DAS BUNTITÄGLICHE UNTERHALTUNGS-BEILAGEDer Hund in der GrubeVon Wolfgang Federau^ Klein-Synek.Die große Sdnveste rBielleicht, wenn Wasjatschkin etwas klüger, etwa» demütiger oder auch nur etwas vorsichtiger gewesen wäre, hättealles einen anderen Ausgang genommen. Aber er war ebenein ausgemachtre Narr, und so mußte es wohl so kommen,wie es dann gekommen ist.Man liebte ihn nicht im Dorf. Er hatte drei Kühe im Stallund zwei Pferde— er war also ein Kulack. Und es warkeine gute Zeit für einen Kulacken, dieses vierzehnte Jahrnach der großen russischen Revolution. Man mußte sich inacht nehmen— Wasjatschkin aber nahm sich nicht in acht. Erbezahlte natürlich, was er bezahlen mußte— aber er tat esnicht freiwillig, er tat es ohne jede Begeisterung. Er redetenicht über die Borzüge des jetzigen Systems, er lobte nichtfeine Herrlichkeit und Gerechtigkeit, und er wußte nichtsPathetisches über den Fünfjahresplan zu sagen. Er schwieg•— und dieses Schweigen war erst recht gefährlich.Es genügte jedenfalls, um den Beschluß des Dorfsowjets,dem Kulacken Wasjatschkin seien zwei seiner Kühe zugunstendes Dorfkollektivs zu enteignen, zu einem einstimmigen zumachen. Was brauchte dieser Reaktionär und Bourgeois imBauernhemd drei Kühe, wo es so und so viele im Dorf gab,die nicht einmal eine besaßen? Er soll froh sein, daß manihn leben läßt und ihm nicht wegen sowjetfeindlicher Ge-sinnung den Prozeß macht.Jljitsch, der Vorsitzende des Dorfsowjets, der einigeGründe hatte, Wasjatschkin besonders zu hassen, ging persön-lich hin, um dem Kulacken den Beschluß zu übermitteln.Der Bauer, der gerade mit Säge und Hammer an seinemHaus heruw^asielte. hörte den Sendboten ruhig an.»Nein," sagte er dann, als jener schwieg und ihn höhnischanblickte,„ihr bekommt die Kühe nicht."„Wir bekommen sie doch," beharrte Jljitsch, breit grinsend.»Und du solltest dich vorsehen und dich nicht weiter sperren—ti könnte dir übel ausgehen. Magst dich beim Kreissowjetbeschweren, wenn du glaubst, es sei dir Unrecht geschehen."Er machte ein paar Schritte gegen den Stall hin, als wollt«er gleich selbst die Kühe am Strick nehmen und fortführen.Aber da war Wasjatschkin auch schon hinter ihm her. Rotschoß es ihm über die Augen— er war immer ein jähzorni-per Mensch gewesen.„Stoi!— Halt!" schrie er mit heisererStimme. Aber Jljitsch tat, als höre er ihn nicht.Da sprang Wasjatschkin ihm ans Genick, Jljitsch, sich jäh»ltngS umdrehend, sah in ein wutverzerrtes Gesicht. EinenAugenblick nur— dann traf der schwere Hammer, von desBauern Faust mit unheimlicher Gewalt geführt, seineSchläfe, er stürzte blutend, mit dumpfem Aechzen, zu Boden.Der Bauer sah auf den zu seinen Füßen Liegenden. SeinJähzorn war plötzlich verraucht.»Nun ist alles zu Ende,"dachte er.Er blickte, für eine» Augenblicks Dauer, grübelnd WSLeere. Sein Gesicht, von unheimlicher Blässe jetzt, hatte einenabwesenden Ausbruck.„Arme Anja." seufzte er schließlich tief und schmerzlich, undseine Augen wurden naß.Er nahm nicht'"bfchied von seinem Weib. Wozu auch? Siewürde alles früh genug erfahren und er wollte ihr dieStunde der Trennung ersparen. Wie er ging und stand, soverließ er seinen Hof. Rannte hinaus, in den Gcmetndewald.Er war schon eine gute halbe Stunde gelaufen, ehe erentdeckte, daß sein Hund ihn begleitete. Ja, Sascha war beiihm, auch in dieser Stunde— wie er nie von dem Fußeseines Herrn wich. Das war dem Bauern ein Trost, eineBeruhigung. Einmal hockte er nieder, kurze Zeit, kraute desHundes Fell. Sprach nicht mit ihm— aber sie beide, sie ver-standen sich auch ohne Worte.Wasjatschkin machte einen groben Bogen um