Deutsche Stimmen

Feuilletonbeilage der Deutschen Freiheit"

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Ereignisse und Geschichten

Ein Wunder, daß nichts passierte Brief von drüben

Spuk bei der Straßenbahn

In einer mitteldeutschen Stadt fuhrwerkt ein Trambahnführer herum, mit dem es ein Unglück geben wird, menn nicht ein Wunder geschieht. Es ist mein Vetter Ostar. Vor kurzem hat seine Direktion folgendes verkünden lassen:

Jeder unserer Beamten ist verpflichtet, Zeugnis nicht­jüdischer Abstammung, erstreckend auf Großeltern und ihre Namen, von Ortsbehörden beizubringen, und hat selbiges binnen zwei Wochen zu geschehen.

Oskar freut sich, daß er seinen Vater kennt, auch der Name bes Großvaters ist ihm geläufig. Alle heißen Lauterbach. Gutdeutscher Name, wie man zugeben wird. Aber die Groß­mutter, was die für eine Geborene ist wer von uns hat das im Kopf? Hilft ihm alles nichts, er muß eine Tagereise in sein Heimatstaff sausen, muß die behördliche Beglau­bigung einholen. i

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Der Bürgermeister schlägt im Kirchenbuch nach. Da steht: Karoline Lauterbach, geborene Friedemann, evangelisch­lutherisch. Der Bürgermeister schaut durchdringend auf Os­far, dann füllt er die Bestätigungen aus. Wollen Sie, bitte, dazu bemerken, daß meine Vorelter nichtfüdisch find," meint Oskar. Der Bürgermeister legt das Löschblatt brüber: Bet der Friedemannschen kann ich das nicht."

Darauf Oskar: Aber es steht doch dort- evangelisch­lutherisch..."#

Der Bürgermeister blickt wefenlos ins Weite. Er ist ein Märzgewinnler, die Hitler- Welle schwemmte ihn ins Amt. Er weiß, was er dem Hakenkreuz schuldig ist. Haben Sie eine Ahnung, mein Lieber," er legt die Feder zur Seite, geborne Friedemann merten Sie was? Ich tenne Juden namens Friedmann. Das eee"- er dehnt's wie Gummi haben sie bei Ihrer Großmutter' reingepoltt und die Getauften sind die Schlimmsten! Bringen Sie den Water bei von der Friedemannschen, ich find'n nich..

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Ostar steht da wie mit einer Handvoll Fliegen. Macht man fie auf, sind sie fort.

Die nächsten Tage fährt Ostar auf seiner Trambahn wie ein Betrunkener. Er prasselt durch die Weichen, daß sich die Schaffner betreuzigen. Der Geist der Ahnfrau verfolgt ihn. Friedemann, denkt er, warum gerade Friedemann? Er hat im Kirchenbuch nach dem Vater der Großmutter geforscht, aber der war nicht aufzufinden. Vielleicht ein uneheliches Kind jüdischer Abstammung, denn ein Unglück kommt felten allein! Die Direktion aber besteht auf ihrem Schein. Der Dezernent ist ein Obernazi und will avancieren. Da fann er sich, wie jeder zugeben wird, keine jüdische Großmutter in den Pelz setzen lassen.

Wenn Oskar abends seinen Führerstand verläßt, weiß er faum noch, welche Strecke er gefahren ist. Wenn er am näch­sten Morgen wieder draufflettert, ist ihm zum Umfallen. Will er nachts einschlafen, erscheint ihm die Friedemannsche drohend im Traume, bald mit gerader, bald mit trummer

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Nase wupp ist er munter. Er schließt die Augen wieder und denkt nach altem Schlafrezept an wogende Kornfelder. Kaum hat er das Bild komplett, da wächst aus den Aehren ein geschnörkeltes Etwas hervor. Es ist der Arierparagraph und aus seinen Hafen wird die krumme Nase der Ahnfrau. Mit einem Schreck fährt er empor.

