Feuilletonbeilage der„, Deutschen Freiheit"
Ereignisse und Geschichten
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,, Weißt Du, mein gutes Lama"... Die ,, Arbeitsschlacht"> C
Der Delirium- tremens- und Arbeitsminister,
Ein Nietzsche - Brief. Warum Nazi Liebe für den Feind der Antisemiten? Bom wabernden Alkoholbunst umweht,
Adolf Hitler , der sich neben einer Nietzsche - Büste fotografieren ließ, will es wohl kaum wahr haben, daß der von allen Nationalsozialisten zum Parteiheros erklärte Nietzsche nichts weniger als ein Antisemit gewesen ist. Wir bringen im Nachfolgenden einen im Stil wundervoll vornehmen Brief des großen Philosophen, der einmal den Deutschen alle Verbrechen gegen die Kultur in den letzten vierhundert Jahren vorgeworfen und ein anderes Mal die Frage gestellt hat: 28 as bliebe von dem euro= päischen Verstande übrig, wenn man den jüdischen davon abzöge?" Nießsches Brief, der neben anderen menschlichen Schönheiten ein deutliches Betenntnis gegen den Antisemitismus enthält, ist an seine Schwester gerichtet. Nizza , 26. Dea. 1887.
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Mein liebes, altes Lama, wirklich kam Dein Weihnachts- Gruß ganz zur rechten Zeit in meine Hände bei dieser Entfernung ein wahres Wunder, aber er fand mich nicht in der von Dir so sehr gewünschten Seiterfeit". Ich könnte fast sagen: im Gegenteil! Trotzdem mache ich mir immer klar, daß meine jetzt etwas vereinsamte Existenz, selbst wenn sie ein Uebel sein sollte, doch das geringere von zwei Uebeln ist, und daß ich mich sehr viel schlimmer befinden würde, wenn ich jetzt Versuche machte, wieder mitten unter alten Bekannten und Freunden zu leben. Meine Aufgabe ist jetzt, mich so tief wie möglich zu sammeln und allen Störungen aus dem Wege zu gehen, die das Gleichgewicht meines Geistes zu schädigen imstande wären, damit die Frucht meines Lebens langsam reif und süß wird und nichts Saures und Verbittertes in fie fommt. Niemand kennt mich genügend; und meine Geschichte dieser lezten 15 Jahre ist jedermann ein Rätsel. Keiner meiner Freunde weiß, womit man mir wohl- und wehetut; und nachdem ich Malheurs aller Art durch die wohlwollende Voraussetzung erlebt habe, daß man ungefähr wisse, worum es sich bei mir handle, bin ich endlich klug genug geworden, mich von dieser Voraussetzung loszumachen. Mögen sie's treiben, wie sie Lust haben: ich treibe es nunmehr auf eigene Faust und will von Denen nichts mehr, welche mir nichts zu geben haben. Später wird sich das Urteil über mich schon wieder berichtigen.
Eine der größten Dummheiten hast Du, mein armes Lama, gemacht für Dich und für mich! Deine Verbin dung mit einem antisemitischen Chef drückt eine Fremdheit
gegen meine ganze Art zu sein aus, die mich immer von nenem mit Groll oder Melancholie erfüllt. Du sagst zwar, Du habest den Kolonisator Förster und nicht den Antifemiten geheiratet und dies ist auch richtig; aber in den Augen der Welt wird Förster bis an sein Lebensende der Antisemitenchef bleiben. Also um des Himmels willen kein„ Friedrichsland" oder„ Friedrichshof"! Ich habe Dich doch ausdrücklich um den Namen„ Lamaland" gebeten.
Weißt Du, mein gutes Lama, es ist eine Ehrensache für mich, nach Seiten des Antisemitismus hin absolut reinlich und unzweideutig zu sein, nämlich ablehnend, wie ich es in meinen Schriften
Die gebrochene Zinsknechtschaft
Der gleichgeschaltete Börsenverein der deutschen BuchHändler empfiehlt allen seinen Mitgliedern, ihre Außenstände einheitlich unter Hinweis auf den erhöhten Zinsfuß" einzufordern. Der Börsenverein hat derartige gedruckte Mahnschreiben in einer Auflage von 20 000 herstellen lassen. Die ganze Auflage war in sechs Tagen vergriffen. Inzwischen scheint irgendein Kommissar oder dergleichen eingegriffen zu haben, denn in der zweiten Auflage ist nicht mehr vom„ erhöhten Zinsfuß", sondern von dem„ hohen Zinsensazz" die Rede. Es wird scheinbar angenommen, daß diese Formulierung unverständlicher ist.
