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deS Reiches wurden, diesem Reich seinen Charakter gaben und unter dem Namen dieses Reiches die UnsterbUchkeit de? Ruhmes erlangt haben, als: Byzantinismus. Wir haben sämmtliche Berliner Zeitungen durchgesehen mit alleiniger Ausnahme desVorwärts" hat sich während der Festtage und schon vorher in ihren Spalten ein Byzan- tinismus geltend gemacht, der dem Original- Byzantinismus des Lag Lmpirs des niedrigen Kaiserreichs, wie es auf französisch heißt an Qualität vollständig gleich ist. Doch die Gedanken? Wir haben keinen gefunden, der nicht Gemeinplatz wäre oderGefühl". Und die Gemein- Plätze wie die Gefühle ausnahmslos byzantinisch. Die anßerberlinische Presse ist nicht viel anders wie die berlinische; selbst den sogenanntendemokratischen" Blättern ist der Byzantinismus tief ins Mark eingedrungen. Und wo kein Byzantinismns ist, wagt der Protest sich nur schüchtern und vorsichtig hervor, und nicht ohne Grund, denn wir sind bis zu jener tiefsten Tiefe des Byzantinismns gesunken, wo der Nicht-Byzantinismns dem Byzantinerthum Majestätsbeleidigung wird. Auch ein Beitrag zur Zenteuarfeier. Zu den Be- geistertsten unter den Begeisterten bei der nun glücklich über- standenen Jubelfeier gehören die Nationalliberalen und ihre Presse. Angesichts dieser Ueberschwenglichkeit, welche sich in tranter Eintracht mit der schnödesten Dennnziationssucht gegen alle, welche dem Jnbelkoller nicht verfallen sind, befindet, erscheint es nicht unangebracht, gerade diese Nationalliberalen an eine Zeit zu erinnern, in der sie über den hente so maßlos ver- ehrten Kaiser und seinen damaligen Minister, den späteren Kanzler von Bismark etwas anders dachten. Vor uns liegt die Nummer 174 derWochenschrift des Nationalvereins" vom 27. August 1863, des offiziellen Organs desselben National- Vereins, an dessen Spitze Herr v. Bennigsen als Präsident stand und aus dem die nationalliberale Partei herausgewachsen ist. In dieser Nummer des offiziellen Partei-Organs befindet ich in einem Artikel, der sich mit der fünfzigjährigen Gedenk- eier der Volkserhebung von 1813 befaßt, folgendes Urtheil iber König Wilhelm und seinen Minister v. Bismarck : Das Jubeljahr der Erhebung des preußischen Volkes ist wahrlich nicht dazu angethan, in Preußen als F e st z e i t ge- feiert zu werden. Während uns ein Blick auf die Geschichte des Jahres 1813 einen König zeigt, der von der Macht der das ganze Volk bewegenden Ideen selbst mit fortgerissen, sich wenigstens auf einige Zeit rückhaltlos seinem Volke hingab; am Ruder des Staates geistvolle und von aufopfernder Liebe zum Vaterlande erfüllte Staatsmänner, die großes geschaffen hatten und großes wollte», endlich ein Volk, das opserinuchig und freiheitsdurstig freudig Gut und Blut einsetzte für König und Vaterland, bietet sich uns jetzt das entgegen- gesetzte Schauspiel. Der König ist seinein Volke dank de» Rathschlägen seiner Höflinge völlig entfremdet, mehr, als vor ihm ein preußischer Fürst, ja, er hat, um seinen Eigen- willen gegen den gesetzlich kund gegebenen Willen deS Volkes durchzusetzen, sich nicht gescheut, gegen die klaren Be- stimmungen der Verfassung mit seiner persönlichen Verantwortlichkeit für gewisse folgenschwere Staatsakte einzutreten und weist jetzt jede Bitte, jede Mahnung»»gehört ab. Am Ruder deS Staates sitzen Männer, die den Namen Staatsmann" in Verruf bringen würde», wenn sie ihn für sich in Anspruch nehmen könnten, theilweise Maschinen, die sich ohne eigenen Willen so bewegen, wie ihnen das vorgeschrieben wird, theil- weise politische Abendeurer, die ohne ein Verständniß für das, was ihnen obliegt, von der Hand in den Mund leben, und