daS Nachbardorf Toima, bann auch um Sebrowa. Mit sinkender Nachtkam er an das felsige Steilufer der Suchona. Wenn eS ihmp'lang, den Fluß unbemerkt zu überqueren, dann war er imAugenblick der Gefahr wohl entronnen. Dann würde er»rgendwo ausruhen und nachdenken können: was nun?Aber da er den schützenden Wald verließ, hörte er ganztu der Nähe jemanden pfeifen. Grell, durchdringend. Es warein Signal, und es war Pawlows Pfiff. Man war also hin->er ihm her, man war ihm bereits auf den Fersen. Gab esnoch ein Entrinnen?Wasjatschkin sah sich nach seinem Hund um. Aber Losch«war plötzlich weg, wie fortgewischt war er. Endlich hörte derBauer ein leises Wimmern und Heulen— und sein Herzstand still.Dies Wimmern schien aus dem Herzen der Erde zu ihmemporzusteigen. Mit weit aufgerissenen Augen versuchte derBauer, die einfallende Finsternis zu durchbringen. Endlicherspähte er das Tier. Es hockte, winselnd und klagend, amGrund einer dreimannstiefen Grube, einer von steilen Wän-den umgebenen Höhle, die hier, zwischen Steinen und Fels-trümmern, irgendwann einmal entstanden war. Und eshätte nicht viel gefehlt, daß er, Wasjatschkin, selbst in diesLoch gestürzt wäre.„Loscha," flüsterte der Bauer,„komm doch, Loscha." Er lockteund bettelte, mit leiser, belegter, heiserer Stimme. Und Loschagab wimmernd Antwort. Aber er kam nicht hervor. ES gingja nicht— die Wände waren zu steil. Vielleicht aach hatte ersich beim Sturz ein Bein gebrochen?Zitternd, schweißnaß, ließ sich der Bauer am Rand derGrube nieder. Er wußte, baß es hier gefährlich war; daß ergut daran täte, weiter zu laufen. Aber er brachte es nichtfertig, sich von dem Hund zu trennen, ihn hier, in seinemqualvollen Gefängnis zurückzulassen.Der Bauer hatte auch Hunger. Er war völlig erschöpft. Ge-fahr umstand ihn drohend wie eine Wand— aber der Magenknurrte und wollte sein Recht, nach zehnstündigem Laufenund Fallen und Kriechen und Stürzen.Er suchte hoffnungslos in seinen Taschen— fand schließ-lich doch einen Ranft Brot. Aber gerade, da er seine Zähnegierig hineinschlagen wollte, kam wieder das herzerweichendeHeulen des Hundes.„Er wird mich verraten mit seinem Heulen", dachte derBauer. Es war sein erster Gedanke— und schon griffenseine Händen nach einem Steinbrocken. Er wollte ihn hinab-rollen in die Tiefe— dann wäre des Hundes Qual beendet,dann könnte er ihn auch nicht mehr mit seinem Gewimmerden Verfolgern verraten. Aber dann überkam es ihn:»Loschahat Hunger!"Er ließ den Stein los, als hätte er glühendes Eisen be-rührt. Tief beugte er sich über den Rand der Höhle.„Loscha— Lieber— nimm!" schrie er— und warf dasStück Brot in die Tiefe.Freudiges Aufheulen von unten. Dann, während der Hundsich auf den Brotrest stürzte, stand der Bauer auf. Ging ge-rade und ruhig hinein in die Dunkelheit. Bor dem aufsteigenden Mond stand seine Gestalt wie eine Silhouette.Ein wunderbares Ziel— die knatternden Gewehre hat-ten leichte Arbeit. Keine Kugel ging fehl.Sadken nidkt verfemen»Mein Mann will sich den Kropf operieren lassen, aber ichhabe ihm geraten, noch einige Jahre zu warten."»Ist das günstiger?"„Freilich! Dann kann er vorher noch seine alten Kragenauftragen."»„Wißt ihr," kragt der Lehrer,„wer die Worte gesagt hat:„Die schönen Tage von Aranjuez sind zu Ende"?"Fritz meldet sich:„Ja! Mein Vater! Als die Mutter vonder Reise zurückkam!"*»Ich brauche einen sehr zuverlässigen, vorsichtigen Chauf-seur, einen, der kein unnötiges Risiko eingeht-...."