Deutsche   Stimmen

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Feuilletonbeilage der, Deutschen Freiheit"

Liebling, mein Liebling!"

Der Heros und Eros der deutschen   Frau

In das Dunkel der Beziehungen zwischen der Hysterie und der Hin- zu- Hitler- Bewegung gibt der Brief einer reichsdeutschen Nationalsozialistin Einblick, den die Basler Nachrichten" anläßlich einer Leser­diskussion über das dritte Reich" erhielten. Die Partei­genossin Adolf Hitlers   schreibt über den Führer":

Wir erleben heute so viele Wunder durch unseren Wun dertäter, unseren Führer, unseren vergötterten Liebling, unseren angebeteten Kanzler, daß wir aus dem Staunen, aus einer fast zu heftigen Ekstase gar nicht mehr herauskommen! Wer hätte vor einigen Monaten an das Unmögliche geglaubt, das dieser über lebensgroße Heros täglich neu schafft? Welch ein Mann, welch ein Christ, welcher Gottgesegnete iſt er! Wir können nur immer beten: Herr, schüße und er­halte ihn unserem armen Volfe, das du wieder in Gnaden angenommen hast, als alles zu Ende und zerbrochen schien! Laß deinen Segen weiter über dem Einzigen walten, den du uns in der zwölften Stunde zur Rettung geschickt hast, den wir gar nicht verdienen in seiner Reinheit, Groß­mut und Güte, in seinem unaussprechlichen herr­lichen Führertum!" Wir sind ja so glücklich unter diesem gottgesegneten Mann wir, die wir zertreten, verachtet, verhöhnt, verloren waren, find wieder zu Men= schen" gemacht, die Gott   wohlgefällig zu leben imstande sind, nachdem wir in Verbitterung alles über Bord ge­worfen hatten, was uns ehedem hoch und heilig war. Welch ein Liebling Gottes ist er? Und welch ein Liebling des Volkes! Und dieser Größte aller Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gehört- uns! Uns! Ist es nicht zuviel des Glücks? Haben wir es verdient? Ist es nicht lauter Gnade?

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Vielleicht lachen Sie mich aus- tut nichts, lachen Sie nur! Wir lachen auch wieder und blühen und grünen in seligem Vertrauen auf den Einzigen, den

Retter und Befreier Kanzler, unseren Helden!

unseren, unseren

Es wäre falsch, an diesen Schrei einer Liebenden nur satirische Glossen zu hängen. Hier offenbart sich mit letter Deutlichkeit die Quelle, aus der die nationalsozialistischen Heroen unermüdlich Wasser schöpfen können. Es ist der Drang halber und schwacher Menschen, sich an Idealen aufzurichten, sie in metaphisische Bezirke emporzusteigern und den Eros, der so oft unerfüllt und unerlöft ist, in wilden Strömen zu beseligter Befriedigung zu bringen. Die Frau, die diesen Brief schrieb, hat heute Millionen von Ge= fährtinnen in der deutschen   Weiblichkeit. Sie verdrehen die Augen vor den Bildern ihrer Lieblinge", fie möchten ihnen am liebsten unter die Hemdbrust kriechen, und sie füssen in Ermangelung des atmenden Objektes das Auto ( das ist in Berlin   allen sichtbar geschehen!), das ihren Her­zenshelden entführt. Auf dieser blühenden und grünen Weide schief eingeschraubter Sinnenluft fänden Freud und andere die hervorragenden Exempel dafür, wie in gewissen Zeiten zwei so verschiedene Komplere wie Politik und ver drängte Sexualität seltsame Ghen miteinander eingehen können. Die Züge der mittelalterlichen Flagellanten und Geißler, die Nonnen, die in Jesus   den himmlichen Bräu­tigam" erblicken wahrhaftig, es wiederholt sich alles, der Vernunft, dem Fortschritt und der Wissenschaft zum Troß.

Ereignisse und Geschichten

Die hätten nicht das Recht...?