deren Größe höchstens in ihrer Gewissenlosigkeit und ihrer Keckheit beruht. Und diesen steht das Volk gegenüber, nicht zur Seite und sieht, die Hände in den Taschen, den Rock zugeknöpft, theils mit stillem Hohn, theils mit bitterem Schmerz, zu, wie ein Staat ruinirt wird, der noch vor kurzer Zeit ein beneideter war; sieht dem Walten der zerstörende» Mächte zu mit demselben Gefühl, niit dem seine Väter de» französischen Eroberer betrachteten, dessen gewaltige Faust riesenschwer auf ihrem Nacken lag. Haust doch die jetzt mächtige Partei wie eine Horde fremder Eroberer im preußischen Lande und führt, ohnmächtig, neues zu schaffen. Schlag auf Schlag gegen Gesetz. Verfassung, öffentliche Moral, persönliche Freiheit und Privateigenthum, und setzt, die Freiheit im eigenen Lande vernichtend, nach außen hin sich Blöße auf Blöße gebend, alles auf das Spiel, wofür sich 1813 das Volk erhoben hatte, selbst die Existenz des preußischen Staates." Zur Erinnerung für die Theilnehmer an der hiesigen offizielle» Zenteuarfeier wurde vom Kaiser eine Broncemedaille, die an orangegelbem Bande zu tragen ist, gestiftet. DieFreisinnige Zeitung" schreibt hierzu: Die neue Denkmünze findet in militärischen Kreisen und ins­besondere unter de» Offizieren eine sehr getheilte Aufnahme. Man hörte vielfach die Aeußerung, daß durch Einführung eines Ehren- zeichens, dessen Verleihung nicht durch besonderes persönliches Ver- dienst, sondern nur durch Theilnahme an bestimmten Festlichkeiten " bedingt sei, der Werth der übrigen Ehrenzeichen, die zusammen mit der Denkmünze die Brust zieren, sicherlich nicht erhöht werden würde. Heute meldet derReichs-Anzeiger". daß der Kaiser den Veteranen der Feldzüge von 1664, 1866 und 1870/71 die Erinnerungs- Medaille verliehen. Die Kosten der Herstellung der Medaille will der Kaiser aus privaten Mitteln bestreiten. Der Trinkspruch des Kaisers beim gestrigen Festmahl« hatte folgenden Wortlaut: Ein Geist tief empfundener und hoher Festesfreude zieht durch das deutsche Volk, und ihm entsprechend haben sich die Fürsten zu- sammengesunden, um das Andenken des großen verewigten Kaisers zu feiern. Ich spreche meinen erlauchten Vettern, Oheimen und Verbündeten meinen tiefgefühltesten, innigsten Dank aus bewegtem Herzen aus; desgleichen allen Vertretern fremder Souveräne, die nicht haben zurückbleibe», sonder» theilnehmen wollen an unserer Feier, von neuem uns dadurch einen Beweis gebend, daß Europas Fürsten - Häuser ein gemeinsames großes Familienband umschlingt und daß Freude und Leid in dem einen Hause von allen anderen mit ge- lheilt wird. Es ist nicht meines Amtes, hier meines großen Vorfahren, meines Herrn Großvaters Verdienste zu feiern. Was wir eben er- lebt, und wie unser Volk sich benommen, kündet, wie lebendig alle seine Werke, wie lebendig die gesammte Persönlichkeit des Ver- ewigten vor aller Augen steht. Ich denke, sein Geist schreitet hente durch sein Volk hin- durch und gewiß hat er heute bei seinen Fahnen einen Besuch ge- macht. Wir gedenken seiner in seiner Demuth. schlichten Ein- sachheit und Pflichttreue; wir gedenken feiner als des Sohnes der herrlichen lieblichen Königin, wir gedenken seiner als desjenigen, der gesagt hat. daß er mehr durch seine Demüthigungen, als wie durch alle seine Erfolge gelernt hat. Für uns, Ihr hohen Fürsten und Verwandte», soll das An- denken an ihn ein erneuter Ansporn sein, für unsere Völker zu leben und zu arbeiten, wie er, zum gemeinsamen Ziel der fortschreitenden Kultur und zur Aufrechterhaltung des Friedens. Wir aber, indem wir uns von neuem zu innigem Bunde fester Freundschaft und Waffenbrüderschaft versprechen, wollen unsere Gläser erheben, und mit dem Ruf auf das Wohl des deutschen Vaterlandes und des deutschen Volkes ihm und unseren Fürsten unseren Gruß entbieten: Das deutsche Volk, sein Vaterland und seine Fürsten hurrah! hnrrah! hurrah! Die Durchführung der Blockade Kreta's wurde nun auch vou den italienischen und russischen Amtsblättern pnblizirt. Mehr hat man von ihrer Wirkung noch nicht in Erfahrung gebracht. Auf Kreta dauert leider das Blut- vergießen fort. Hierüber liegen folgende Meldungen vor: Kanea, 23. März.