„Da bin ich Ihr Mann! Kann ich mein Gehalt im vor-aus bekommen?"Fünf kleine Geschwister sind mit im HauS,Buben und Mädel, die geben was ans.Und die Mutter muß immer auf Arbeit geh».Großmutter ist tot, die nach allem gesehn.Die Schule entließ sie erst letztes Jahr.Ihr aber ist's wie ein Traum, daß es war,Daß ihr auch so ein Schulsack vom Rücken hingUnd sie sorglos mit Kindern zur Schule ging.Oft. wenn sie«och gerne geschlafen Hütt'Und fröstelnd im Dunkel von Bett zu BettSich die Schuhe der Kleinen zusammensucht,Dann wird sie ganz zornig und weint oder flucht.In der Küche läßt sie die Schuhe steh«,Setzt sich hin und trotzt, weiß selbst kaum, mit wem.Schließt die Augen und stopft die Finger ins Ohr,Pfeift sich eins und nimmt sich ganz Boshaftes vor.Doch eh das erste der Kinder erwacht,Hat sie brao das Frühstück zurechtgemacht,Hat die Schuhe geputzt, hat den Tisch gedecktUnd jedes der Kinder wird freundlich geweckt.Dan« sorgt sie, daß der seine« Rock gut knüpftUnd die ihr nicht ohne Frühstück entschlüpft,Schlichtet klug der Jüngeren Zanken beim SpielUnd tröstet das Kleinste, das weint, weil es siel.So fünf kleine Geschwister mit im HauS.Buben und Mädel, die geben was aus.Und die Mutter muß immer aus Arbeit gehn.Wer sollte denn da nach dem Richtigen sehn?Der bödksibexabttefcAouspicfcr— ein"ChineseWer würde es glauben, daß die Märchenhonorare Holly-woods(die übrigens in der letzten Zeit eine starke Einbußeerfahren haben) ein Trinkgeld sind gegen die Honorare, dieeut Schauspieler bezieht, von dem Europa so gut wie nichtsweiß!Laipeitang ist sein Name. Er ist der große Schau-spieler Chinas. In Peking wohnt er im eigenen Palast, um-geben von einer eigenen Leibivache. Man wollte ihn schoneinmal entführen und die Räuber hatten vor, eine MillionLösegeld zu verlangen. Aber selbst, wenn sie das Zehnfacheverlangt hätten, so hätte sich die ganze Nation zusammenge-tan und das Geld beschafft. Laipeitang ist ein Ideal, ein Gott,eine einmalige Erscheinung. Er spielt sehr selten, aber wenner spielt, dann kommen die Menschen hunderte Kilometerweit her, ihn zu sehen. Er stellt meistens Frauen dar, undsein Können als Tänzer und Mimiker ist unfaßbar. EineBorstellung dauert in China zehn bis zwölf Stunden undLaipeitang ist davon mindestens die Hälfte der Zeit selbst aufder Bühne, als Kaiserin, Prinzessin, weibliche Gottheit. Erbewegt die Hände, er spricht mit den Händen, und bas Pub-likum ist verzaubert. Laipeitang gastiert auch in Japan. Damuß aber die Polizei eigene Maßnahmen zum Schutz seinerPerson durchführen. Er erhält auch in Javan märchenhafteHonorare. Sein Palast in Peking ist ein Museum, voll mitden herrlichsten Kunstgegenständen, aber alles chinesischenUrsprungs. Für europäistbe Kunst bat er kein Interesse. Tieist unwirklich, nicht von Gott gewollt.1 DementiIn den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts brach-ten einige große Blätter fälschlich die Nachricht vom TobeEdgar Allan Poes. Der Dichter telegraphierte daraufhinan die betreffenden Zeitungen:»Nachricht von meinem Todestark übertrieben!"Jffit(Bezugnahmeauf...In St. Trara war eine Stelle ausgeschrieben, eine guteLehrerstelle an der kaufmännischen Fortbildungsschule: Pen-sionsberechtigung, Hinterbliebenenversorgung, steigendes Ge-halt.»»»»Also ging ich an den Schreibtisch und schrieb:„Unter höflicher Bezugnahme auf Ihre Ausschreibung er-laube ich mir..."Und hatte keine Ahnung, daß mit mir hundertvierundsech-zig Federn gleichfalls schrieben:„Unter höflicher Bezugnahme auf Ihre Ausschreibung er-laube ich mir..."Denn wie es sich nachher herausstellte, waren es im ganzenhundertfünsundsechzig Bewerber um die eine Stelle.Davon fielen hunbertsechzig gleich von vornherein durch.Entweder weil sie nicht