Den Händen an der Wand einen Halt suchend, versuchte fich Heinrich aufzurichten. Troß der wahnsinnigen Schmerzen gelang es ihm.„ Anziehen!" Auch das gelang. Die Folterfnechte machten höhnische Bemerkungen über seine Hilflosig= feit. Mit einer Stimme, die einen Stein hätte erweichen können, bat Heinrich um Wasser. Wart nur ab, du kriegst schon was zu trinken, aber erst wirst du mal hier die Schweinerei aufwischen, die du angerichtet hast." Dann wandte sich der Wortführer an Dolchinger.„ War er Kommunist?"" Nein, Reichsbannerschwein." Sie warfen ihm eine schwarzrotgoldene Fahne vor die Füße.„ Da hast du einen Aufwischlappen; gefällt dir der?" Und Heinrich Röder reinigte den Tisch und wischte unter unsäglichen Schmerzen den Keller auf. Dann führten ihn die Folterknechte wieder auf die Wachtstube. So, nun sollst du auch etwas zu trinken haben." Einer reichte ihm eine Halbeliterflasche Rizinusöl. „ Trink, ist schön warm gemacht." Heinrich machte keinen Widerstandsversuch: er war am Rande seiner Kraft, und trank die Flasche aus und hätte es auch ohne die vorgehaltene Pistole getan.„ So und nun aber raus, auf dem schleunigsten Wege." Heinrich wankte davon.„ Wohl befomms," höhnte der Posten hinter ihm her.
Befriedigt setzten sich die Henker auf der Wache um den Tisch und zündeten ihre Zigaretten an. Was hatte der Kerl eigentlich gemacht?" fragte nach einer Weile der Wachthabende.
Gegenüberstellung
Nazis und Kommunisten hatten sich geschlagen und ein Nazi war tot auf dem Plaze geblieben. Die Kommunisten behaupteten, daß die Nazis ihren eigenen Kameraden aus Versehen totgeschossen hätten. Das Gericht verurteilte den Kommunisten, den die Nazis als den Schüßen bezeichneten, wegen Raufhandels zu 1 Jahr und 6 Monaten Gefängnis. Das war noch vor der Machtübernahme durch die Nazis. Im Juni 1933 saßen einige SS. - Führer mit dem gleichgeschalteten Leiter der örtlichen Geheimen Staatspolizei am Biertisch. Die Rede kam auf den vorerwähnten Fall und einer sagte zwischen zwei Schlücken Bier, daß doch dieses Urteil eigentlich noch korrigiert werden müßte. Alseitige Zustimmung. Der Kriminalrat mußte sofort telefonisch feststellen, ob der Kommunist noch im Gefängnis sei. Es fand sich bestätigt. Nun gab es noch einige Telefongespräche und
Dic ,, Micsmacher"
eine halbe Stunde später fuhr ein Auto der SS. beim Polizeipräsidium vor. Dort saß bereits der Kommunist in Handschellen auf einem Stuhl. Er war durch Beamte der Geheimen Staatspolizei zur Gegenüberstellung" aus dem Gerichtsgefängnis abgeholt worden. Die Beamten übergaben den Gefangenen den jungen Leuten von der SS. Der Gefesselte ging mit müden Schritten zwischen den schwarz uniformierten Schergen. Sein Gesicht war wie das eines Toten, nur aus den Augen sprach eine irrsinnige Angst. Der grüne Wagen sauste zum Stabsquartier der SS. Jm Tränenkeller fiel eine ganze Horde über den Wehrlosen her. Man machte sich nicht einmal die Mühe ihn auf den Folterbock zu schnallen oder ihm einen Knebel in den Mund zu stecken. Der Gefangene schrie auch kaum. Nur ein paarmal rangen sich ächzende Seufzer aus seiner Brust, so qualvolle, entseßliche Töne, wie sie seit der Inquisition wohl nicht mehr in Deutschland geklungen haben mögen. Schließlich machte ein Sturmführer den Mißhandlungen ein Ende. Der Gefangene wurde in ein Zimmer geführt, die Tür verschlossen. Der Gequälte sah sich um. Kein Tisch, kein Stuhl, vollständig kahle Wände. Nur das Fenster, das auf den Hof blicken ließ, stand weit auf. Der Gefangene ging langsam auf das Fenster zu, um sich zu vergewissern, wo er sich befand. Kaum wurde er im Fensterrahmen sichtbar, da knallte es von draußen peitschenartig auf. Der Gefangene sant lautlos zusammen.