(Franks. Ztg.") Die Ausständischen machten gestern wiederum den Versuch, das Fort Malaka zu erobern, um insbesondere die Verproviantirung desselben zu ver- hindern. Die Beschießung seitens der türkischen Kriegsschiffe blieb erfolglos. Letztere suchten für den Vorfall die Unterstützung der Mächte nach, ivelche ihnen auch zugesagt wurde. Athen , 23. März.(Agence Havas".) Mittwoch und Donnerstag haben bei iltetimo Gefechte stattgefunden, bei denen der Prior eines Klosters getödtet und zwei Anführer der Auf­ständische» sowie mehrere Aufständische verwundet wurden. Sonnabend fand bei Herakleion ei» Gefecht statt. Der griechische Konsul in Herakleion ist von. den Geschwaderkommandanten auf- gefordert worden, die Stadt zu verlassen und ist dieser Aufforderung nachgekonunen. Aus Athen wird ferner telegraphirt: Das Amtsblatt veröffentlicht eine Verordnung, nach welcher 10 neue Bataillone Infanterie, 2 Eozonen Jäger-Bataillone, 14 Batterien Artillerie, 1 Bataillon Pioniere und 6 Kompagnien Train errichtet werde». Die Regierung hat die Einträgung aller Bürger von 32 Jahren und darüber in die Aushebungsrollen angeordnet, um eine Miliz zu bilde», welche mit dem Schutz der Städte betraut werden soll. Eine amtliche recht diplomatisch abgefaßte türkische Kund- gebung besagt: Die durch die Truppensendung nach Kreta bekundete Haltung Griechenlands sei eine völkerrechtswidrige. Die Mächte, welche die Integrität der Türkei sicherten, hätten die gestern begonnene Blockade Kretas im Interesse der Türkei beschlossen, und dieser Beschluß fei eine Folge des Verhaltens des Sultans. Die Freund- schaft und Fürsorge der Mächte gegenüber der Pforte verdiene de» Dank der letzteren. Im englischen Parlamente erklärte der Parlaments- Unterstaatssekretär des Innern, die Mächte hätten die Ver- antwortlichkeit für die Wahl eines Herrschers und die Form der Verfassung auf Kreta übernommen. Aus London wird derKöln . Ztg." folgende sehr be- achtenswerthe Mittheilung gemacht: Das Gerücht erhält und krästigl sich, in dem am Sonnabend unter Vorsitz des Herzogs von Devonshire abgehaltenen Kabinets- rath sei ei» Beschluß von entscheidender Bedeutung gefaßt, der Beitritt zu der Blockade griechischer Häfen ab- gelehnt, hiermit ein Rückschritt von der bisher behanptete» Stellung Lord Salisburys gegenüber dem europäischen Konzert gethan und das Konzert selbst erschüttert worden. Gut unterrichtete Beobachter glauben, die philhellenische Strömung habe neuerdings l urch einen starke» Ausbruch von Argwohn gegen L�hland das Ueberaewicht erhalten. Dieser Argwohn die Abneigung Englands sowohl gegen eine Blockade der griechischen Häfen, als auch gegen den angeblichen Vorschlag über die Zurückziehung der griechische» und türkischen Truppen von der Grenze veranlaßt habe». Der Vertreter desDaily Chronicle" in Athen meldet, der S u l t a n habe jüngst durch den Minister des Auswärtigen dem griechischen Gesandten seinen Wunsch zu einem gütliche» Austrage der kretischen Frage durch eine unmittelbare Verständigung mit dem König von Griechenland mittheilen lassen. Der König habe freundlichst in gleichem Sinne geantwortet und sich niit dem Vorschlage des Sultans einverstanden erklärt. Der Sultan habe nicht