Rund um Oesterreich

Neue Rundfunkrede- Neue Beunruhigung

Paris , 15. Ang.( Eig. Drahtmeld.)

Die Rede, die der Nationalsozialist Frizz Ananß am

Alarmruf Winston Churchills

Sonntagabend im Rundfunt gegen die österreichische Regie Gegen deutsche Geheimrüstungen- Kein Vertrauen zur Hitlerdiktator

rung gehalten hat, verstärkt hier den Eindruck, daß die Nationalsozialisten ihre Unterwühlung des Kabinetts Dollfuß fortsetzen und die Hitler - Regierung durch ihre beruhigenden Erklärungen nur Zeit gewinnen will. Knauß hat die öfters reichischen Minister u. a. Schwarze Verräter" genannt. Aus Wien kommen Meldungen, die nachweisen, daß eine ille gale nationalsozialistische Organisation besteht. Auch die deutsche Gesandtschaft sei an diesen Umtrieben beteiligt. Die Oberleitung habe die Reich 3= parteileitung der NSDAP . Infolgedessen sind die Regierungen von Paris , London und Rom in nene Verhandlungen über die österreichische Frage eingetreten. Gerüchtweise verlautet, daß Mitglieder der Regierung Dollfuß mit Führern der Hitler- Bewegung in der Schweiz zusammengetroffen seien, um ein Kompromiß zu finden. Dollfuß stehe diesen Verhandlungen fern.

Hinausgeworfen

Wie Ley in Genf , so Schemm in Madrid

Madrid , 14. Aug. Wie die Madrider Blätter ans San tander melden, hat der internationale Lehrerkongreß, der am Freitag eröffnet wurde, beschlossen, daß die dort an­wesenden deutschen Vertreter am Kongreß nicht teilnehmen dürfen, weil sie angeblich nicht die freie Lehrerschaft und nicht die aufgelösten Lehrerverbände verträten, sondern " Domestiken der Faschistenregierung" seien. Diesen Antrag hatte der Franzose Delmas gestellt.

Die deutschen Teilnehmer, der bayerische Unterrichts­minister Schemm und die Herren Wolf, Becker und Kolb, verließen unter Proteft den Saal. Darauf wurde der Antrag des Franzosen Delmas mit 40 gegen 21 Stimmen angenommen.

Englischer Bergarbeiterstreik

London , 15. Auguft. Wie die Blätter ans Swansea melden, haben 12 000 Arbeiter in 22 den Vereinigten Anthra= zitzechen gehörenden Schächten die Arbeit eingestellt. Bis Donnerstag werden, wenn inzwischen nichts unternommen wird, 15 000 Mann feiern.

Faust lebt

Er schreibt einen Brief aus dem Konzentrations­lager

Die Geheime Staatspolizei veröffentlicht einen Brief des früheren Reichstagsabgeordneten Faust. Demnach befindet er sich in einem Konzentrationslager und lebt. Selbst in diesem Briefe, die Echtheit vorausgesetzt, spricht der tapfere Abgeordnete davon, daß der Aufenthalt im Konzentrations­lager von seelischen und körperlichen Bedrückungen begleitet ist. Er hofft auf seine baldige Befreiung. Wir wünschen ihm herzlich, daß sich diese Hoffnung erfüllt.

Der Brief des Abgeordneten Faust ist an die Freie Presse" in Amsterdam gerichtet. Uns war ein Bericht ähn­licher Art zugegangen. Wir haben ihn mit einer ein­schränkenden Bemerkung veröffentlicht, weil es uns nicht möglich war, das in Bremen allgemein verbreitete und ge= glaubte Gerücht von dem Tode Fausts nachzuprüfen. In­zwischen haben wir schon vor einiger Zeit auf Grund von Mitteilungen der Verwandtschaft Fausts und von Mel dungen über Dänemark eine Notiz veröffentlichen können, daß Faust lebt. Der Fall Faust zeigt wieder, wie dicht das Dunkel um die Konzentrationslager ist.

Schwindel- allzu durchsichtig! ,, Ein Hetzer gefaßt"

Das hitleramtliche Wolff- Büro verbreitet diese Meldung: Ein Hezer gefaßt

Der Kaufmann Jwan Rosenboom aus Leer wurde von Beamten des holländischen Grenzkommissariats über die deutsche Grenze befördert. Von der deutschen Polizei wurde er ins Gefängnis von Leer eingeliefert. Rosenboom hatte an Pfingsten eine Dampferfahrt von Leer nach Delfzyl ( Holland ) gemacht, von der er nicht nach Deutschland zurückkehrte. Er tauchte in Amsterdam auf und suchte dort mit dem aus Deutschland verschwundenen marristischen Redakteur eines SPD. - Blattes, Alfred Moses, eine deutschfeindliche Hezzzeitung zu gründen. Als ihm in Amsterdam der Boden zu heiß geworden war, reiste Rosen­boom nach Groningen , wo er unangemeldet wohnte und schließlich von der holländischen Polizei festgenommen wurde.

