile, sondern versprach auch für die Zukunft ungeahnte Berdienstmöglichkeiten. Herr Quandt selbst erkaufte sich bei der Scheidung von seiner Gattin Magda  , der iurzfristigen Mode­ministerin, das Recht, den einzigen Sohn aus seiner Ehe für fich zu behalten. Und Frau Magda  , geschäftlich beraten von ihrem Bräutigam Josef Göbbels  , gab ihr Kind für eine Million Mark in bar mit Freuden hin. Das heißt, fie perfektionierte zwar den Vertrag, der bei der Scheidung gerichtlich besiegelt wurde, sie steckte auch die Million ein, aber dann gab sie das Kind doch nicht heraus. Lange zog sich der Streit hin. In: awischen kam die Revolution", Dr. Göbbels   wurde Minister und erledigte nun den Familienstreit auf kurze Art und Weise. Er ließ sich von seiner Klugen Frau kleine dis= frete Dinge über geschäftliche Transaktio= nen des Herrn Quandt erzählen und darauf­hin den Industriellen, der nur eine Million geblecht hatte und Unannehmlichkeiten machte, verhaften. Gegen Stellung der höchsten Kan­tion, die iemals in Deutschland   verlangt und erlegt wurde

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4 Millionen Mark, wurde Herr Quandt wieder auf freien Fuß gefeßt. Und nun tam erst das Glanzstück des mit allen Wassern gewaschenen Propagandaminifters. Er ers zwang von seinem ehelichen Vorgänger die Kautions= fumme für den minderjährigen Sohn und die Verwaltung und Nugnießung des Be trages für die Mutter, Frau Magda Göbbels  . Selbstverständlich mußte sich Herr Quandt noch verpflichten, keinerlei Ansprüche auf den ihm vom Gericht zugesprochenen Sohn geltend zu machen. Dafür wurde das Verfahren gegen Quandt, das auf einem Irrtum" beruhte, wieder eingestellt. Daß diese hervorragende Transaktion im Führerkreis nicht lange geheimgehalten werden konnte, ist klar. Raum fannte man sie, so nahm man sich an Herrn Göbbels ein Bei­spiel. Der preußische

Ministerpräsident Göring  

besaß schon lange gute Verbindung zu der Luftfahrtindustrie. Er legte sich tüchtig für sie ins Zeng, nahm dafür von den BMW.( Bayerische Motoren- Werke), wie inzwischen all gemein bekannt wurde, zweieinhalb Millionen Mart, von anderen Firmen entsprechend niedrigere Beträge, faufte" Aftien der BMW. sowie die Majorität von Junkers und schanzte den Firmen kurz danach Reichssubventionen von 50 Millionen Mark zu. Da sich Professor Junkers

Schwerer Konflikt

Ein gemeinsamer Schritt verschiedener Großmächten in Aussicht

London  , 8. Aug.( Eig. Draht.)

Das Material über den Einbruch nationalsozialistischer Propaganda- Flugzeuge in Desterreich ist in London   zu gleicher Zeit, wie in Rom   und Paris   mitgeteilt worden, und die englische Regierung ist nun in der Lage, die österreichische Frage, so wie sich heute darstellt, zu unter: suchen.

Ohne Zweifel beansprucht dieses Problem gegenwärtig ihre ganze Aufmerksamkeit. Man hat den Eins druck, daß das Londoner   Kabinett eine gemeinsame Intervention aller beteilgten Mächte gerne sähe, da es, wie stets in solchen Fällen gegen Einzelaktionen ist. Die deutsch  - österreichischen Beziehungen lassen von Tag zu Tag ein Eingreifen der Regierung wünschens: werter erscheinen.

Die englische öffentliche Meinung aller Richtungen, die mit wirklicher Sympathie die Anstren­

Der Minister der Auswärtigen Angelegenheiten beschäftigt sich seit mehreren Wochen mit der zwischen der deutschen   und österreichischen Regierung bestehenden Spannung. Seine Aufmerksamkeit hat sich dabei insbesondere auf die verschiedenen Zwischenfälle erstreckt, die sich in der letzten Zeit ereignet haben, nämlich die Ueberfliegung österreichischen Ge= bietes durch Flugzeuge schlecht erkennbarer Herkunft, die feindselige Flugblätter gegen den Kanzler Dollfuß abges worfen haben, über die Funksendungen deutscher   Stationen, in denen die gegenwärtige Wiener   Regierung angegriffen wurde. Der Außenminister hat bei einer gewissen Anzahl von Regierungen den Ernst und die Gefahren, die solche Gescheh= niffe darstellen, betont, und mit ihnen die Meinungen aus: getauscht, über Wege und Mittel, etwa die einer gemeinsamen Aktion, um die Wiederholung solcher Geschehnisse zu ver= hindern.

gungen des Kanzlers Dollfuß für die Erhaltung der öfter Französischer Protest

reichischen Unabhängigkeit begleitet, betrachtet eine inter­nationale Aktion, die ihn unterstügen würde, als sehr dringlich.