Seinen Wagen dirigiert er im Halbschlaf wie ein Verrück­ter. Immer hat ihn die Großmutter beim Wickel. Kein Auto, kein Verkehrshindernis ist vor ihm ficher. Ab und zu muß er so plöglich bremsen, daß die Fahr­gäste durcheinanderfliegen und die Schaffner fluchen. Die fönnen gut reden und fritisieren, die haben ihre Großmutter beteinander. Nur manchmal begegnet er Kollegen mit ähnlich irrem Blick und fahrigem Wesen. Was ist es bei denen? benkt er, auch bei denen die Großmutter? Oder der Groß­vater? Man redet darüber nicht, überall machen Denunzian­ten lange Ohren. Es geht um die Stellung. Um sich herum hört er tüchtige Streber mit den germanischen Namen ihrer Ahnen protzen. Grün vor Neib möchte man werden!

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Vor vierzehn Tagen traf ich ihn. Die Uniform hing ihm schlotternd am Leibe; er hat in wenigen Wochen zwanzig Pfund abgenommen. An den Schläfen dieses Dreißigers graute das Haar. Als er auf seinen Führerstand fletterte, reichte er mir eine fiebrige Hand und sagte: Mensch, vergif= ten könnt' ich sie alle... Wo doch selbst Hitler seine jüdische Ahnfrau haben soll!"

Er fuhr selbstverständlich los, ehe der Schaffner das Signal gegeben hatte. Zwei alte Frauen hingen halb auf dem Tritt­brett. Ein Wunder, daß nichts passierte.

Und so prasseln wahrscheinlich Tausende, vom Arierpara­graphen verfolgt, vom Geist ihrer Ahnfrau geschreckt, durch Deutschlands Weichen. Wenn ich daran denke, daß auch Lo­tomotivführer nachts wegen der Oma nicht schlafen, gruselts mich. Auf einer Strecke nach Berlin wurde jüngst ein Halte­signal überfahren. Der Lokomotivführer hat sicher Oskars Krankheit.

Jedoch das alles muß wohl so sein. Es muß verschie= dene Völker geben, solche und solche. Jedes Volk muß sein Wesen nach eigenen Gesezen und Paragraphen vollenden. Mögen sich die andern um Kunst und Wissenschaft und alle Welträtsel kümmern die neuen Deutschen haben andre Sorgen. Wir leben zwar im Zeitalter der technischen Wun­der, wir überfliegen Europa in menigen Stunden, der ganze Erdteil wird eine Familie, die Welt wird klein vor lauter Entwicklung ringsum und unaufhaltbar international, dem­nächst wird jeder sein Weltentelefon in der Tasche haben aber wichtiger als all ba 3 tft es für Deutsche , die Papiere der Großmutter in Ordnung zu haben. An diesem Wesen soll die Welt genesen....

Und der Schluß der Geschichte? Sie hat noch keinen. Ueber das Ende werde ich euch noch berichten. Aber wenn ihr von das ist einem Trambahnunalüd in meiner Heimat hört Ostar. Gregor.

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Der Tod der Wissenschaft

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Von Fritz Brügel

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Warum lieben wir denn die Erde, auf der wir noch leben, und die seltsamen Tiere, die man die Menschen nennt, die einander täglich niederzumencheln streben und deren jedes jedem Heimat und Haus verbrennt? Warum dürfen wir noch mit bitteren Lippen lachen, wenn wir hören, daß und unser Bruder betrog? Warum dürfen wir noch ans der Stille des Schlafes erwachen, Stille, die unser Herz als schmiegsame Rüstung umbog? Warum dürfen wir noch in verhangenen Stuben weinen, wenn wir hören, daß man unseren Bruder erschlug, so wie einer, der an taubem Fels und an schweigenden Steinen mit gleichmütiger Hand zerschellt einen irdenen Krug? dienen, Wir erschufen den Gott, dem fiefie fagen es! ihn, der sterbend in Kirchen und an den Kreuzwegen hängt. und sie töten und quälen und ist vielleicht doch unter ihnen einer, der unseres Gottes, der ihrer ist, gedenkt.

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Wir erschufen den Gott, der vom Kreuz her die Welt sich betrachtet, und wir fragen uns jeßt, ob er im Sterben nicht lacht und die Menschen mit seinem legten Lächeln verachtet, weil sie aus dieser Erde ein Menschenschlachthaus gemacht.

Hi an

Neudeutsche Gebrauchslyciklistę?

