Isoliert! St
sang nia
Berlin , 8. Ang. ( Eig. Draht.) Die Reichsregierung läßt durch ihre Presse auch heute noch die deutsche Oeffentlichkeit über die Bedeutung des englisch - französischen Schrittes im Dunkel halten. Mehrere Tage wurde dem deutschen Volke erzählt, es werde nichts geschehen. Als dann die Noten der beiden Regierungen nicht mehr abzuleugnen waren, wurde von einem überraschenden Schritt phantafiert. Jegt bestreitet die Reichsregierung, daß Vertragsverlegungen vorliegen und sucht im übrigen Schutz hinter Mussolini , der sich an der Attion nicht beteiligt habe. Auch das ist eine Ausflucht, die
diesen seinen alten Standpunkt noch einmal dargelegt. Deutschland steht in der österreichischen Frage im Biermächtepakt isoliert. Diese erste Aktion im Rahmen des Biermächtepattes zeigt, wie start sich die Reichsregierung außenpolitisch durch ihre Bekräftigung des Versailler Vers trages gebunden hat.
Es wirkt symbolisch, daß der aktivste Förderer des deutschösterreichischen Anschlußgedankens, Paul Löbe , dieser Tage in ein Konzentrationslager gebracht worden ist. Wie groß ist die Kluft zwischen Berlin und Wien geworden, seitdem die Nationalsozialisten in Berlin regieren. Desterreich steht nun
unter dem Protektorat fremder Regierungen und die Ber: liner Regierung muß eine nationale Demütigung nach der andern einstecken.
fich der diplomatisch sehr vorsichtig abgewogenen Beröffent Frankreich erwartet
lichung der italienischen Regierungsagentur Stefani be dient. Diese dementiert, daß die italienische Regierung wegen der deutschen Flugzeuge über Oesterreich in Berlin vor= stellig geworden sei. Es ist nie behauptet worden, daß Italien dies formell getan habe.
Fest steht aber, daß Mussolini freundschaft: liche Warnungen an die Reichsregierung gerichtet hat.
Bei den besonderen Beziehungen, die zwischen Rom und Ber lin bestehen, und bei den Rücksichten, die Mussolini auf seine faschistische Partei zu nehmen hat, ist natürlich eine öffentliche diplomatische Demonstration, wie sie von England und Frankreich unternommen worden ist, vermieden worden. Sachlich ist die Haltung Italiens zugunsten der territorialen Unabhängigkeit Oesterreichs mindestens so fest wie die Englands und Frankreichs . Man scheint im deutschen Volke vergessen zu haben, wie Mussolini gegen die von dem dama: ligen Außenminister Dr. Curtius unter der Kanzlerschaft Brüning eingeleitete deutsch - französische Zollunion operiert hat. Als die Frage, ob diese Zollunion sich mit dem Friedensvertrag vereinbaren lasse, das Haager Schiedsgericht beschäftigte, erklärte Mussolini vor der für Deutschland un= günstigen Entscheidung:
Ganz gleich, wie der Saager Gerichtshofen te scheiden werde, müsse die österreichische Selbständigkeit gewahrt bleiben und Ita Tien sei nötigenfalls zu einem Kriege dafür bereit. Die juristische Lage sei ganz gleich gültig.
Die italienische Regierung muß aus politischen und wirt: schaftlichen Interessen Italiens die Unabhängigkeit Defter: reichs sichern. Das ist nicht nur in Berlin noch einmal in Erinnerung gerufen worden, sondern Italien hat auch in London und in Paris unzweifelhaft
Paris , 8. Auguft( Eig. Drahtber.)
Der„ Temps" beschäftigt sich auch heute wieder- zum dritten Male innerhalb drei Tagen- mit der englisch - fran: zösische Demarche in Berlin . Er weist darauf hin, daß der Schritt zwar in freundschaftlichen Formen erfolgt sei und ohne Drohungen, aber die feierliche Ankündigung müsse in Berlin verstanden und beherzigt werden. Sollte Deutschland die unzulässige Politik gegen Oesterreich fortführen, so müsse der Völkerbundsapparat in Bewegung gesetzt werden. Man müsse hoffen, daß der englisch - franzöfifche Schritt Europa eine solche Prüfung erspart habe.