höflich genug Bezug genommen hat-ten oder weil die in Bezug genommenen Referenzen nichthöflich genug waren. Oder weil sonst irgendein Bezug nichtstimmte.So baß also fünf in die engere Wahl kamen. Und ich wareiner von den Fünfen, die von St. Trara einen feierlichenBrief bekamen:„Mit Bezugnahme auf Ihre gefällige Bewerbung um diediesseitig vakant gewordene Lehrstelle beehren wir uns,Ihnen mitzuteilen, daß es Ihnen unbenommen bleiben soll,sich übermorgen im Laufe des Vormittags bei den Mitglie-der« des Kuratoriums persönlich vorzustellen, da Ihre Be-Werbung in die engere Wahl gekommen ist..."Nun ging im Laufe des Vormittags nur ein einziger Zugnach St. Trara, so daß wir engeren Bewerbler also alle indem gleichen Zuae fuhren.Nein, doch nicht alle. Nur viere von unS marschierten ner-vös und feierlich auf dem Bahnsteig herum, wo der Zug zurAbfahrt stand.Und wir erkannten uns mit Bezug aus die steifschwarzenVorstellungsröcke auf den ersten Blick als Mitbewerber.So daß wir mißtrauisch umeinander herumgingen und sichein jeder in ein Extraabteil setzte.Als der Zug sich in Bewegung setzte, streckten wir alle denKopf heraus und sahen eben den fünften steifschwarzen Vor-stellungsrock atemlos auf den Bahnsteig stürzen. Und mitBezug darauf dachten wir viere ganz genau das gleiche:„Gott sei Dank, zu spät— also einer weniger..."Und dann musterten wir noch einmal von draußen ge-schwind und kritisch unsere Mitbewerberköpfe. Und kamen mitBezug auf diese alle zu dem gleichen Ergebnis:„Na, mit diesen— diesen drei Dösköpfen nehm ich's dochnoch auf..."Und dann dachten wir alle nach. Und wieder mußten wiralle zu dem gleichen Resultat gekommen sein:„Ob's nichtvernünftiger wäre, die Mitbewerber ein wenig auszuholen;vielleicht hatten sie schwache Stellen, wo..."So daß wir uns unauffällig zueinander setzen wollten.Aber weil wir alle dasselbe wollten, rannten wir in denGängen der leeren Wagen fortwährend aneinander vorbei.Diese Rennerei dauerte bis St. Trara. Dort verloren wireinander im Bahnhofsgewühl aus dem Gesicht.Ich las meinen Kuratoriumszettel nach.Aha, zuerst also kam der Kaufmann Spremberg, Entlebuch-stratze 84.''„Erlauben Sie, ich möchte nach der Entlebuchstraße Num-mer 84. Können Sie mir vielleicht sagen, wie ich da am be-sten—?"„Entlebuchstraße? Ei, da stehen. Sie ja mitten drin. UndNummer vierunddreißig, sagen Sie? Ei, das ist genau dasHaus dort vorne, wo der schwarze Herr gerade hineingeht.Da jetzt geht noch ein schwarzer Herr hinein— und nun wie-der einer— merkwürdig, hm— was haben die nur alle—"„Himmelherrgott," sagte ich,„jetzt sind sie mir alle dreizuvorgekommen!"Wie meinen Sie?"Aber ich war schon in der Richtung nach der EntlebuchstraßeNummer 84 ausgerissen und die schwarzen Flügel meinesfeierlichen Gehrocks flatterten den Gehsteig entlang.„Kann ich Herrn Spremberg sprechen, bitte?"„Sie sind jetzt schon der Vierte", sagte die alte Dienst-magd.»Ob ich Herrn Spremberg sprechen kann", sagte ich nervös.„O mei, o mei, in ara Stund kemmen S' vielleicht dran,Herr." sagte sie mitleidig,„jetzt dischkeriert er zerschtamal mitdem erschien und die andern zwoa warten in dem Zimmer dahinten— o mei, Herr, da ham S' sreili schlechte Aussichten."„Mit Bezugnahme auf die Aufforderung des Kuratoriums,Fräulein, muß ich darauf bestehen, daß—"„Wissens was, Herr," sagte die alte Dienstmagd und sahmich mütterlich von der Seite an,„unser Herr is erscht ganzneu ins Kuratori nei'komma und— und—"Hier begann sie gutmütig zu flüstern.und hat no net viel z'sag'n im Kuratori, wissen S'—da iS g'scheiter, Herr, Sie genga glei zu einem andern, derwo—_1