Die deutsche Kunst, nicht zum erstenmal im Dienst des Kaufmanns, bekam anläßlich der Sammlung für die Opfer der Arbeit" einer Reflameaktion der Hitler- Regierung­neuen Auftrieb. Das Organ Hitlers veröffentlicht am 4. August eine Probe:

Auch in Gedichtform ging ein Spendenbegleitschreiben eines Herrn E. Eitner, Neumünster , ein. 471 19019) Ein Sohn des Volkes, durch Energie und eigne Kraft hat es zum Direktor und Fabrikanten gebracht. gebracht.. Doch Wirtschaftsnot und Schurkerei,

dazu der Schuldner steifer Besen, dx938 hat ihn genommen und weggefegt,

was er geschafft und sein gewesen. tim

Die Not umschleicht den eignen Herd, no s du, Adolf Hitler , bist ihm wert,

daß der letzte Zehner nun soll wandern,

zu den Millionen von all den Andern.

Mit unserm Voltskanzler und seiner Macht, mit unfrem Glauben und Willenstraft wird es vollbracht!"

Wie echt ist das alles! Ein englischer Fabrikant, so sagt bie Neue Weltbühne" dazu, macht Pleite, weil die Preise schlecht waren oder weil er sonst Pech hatte. Muß ein deutscher Fa­brikant zusperren, dann war eine Schurkerei" am Werk, nämlich die der Schuldner, die so infam sind, ihr Geld zu wollen, umsomehr, als sie Gläubiger find.

tisdislonil

dun on

Was man sich zuflüstect

Deutsches Ansehen in der Welt mehet sich and

750 Professoren

In England hat sich ein akademisches Hilfskomitee gebil­det, das sich besonders der aus dem dritten Reich" davonge­jagten Hochschullehrer annimmt. Das Komitee schätzt die Zahl der Entlassenen auf 750 und gibt folgende Statistit:

Baukunst und Mufit 45, Literatur und Philologie 47, Phi­losophie und Theologie 48, Rechtswissenschaften 55, Volts­wirtschaft und Staatsrecht 115, Phyfit und Mathematik 105, Maschinenbau und Technologie 15, Chemie 85, Medizin und Biologie 235.

An der Spizze des Hilfskomitees steht der berühmte Phy­fiker Lord Rutherford.

Von einer einzigen deutschen Universität Frankfurt

istoriodes

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Das neue Vorlesungsverzeichnis der Universität Frank­ furt gibt erst ein Bild von dem großen Umfang der vorläu­figen Beurlaubungen, die im Lehrkörper dieser Hochschule im Hinblick auf die neuen Richtlinien bezüglich Abstammung und politischer Einstellung notwendig geworden sind. An der rechtswissenschaftlichen Fakultät mußten ein ordentlicher Pro­fessor für Völkerrecht, zwei ordentliche Honorarprofessoren, zwei Honorarprofessoren, ein Privatdozent und eine beauf­tragte Lehrkraft beurlaubt werden. In der medizinischen Fakultät sind von ordentlichen Professoren ein Anatom und ein Pharmakologe, ferner ein Honorarprofessor und nicht weniger als

22 nichtbeamtete außerordentliche Professoren zurzeit beurlaubt, darunter allerdings mehrere wegen Ueber­nahme von Chefarztstellungen an auswärtigen Krankenhäu­fern, die aus dem Lehrkörper noch nicht ausgeschieden sind. Endlich find 18 Privatdozenten der medizinischen Fakultät zur Zeit beurlaubt. In der philosophischen Fakultät sind je ein ordentlicher Profeffor für englische Philologie, Philofo­phie und Soziologie, für Sozialphilologie, für semitische Phi­lologie und für mittlere und neuere Geschichte beurlaubt, ferner brei Honorarprofefforen, bret nichtbeamtete außer­ordentliche Professoren, sechs Privatdozenten und zwet be­auftragte Lehrkräfte. Am wenigften beeinflußt ist die natur­

wissenschaftliche Fakultät: es wurden hier beurlaubt ein ordentlicher Professor für Psychologie, sechs außerordentliche Honorarprofessoren und zwei Privatdozenten. In der wirt­schafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät mußten drei ordentliche Profefforen. davon zwet für Wirtschafts- und Staatswissenschaften und ein Soziologe, beurlaubt werden, ferner ein Honorarprofeffor, sechs nichtbeamtete außerordent­liche Profefforen, drei Privatdozenten und zwei beamtete Lehrkräfte.