ge- wagt, sofort einen Schritt i» dieser Richtung zu unternehmen, sondern habe Nelidow ersucht, dem Zaren die Bitte um seine Vermittelung zivischen ihm und dem König von Griechenland zu übermitteln. Murawiew habe darauf sofort telegraphirt, er werde nie eine» so perfiden(!) Vorschlag u» t e r st ü tz e n. Darauf folgte angeblich ein russisches Drängen auf energische türkische Schritte. Derselbe Gewährsmann erklärt, Griechenland würde die kretische Autonomie unter der Suzeränität der Pforte und unter dem Prinzen Georg als Fürsten annehmen. « » Deutsches Reich . Eigenartig« Agitation für die verunglückte Marine-Vorlage. Der Korrespondenz-Sekretär der kaiser - lichen Schatull-Verwaltung, Geh. Regiernngsrath Mießner hat, wie dieFrankfurter Zeitung " mittheilt, an die Magistrale der Städte unter dem 18. März er. nachstehendes Schreiben gerichtet: Seine Majestät der Kaiser und König haben, um eine lieber- ficht über die Floltenvcrhältnisse, insbesondere über die Neubauten von Kriegsschiffen in verschiedenen Länder» zu gewinnen, mehrere Marine-Tabellen ausgearbeitet und dieselben nach de» Aller- höchsteigenen Aufzeichnungen vervielfältigen lassen. In der Voraus- setzung, daß der Magistrat gleichwie die Bürgerschaft an der E»t- Wickelung unserer deutschen Marine ein reges Interesse nimmt. beehre ich mich im Allerhöchsten Austrage, dem Magistrat zwei Exemplare dieser Tabellen beifolgend ergebenst zu übersenden." Die Tabellen bilden eine verkleinerte Facsimile-Stachbildung der kaiserlichen Originale, sie sind mit einemViäeairb ccmsulss" überschriebenen Begleitwort des Schriftstellers A. Oskar Klaußman» versehen, das für die Vermehrung der deutschen Kriegsflotte eintritt, dem Reichstage vorwirft, daß er die unumgänglich nothwendige Vermehrung unserer Kreuzer und Schlachtschiffe ver- weigere, und die Möglichkeit einer Katastrophe zur See sowie einer feindlichen Invasion von der Küste her ausmalt, wobei er an das Zentenarium der Schlacht von Jena erinnert. DieBerliner Zeitung " bemerkt hierzu: I» wessen Austrage hat wohl der kaiserliche Kabinetssekretär diese höchst sonderbare Stimmungsmache unternommen? Das ganz unzweideutig hierin enthaltene Ansinnen an die Magistrate, hier zu gunsten der Marinepläne Stellung zu nehme», koutrastirt eigenartig zu der sonst üblichen Disziplinirung von Kommunal- behörden und Selbstverivaltungs- Organen, sobald diese als solche zu politischen Fragen Stellung nehmen; wir erinnern nur an das Vorgehen gegen den Berliner Stadtverordneten-Vorfteher, als das Umsturzgesetz auf der Tagesordnung stand." Ueber den Frhrn. v. Stumm bricht nun auch die Nat-Lib. Corr." den Stab, indem sie über die Stumm'sche Rede vom Sonnabend in, Reichstage Nachfolgendes bemerkt:Aus der Haltung des Hauses war sichtlich zu empfinde», daß Frhr. v. Stumm der allerungeeignetste war, im letzten Augenblick für die Flotten- forderungen in die Bresche zn springen.... Man erwartete, daß er durch einige bündige Erklärungen den schädlichen Gerüchten den Boden entziehen würde, die über seine Unterhaltung mit dem Kaiser von ihm ausgegangen waren. Und diese Erklärung kam nicht, und so verhallte die Rede schließlich in einem unwilligen Gemurmel. Wer als Privatmann das Ohr des Kaisers hat, soll auch ei» getreuer Ver- walter der Worte des Kaisers sein. Frhr. v. Stumm hat hierin versagt, und eZ steht fest, daß gerade hierdurch die Gegner der Kreuzer den gefährlichsten Vorwand für die endgiltige Ablehnung fanden." Die Gegner der Kreuzer stützten sich nicht auf einen Vorwand. Aber die sonderbare Thätigkeit des Frhrn. v. Stumm war allerdings geeignet, in der Ueberzeugung zu bestärken, es stehe viel mehr auf dem Spiel als ein paar hundert Millionen.