Reges geistiges Leben
Im„ Dortmunder General- Anzeiger" finden sich unter den Versammlungsanzeigen von Vereinen und Verbänden, insnämlich: Wiedersehensfeier der ehemaligen 24., Regiment
gesamt unter 6 Anzeigen nicht weniger als 4 militärische,
von Lützow ; Verein ehemaliger Kriegsgefangener; Kriegerund Landwehrverein; Kameradschaftliche Vereinigung des ehemaligen 2. oberelsässischen Feldartillerieregiments 51, Straßburg .
Ein reges geistiges Leben!
Gute Leute
Tiere und Menschen
tue. Man hat mich in den letzten Zeiten mit Briefen und antisemitischen Korrespondenzblättern heimgesucht; mein Widerwille vor dieser Partei( die gar zu gern ihren Vorteil von meinem Namen haben möchte!) ist so ausgesprochen wie möglich, aber die Verwandtschaft mit Förster, ebenso wie die Nachwirkung meines ehemaligen antisemitischen Verlegers Schmeißner bringen immer wieder die Anhänger dieser unangenehmen Partei auf die Vorstellung, ich müsse wohl zu ihnen gehören. Wie sehr mir das schadet und ge= schadet hat, tannst Du Dir kaum vorstellen. Die gesamte deutsche Presse schweigt meine Schriften tot seitdem! sagt Overbeck! Es erweckt vor allem Mißtrauen gegen meinen Charakter, wie als ob ich öffentlich etwas ablehne, was ich im Geheimen begünstige, und daß ich nichts dagegen zu tun vermag, daß in jedem antisemitischen Korrespondenzblatt der Name Barathustra" gebraucht wird, hat mich schon mehrere Male beinahe krank gemacht. Verzeihung, es ist unrecht, Dir das zu sagen und unbillig, das
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arme Lama für die Gesinnung dieser Partei verantwortlich zu machen. Aber ich bin nicht immer billig" gesinnt. Malwida schrieb mir einmal, daß ich gegen zwei ungerecht wäre: gegen Wagner und gegen Dich, meine Schwefter. Warum wohl? Vielleicht weil ich Euch beide am meisten geliebt habe und den Groll nicht überwinden kann, daß Ihr mich verlassen habt? Deshalb lies aus all meinen schlim= men Gedanken und scharfen Worten den Schmerz heraus, daß ich Dich verloren habe und daß Dein Name mit einer Partei in Verbindung gebracht wird, mit der Dich kein einsiger gemeinschaftlicher Gedanke verbindet, mit welcher Du nichts zu tun hast.
Ich weiß es wohl, daß sich seit Jahren verschiedene Leute bemüht haben, Dir und mir begreiflich zu machen, daß Du nicht zu mir und zu meiner Philosophie paßtest. Wir armen impressionabeln Menschen sind zuweilen schwach und fremden Einflüssen zugänglich, aber glaube mir: ich habe mich nie durch Deine„ findliche Außenseite" täuschen lassen! Das ist Dein Vordergrund", hinter dem sich ein Charakter verbirgt, der der besten und tapfersten Handlungen fähig ist. Ich hätte Dir das öfter sagen sollen, aber ein alter Einsiedler und Philosoph verlernt es ganz, Liebe und Wertschäzung zu zeigen. Erst seit Du so weit davon gelaufen, fühle ich, wieviel Du mir gewesen bist. Du warst meine Erholung, die Brücke zu den„ Andern"! Jetzt size ich einsam
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auf ödem Gestein, dunkle Fluten trennen mich von den andern Ufern, fein Laut, kein Wort der Liebe erreicht mich mehr. Dein F. N. Nachschrift. Wenn Euer Buchhändler Euch meine Komposition schicken sollte, so wirst Du die Melodie erkennen. Sie stammt aus meiner glücklichsten Zeit, als ich„ Schopen hauer als Erzieher" schrieb und noch an Freunde und Freundschaft glaubte. Bei manchen Stellen höre ich weit in der Ferne den Rheinfall rauschen. Weißt Du noch?- Aber Verse und Orchestrierung sind nicht von mir, das weiß Du auch. Es ist bei dieser Veröffentlichung ein wenig Mystifikation, die gelegentlich am rechten Ort aufgeklärt werden soll.
