Deutsche   Stimmen

Feuilletonbeilage der Deutschen Freiheit"

Hart ist das Brot der Fremde

Gedanken einer Emigrantenfcau

Nun haben wir Heimatlose ein Zuhause gefunden. Ein armes, kleines Zuhause- das soll uns die Heimat ersetzen. Wer noch nie ohne Heimat und ohne Zuhause war, weiß nicht, was das bedeutet.

Unser Zuhause liegt mitten in ernteschweren Feldern, der Blick schweift weit und frei über Wiesen, goldbraune Weizen- und blonde Haferfelder. Bis zu den Bergen hin­über, die Heimat waren.

Wir sehen sie blauen und verdämmern- ohne Heimweh. Ich habe den Spaten in der Hand und grabe das Stück­chen Erde  , das Garten werden soll. Schwer und hart ist der Boden, Disteln wachsen darauf und roter Mohn. Wenn der Spaten eine Scholle umwirft, fallen die roten Blätter zur Erde wie Herzbluttropfen, die das Land düngen wollen. Es ist schwer, fremdes Land zu graben, wenn die Gedanken schwer und weit wandern.

Als wir gingen, blühten im Heimatgarten die Flieder. hecken und die ersten Rosen wollten aufbrechen. Jetzt werden wohl die Astern und Dahlien blühen, die ich gepflanzt habe - und an meinen Bäumen reifen Pfirsiche und Mirabelle und die goldgelben, saftstroßenden Birnen. Jeden Baum und Strauch, jede Blume haben wir mit Liebe zusammen­getragen und gepflanzt. Bis aus einem Stück Dedland ein blühender Garten war. Den neideten sie uns und ein anderer bricht die Früchte, die er nicht gepflanzt. Ob er spürt, daß ich ihm kein Glück und keinen Frieden gönne? Daß die Seele meines Gartens mir gehört, und wenn er tausendmal gestohlen ist? Daß ich hasse, aus tiefster Seele hasse alle, die meinem Jungen den Garten seiner Kindheit genommen und in das weiche Kindergesicht Männer­falten eingruben?

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Disteln und roten Mohn grabe ich in fremde Erde ein und sie wird gütig sein und uns Nahrung geben.

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Hart ist das Brot der Fremde und schwere Arbeit sind die Tage. Und doch sind wir jeden Tag dankbar für den Frie­den und die Freiheit, die er bringt.

Nur die schlaflosen Nächte dürften nicht sein.

Die Nächte, in denen sie alle vorüberziehen- so grausig viele sind es Freunde, Kameraden, Genossen.

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So viele schon tot- und was sie überstanden, das bohrt sich als Wahnsinn in die Hirne ihrer Nächsten.

Und die anderen, die noch leben?

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Die sich vielleicht jetzt in Schmerz und Hunger und un­fäglicher Qual winden zerschunden und zerschlagen und zertreten. Und viele haben Frau und Kinder daheim. Kinder, vor deren Augen der Vater blutig geschlagen und fortgeschleppt wurde. Und wenn die Mutter vor Seelen­qual im Irrenhaus endet was wird aus den Kindern? Man möchte hinausschreien in die Nacht schreien schreien, daß das Weltgewissen aufwacht. Hört Ihr denn nicht, Menschen hört Ihr denn nicht die Verzweiflung schreien seht Ihr denn nicht, Menschen, wie allem, was Menschenantlig trägt, ins Gesicht geschlagen wird Ihr könnt schlafen? Ihr könnt schlafen?

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und

Giselher und Giselhin

1. Bild

( Häuslicher Herd in heimlicher Hütte. Giselhin und ihre kreisrunde Busenfreundin Kuniburg sizzen auf schmucken Schemeln und spinnen.)

Kuniburg: Was blickest du so traurig, teure Ge­

Spielin?

Giselhin: Er will mir nicht aus dem Sinn.( In Tränen ausbrechend.) Ach, Giselher, Geliebter, von wannen konntest du mir solches antun?

Kuniburg: So buhlt er denn noch immer um die Gunst jener dunklen Mittelmeertype mit langem Ober­förper, furzen Beinen, vollen Lippen...?

