THE NOW O

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Freiheil

Nummer 43-1. Jahrgang

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Mittwoch, 9. August 1933

Chefredakteur: M. Braun

Zahllose Greuel­

Wir Deutsche sind ein Volk von gestern. Wir haben zwar tüchtige Fortschritte in der Kultur gemacht; allein es können noch ein paar Jahrhunderte vergehen, ehe bei uns so viel Geist und höhere Zivilisation eindringt, daß man wird sagen können: es ist schon lange her, daß sie Barbaren  gewesen sind. Goethe.

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Reichsregierung, antworte!

Das Braunbuch" erschienen- Eine Anklageschrift

von 400 Seiten gegen die braune Mordpest

180 Tage nationale Revolution!" feiern die Naziblätter in Riesenlettern quer über ihre erste Seite. Ja, 180 Tage so­genannte nationale Revolution! 180 Tage Gewaltherrschaft der geistlosesten Clique, die sich jemals deutsch genannt hat. 180 Tage Raub, Mord und viehische Menschenschinderei. 180 Tage Entrechtung eines 65- Millionen- Voltes, Zerstörung all feiner hohen Traditionen, Zerstörung seiner sozialen Ein­richtungen, Bedrohung seiner Kultur. 180 Tage Vormarsch gegen den europäischen   Gemeinschaftsgeist, Angriff auf alle Organisationen des Proletariats, Sturm gegen die Menschenrechte, Entwürdigung des einzelnen, Vernichtung der Gemeinschaft. 180 Tage, die Deutschland   erschüttern- nicht, um Neues in Krämpfen zu gebären, sondern um Altes, Uraltes noch einmal zu ephemerer Herrschaft zu bringen. Sintflut, braune Schlammflut über einer Nation, die zu Besserem bestimmt war.

Das Fazit dieser 180 Tage muß gezogen werden. Nicht in selbstberauschenden Reden der beamteten Phrasenschmiede und Lügenapostel des faiserlich- hitlerschen Propaganda­ministeriums, sondern in nüchterner Klarheit. Und die Bilanz ist aufgemacht: über fast alle diese 180 Tage be­richtet das

Braunbuch über

Reichstagsbrand und Hitlerterror" ( Berlag der Universum- Bücherei, Basel  , Spitalstraße 19­geb. 24 Fr., brosch. 18 Fr.). In unermüdlicher, gefahrvoller, aufopfernder Arbeit sind Tausende von Dokumenten zu= sammengetragen, die über die Herrschaft der braune Armee aussagen. Zusammengetragen innerhalb Deutschlands  , über die Grenzen der Festung geschmuggelt und draußen geprüft, gefiebt, bearbeitet. Das Weltfomitee für die Opfer des Hitler- Faschismus" und besonders fein unermüdlicher Vorsitzender, Pord Marley, der Vize­präsident des englischen Oberhauses, hat die Kontrolle vor­genommen.

Ihre Mitarbeiter, erstklassige Kriminalisten, welterfahrene Journalisten, haben monatelang gearbeitet, um nur das ficherste, das allerbeste Material zusammenzustellen. Haben schließlich das Wichtigste- weil typische, nicht nur ver einzelte Fälle Betreffende- in dem großen Dokumentens werk des Braunbuchs" vereinigt und der Oeffentlichkeit übergeben, während die Originale der Dokumente und Fotografien unter notariellem Verschluß in einer fremden Hauptstadt deponiert bleiben.

Mit diesem Werk ist die Lügenarbeit der Göring und Göbbels   über den Reichstagsbrand endgültig erledigt. Die wahren Brandstifter stehen vor uns: Göring  , der Herr des Reichstags und der preußischen Polizei, Graf Helldorf  , Führer der Berliner SA. und die Fememörder Schulz und Heines. Van der Lubbes Lebenslauf ist aufgezeigt, seine jahrealten Beziehungen zum Münchner   Braunen Hause sind dargelegt. Die wichtigste Zeile aus der berühmten Liebes­liste" des Stabschefs der SA., Herrn Hauptmann Röhm, ist wiedergegeben: jene Zeile, in der der Name Marinus van der Lubbe   verzeichnet stand!