Der allerbeste Treibstoff
Es ging um unsere Ehre! Wenn die Fahrt schlecht ausgegangen, wenn Tote auf der Strecke geblieben, wenn die braune Mauer der Absperrung nicht fest genug gewesen und wenn die Durchschnittsgeschwindigkeit nicht erreicht worden wäre: Alle alten Weiber hätten den Besenstiel nach uns geschlagen. Aber alles war in Ordnung, auf Touren und voller Treibstoff. Der beste Treibstoff ist allerdings der Sinn für Heldentum, für Ehre und für Hingabe an den Dienst für das Vaterland! Diesen Sinn habt Ihr bewährt, Ihr habt für ihn Gefahren und Strapazen auf Euch genommen. Dafür danke ich Euch allen. Führern und Gefolgschaften, von ganzem Herzen! Heil Hitler!"( Hühnlein,„ Chef des Kraftfahrwesens der SA. und Korpsführer des NSKK ." an die Teilnehmer der 2000- Kilometer- Fahrt.).
Einheitsessen als„ Volksgemeinschaft" Der Satte einmal die Hungrigen 26mal
Der„ Deutsche Textilarbeiter" meldet einen Plan der Hitlerregierung, der das deutsche Bolt einen soll, allerdings nur einmal im Monat. Unter der vielversprechenden Ueberschrift„ Niemand soll mehr hungern" fündigt das Blatt des deutschen Textilarbeiterverbandes an, im Winter werde die Regierung ein großzügiges Hilfswerk" einleiten. Und dann geht es weiter:„ Um den Gedanken der Volksgemeinschaft zu verwirklichen, wird voraussichtlich an jedem ersten Sonntag eines jeden Monats ein Einheitsa essen durchgeführt werden, so daß vom Kanzler bis zum lezten Arbeitslosen jeder Deutsche an diesem Tage die gleiche Nahrung zu sich nimmt."
Von den Staatsanwälten und Amtsanwälten wird erwartet, daß sie, dem Willen des Führers entsprechend, Grausamkeiten der Menschen gegen das Tier mit allem Nachdruck entschieden verfolgen und bei jeder unter die neue Strafvorschrift fallenden Tierquälerei auf die Verhängung einer empfindlichen, der Gesinnung des Täters entsprechen Das geheime Staatspolizeiamt hat als Gegenmaßnahme ( gegen die Zerstörung der Hindenburg - Eiche. D. Red.) angeordnet, daß sämtlichen kommunistischen Schuhhäftlingen Auch Werner Kraus.. für drei Tage die Mittagsmahlzeit entzogen wird. Den Echuzhäftlingen ist diese Maßnahme im Hinblick auf den an der Hindenburg - Eiche verübten Frevel zu eröffnen. ( Mitteilung der Pressestelle im preußischen Staatsministerium.)
Ein rührendes Bild! Aber nur von großen Schlangen ist bekannt, daß sie die Pause zwischen je zwei aufeinanderfolgenden ersten Sonntagen zweier aufeinanderfolgender Monate ohne Nahrung aushalten können.
Der bekannte Schauspieler Werner Kraus hat sich gleichgeschaltet. Um des lieben Geldes wille. Er ist von Herrn Dr. Göbbels zum stellvertretenden Präsidenten für die neugegründete Reichs- Theaterkammer berufen worden.
Zieht alle Demagogenregifter, Dieweil sein Arbeiterschlachtruf ergeht.
Da gibt's große Wellen" und riesige Säulen" und die Arbeitsbeschaffung geht wie- geschmiert. ( Und wär's nicht zum Hungern, dann wär es zum Heulen, Für die, die statistisch wegmanipuliert!)
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Und wen sie gestrichen und wer ausgesteuert, Blickt stumm auf die Werke, die rosten und ruhn, Vernimmt ganz ergriffen, wie man Deutschland erneuert- Und hat nichts zu essen und hat nichts zu tun!
Man muß das nur alles in Ruhe betrachten, Es ist nur ein reizendes Späßchen der Macht. Denn: Erst tam das große Arbeiterschlachten Und nun tommt die große Arbeitsschlacht".