Giselhin:... und Neigung zur Fettsucht. So ist es. Die Stimme des Blutes rollt nicht mehr in seinen Adern. Aber er wird es noch bitter bereuen, meine Minne ver­schmäht zu haben. Er ahnt ja nicht, daß dieses minderrassige Weib infolge seiner sizenden Lebensweise zur Hysterie neigt! Was könnte ich nur tun, den wahnsinnigen Wüstling ihren Armen zu entreißen und an meine feineswegs elliptische Brust zu drücken?

Kuniburg( streichelt tröstend Giselhins ovales, läng­liches Gesicht): Verzage nicht, flachshaarige Freundin; ich werde dir helfen!( Sie zupft ihren Zopf züchtig zurecht und geht durch die Mitte ab.)

2. Bild

( Büro im Raffeamt. Blumentöpfe mit Stammbäumchen stehen in der Ede. Der Zuchtwart sitzt am Schreibtisch: vor ihm steht Kuniburg.)

8uchtwart: Hm, hm, also Giselher, der geifernde Gauch, betrügt die deutsche   Rasse mit einer hafennasigen Hetäre! Das kann nicht geduldet werden. Man wird alle Maßnahmen ergreifen, seien Sie dessen sicher.

Kuniburg: Haben Sie tausendundeinen Dank!( Bei­seite.) Wie juble ich ob des Glückes, das meiner Freundin harrt!( Sie jubelt.)

8. Bild

( Verhandlungssaal im Rassenbezirksgericht. Giselber auf der Anklagebant. Giselbin im Auditorium.)

Die schlaflosen Nächte dürften nicht sein!-

Noch eines dürfte nicht sein, Ihr Freunde in der Fremde. Ihr lächelt manchmal über uns. Ihr sprecht von Deutsch­ land   wie von einem fernen Stamm wilder Menschenfresser - und lächelt.

Euer mitleidiges Lächeln tut weh, ihr Freunde in der Fremde. Ihr habt ja recht, tausendmal recht, wenn Ihr immer wieder sagt, Ihr versteht es einfach nicht, wie solch ein Tollhausrausch möglich ist. Wir, die wir dieses Toll­haus erlebt haben, die wir auch beinahe darin zugrunde gegangen sind, wissen heute, wie es möglich war. Und wissen auch, daß wir Schuld tragen.

Wir haben mit Begeisterung gesungen- Der Mensch ist gut und haben es auch geglaubt! Das war unser Fehler und unsere Schuld, Ihr Freunde und Ihr dürft uns dafür tadeln. Gläubig und innig, wie wohl ein fatho­lisches Mütterchen vor ihrem Marienbilde kniet, haben wir an das Gute im Menschen geglaubt, das sich durchringen muß zu edler Menschlichkeit. Und als wir sahen, daß die anderen, unsere Schwäche ausnüßend, die Bestie im Men­schen großfüterten, wollten und wollten wir es nicht glauben bis es zu spät war!

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Und die am kindlichsten von Menschlichkeit geträumt und am wenigsten an die Bestie glauben wollten sind von ihr am grausigsten ermordet.

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zertraten

Die Stiefel, die unsere Freunde zerstampften viel. Auch unseren Glauben an das Gute im Menschen. Da ist eine Stelle in unserem Herzen, da frißt und frißt ein unheimliches Feuer. In tausend und aber tausend Herzen und Hirnen frißt es wie ein heimtückisches Un­tier und nagt an den Brettern und Balfen der blutigen Zwingburg.

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Wenn der Tag kommt, an dem das nagende Feuer in heller Flamme lodert Ihr Freunde in der Fremde dann lächelt Ihr nicht mehr. Es wäre besser, die Sonne schiene an jenem Tage nicht. Die Stiefel, die unsere Freunde zerstampften, zer­traten viel.

*

Gestern sah ich, wie ein Pferd von einem Stutscher miß­handelt wurde. Es konnte sich des Ungeziefers nicht er­wehren und zog frühzeitig den Wagen an. Mit Fußtritten und Faustschlägen in die Weichen zerrte und zog er das Tier zurück, bis es zitternd und ergeben auf seinem alten Plazz stand.