Sie haben Max den Brustkorb eingetreten Und Willis Auge ist ein brandig Loch; Paul mußten sie die Süften grade kneten Und Friz fonnt wochenlang nicht gehn. Er troch. Die die Erhebung" noch im Rückgrat spüren, Die knapp Entwich'nen mit dem Todeskeim, Belausch die Reden, die sie draußen" führen: Sie reden nur von Deutschland  , von daheim. Die hätten nicht das Recht, von Deutschland   mitzusprechen, Schreibt eine Barthelshure, ein Stück Benn? Wenn nicht die Opfer all der Staatsverbrechen, Wer denn?

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Sie halten Marens Frau in Moabit   gefangen, Sie haben Willis Tochter untersucht"; Pauls Bruder ist an Krämpfen eingegangen" Und Frigens Eltern: Als vermißt gebucht."- Sie lesen Wahrheit aus geheimen Briefen Und in den Blättern offiziellen Schleim. Nachts träumen sie, daß ihre Brüder riefen Und ihr Gesprächsstoff ist und bleibt: Daheim...! Die hätten nicht das Recht, von Deutschland   mitzusprechen, Von den Genoffen: Müller... Schulze... Renn... Wenn nicht die Opfer selbst das Schweigen brechen, Wer denn?!! Willi Eckenroth.

Freilich, es ist möglich, daß sich die Liebenden eines Tages ,, Fideler Bauer"- nicht mehr fidel

in grausam enttäuschte Hasserinnen verwandeln. Wir können uns vorstellen, daß Hitler und Göring  , die Angebeteten von heute, Angst bekommen vor den Hyänen, die der unhöfliche Friedrich Schiller   wiederholt auf der Tribunal der Ge­schichte gesehen hat.

Stammcolle für deutsche   Dichter

Dec literarische Acierparagraf

Die bösartige Satire tönnte nicht erfinden, was so im Laufe der Zeit in Deutschland   blutige Wirklichkeit wird. Zu den neuesten Errungenschaften des dritten Reiches" zählt, so lesen wir in dem vortrefflichen Neuen Tagebuch", die ind straffe 3wangsorganisation des deutschen Schrifttums", die unter dem Protektorat des Propa­gandaministers Göbbels im Reichsverband Deutscher Schriftsteller  " durchgeführt wird. Wer immer nur im neuen Deutschland   sich schriftstellernd betätigen will, sei es als Lyrifer oder als Erzähler, sei es als Sachverständiger auf dem Gebiet der Kynologie oder als Kritiker der Relativitäts­theorie, muß Verbandsmitglied werden, und nach einem Bericht der DAZ." wird diese Mitgliedschaft in Zukunft dafür entscheidend sein, ob ein Schriftwerk in Deutschland  verlegt werden kann oder nicht".

Schriftsteller des dritten Reiches" eine Stammrolle" eingeführt werden wird. Jawohl, eine Stammrolle! Tie Registratur der deutschen   Schriftsteller hat die gleiche Bezeichnung bekommen, wie die Rekrutenlisten des preußi­schen Militärs. Alle Verbandsmitglieder, so lautet die in der DA3" wiebergegebene Berlautbarung wörtlich, erhalten Stammrollennummern und Verbandsnadeln, die die gleiche Nummer tragen".

Man sieht, daß feine falsche Ueberschäßung geistiger Funk­tionen das Risiko beraufbeschwört, es könnte bei der syfte­matischen Umwandlung Deutschlands   in einen gewaltigen Rasernenhof irgendwo eine Lücke entstehen. Stefan George  und Gerhart Hauptmann   falls letzterer Gnade und Auf­nahme findet müssen ihre Stammrollennummer in der Sturmbrigade

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Verboten von Daccé

Aus Berlin   wird gemeldet:

Der in Bad Wörishofen   weilende Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Darre hat die Auf­führung der Fallschen Operette Der fidele Bauer  " als staatsfeindlich verboten. Es ist das erstemal, daß der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft eine Entscheidung in Zensurangelegenheiten getroffen hat, während dies bisher in das Reffort des Propaganda- be­ziehungsweise Reichsinnenministers fiel.