~ Der Zentral- Ausschuß der Freifinnigen Volksparter hielt am Sonnabend Nachmittag und am Sonntag Vormittag in Berlin im Reichstagsgebäude seine Jahresversamm- lung ab. Nach dem Organisationsstatut der Freisinnigen Volks- parte! besteht dieser Zentral-Ausschuß aus den parlamentarischen Mitgliedern der Partei und aus den Vorsitzenden und Haupt- geschäftsführern der Bezirksparteitage. Nachdem Abg. Richter einen politischen Jahresbericht erstattet, wurde das Verhältniß zu anderen Parteien, insbesondere zur Freisinnigen Vereinigung, ein- gehend erörtert. Daran schloß sich der Geschäftsbericht durch den ?lbg. F i s ch b e ck und die Kassenprüfung. Dem geschäftsführenden Ausschüsse wurde einstimmig der Dank des Zentral-Ausschuffes für seine Thätigkeit ausgesprochen. Die Mehrheit des Ausschusses eut- schied sich für die Abhaltung des Parteitages in Nürnberg , und zwar im Monat September. Alle näheren Bestimmungen über Zeit und Tagesordnung für den Parteitag wurden dem geschästssührenden Ausschuß überlasse». Das Reichsgericht verwarf die Revision deS verant­wortlichen Redakteurs derStaatsbürger Zeitung", Georg Berg er, und des Gerichtsberichterstatters Oskar Foellmer, welche in dem Prozesse L e ck e r t- L ü tz o w vom Landgericht I Berlin am 7. Dezember v. I. verurtheilt wurden. Zwei schleswig-holsteinische Reichstags- Abgeordnete, der Vertreter des Wahlkreises Dithmarschen, Thomsen(wild), und der Vertreter des Wahlkreises Flensburg - Apenrade , Jebfen(natl.) haben erklärt, bei der kommenden Reichstags- wähl nicht kandidiren zu wollen. Tangerhausen, 21. März. Der Evangelische Ober-Kirchenrath hat die vom Kaiser ihm übergebene Petition um Aushebung der Strafversetzung des Pastors Kötzschke abgelehnt. Aus dem Reiche des Herrn von Polenz. Die Naturheilvereine werden sich nicht schlecht wundern, daß sie zu Vereinen, die sich mit öffentlichen An- gelegenheiten beschäftigen, gestempelt worden sind. Visher glaubten diese, daß Herz, Lunge, Niere und andere Organe des Körpers worüber diese Vereine zumeist reden sich der politischen Kognition entziehen können, doch nein, in Sachsen ist allesöffentlich", auch ein Vortrag überLeben und Sterben". In Mylau sollte am 23. März eine Versammlung der Zwickaner Vor- tragsgruppe der Naturheilvercine tagen, diese umfaßt 40 Vereine, welche sich auf das ganze Erzgebirge und Vogtland vertheilen. Auf der Tagesordnung standen interne Vereinsangelegenheiten, sowie ein Bortrag des Ortskrankenkassen-Kassirers Genosse» Kleeis-Mylau überLeben und Sterben." Die Versammlung ist jetzt verboten worden. Die Naturheilvereine(wie auch die fragliche Versammlung), so heißt es in dem Verbot, beschäftigen sich mit öffentlichen Angelegenheiten, gehören so- mit unter das Vereins- und Versamn, lunySgesetz und dürfen daher untereinander nicht in Ver- b i n d u» g treten. Die bisherigen Versammlungen der Gruppe haben in Greiz , Glauchau , Werdan u. s. w. unbeanstandet stattge­funden, jetzt auf einmal ist ihr öffentlicher Charakter entdeckt worden und aus ist's. Beschwerde soll bis zur höchsten Instanz geführt werden. Ein lichter Augenblick, schreibt dieEchwäb. Tag» wacht", ist demN. Albb." gekomme», der bekanntlich in d en letzten Jahren von seinem demokratischen Renommee ganz beträchtlich ein- gebüßt hat. Er schreibt: Ebingen . 