1 Sinzigs unabhängige Tageszeitung Veutschiands Kummer ZV 1. Jahrgang Saarbrücken, Donnerstag, den 17. August 1933 Chefredakteur: M. Braun Schritt für Schritt Der Tod geht mit. Das Haupt Trag hoch! Liegt nichts dran: Du warst ein Mann! Wer glaubt Siegt doch! Kurt Eisner  . Als Deutsche   schämen wir ans! Bilder sehen Dich an! SSbel Die Kvnzeutrativuslaqer Oranienburg  : Die Einlieferung prominenter Gefangener. Bon rechts nach links: Reichs- und kandtagSabgeordneter H e i l m a n n, Reichstagsabgeordneter Friedr. Ebert, Rundfunksprecher Alfred Braun  , Ministerialrat Dr. G i e s e d e, Rundsunkintendant Dr. Fle sch, Direktor der Reichsrundfunkgesellschast Dr. M a g n u S. I» Breslau  : bei Heines »..sie kaum noch erkennen konnten" Ueber das Breslauer Lager schreibtM anchest er Guardian", es sei eines der meist gefürchteten von ganz Deutschland  . Tägliche Fronarbeit wechselt mit militärischem Drill, patriotischem Unterricht und Zwangslektüre von Hitlers  Mein Kamps". In der Nacht werben die Gefangenen immer wieder durch blinden Feueralarm herausgejagt, am häufigsten dann, wenn die Lagerkommandanten erst zu später Stunde auS der Stadt heimkehren. Am schlimmsten werden Gewerkschaftsfunktionäre, Sozial- demokraten und Reichsbannerleute behandelt. In dem Lager, über das wir noch berichten werden, befindet sich der früher« sozialdemokratische Bürgermeister von Breslau  , Mache, und sein Sohn. Ein Reichsbannerfllhrer, der bort seit Monaten sitzt, wird immer wieder geschlagen. Er hat bisher 100 bis 200 Hiebe erhalten. Zahlreiche Ge- fangene liegen mit Knochenbrüchen darnieder.Bor   etwa 11 Tagen," so schließt das angesehene englische   Blatt seinen Bericht,wurden die Gefangenen durch die Straßen Bres- laus geführt. Man zwang sie zu singen. Sie sahen so grau, so hohläugig, so elend aus, daß selbst ihre Freunde, die herbeigekommen waren, um sie vorbeiziehen du sehen, sie kaum erkennen konnten".... Sie müssen noch bezahlen Lagergeld" für Konzentrationslager Die Verwaltung des staatlichen Konzentrationslagers von Oranienburg   bei B-rlin, das zurzeit über 800 Haft, linge beherbergt, hat für dieses ein besonderes Lager, g r l d geschassen, das innerhalb des Lagers gegen Reichsgeld eingetauscht werden kann. Das Lagergeld ist vorläufig in Scheinen zu S, 10 und SO Pfennigen, sowie zu einer Mark i« der Reichsdruckerei hergestellt worden. Daß Ith nicht nach Dachau   komm.. Aus einem Dokument, das an amtlicher Stelle aufbewahrt wird Bei der Einlieferung in das Konzentrationslager Dachau  in Bayern   wnrden dieBonzen", d. h. Gewerkschaftsführer, Schriftleiter oder sonstige Intellektuelle sofort der Stras, k o m p a n î e zugeteilt. Sie mußten sich zunächst in Einzel, zcllen mit erhobenen Händen, Gesicht gegen die Wand, ans» stellen. Hinter ihne« knackte ein SA.-Posten ständig mit de« Gewehr. Die Prozedur sollte den Gefangenen einprägen, daß man aus der Flucht erschossen werde. Alsdann wurden etwa 7 Leute in eine entferntere Baracke geführt. Dort stau« den riesige SA.-Leute mit Rohrstöcken, die oben gespalten und mit Kolophonium verschmiert waren. Ein Schutzhaft, ling nach dem andern mußte sich auf den Boden legen und wurde von den SA.»Leuten sürchterlich geschlagen. Die anderen Opfer mußten einstweilen zusehe», bis die Reih« an sie kam. Wer sich im Schmerze ausbäumte, wurde beson- ders sürchterlich zugerichtet. Ein kleiner Jude wurde auch auf de« Bauch uud die Hände geschlagen, die faustdick ans« schwollen. Ein schwer lungenkranker Mensch, der nur noch Haut und Knochen hatte, wurde geprügelt, bis ihm das Blut aus Mund und Rase quoll. Nach Beendigung der Ak» tiou wurden die Mißhandelten wieder in Einzelzellen g«, stoßen. Am Fensterkreuz hing ein Strick, an dem sich die Gemarterte» aushängen sollten. Der am meisten mißhandelte kleine Jude tat sich aus Furcht vor Wiederholung der Miß- Handlung wirklich de« Strick um den Hals, wurde aber von Lagerinsassen noch rechtzeitig abgeschnitten. Ein Mißhan, delter mußte sich von Lagergenosse« fast eine Stunde lang unter die Arme gefaßt hin- und herführen lassen, bis ihm wieder das Gehen gelang. Nach seiner Entlassung war er vollkommen verstört, die grauenhaften Erlebnisse rollte« nach seiner Angabe im, mer wieder wie ein Film vor seinem geistigen Auge ab. Sein Rücke  « war vom Hals bis zu den Schenkeln eine einzige blauschwarze Masse, die Haut z. T. blutig nnd ausgesprungeu, er mußte sofort ins Krankenhaus geschafft werden. Andere Gesänge«? mußte« in einer mit Grundwasser ge» füllten Kiesgrube auf einem Floß arbeiten und Kies heraus- schaufeln. Gelegentlich machte es den SA.