Neben den Dokumenten über die Reichstagsbrandstiftung find die ans den Konzentrationslagern heraus: geschmuggelten Briefe vielleicht das Wichtigste in diesem Buche. Die genauen Beschreibungen von Heuberg, von Oranienburg   und Sonnenburg.

Die Meldung des neuen Lagerkommandanten von Sonnen­burg über das Verhalten der SA. gegenüber den ihm an­rertrauten Gefangenen, gegenüber den zivilen Gefängnis­beamten, die durch bewaffnete Posten gegen Ueberfälle der ihnen zugeteilten Wachmannschaft" geschützt werden müssen. Das menschlich Ergreifendste aber bleiben die objektiven Berichte über die sadistischen Folterungen, denen politische Gegner oder unpolitische Js.aeliten in den SA.- Kasernen ausgesetzt sind. Die Krankenhausatteste über die Unglück­lichen, die noch lebend in ärztliche Behandlung famen- über den Juden Plaut in Kassel  , über jenen politischen Funktio­när, dem man eine Spiralfeder in den Mastd em drehte, um feine Eingeweide zu zerreißen!

Die Welt wird aufhorchen über diesem Buch. Entsetzen wird sich verbreiten denn so dokumentiert hat man die Wahrheit doch noch niemals gehört. Und Entsetzen wird sich in den Ministerien Berlins   verbreiten, wenn der irrsinnige Cäsar Göring merkt, daß auch Furch die Mauern seiner für

schallsicher erachteten Zelle Deutschland  " noch der Notschrei der gemarterten Millionen hinausdringt, daß die Wahrheit selbst von Joseph Göbbels   nicht totgelogen werden kann.

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und soll die Terroraktionen der österreichischen, von Berlin  und München   geführten und ausgehaltenen Nationalsozia­listen veröffentlichen. Auch in Desterreich wird mit Blut Geschichte geschrieben, auch in Cesterreich plazen Bomben 1nd werden Juden gemordet. Aber was sind diese vor­Lereitenden" Aftionen gegenüber der organisierten Herr schaft des Mordsystems in dem schon eroberten und ganz als Es wird von der österreichischen   Regierung herausgegeben erobertes Land" behandelten Reich?

Zur gleichen Zeit fast erscheint ein zweites Braunbuch" über die Taten der braunen Armee".

45 Konzentrationslager!

Sonderlager für Frauen

Dunkelarrest und körperliche Züchtigung im Ruhrgebiet  ( etwa 5 Lager), 100 20

Wir sind in der Lage, schon heute einige der wich­tigsten Abschnitte aus dem Braunbuch über Reichs­tagsbrand und Hitlerterror" zu veröffentlichen. Das Braunbuch" erscheint jetzt im Verlage der Universum­Bücherei, Basel  , Spitalstraße 19. Es ist von dem unter dem Vorsitz von Lord Marley  , Vizepräsidenten des englischen Oberhauses stehenden Weltkomitee für die Opfer des Hitlerfaschismus" herausgegeben. Wieviele Konzentrationslager gibt es, und wieviele Menschen sind in ihnen eingepfercht? Die deutsche Regierung - auch das spricht für ihr schlechtes Gewissenhütet sich wohlweislich, genaue Angaben zu machen. In einem Lande, in dem alles statistisch erfaßt ist, fehlt eine Statistik der Konzentrationslager. Soweit einzelne verläßliche Mel­dungen der deutschen   Presse, gelegentliche Aeußerungen von Naziführern und Besuche ausländischer Journalisten einen Ueberblick gestatten, gibt es heute( d. i. Anfang Juli 1933) mindestens 45 Konzentrationslager mit etwa 35 000 bis 40 000 Gefangenen. Dabei handelt es sich u. a. um folgende Lager: Dachau   bei München  ( 5000 Gefangene), Heuberg, Oberbaden( 2000), Gotteszell   bei Gemünd  , Württemberg  , Kieslau bei Bruchsal  , Baden  ( 100), Rastatt  , Baden  ( 300),

Bad Dürrheim  , Baden  ( 500), Pfalz  ( 2000),

Ginsheim   bei Frankfurt  , Rödelheim   bei Frankfurt  , Gaswert Frankfurt- Fechenheim, Osthofen  , Heffen,

Langen  , Hessen  , Kaffel,

Mühlheim  , Rhein  ( 2000),

Wanne- Eickel, Westfalen  ,

in Ostpreußen  ,

in Schleswig  ,

in Pommern  ,

in Mitteldeutschland  ( mehrere Lager).