Hakenkreuz- Historie
Willi Edenroth.
in vollkommen gleichgeschalteter Sprache
Hoffend, Hugenbergs Hinterlist hindere bakenkreuzlerische Herr Hindenburg half Hitlers Herrschaft heimbringen, Hemmungslosigkeit. Hurrageschrei hallte himmelwärts, Hitler hielt hinreißende Hezreden, huldigend hoben Hiß-köpfe Hände hoch. Hepphepprufend hatschten Hundertschaften Hilfspolizei herum, harmlose Hebräer hauend. Haßerfüllte Horden hielten Hausdurchsuchungen, hefteten hunderten Hilfslosen Handschellen herum, hierbei hinterrücks hinschlagend. Haßgesänge hervorstoßend, hißten Hunnen Hakenkreuzfahnen. Hinterwäldler heulten Horst- Wessel- Lied. Häßliche Henker hausten. Hergelaufene Hochstapler hamstertent heißhungrig Herrschaftsstellungen. Häuptlinge Himmler Heines , Helldorf hohnlachten Höllenqualen hungernder Häftlinge. Hohenzollern harrte heimlich hinter holländischen Häusern herrlicher Heimkehr.
Hampelmann Hugenberg hielt Heerschau; hatte höchstens hundert helmbewehrte Helden. Hitler hatte, Hugenberg
hinauswerfend, Harzburger Herren hineingelegt, Herren
flubs Hasardspiel hiermit hintanhaltend. Hinterbliebene Hugenbergs hospitierten händeringend hakenkreuzfraktionell.
Habicht hetzt heftig herüber. Hiesige Hörer hassen Habichts Hochverräterische Hörspiele. Hellhörige heißen Hitler hochgradig hysterisch, hirnverbrannt, heilbedürftig. Heil!
Lache, Bajazzo
Viele berühmte Künstler haben Deutschland im Zuge der Gleichschaltung" verlassen müssen. Die freigewordenen Posten wurden von SA . besetzt. Bei Neuaufnahmen wird künftighin nach allen Regeln des dritten Reiches" vorgegangen werden. Ein Schauspieler beispielsweise, der sich um eine Stelle in irgend einem deutschen Theater bewirbt, wird vorerst folgendes Formular auszufüllen haben:
Fragebogen
zur Prüfung der künstlerischen Qualitäten des Bewerbers Sind Sie wirklicher Nationalsozialist oder nur aus Ueberzeugung dabei?
Bis zu welcher Generation schwören Sie beim Schnurrbart des Führers rein arischer Abstammung zu sein? 06 Ist in ihrer Familie ein Fall von Marxismus bekannt? Wenn ja, in welchem Konzentrationslager?
Haben Sie in Ihrem Bekanntenkreis jemals einen Juden, Sozialdemokraten, Kommunisten, Freidenker, Freimaurer , Pazififten, Demokraten, Systemparteiler gehabt?( Nichtzu treffendes streichen.) Wann wurde der Betreffende auf Grund Ihrer Anzeige verhaftet?
Wieviel Millimeter der nationalen Erhebung sind Ihr Werk?
Welches Buch von Hans Heinz Ewers halten Sie für die größte deutsche Dichtung?
Haben Sie schon einmal bei den Salzburger Festspielen aus nationalen Gründen abgesagt?
Wieviel Eremplare von Hitlers „ Mein Kampf " find Sie zu übernehmen bereit?
Haben Sie von der auf dem Scheiterhaufen verbrannten undeutschen Literatur etwas gelesen? Haben Sie die Werke schon damals zersetzend empfunden oder erst, als Sie von der Verbrennung erfuhren?
Hörten Sie Reichspropagandaminister Göbbels schon einmal reden oder haben Sie ein andres nationalsozialistisches Theater gesehen?
Glauben Sie, daß Hitler ein Programm hat? Wenn ja, wie fommen Sie zu dieser Annahme?
Halten Sie die Greuelnachrichten für Märchen?( Wenn nein, halten Sie das Maul!)
Haben Sie einen ausgeprägten Wehrwillen?
Ja richtig, sind Sie überhaupt schon auf einer Bühne aufgetreten?
Was du immer fannst, zu werden, Arbeit scheuen nicht und Wachen; Aber hüte deine Seele Vor dem Karriere- Machen. Wenn der Pöbel aller Sorten Tanzet um die goldnen Kälber, Halte feft: du haft vom Leben Doch am Ende nur dich selber."
Theodor.