Frankreich   amtlich:

Paris  , 8. Ang.( Eig. Bericht.)

Nachdem die französische   Presse in den letzten Tagen sich wiederholt mit den Schritten, die der österreichische Kanzler Dollfuß   in Berlin  , Rom   und London   unternommen hat, beschäftigt hat, veröffentlicht Havas folgende amtliche Mit­teilung:

das Eindringen in sein Lebenswert nicht gefallen lassen wollte, segte man ihn in seiner Villa gefangen, bis er klein beigab. Gleichzeitig nahm der Luftfahrtminister Interesse an den Benzwerken, die ihn baten", ihnen seine fachmännischen Kenntnisse zur Verfügung zu stellen. Natürlich bekamen die Daimler- Motore dadurch einen Vorzug vor den Produkten der Maybach- Werke bei den Lieferungen für die national­sozialistische Luftflotte. Der Verbrauch dieser riesigen Be: stechungsbeträge machte dem Verschwender Göring   keinerlei Schwierigkeiten.

Getreu diesen Vorbildern handelten die übrigen Führer. Vor allem bemühten sich die bayerischen Pgs., es den Kol­legen in Preußen gleichzutun. Der erste war Herr

Minister Wagner

der sich die bedeutendste und wertvollste Industriefirma Bayerns  , die MAN.( Maschinenfabrik Augsburg- Nürnberg), als Mellobjekt anserfor. Den Hauptaktionär, den Freis herrn von Cramer- Klett  , steckte man in Schußhaft und ers zwang dadurch in kürzester Zeit nicht nur die Einsetzung cines Kommissars im Wert, sondern auch eine i m Nominalwert Attien herausgabe

von

800 000 Mart. Für dieses Geschenk versprach Wagner der MAN. bedeutende städtische und staatliche Lieferungen, die auch bald eintrafen. Der erste Auftrag erstreckte sich auf Lieferung von landwirtschaftlichen Maschinen im Betrage von drei Millionen Mart, Lastkraftwagen und Postautobusse für eineinhalb Millionen Mart sowie Straßenbahnwagen und Schnellzugslokomotiven für 7 Millionen Mart. Herr Wagner hat damit zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Er wurde Großaktionär und sorgte gleich zeitig als Minister für den guten Gang seiner Firma. Zwar wurde die Sache nicht sehr ver= schwiegen behandelt, die Transaktion kam durch die benach­teiligte Konfurrenz wie Maffei und Siemens in eine aller: dings beschränkte Oeffentlichkeit und schließlich auch Hitler zu Ohren. Es gab einen mächtigen Zusammenstoß, in dem jedoch

Wegen der Entführung im Saargebiet

" Havas" teilt mit: Der französische Botschafter in Berlin  hat bei der deutschen   Regierung einen entschiedenen Schritt unternommen, um gegen die Entführung französischer Staatsangehöriger aus dem Saargebiet zu protestieren. Ein gleicher Protest ist bereits über dieselbe Angelegenheit von der Regierungskommission des Saargebietes eingelegt worden.

der Führer" am Schluß klein beigeben mußte, wollte er nicht den ganzen Dreck, den seine Paladine am Stecken hatten, breittreten.

Was Herr Wagner konnte, dachte der bayerische  Minister Esser

auch zu Wege zu bringen. Er nahm sich die Rolle seines Pg. Freißler, des Ministerialdirektors im preußischen Justiz­ministerium, zum Vorbild, der die Enteignung der größten deutschen   Provinzzeitung, des" Dortmunder General- Ans zeiger", angeregt und hatte durchführen lassen, und machte nun dieselbe Geschichte mit dem großen Münchener Verlag Knorr u. Hirth nach.

Justizkommissar Frank II

seinen Vater, der wegen Betrugs vorbestraft und aus der Anwaltsliste gestrichen war, rehabilitieren" ließ? Oder wenn der berüchtigte Radauantisemit

Julius Streicher  

in Nürnberg   die jüdischen Firmen Reim n. Co., dessen Ins haber man zur Flucht zwang, und die bekannte Fahrrad- und Schreibmaschinenfabrik" Triumph" einfach annektierte? Was die großen Führer der einzigen deutschen   Partei im großen betreiben, das ahmen die unteren Führer im kleinen nach. Streichers Vorbild gab den Auftakt zur Eroberung" von Dugenden kleinen Firmen im Namen und für Rechnung der Gauleiter, der Sturmbann- und Sturmführer. Sie ließen sich ihr Enteignungs, recht" entweder in Beträgen von 10 000 bis 60 000 Mark ablösen oder nahmen alles weg. Teilweise boten sie auch den Firmen ihre stille Teilhaberschaft an gegen das Bersprechen, das Geschäft zu schüßen.

Was man bisher von Erpressung, Korruption, Betrug und Raub in der Welt gehört hat, wird alles weit überboten von jenen Methoden, die die Helden der Revolution" zu eigenem Nuy und Frommen angewandt haben.