Die Schlußfäße im„ Temps" lauten wörtlich:
Die in Berlin unternommenen Schritte stellen den einfach ften und praktischsten Weg dar, denn es brächte große Nachteile, die Frage der deutsch - österreichischen Beziehungen un mittelbar vor den Völkerbund zu bringen und Deutschland auf eine Artzur Verantwortung zu ziehen, die unfehlbar den lebhaftesten Widerstandseines aufgepeitschten Nationalismus hervorrufen
würde. Aber sollte die feierliche Warnung( solennel avertissement) an die Adresse der Reichsregierung nicht ver= standen und beherzigt werden, sollte Deutschland auf seiner unzulässigen Politik gegenüber Desterreich bestehen, welche die Unabhängigkeit dieses Landes bedroht, so ist es ganz offensichtlich, daß die Großmächte auf eine eigene Attivität verzichten und den Völkerbundsrat in Anspruch nehmen würden, der seine Entschlüsse gemäß dem Geiste und dem Buchstaben des Völkerbundpaktes zu fassen hätte. Man muß hoffen, daß der Diplomatie der Regierungen in London , Paris und Rom es gelingen wird, Europa eine so ernste Prüfung( une épreure aussi sérieuse) zu ersparen.
Hände weg, Hitler!
Ein ,, freundschaftlicher", aber entschlossener
Protest
In den„ Sunday Times" schreibt Wickham Steed :
,, Man ist sich in gut unterrichteten englischen Kreisen völ lig bewußt, daß der deutsche nationalsozialistische Feldzug gegen Desterreich nur die erste Etappe auf dem Wege ist, den großen Plan des dritten Reiches" zu verwirklichen, das alle Völker germanischer Rasse auf dem europäischen Kontinent umfassen soll.
Ein Erfolg des nationalsozialistischen Feldzuges gegen Desterreich würde natürlich Deutschland ermutigen, Mit teleuropa ebenso in Brand zu stecken, wie Nordwesteuropa ."
Er schlägt seinen Arbeitern etwas vor...
In den Betrieben des größten deutschen Saar- Indus striellen, des Herrn Röchling in Völklingen , lesen die ers staunten Arbeiter und Angestellten in diesen Tagen folgenden Auschlag:
" Für alle diejenigen Mitglieder unserer Belegschaft, die sich zur deutschen Front" zählen, schlage ich als gegens feitige Begrüßung den deutschen Gruß durch Hochheben der rechten Hand vor.
Völklingen , den 5. August 1988.
gez. H. Röhling." Diejenigen, die es anging, haben von dieser Obre mit ges bührender Hochachtung Kenntnis genommen. Sie haben fich gefragt, ob die Geschäftsfreunde des Herrn Röchling , die Abgesandten der französischen Rüstungs: industrie, ebenfalls von ihm gebeten worden sind, ihn künftig bei jeder Begegnung mit„ Heil Hitler" zu begrüßen. Im Ernst: Dieser Borschlag" des Saar- Gewaltigen ist in der Praxis eine unverhüllte Aufforderung zur Spigelei, Ans geberei und Gesinnungsterror!
Abfällige Bemerkungen im Ausland
Hamburg , 7. August. Vom Kommando zur besonderen Ver wendung wurden auf einem in Hamburg eingetroffenen Dampfer drei Männer festgenommen, die im Auslande abfällige Aeußerungen über das heutige Deutschland gemacht hatten.
Kampfbund aufgelöst!
Ley tröstet den betrogenen Mittelstand
Berlin , 7. Aug. Der Stabsleiter der„ Politischen Organt sation" der NSDAP. , Dr. Ley, hat mit Einverständnis des Reichskanzlers folgende Anordnung erlassen:
1. Der am 15. 12. 32 durch Anordnung des Führers ins Leben gerufene Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes hat mit der Amtsübernahme durch einen nationalsozialistischen Reichswirtschaftsminister seine Kampfaufgabe in der bisherigen organisatorischen Form erfüllt. Da die neuen Aufgaben in der Erziehung des deutschen Menschen zur nationalsozialistischen Weltanschau ung, zu nationalsozialistischem Wirtschaftsdenken und Wirtschaftshandeln und zur gegenseitigen Selbsthilfe in der Heranbildung des Führernachwuchses für Handel, Handwerk und Gewerbe in der deutschen Arbeitsfront bestehen werden, wird der bisherige Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes in die nationalsozialistische Handwerks Handels- und Gewerbeorganisation( HAGO) einerseits und dem Gesamtverband des deutschen Handwerks, Handels und Gewerbes in der deutschen Arbeitsfront andererjeits auseinandergegliedert....