-Leuten Spaß, das Floß umzuwerfen, so daß die Gefangenen in das eis, kalte Wasser fielen. W-nn sie sich dann ans Ufer arbeiteten, wurden sie von den Nazis mit Schaufelnhieben zurückgetrieben und aus die Köpfe geschlagen, daß das B'ut hervorspritzte. Ein über«0 Jahre alter Mann, überall hochangesehe». soll ob dieser BeHand, long irrsinnig geworden sein. Das amtlich aufbewahrte Kultur-Dokument aus dem dritten Reich" enthält Daten und Namen der Henker wie der Opfer. Von AndreasHowald el nnd Zwingherrschast find innig verschwistert, Freiheit hebt ein geläutertes Volk über den Pöbel empor. Plate' Es war um die Jahrhundertwende. Die Idylle bürge licher Geborgenheit in Deutschland   wurde jäh aufgeschreckt! durch den Burenkrieg. Obwohl Wilhelm II.   den Eng- ländern einen Kriegsplan zur Niederwerfung der tapferen Südafrikaner   vorgeschlagen hatte, schwärmte in Deutsch  - land jedermann für den alten Ohm Krüger, dessen Schiffer- bart und dessen Zylinderhut zu den volkstümlichsten Attributen heldenhaften Widerstandes gehörten. Kräftig schoß damals der Haß gegen die Engländer empor. Es war die Zeit, in der zum ersten Male in der neueren Ge- schichte der Begriff desKonzentrationslagers" lebendige Gestalt gewonnen hatte. Man las mit Entsetzen, unter Anruf der humanitären Grundgesetze zwischen Siegern und Besiegten. Berichte von den furchtbaren Leiden hinter Stacheldrähten, die die tapferen Afrikaner an der Flucht hindern sollten. In der deutschen Presse drängten sich die Proteste und Anrufe des Weltgewissens. Dreiunddreißig Jahre später. Wieder sehen wir Bilder von Konzentrationslagern aber diesmal sind sie mittenin unser m Lande, verstreut in allen Gegen- den Deutschlands  . Gefangene werden bewacht, um ein Vielfaches zahlreicher als damals in Afrika  . Die Wächter find keine fremden und feindlichen Soldaten in Khaki- Uniform, sondern Deutsche  , die im innerpolitischen Kriegs- fchauplatz ihre besiegten Gegner fangen und zu Zwangs- arbeit notigen. In den engen und schmutzigen Baracken hausen sie. dicht aneinander gepreßt. Proletarier und In- tellektuelle, Juden und Arier westischer und ostischer Rasse, um im Stile unserer Zuchtlehrer zu bleiben. Seelisch geschändet, niedergestoßen von den Händen brauner Er- oberer, bewacht von deutscher wehrfähiger Jugend Hilf- lose, die der Erprobung des neuen heroischen Machtwillens widerstandslos und rechtlos ausgeliefert sind. * Freilich, es besteht ein Wesensunterschied zwischen den Konzentrationslagern des Burenkrieges und denen in Hitlerdeutschland. Er beruht nicht darauf, daß damals die Engländer Krieg führten gegen ein anderes Volk und ihre Feinde unter der Illusion der Selbsterhaltung ge- fangenhielten und quälten. Er liegt anderswo. Die. Engländer schämten sich damals vor der Welt. Sie suchten Berichte und vor allem Bilder über das in ihrer Gewalt zusammengepferchte Menschenvieh zu verhindern. Es gab damals noch einen Abglanz von abendländischem Humanismus, vor dessen Forum sich Großbritannien   nicht verurteilen lassen wollte. Deutsch- land, wenigstens das, was von Hitler  , Göring   und Göbbels  zur Ueberivindung der großen Lehren der Enzyklopädisten und der liberalistischen Menschengläubigkeit des 18. und 19. Jahrhunderts exekutiert wird, denkt darin anders. Es stellt seinem deutschen   Volke und der ganzenWeltSzenerienausseinenKonzen- t r a t i on s l a g e r n mit der Bitte um freund- I i et) e Verwendung zur Verfügung. Es läßt zum Dienst" antretende Gefangenenkolonnen foto- arafieren. Es zeigt, ohne kleinliche Rücksicht auf Herzens- stürme, die ausgemergelten und ausgezehrten Gesichter der Gefangenen von Dachau  , von Jüterbog  , von Oranienburg  . Es läßt dienstfertige Federn Berichte schreiben, worin er- zählt wird, durch welche körperlichen Uebungen und Ge- sänge politische Gegner zunützlichen Gliedern des Staates" erzogen werden. Sich an der Qual und an der Erniedrigung von Pazifisten, Sozialdemokraten, Kommu- nisten und Juden zu weiden und gleiche Wollustgefühle beim unterworfenen Volke zu erzielen, ist ein Teil der Staatsräson der Hitlerschen Despotie. Ein großes Schweizer   Blatt schrieb neulich sehr zu- treffend, daß zu den Utensilien desdritten Reiches" die Erniedrigung derI n t e l l i g e n z b e st i e" gehört. In der Tat bekommt jene kleinbürgerliche Atmosphäre, in der der Haß und der Neid gegen geistige Ueberlegenheit latent sind, augenblicklich ihre kräftigste Hausmannskost. Wie tut es täglich wohl, zu lesen, daß bedeutende Parlamen- tarier, Männer schöpferischer Eigenleistung, die aus der Durchschnittsgrenze hervortraten, jetzt als Korruptions- erscheinungen entlarvt werden! In der prall sitzenden Uniform symbolisiert sich die großeEntelgnungdes G e i st i g e n, die eine der psychologischen Voraussetzungen dieser nationalen Revolution gewesen ist. Es ist kein Zu- all. daß der illustrative Teil der nationalsozialistischen cesse am liebsten den leuchtenden Glanz der Litzen und