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Galgenhumor

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Die Nazis insultierten auf dem Kurfürstendamm einen semitisch aussehenden dunkelhäutigen Herrn. Dieser ist ent­rüstet und legitimiert sich als der ägyptische Gesandte in Ber­ lin . Jetzt die Nazis: Entschuldigen Ew. Exzellenz, so etwas tann in Zukunft nicht mehr vorkommen. Wir werden ja bald alle Juden ausgerottet haben." Worauf der Gesandte lächelnd entgegnete: Das haben wir in Aegypten schon vor 4000 Jahren versucht, und Sie sehen ia. was der Erfolo ace wesen ist." allid 49 18 snsdlorssas

Hildbug is stripes is And lias astills

Kinder beginnen zu zweifeln

,, Jch auch"

Die Leiterin der berühmten Töchterschule in Berlin- Wil­ mersdorf , Trägerin des großen Namens des berühmten deutschen Geschichtsschreibers, hat heute eine unangenehme Aufgabe zu erledigen. Sie muß in den verschiedenen Klassen den Schülerinnen beibringen, daß ein Unterschied zwischen christlichen und jüdischen Kindern besteht und daß nicht alle jüdischen Schülerinnen in ihren Bänken bleiben dürfen, son­dern nur die besten, bis zu einem gewissen Prozentsaz. Die feine alte Dame will in feinem Kind ein Gefühl der zurück­

Sie stößt es so hastig aus sich heraus, daß die anderen Kin der in lautes Gelächter ausbrechen.

Da gibt es nichts zu lachen", sagte Fräulein M., ich werde dir vorsichtsweise auch einen Bogen zum Ausfüllen mitgeben."

An diesem Tage wurde die zwölfjährige blonde Gertrud eine Erwachsene. Stefan Großmann.

ſegung aufkommen lassen; so lange als möglich will sie alle So verflucht"

Kinder als gleichberechtigt behandeln. Deshalb bittet sie die protestantischen und katholischen Mädels, das Klassenzimmer zu verlassen und auf dem Gange zu warten, bis sie wieder hereingerufen werden. Die große Mehrzahl der zehn- und elfjährigen Schülerinnen trappelt hinaus. Vier Schülerinnen bleiben zurück. Sie sind mosaischer Konfession und die Schul­leiterin gibt ihnen vorgedruckte Formulare, die ihre Eltern zu Hause ausfüllen müssen. Es ist nicht ganz leicht, den Mäd­chen die Fragen nach der Abstammung ihrer Eltern und Großeltern zu erklären.

Plötzlich wird die Tür aufgerissen und die lange Gertrud, ein zwölfjähriges, blondes, aufgeschoffenes Mädel, stürzt jäh­lings herein. Tois

Etwas ungehalten über den Einbruch sagt Fräulein M.: Warum störst du uns?"

" Ich weiß nicht stottert die aufgeregte Schülerin, ob ich auch auf den Gang gehöre. Die andern fagen, ich muß herein. Meine Großmutter war nämlich eine Jüdin."

Der gleichgeschaltete Dichter Rudolf Binding hat in einer Polemik gegen Romain Rolland , der verbanntes deut­sches Geistesgut zu verteidigen wagte, den Satz ausgespien:

Goethe, den Sie( Romain Rolland ) auch hier als einen der großen Weltbürger anführen... ist so verflucht deutsch , wie Göring oder Göbbels oder Göring oder der SA. - Mann Müller oder ich".

Deutsch ganz gewiß! Aber so verflucht wie Göring oder Göbbels oder der SA. - Mann Müller oder Binding? Wenn Tote fich wehren könnten, würde aus der Fürstengruft zu Weimar ein Nein!" empordonnern, das selbst die wattierten Wände der neudeutschen Dichterakademie erzittern ließe.

Die wirkliche Begabung zeigt sich erst in den Wagniffen und in Besiegung von Gefahren, die eine geringerer Kraft ficher zu Fall gebracht hätten." Fontane.