M. D. Sefton Delmar, der Korrespondent des„ Sunday Expreß ", hat Herrn von Papen in seinem prächtigen Schloß von Wallerfangen bei Saarlouis aufsuchen können. Er berichtet folgendes:
„ Herr von Papen hat mir erklärt, daß Deutschland Frankreich auf der Hälfte des Weges entgegengehen und sich mit ihm über die allerwichtigste Frage, über das Saargebiet, verständigen wolle.
Obwohl der Vizekanzler offiziell seine Ferienzeit verlebt, hört er nicht auf, Hitler zu helfen, 65 Willionen Deutsche zu regieren, außer den 800 000 Bürgern, die im Saargebiet ( ganz wie Herr von Papen) unter der Regierung eines Engländers, eines Franzosen, eines Finnländers, eines Kroaten und eines Deutschen den Kommissaren des Bölkerbundes- leben.
"
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Man behandelt uns wie einen gewöhnlichen Negerstamm unter einer kolonialen Mandatsregierung", erklärte mir Herr von Papen, dessen graue Augen vor Zorn funkelten, als ob wir unfähig wären, uns selbst zu regieren!"
„ Das ist unerträglich! Wenn die Bolksabstim. mung stattfindet, dann besteht kein Zweifel, daß eine überwiegende Mehrheit sich für die Rückgliederung an Deutschland ausspricht.
Aber vorher wird eine heftige Propaganda von beiden Seiten eine gefährliche Atmosphäre schaffen, von der ich in diesem Augenblick die schwersten Gefahren für Europa voraussehe.
Daher sind wir Deutschen bereit, uns mit Frankreich bezüglich des Saargebietes zu verständigen. Vorbehaltlich einiger wirtschaft licher Vorteile, die wir den Franzosen gerne zugestehen, muß das Saargebiet sofort deutsch werden- ohne weitere Auseinandersetzungen. Es ist kein Zweifel, daß alle anderen Fragen sich von selbst lösen werden, wenn erst diese gütliche Uebereinkunft geschlossen ist. Besonders gilt dies von der Frage der Abrüstung."
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Herr von Papen läßt schon aufgeregt dementieren, daß er dem Engländer ein Interview gegeben habe, es sei viel mehr nur ein„ privates Gespräch" gewesen, das der Eng länder entstellt wiedergegeben habe.
Es ist nicht das erstemal, daß Herr von Papen„ mißverstanden" worden ist. Sein Dementi ist aber Unsinn. Wenn wir von den verunglückten groben Bemerkungen über die Regierungskommission absehen, hat er durchaus eine Linie der Saarpolitik aufgezeigt, die die jebige Reichs: regierung einhalten muß. Außerdem sollte Herr von Papen doch nicht leugnen, daß er diese Linie nicht nur gegenüber diesem Engländer, sondern mündlich und schrift. lich auch gegenüber anderen Leuten vertreten hat. Auch hat er schon wiederholt seine französischen Beziehungen zugunsten der von ihm angestrebten Lösung in Bewegung ges, jetzt. Darüber konnte die„ Deutsche Freiheit" schon
vor Wochen berichten. Das„ private Gespräch" bestätigt nur unsere Informationen.
Eine Frage unmittelbar an den Vizekanzler. Wenn er sich so aufregt, daß wir an der Saar regiert werden wie ein Negerstamm: Warum legt Herr von Papen dann so großen sein? Wenn wir solche lästerliche Reden über die ReWert darauf, Besizerdesroten Saarpasseszu gierungskommission führten, wie der deutsche Vizekanzler, würden wir von der„ Regierung des Negerstammes" uns nicht einen Paß erbitten.
Sonderbare Charaktere, diese Uebernationalen!
Viele Tote und Verletzte
Neuyork, 8. Auguft. Die Angaben über die Zahl der Personen, die bei dem Vorgehen der Truppen und Polizei gegen die aufgeregte Volksmenge in Havanna vor dem Pas lais des Präsidenten getötet oder verwundet wurden, schwans sprechen andere von 90. 200 Personen sollen fen beträchtlich. Während einige Blätter 20 Totemelden, verlegt worden sein. Die Zahl der Verhafteten geht in die Hunderte. Nach der Chicago Tribune ist die Botschaft
der Vereinigten Staaten in ein Krankenhaus verwandelt. Der Kongreß habe den Präsidenten Machado ermächtigt, die verfassungsmäßigen Garantien aufzuheben, besonders die persönliche Freiheit. Ueber ganz Euba ist der Belagerungszustand verhängt worden.