19. März. Im Trubel der bevorstehenden Zentenar- feier für Kaiser Wilhelm I. will es scheinen. alS ob man Heuer der Märzgefallenen nicht gedenken wollte. Der hiesige soztakdeinokratisch« Arbeiterverein hat zwar gestern eine Märzfeier in bescheidenem Rahmen abgehalten, aber im allgemeinen sieht es aus, als ob unser Volk anfange, das Jahr 1843 zu vergessen. Hätten beispielsweise nicht gerade unsere Bauern alle Veranlassung dazu, sich zn erinnern, daß ihnen das Jahr 1343 die Befreiung von Frohnden und Zehnten gebracht hat, sie, die da- mals nochNnterthanen" der Gutsherren waren, während sie jetzt freie Staatsbürger sind? Gewiß hätten sie eS, aber es ist schon so lange her; fünfzig Jahre find seither ins Land gegangen und wer wird da noch zurückdenken wollen!... Und die Bürger, denken die daran, wie viel wackere Männer zu selbiger Zeit ihr Herzblut an die grobe Idee der Befreiung und Einigung Deutschlands hingaben? Fällt es»mserer heutigen Studentenschaft ei», sich für diese große Zeit noch zu begeistern? Nun ja, einzelne Bürger und Studenten wohl, soiveit sie demokratisch oder auch sozialdemokratisch angehaucht sind, gedenken dieser Zeit niit heißem Danke, aber die Mehrzahl leider nicht. Und doch be» ruhen alle unsere politischen Einrichtungen ans den Grundlagen, die in jenem Jahre entstanden sind." Wen tresse» dies« Vorhalte: die bürgerliche Demokratie, die in undankbarster Weise die Grundsätze ihrer Vorfahren aus dem Jahre 1848 in den Wind geschlagen hat.Unsere heutigen Demokraten riechen etivas nach Pomade," sagte der alte ehrliche Demokrat Ludwig Pfau. Oesterreich. Die Wahlen sind bis auf die Erledigung der morgen stattfindenden Besetzung der acht zur Verfügung des nieder- österreichischen Großgrundbesitzes stehenden acht Parlamentssitze er- ledigt. Ans Wien wird telegraphirt: Nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses der gestern vor- genommenen Stichwahl in der Leopoldstadl versuchte eine Menge von Angehörigen der christlich-sozialen Partei, unter Kundgebungen vor die Wohnung des gewählten Kandidaten Kareis)u ziehen. Als die Polizei sie daran hinderte, schlug die Menge mit Steinen und Stöcken zahlreiche Anslagescheiben und Fenster ein. Der Polizei gelang es schließlich, nachdem die betreffenden Straßen abgesperrt waren, die Ordnung wiederherzustellen. Es wurden 10 Verhaftungen vorgenommen. Auch im Laufe des Tages waren mehrere Personen wegen Wahlumtriebe verhaftet worden. Der Wiener Korrespondent derKöln . Ztg." schreibt über die Zusammensetzung des neuen Abgeordnetenhauses: Da nur noch die Grundbesitzerwahle» und Stichwahlen ausstehen, läßt sich die Zusammenstellung des neuen Reichsraths berechnen. Er zählt 80 Deutfchliberale, einschließlich des Großgrundbesitzes, 43 Deulschvolkliche, 32 Christlich-Soziale, 35 Deutsch-Klerikale, von letzteren 10 bischöfliche und 25 Angehörige der katholischen Volks- partei, 5 Schönererianer. Das Czccheulhum zählt. abgesehenZvon 3 czechischen Sozialdenlvkraten. 57 Jungczechen, 2 Radikale. 13 Feudale, die in nationalen Fragen mit den Jungczechen gehen. zusammen also 80 Czeche». Der Polenklub zählt 60 Mitglieder, die polenfreundlichen Ruthenen außerdem 8, die polnischen Radikalen 6, die ruthenischen Radikalen 3 und die Sozialdemokraten 14. Italiener 13. darunter 5 Klerikale. Rumänen 6, Südslaweu 27, davon 17 Klerikale. Zusammen 425 Abgeordnete. Ueber die parlamentarischen Aufgaben des neuen Abgeordnetenhauses schreiben die jungczechischenNarodni Listy": Die Ansgleichsvorlage» werden beiden Parlamenten am 30. d. M. unterbreitet und unverzüglich in Beralhung gezogen werden. Die neue Biersteuer wird eine progressive sein: für Brauereien mit einer Produktion bis zu 2000 Hektolitern ist sie am niedrigsten; sie steigt bei einer Produktion bis zu 3000 Hoktoliteru, erhöht sich bei einer Produktion bis zu 15 000 Hektoliter; erst bei ei»er Produktion über diese Ziffer wird die volle Steuer gezahlt werden. Aus dem Mehrerträgniß der indirekten Steuern wird der Betrag von jährlich 10 Millionen Gnlde» zur Verlheilung an die