Dieser Schwindel stinkt meilenweit. Der Kaufmann Rosen­boom soll deshalb an die deutsche Grenze befördert worden sein, weil er in Holland den Versuch gemacht habe, eine deutschfeindliche Heßzeitung" zu gründen! Sein Kum­

schwankt, mußte zwischen Kapitalisten und Arbeitern wählen. Wer die Produktionsmittel nicht in die Hände des Gemeinwesens überführen will, der muß das Kom­mando der Kapitalisten über die Produktionsmittel wiederherstellen. Wenn man keine sozialistische Gesell­schaftsordnung schaffen will, kann man bei Strafe ver nichtender Wirtschaftskatastrophe den Mechanismus der kapitalistischen Gesellschaftsordnung nicht stören. So mußte Hitler gegen die Proletarier in seinen Reihen Stellung nehmen. Er proklamierte die Kapitulation vor der Vernunft", er verbot seinen Leuten, die Entschluß­freiheit der Wirtschaftsführer" zu beeinträchtigen, er wandte sich gegen die Forderung nach der zweiten Revo Iution".

Damit ist der Prozeß beendet. Aus den Klassenkämpfen der Bourgeoisie gegen das Proletariat ist eine despotische, über beiden Klaffen stehende, beide Klassen entrechtende, beide Klassen als rechtlose Untertanen beherrschende Staatsgewalt hervorgegangen. Aber indem diese Staats­gewalt das Kapital gegen den Aufruhr der Arbeiter schützt, gewinnt sie die Unterstützung des Kapitals. Die deutsche Bourgeoisie hat abermals darauf verzichtet, ihren Staat felbst zu regieren. Wie sie sich einst den Hohenzollern unterworfen hat, hat sie sich nunmehr dem Faschismus unterworfen. Sie tauscht ihm dafür, wie einst von den Sohenzollern, die Niederhaltung des Proletariats ein.

Flottenminister Winston Churchill vertritt in seinen Reden Der führende konservative Parlamentarier und frühere und Aufsätzen immer wieder den Standpunkt, daß der Friede Europas auf der Zusammenarbeit Frankreichs und und Aufsätzen immer wieder den Standpunkt, daß der tarische System gegen die Autokratie schützen. Parla­Englands beruhe. Beide Staaten müßten das parlamen mentarische Regierungen könnten sich nicht so leicht in Angriffskriege stürzen wie autokratische und despotische. Beide Staaten müßten auch die innere Freiheit ihrer Völker unverleglich erhalten. Sie müßten die Ge wissens und Bekenntnisfreiheit, die Ge danken und Redefreiheit, Gleichheit der Rassen und der Klassen vor dem Gesetz schützen. Rassen und der Klassen vor dem Gesetz schützen. Churchill spricht mit großer Offenheit davon, daß man dem jetzigen autokratisch regierten Deutschland nicht das gleiche Vertrauen wie zivilisiert regierten Staaten ent­gegenbringen könne.

Wie stark auch der konservative Teil Englands von

dem Mißtrauen gegen allgemein behauptete Geheim­rüstungen Deutschlands erfüllt ist, zeigt eine Rede, die Win­ ston Churchill am Samstag in Theydon gehalten hat. Er be­schäftigte sich eingehend mit der Gefahr deutscher Ge heimrüstungen:

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Es besteht aller Grund zu glauben, fagte der ehemalige Minister, daß Deutschland dabei ist, sich zu bewaffnen oder den Versuch zu machen sich zu bewaffnen ohne Rücksicht auf die feierlichen Verpflichtungen zu nehmen, die ihm nach auf die feierlichen Verpflichtungen zu nehmen, die ihm nach seiner Niederlage durch die Verträge auferlegt worden sind. Im Augenblick ist Deutschland nur unvollständig gerüstet und seine Angriffswnt tobt sich im Innern aus. Aber schon sind seine kleinen Nachbarn Oesterreich , die Schweiz , Belgien und Dänemark von einer heftigen Unruhe ergriffen.

Ich habe immer diese Aufrüstung Deutschlands bekämpft und im Unterhaus die Dummheiten kritisiert, die vorgebracht

wurden, um dieses Land mit Frankreich auf gleichem Fuße zu behandeln. Ich habe die gefährliche Politik enthüllt und lächerlich gemacht, zu der wir uns herzugeben schienen, um auf die Franzosen einen Druck auszuüben und ihre pracht­Kluger Vorsicht geweigert, diesen gefährlichen Vorschlägen volle Armee zu schwächen. Aber die Franzosen haben sich mit zu Gehör an schenken, und diese Weigerung stellt hente das hauptsächlichste Fundament des europäischen Friedens dar."