Die drei Verschleppten
Sie sind wieder frei- Eine Wildwestgeschichte wird erzählt...- Aber nun kommt das dicke Ende: Schadenersatz!
Die Verschleppung zweier Franzosen und eines Saarlän
ders aus Homburg hat für die deutsche Reichsregierung einen
recht kläglichen Ausgang genommen. Auf Grund der Vorstellungen der französischen Regierung und der Regierungskommission des Saargebietes wurden die Verschleppten aus dem Gefängnis entlassen. Sie befinden sich wieder in Hom burg. Um das ungefeßliche und völkerrechtswidrige Vorgehen der Nationalsozialisten, das ohne Hilfe amtlicher Stellen nicht
hätte durchgeführt werden können, zu bemänteln, wird eine wahre Räuberpistole veröffentlicht, die den Legenden um Rinaldo Rinaldini alle Ehre macht. Es wird behauptet, die Verschleppten hätten vorher auf bayerischem Boden einen Nationalsozialisten mißhandelt, und die ganze Angelegenheit sei nichts anderes, als ein„ privater Racheatt" gewesen. Wahrheitswidrig wird gesagt, daß man die drei Homburger veranlaßt habe, über die Grenze zu kommen". Wie es in Wirklichkeit war, weiß jedermann: daß die Leute unter Drohungen mit dem Revolver über die Grenze ges prügelt wurden, und daß man ihre silferufe weithin hörte. Indirekt gibt die deutsche Regierung schließlich zu, daß ein Gendarm beteiligt gewesen sei. Die Verschleppten befanden sich im Gefängnis, womit die Bes hauptung, daß mit der Sache weder Beamte noch parteiamtliche Stellen etwas zu tun gehabt hätten, am deutlichsten widerlegt ist.
Die Angelegenheit ist mit der Rückkehr der Verschleppten noch nicht erledigt. Die deutsche Regierung wird eine nicht unerhebliche Schadenersayrechnung zu Schadenersagrechnung zu be: gleichen haben.
„ Ständiger Bruch aller Regeln"
,, Manchester Guardian", das angesehenste liberale Blatt, schreibt in einem Artikel über die Entführung aus dem Saargebiet:„ Die deutsche Regierung hat der Saarkommission gesagt, daß sie eine sofortige Untersuchung eingeleitet habe. Aber obwohl jetzt vierzehn Tage seit dem Verbrechen verstrichen sind, hat sie noch nichts über die Resultate dieser
untersuchung mitgeteilt. Statt dessen hat sie der bayrischen
"
Polizei erlaubt, einen Bericht herauszugeben, in dem fran zösischen Provokateuren die Schuld gegeben wird. Das geht nun wirklich nicht an. Provokateure" mögen ein bequemer Prügelfnabe sein, aber man kann auch das übertreiben. Es fann kein Zweifel bestehen, daß die drei Unglücklichen unter Drohungen mit dem Revolver über die Grenze gezwungen wurden. Die deutsche Regierung hat unbeschränkte Machtmittel in der Hand, um Verbrechen zu unterdrücken. Es steht außer Frage, daß sie, wenn sie nur wollte, die Verbrecher wie die Opfer ausfindig machen könnte. Sie kann ihrer Verantwortlichkeit nicht dadurch entgehen, daß sie sagt, die Tat sei von unverantwortlichen Elementen begangen worden. Es ist ihre Pflicht, die Verbrecher zu verhaften und die Gefangenen zurückzuschaffen. Unglücklicherweise hat Hitlers Regierung vom ersten Augenblick an eine rücksichtslose Tattlosigkeit in der Behandlung ihrer Nachbarn gezeigt. Wenn sie nur ein Tausendstel der Energie, die sie gegen jede kritik im Innern anwendet, aufwenden würde, um die Grenzen zu bewachen, so könnte sie ohne Frage solche Zwischenfälle vermeiden. Aber sie tut es nicht, und was ist die Folge? Stäns diger Bruch aller Regeln eines anständigen internationalen Berkehrs, von Verträgen gar nicht zu reden."