Es gibt also nicht nur staatsgefährliche Parteien, Wissen­schaften und Weltanschauungen, sondern auch staatsge= fährliche Operetten. Diese Erkenntnis eröffnet der Aufbauarbeit der braunen Räuberbanden erquickende Mög­lichkeiten. Das also ist das Wesen des dritten Reiches"! Jigendeiner der vielen Diktatoren hört sich während des Urlaubs eine Operette an und weil ihm die Operette nicht gefällt, wird sie als staatsgefährlich verboten. Und dann kommt der Diktator heim und verkündet seiner Thusnelda  : ,, Heute habe ich's denen aber gezeigt!" Und Thusnelda  strahlt, daß der Herr Gemahl so mächtig ist: er schlägt auf den Biertisch und der eiserne Vorhang fällt und köpft ein Theaterstück.

as versteht sich andererseits, baß nur sogenannte deutsch  - Man bajade iteratur belommen, so gut, wie der G. Ein Kopf genügt

Es

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blütige" und" politisch einwandfreie" Schriftsteller in den Verband Aufnahme finden, wie es denn auch zu den programmatischen Aufgaben des neuen Literatur- Verbandes gehört, den bisherigen übergroßen jüdischen Einfluß auf diesem Gebiete auszuschalten". Wer also eine jüdische Groß­mutter hatte, wird die Eigenschaft eines organisierten Schrift­stellers und damit das Privileg, in Deutschland   gedruckt und gelesen zu werden, nicht erwerben können und hat von vorn­herein den Anspruch auf literarischen Ruhm in Mit- und Nachwelt verwirkt.

Ausnahmen von dieser Regel wird es wohl nur in Fällen geben wie denen des Dichters Arnold Bronnen  , der fich für das Produft eines außerehelichen Fehltritts seiner

Schulze seine Stammrolle beim Sturmbann 158 hat. Und wer nicht vorschriftsmäßig in seiner Stammrolle steht, hat weder in den Reihen der SA.   noch im Sturmtrupp der deutschen  Literatur etwas zu suchen. Mit der Zeit werden wohl auch den Dichtern und Schriftstellern, die in der Etammrolle stehen, passende Dienstgrade und schmucke Uni­formen verliehen werden, und wenn erst ein gewöhnlicher Stammrollen- Inhaber bei angemessener. Dienstleistung all­mählich zum Oberbann- Lyriker oder Dramen- Sturmführer aufrücken kann, muß eine hohe Zeit der Literatur beginnen.

Eine spätere Literaturgeschichte wird möglicherweise mit Bedauern konstatieren müssen, das Goethe zu früh gelebt

Der Reichssendeleiter a bamowsky sprach im Ber liner Sportpalast über die Korruptionsstandale im Rund­funt und entwickelte dabei das nationalsozialistische Pro­gramm der Radiopolitik. Er sagte: Früher fragte die Reaktion: Habt Ihr Nazis denn Köpfe? Dazu haben wir immer wieder entgegnet: viele Köpfe verderben den Brei." Die Köpfe sind abgeschafft worden, uns aber stand ein unvergleichlicher Kopf, der Adolf Hitlers  , zur Ver­fügung". Und jetzt wird ohne Köpfe gefunft.

arischen Mama erklärt hat und deshalb eine Bierde bes hat und infolgedessen keine Stammrollennummer besaß. Was Geßlerhut

neuen deutschen   Schrifttums bleiben durfte. Ueberraschender als die Einführung des literarischen Arierparagraphen ist indessen die Ankündigung, daß für die zwangsorganisierten

Gequälte Nation"

Neudeutscher Büchermarkt

Nach der Vertreibung der wahren Literatur vertreiben die deutschen Buchhändler nur noch gleichgeschaltetes Schrifttum", Hitlers   Mein Kampf  " prangt selbstverständ­lich in mehreren Exemplaren in jeder Auslage; wo dann noch Platz ist, werden die Erzeugniffe der Literaturunter­fafs ausgestellt. Ein Dußend dieser Bücher sei herausge­griffen:

W. Wiedfeld: Gequälte Nation.

H. Megich: Arbeit und Waffe als Grundlage der Nation. Jochberg: Adolf Hitler   und sein Stab.

F. Th. Hort: Alfred Rosenberg  , der Mann und sein Werk. Wulf Bley  : SA marschiert.

Hermann Burte  : Der besiegte Lurch.

Wilhelm Stählin  : Vom Sinn und Segen des Dienens. Bruno Malig: Die Leibesübungen in der nationalsozia­listischen Jdee.