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Und ich wartete wartete auf den Zorn, der sonst hell in mir aufflammte, wenn ein Tier gequält wurde- und alles blieb still in mir. Nur ein dumpfer Druck, ein schmerzvolles Mitleid brannte mit wem? Ich weiß es selber nicht.

Zu schwer lastet die leidvolle Zeit-

Ich kann nicht mehr in Zorn aufflackern, wenn ein Tier geschlagen wird.

Die Stiefel, die unsere Freunde zerstampften viel.

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zertrafen M. S.  

Ereignisse und Geschichten

Deutscher   Zickus

Bon Stefan Heym  

An eines Jdols verschüttetem, traurigem Grabe steht Herr Schmitt, Herrn Sugenbergs Volksausgabe. Er lächelt ein wenig, perfid und heiter Da tönnen Millionen hilflos verrecken

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in Dachkammern, Hinterhöfen und Kellereden- Die leben weiter....

Allez hopp!

Die schwingen die Peitsche, die halten den Zirkus in Gang. Und mancher ist Clown und Gepeitschter sein Leben lang und merkt es nicht

Da fönnen Millionen hilflos verreden

in Dachlammern, Hinterhöfen und Kellereden- Die Peitsche zischt: Allez hopp!

Die zahlen die Uniform und das ganze Getriebe. Und tanzt der Glown nicht, so setzt es goldene Hiebe- der Clown im Kanzlerpalais­

Da tönnen Millionen hilflos verreden

in Dachkammern, Hinterhöfen und Kellerecken Doch die sind zäh....

Allez hopp!

Die Hunde laufen, die Menschen, das Spiel geht im Kreise. Die Zirkusmusit spielt die alte, bekannte Weise

von Ruhe und Ordnung und: Profit!

Da werden Millionen Suppen dünner und trüber, da gehen Millionen verzweifelte Augen über und auf, Herr Schmitt

Aber dann: Herr Schmitt, Allez hopp!

Blind sein

heißt deutsch   sein!

Dummheit und Sadismus, Geistlosigkeit und geistkrante Brutalität. kurz Hitler und Göring   sind jetzt in allem zu erkennen, was in Deutschland   geschieht. Fehlte es an drasti­schen Symbolen für das abscheuliche Afterdeutschtum, das aus solchen Führerhirnen entsprungen ist, eine bescheidene Mitteilung aus dem dritten Reich" könnte alles symboli­sieren: jüngst wurde beschlossen, die jüdischen Blin= den aus dem Deutschen Blindenbund auszu­schließen. Deutsch   sein heißt..." Was hieß einst nicht alles deutsch   sein! Heute bedeutet es nur, blind wüten, so­gar gegen Blinde wüten. Unter allen Völkern und Rassen galt es bisher als ursprüngliche Aeußerung primitivster Menschlichkeit, den Blinden   Mitleid und Hilfsbereitschaft und nichts als dies entgegenzubringen. Die Blinden   rassisch" zu werten, blieb den Edelmenschen" vorbehalten, deren Krämergeist den raffenden jüdischen Charakter" selbst dort bekämpft, wo die Konkurrenz nur mit mühsamem Bürstenbinden und Korbflechten bestritten wird.... Der Deutsche Blindenbund wird also nun gleichfalls judenrein sein. Ganz Deutschland   aber steht vor der Welt wie ein Bund von Blinden  , vor deren Geistesblick der letzte Schim­mer vom Wesen des Menschentums entschwunden ist

Symbolische Stürze

Mit Hitler   und Göring   in den Graben

Wir lesen in der Bossischen Zeitung":" Der erste Ver­

Ein Schauspiel deutscher Treue fuch eines Volksrenntages, den der Verein für Hindernis

Richter: Sie wollen ein arischer Held sein und werfen Ihre Mannbarkeit an ein Untermensch weg! Pfui, schämen Sie sich!

Giselher: Sie ist nun aber mein Typ; ich liebe sie! ( Giselhin schluchzt hörbar auf.) Zuchtanwalt: Hoher Gerichtshof, Sie sehen, der Angeklagte zeigt keine Spur von Reue. Ich beantrage daher die sofortige Sterilisation dieses Staatsfeindes.