Winston Churchill hat dann der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß die englische Regies rung den Umfang der See, Land- und Luft= rüstung Großbritanniens aufrechterhalten werde. Denn erinnert euch," sagte er, daß jedesmal Europa in Gefahr ist, wenn Eng land schwach ist."

England verstärkt Luftflotte!

London , 15. Auguft. Das Blatt der Arbeiterpartei Daily Herald" berichtet, die britische Regierung plane 100 Kampfflugzeuge von großer Schnelligkeit zu bauen und fie ohne Verzögerung in die britischen Luftstreitkräfte einzus stellen, wenn die Abrüstungskonferenz feine Vereinbarung zugunsten einer Beschränkung der Weltluftstreitkräfte erzie len sollte. Auch ein neues Geschwader von Seeflugzeugen für die Flotte sei in Aussicht genommen und werde im kommen den Haushalt vorgesehen werden. Das Blatt, das seine Mel= dung in großer Aufmachung bringt, ift der Auffassung, da die britische Delegation auf ausdrückliche Anweisung des britis schen Kabinetts einem Weltabkommen über Luftrüstungen Hindernisse in den Weg lege, sei es äußerst unwahrscheinlich, daß ein Vertrag über Luftstreitkräfte zustandekommen werde. In einem Leitartikel kritisiert das Blatt diese Pläne der bri tischen Regierung, die es als Einleitung zu einem Wettrüsten in der Luft ansieht, für das die britische Regierung eine furchtbare Verantwortung tragen würde.

Sunday Referee enthüllt

Offenbar Regierungsquellen

bit leberschrift veröffentlicht der Sunday Referee" Deutschland bewaffnet wieder seine Legionen." Unter dieser diese Woche eine umfangreiche und zuverlässige Material sammlung, die offenbar angeregt ist durch dokumentarische Quellen verschiedener europäischer Regierungsstellen. Alle Kräfte des Reichs seien angespannt und alle natio= nalen Hilfsquellen ausgeschöpft, um das eine wefen t- liche Ziel der Naziregierung, die Vorbe reitung des Krieges, zu erreichen. Die mich tigsten Tatsachen, auf die das unabhängige Blatt sich stützt, sind im wesentlichen folgende:

1. Offenbar infolge der Herabjegung der Ausgaben für die Arbeitslosen und die Kriegsopfer weist der Etat von 1988 eine geheime Reserve von 800 Millionen Mark auf, deren Verwendung unbekannt bleibt. Nach dem Sun: day Referee besteht kein Zweifel, daß diese Summe den öffentlichen und hauptsächlichen Fonds bildet, aus dem die Waffenkäufe bestritten werben.

2. Obwohl die Einfuhrbedürfnisse der deutschen Indus

strie sich dem Nullpunkt nähern, zeigen die Einfuhrziffern für verschiedene Rohstoffe eine plögliche Tendenz nach oben. In der ersten Reihe unter diesen Rohs stoffen befinden sich Eisen und Kupfer, die beide für Kriegsmaterial unentbehrlich find. So sollen bedeutende Mengen von spanischen und schwedischen Erzen, die wegen ihrer chemischen Zusammensetzung besonders ges sucht sind, in Lübeck und in Emden ausgeladen worden sein, und der deutsche Stahltrust soll ans denselben Grün­ben die Kontrolle über den schwedischen Konzern Graenges berg erworben haben.

3. Der Sunday Referee" veröffentlicht die in fünf Rubs rifen eingeteilte Liste der Fabriken, die Rampfwagen, Kanonen, Feuerwaffen, Minenwerfer und Munition herstellen. Er berichtet von einer Krupp­filiale, die gerade eine Riefentanone fertiggestellt hat, die durch ihr Kaliber, Tragweite und Durchschlagkraft ein Wunder der ballistischen Technik darstellt.

Tiefe Verbeugung vor der Schweiz

Der Reichskanzler leistet Abbitte wegen der Grenzverletzung

Der deutsche Gesandte in Bern, der abtretende Dr. A. Müller, erschien am Freitag beim Bundespräsidenten Schultheß und überreichte ihm als stellvertretendem Chef des Politischen Departements eine Note der Hitlerregie: rung, in der dem Bundesrat namens des Reichskabinetts das Bedauern über die Grenzverlegung bei Augft- Wyhlen ausgesprochen wird. is

Das Schweizer Bundeshaus gibt über den Vorgang nachstehendes Communique bekannt:

" Der deutsche Gesandte hat am 11. August, noch bevor die schweizerische Untersuchung über den Grenzzwischenfall beim Kraftwert Augst- Wyhlen abgeschlossen war, dem Stellvertreter des Chefs des Politischen Departements eine Note überreicht, in der namens der deutschen Reichs­regierung dem Bundesrat das Bedauern über diese Grenzverlegung ausgesprochen wird. Die Note erwähnt ferner, daß die Gesandtschaft beauftragt sei, beizufügen, die deutsche Reichsregierung habe die weiterhin erforderlichen Ermittlungen selbstverständlich sofort eingeleitet. Das Politische Departement hat im Namen des Bundes­

pan' soll ein angeblicher früherer SPD- Redakteur namens

Moses gewesen seinden es nie gegeben hat!