Nichard Kaysenbrecht: Deutschlands   Wiedergeburt aus Blut und Boden.

Seiffert: Der Wall im Osten.

Hans Kyser  : Es brennt an der Grenze. Rudolph Strap: Das deutsche   Wunder.

Wahrlich, eine gequälte Nation", die das alles sehen soll. , Leibesübungen in der nationalsozialistischen Jdee", das muß man sich so recht vorstellen, um das Deutsche Wunder"

hätte aus diesem begabten Schriftsteller werden können, hätte schon zu seiner Zeit das deutsche   Schrifttum Herrn Göbbels  zum Protektor gehabt!

begreifen zu können. Der, besiegte Lurch" Marxismus   hatte natürlich keine Ahnung vom Sinn und Segen des Die­nens", und deshalb mußte die A, marschieren". Aus diesem Büchertiteln kann man sich ja schon ein recht anschauliches Bild vom britten Reich" machen. Nur ein bißchen aufrich tiger sollten sie halt sein! Ungefähr so: Die Ronzentrations­lager in der nationalsozialistischen Idee".- Vom Sinn und Segen der Kommiffare". Feuerwerk und Folte­rung als Grundlage der Nation".

Peinlich

Das Vorwort Mussolinis

Der Wiener   jüdische Schriftsteller Paul Frischauer  , der die Vaterländische Front   um eine Prinz- Eugen- Bio­graphie bereichert hat, arbeitet gegenwärtig an einer Gari­ baldi  - Biographie. Aus London   wird nun berichtet, daß der rührige Frischauer fürzlich in Rom   bei Mussolini   ge­wesen sei und ihm gesagt habe, er fürchte, man werde sein Buch in Deutschland   nicht kaufen, da man jüdische Schrift­steller boykottiert. Mussolini   habe erwidert: Ich werde Ihnen ein Vorwort für Ihr Buch schreiben. Ich bin überzeugt, daß man Ihr Buch nicht verbrennen wird." Die Schwäche Mussolinis für jüdische Schriftsteller( ein Jude hat sein Stück übersetzt, ein Jude hat einen Band Gespräche mit ihm veröffentlicht und nun will er für einen Juden ein Vorwort schreiben) wird seinen deutschen   Bundesgenossen Vorwort schreiben) wird seinen deutschen   Bundesgenossen allerhand Unannehmlichkeiten bereiten,

und Geßlergruß

Der Hitlergruß ist zum ersten Male nicht nur für einen einzelnen Betrieb oder eine Behörde, sondern für die ge­samte Bevölkerung einer Gemeinde eingeführt worden. Der Gemeindevorsteher von Alpersdorf( Kreis Helm­ stedt  ) hat angeordnet, daß im Hinblick darauf, daß das große Volksfest der Gemeinde am vergangenen Sonntag und Montag die gesamte Einwohnerschaft ohne Unterschied zusammengeführt habe, der deutsche Gruß innerhalb der Gemeinde eingeführt worden sei.( Köln  . Zeitg.", 17. 8.)

Das Bärtchen! Das Bärtchen!

Und er tut es doch

Aus London   wird berichtet: Der berühmte Filmfomifer Charlie Chaplin   arbeitet derzeit in Hollywood   an einem Film, in dem er ohne seine typische Schnurrbartfliege auf der Oberlippe auftreten wird. Chaplin, der jüdischer Abstammung ist, will nämlich einer unerwünschten Aehn­lichkeit mit Adolf Hitler   aus dem Wege gehen. In seinem neuen Film betritt Charlie einen Friseurladen, um sich rasieren zu lassen. Die Wand des Geschäftes ist mit den Photographien prominenter Persönlichkeiten geschmückt. Chaplin betrachtet die Bilder. Plöblich bleibt sein Blick auf dem Photo Adolf Hitlers   haften. Er greift ganz ent­seßt an seine Oberlippe. Dann nimmt er verstohlen ein Rasiermesser in die Hand, rasiert sich blißschnell den Schnurr­bart weg und verläßt den Laden. Obwohl Chaplin, wie der " Daily Expreß  " berichtet, von seinen Freunden bringend gewarnt wurde, die Szene zu spielen, weil der Film in Deutschland   sicher verboten wird, bleibt der Künstler bei feiner Demonstration,