Giselher: Um Wotans willen, so soll ich nie wieder... Richter: Ich gebe dem Antrag des Zuchtanwalts statt und verurteile den Angeklagten laut§ 38, Absatz 4 des Rassengesetzes zur zwangsweisen Sterilisation. ( SA.- Leute führen Giselher ab. Giselhin bricht mit lautem Aufschrei zusammen.)

4. Bild

( Operationssaal. Aerzte und SA.- Assistenten schleifen die Sterilisationsmesser. Man trägt Giselher herein.) Giselher( jammernd): Oh, ich Verblendeter! Wie

rennen auf seiner Karlshorster Bahn unternahm, , fonnte faum besser glücken. Gewaltige Menschenmassen hatten sich eingefunden, und ihnen wurde ein Programm geboten, das an Mannigfaltigfeit nichts zu wünschen übrig ließ. Von den Regierungsmitgliedern, die Preise gestiftet hatten, und denen zu Ehren die einzelnen Rennen benannt worden waren, erschienen Reichswehrminister von Blom= berg und Staatssekretär Grauert unter zahlreichen Ehren­gästen. Das durch den See führende Hermann= Göring   Jagdrennen bereitete den Zuschauern insp­fern besonderes Gaudium, als drei Pferde ihre Reiter in das feuchte Element abseßten. Auch im Volfs= tanzler- Jagdrennen, der Hauptprüfung des Programms, kamen drei Teilnehmer zu Fall.

Wegen dieser Rösser hätten wir uns nicht zum Totalt­fator bemüht! Hoffentlich ist der Bossischen Zeitung" weiter nichts passiert, weil sie die Hermann- Göring  - und Hitler­Pferde nicht sieghaft ins Zielband reiten ließ.

konnte ich mich in den Netzen dieser artfremden Person ver- Säuerlicher Pfälzer  

stricken! Was gäbe ich hin, hätte ich nur meine heißgeliebte, wonnige Giselhin!

( Die Tür springt auf und Giselbin wirft sich schüßend vor Giselher.)

Giselbin: Du liebst mich also noch: Heißa heio!( Sie umarmt und füßt ihn.)

Giselher: Ja, ich liebe dich!( Er nimmt ein Notiz buch zur Hand und streicht ab:) Du blonde Arierin mit blauen Augen, freiem Blick, ovalem Gesicht, rosigem Teint, schmaler Nase und fleinem Mund! Ich liebe dich unsäglich. Aber ach, es ist zu spät!

Giselbin: O nein!( Sie entnimmt ihrer Tasche ein Gesetzbuch und schlägt es auf.) Sieh her! Wenn du wieder zu einem germanischen Mädchen zurückfindest, so ist dies tätige Reue und somit strafausschließend. Giselher: Geliebte! Giselbin: Geliebter!

( Die Aerzte weichen erweicht. Vorhang.)

Theobald.

Bei dem alljährlich in Neustadt   a. d. Haardt, dem Mittel­punft des pfälzischen Weinbaugebiets, stattfindenden großen Pfälzischen Weinlesefest erhält der neue Wein seinen Namen. Für den 1982er" wurde der Name Ankur bler" gewählt. Für das Weinlesefest dieses Jahres, das, wie die Wandel­halle" berichtet, am Sonntag, dem 8. Oktober, ist, laufen schon in großer Zahl die Namenvorschläge ein. Der erste eingegangene Vorschlag empfiehlt den Namen Gleich­ich alter"..

..... Ich spreche von der Partei der sogenannten Ver­treter der deutschen Nationalität, jenen falschen Propheten, deren Vaterlandsliebe nur in einer einfältigen Abneigung gegen die Fremde und gegen die Nachbarvölker besteht.... Ja, diese Ueberbleibsel oder Nachkommen der Teutomanen von 1815, die ihr altes Kostüm ultradeutscher Narren nur modernisiert haben und sich ein wenig die Ohren stutzen ließen. Ich habe sie mein aanzes Leben lang verabscheut und bekämpft." Heinrich Heine  .