Aus dem Schornstein des Dampfers, mit dem Rosenboom nach Holland gefahren sein soll, schwelt der Rauch primitivster Judenhezze.

Justiz auf Malta

Malta, 15. Aug. Der hiesige Gerichtshof hat nunmhr seinen Spruch in dem längsten Prozeß der Geschichte Maltas gefällt, in dem eine Reihe von Personen aufrührerischer Tätigkeit angeklagt waren. Ein hervorragendes Mitglied der Arbeiterpartei in Malta und früheres Mitglied der ge­setzgebenden Versammlung Josef Orlanda wurde zu zwei Monaten Gefängnis und drei andere zu einem bis drei Monaten Gefängnis und drei andere zu einem bis drei monaten Gefängnis verurteilt. Ein Angeklagter wurde Monaten Gefängnis verurteilt. Ein Angeklagter wurde freigesprochen. Der Prozeß hat außerordentliches Aufsehen in Malta hervorgerufen. Die Beweise" der Staatsanwalt­schaft stützten sich in der Hauptsache auf Bücher von Mary, Tolstoi, Bernhard Shaw und Sidney Webb, die bei einer Polizeirazzia im Besitz der Angeklagten ge­funden worden waren. Hiergegen brachte die Verteidigung vor, daß sämtliche Bücher von England eingeführt worden waren, wo sie nicht als verräterische Literatur betrachtet würden. Die Angeklagten haben gegen das Urteil Be­rufung eingelegt.

rats mit Genugtuung von diesen Mitteilungen Kennt nis genommen und der deutschen Gesandtschaft erklärt, daß es annehme, die deutsche Reichsregierung werde im An­schluß an die von ihr in Aussicht genommenen Ermitt lungen die entsprechenden Maßregeln gegenüber den Schuldigen treffen."

Die Baseler Arbeiter- Zeitung"( Nr. 188) schreibt dazu? Es ist" zuzugeben, daß die Hitlerregierung prompt thre Entschuldigung vorbrachte. Daraus kann bei der natio nalsozialistischen Geistesverfassung weniger auf den Re­spekt vor der Schweizer Grenze als auf die außen politische Schwäche des gegenwärtigen Reichs­kabinetts geschlossen werden. Die Jfolierung wird immer ausgeprägter, die Doppelzüngigkeit der deutschen Außen­politik hat starke Erbitterung speziell in Frankreich aus­gelöst. Die verlogene und herausfordernde Art, wie von den Organen der Naziregierung der französisch- englische Schritt Desterreichs megen und die darauf erfolgte Ant­mort in Deutschland propagandistisch ausgewertet wurde, hat stärkstes Mißtrauen hervorgerufen.

Entspannug auf Kuba

Neue Wirtschaftsverhandlungen mit den USA.

Havanna, 15. August. Der neuen tubanischen Regierung ist es über Erwarten schnell gelungen, ihre innerpolitische Stellung zu festigen. Es kommt ihr dabei vor allem zugute, daß sie sich auf die Armee stüßen kann, die der Träger der Revolution war. Es ist naturgemäß hier und da, vor allem im Inneren Kubas, der Versuch gemacht worden, die Un­ruhen zu Plündereien und zur Durchführung persönlicher Racheaktionen zu benußen. Die Armee hat aber schärfste Maßnahmen ergriffen, um diese unerfreulichen Begleit­erscheinungen radikal zu unterbinden. Es sind dabei etwa zwölf Mann der Geheimpolizei der Regierung Machado ums Leben gekommen. Ein Landhaus des geflohenen Präsidenten ist ausgeraubt und zerstört worden.

Man nimmt allgemein an, daß es zu Wirtschafts­besprechungen mit den Vereinigten Staaten demnächst kom men wird, bei denen vor allem die Frage der Zölle und der Schulden erörtert werden soll. Die allgemeine Ansicht geht dahin, daß die neue Regierung auf einen Ausbau der freundschaftlichen Beziehungen zu Washington besonderen Wert legen wird, wie sie überhaupt geneigt sein dürfte, die zunächst vertretenen Tendenzen eines extremen Nationalis­mus zugunsten einer positiven Realpolitik aufzugeben.