Die deutsche   Regierung hat Mitte Mai beschlossen, zehrt neue Konzentrationslager zu errichten. Die Frankfurter Zeitung  " vom 30. Mai 1933 meldet, daß auf dem Heuberg in Oberbaden ein zweites Konzentrationslager für solche Gefangene errichtet wird, deren Entlassung nicht vor dem Winter geplant ist.

Setzt man die Zahl der Gefangenen in jenen Lagern, über die keinerlei Angaben zu erlangen sind, nur mit durchschnitt­lich 700 für jedes Lager an, so ist eine Gesamtzahl von 35 000 bis 40 000 Gefangenen für ganz Deutschland   sicher nicht zu hoch gegriffen.

Frauen und Intellektuelle in den Konzentrationslagern

Unter den Häftlingen in den Konzentrationslagern be­finden sich Hunderte von Frauen.

Die weiblichen Reichs- und Landtagsabgeordneten der Kommunistischen Partei, deren man habhaft werden konnte, wurden zuerst in das Frauengefängnis Berlin  , Barnim straße, gebracht, bevor sie in das Konzentrationslager famen. Man hat dieses Gefängnis in Berlin   als Sammel- und Durchgangsstelle für verhaftete Frauen eingerichtet. In Süddeutschland   wurde Anfang Juni ein besonderes Kon­zentrationslager für Frauen eingerichtet. Eine amtliche Mel­

Sennelager bei Paderborn  ( 900 Männer, 30 Frauen), dung vom 8. Juni 1933 berichtet: Efterwegen bei Dörpen  , Westfalen  ( 500), Mooringen bei Hannover  ,

Papenburg  , Emsland  ( eingerichtet für 4000 Gefangene), Bremen  ,

Vechta  , Oldenburg  ,

Wiljede, Lüneburger Heide  ( 2000), Fuhlsbüttel   bei Hamburg  ,

Wittmoor bei Hamburg  ,

Oranienburg   bei Berlin  ( 1500), Börnicke bei Nauen  ,

Sonnenburg, Preußen( 414), Ohrdruf  , Thüringen  ( 1200),

" In Gotteszell   bei Gemünd   ist ein württembergisches Schußhaftlager für weibliche Personen errichtet worden." Kurze Zeit darauf ist in Sachsen   ein zweites Konzentra= tionslager für Frauen errichtet worden. Alle Berichte be­sagen übereinstimmend, daß die Frauen in den Gefängnissen und Konzentrationslagern besonderen Qualen und Ver­folgungen ausgesetzt sind.

Dunkelarrest

Strafgefangenenanstalt Mathildenschlößchen bei Dresden  , und körperliche Züchtigung

Colditz  , Sachsen  ,

Zittau  , Sachsen  ( 300),

Hainewalde   bei Zittau  , Sachfen,

Schloß Ortenftein bei Zwickau  , Sachsen  ( 200), Grünhainichen  , Sachsen  ,

Fefte Hohenstein, Sachsen  ( 800), Feste Königstein  , Sachsen  ( 200), Sachfenburg, Erzgebirge  , Breslau  ,

Dürrgon bei Breslau  , Grundau bei Königsberg  . Weitere Lager befinden sich:

in der Provinz Brandenburg  ( etwa 6 Lager), in Braunschweig  ,

Die Willkür, welche die Konzentrationslager geschaffen hat, hat auch die Inhaftierten nach drei Graden eingeteilt, und zwar in:

a) Leichtverbesserliche( Deutschnationale, Bayernwacht, Mit läufer);

b) sogenannte Schwerverbesserliche;

c) Unverbesserliche.

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