In dem besagten Bierlokal trank man zur Veränderung eine Runde Kognak als der Sturmführer erschien, der die Exekution geleitet hatte. Er war ein wenig bleich. Man schob ihm einen Rognak hin. Nun?"„ Erledigt!" Der Sturmführer goß den Kognak hinunter.„ Wenn nur bei der Obduktion alles gut geht."„ Wieso?"" Die Kerle haben ihm erst eine anständige Abreibung verpaßt."„ Halb so schlimm, der Kreisarzt ist altes Parteimitglied."" Dann ist es gut." Der Polizeibericht meldete: Gestern wurde der bekannte Kommunist S. zur Gegenüberstellung aus dem Gerichtsgefängnis geholt. Nach seiner Vernehmung versuchte er aus dem zu ebener Erde gelegenen Fenster zu springen, um zu fliehen. Dabei wurde er von dem draußen stehenden Posten erschossen.
Die Nazizeitung aber jubilierte in einem Artifel mit dreispaltiger Ueberschrift: Der Mörder unseres Pg. Bäumer gerichtet.
Die Kritiker
Gegen men richtet sich die Verordnung gegen die Mies macher? Und wer beginnt unzufrieden zu werden und magt es, wenigstens gelegentlich, dies auszusprechen? Es ist und war der kleine Beamte, der Angestellte, der Straßenbahnschaffner, der Postsekretär und der Schulmeister. Es ist der kleine Ladenbesizer, der Arbeitslose und die Hausfrau; und es ist auch der Arbeitgeber ebenso wie der Arbeitnehmer. Man muß alle diese Leute inner
halb ihrer vier Wände oder an ihrer Arbeitsstätte kennen.
lernen, und man muß von ihren früheren und gegenwärtigen Lebensbedingungen wissen, von ihrem Ehrgeiz und ihren Hoffnungen, von ihrer Angst und ihrer Furcht, fie könnten ihre Stellung verlieren oder ins Gefängnis kommen; man muß ihre politische Kurzsichtigkeit erlebt haben, ihren Drang, vorwärtszukommen und bei ihren Vorgesetzten nicht aufzufallen, und nicht zuletzt ihren früheren unbegrenzten Glauben an Adolf Hitler .
Der durchschnittliche Deutsche ist außerordentlich geduldig. Er beugt sich der Autorität willig und vertrauensvoll. Er glaubt nur wenig an sein eigenes politisches Urteil. So ist es für eine Regierung wirklich leicht, die Zeitungen mit nichtssagenden Artikeln zu füllen und durch das Radio leere Reden verbreiten zu lassen. Aber die kleinen Fragen und Schwierigkeiten, denen sich das Volk täglich gegenübersieht, sein ständiger Kampf gegen die Unsicherheit seines Daseins, der ihr ganzes Leben ausfüllt, das alles drückt mehr auf ihre Stimmung als es irgend eine politische Propaganda tun könnte.
Einschüchterung
Der Staatsbeamte muß unter ständigem Druck leben. In den meisten Städten des Westens, z. B. Köln, Düssel dorf und Aachen , sind in den letzten Wochen die Beamten gezwungen worden, sich einen Platz für das Schauspiel oder die Oper der nächsten Saison zu mieten. Oper wie Schauspiel waren im Frühjahr, nach der ersten Reinigungsaktion" der Bühnen so schlecht besucht, daß die Behörden keinen anderen Ausweg mehr sehen, die Theaterbetriebe in der nächsten Spielzeit aufrecht zuerhalten. Die Bürgermeister verschiedener Städte haben entweder öffentlich in den Zeitungen oder durch Rundschreiben angekündigt, daß die Namen aller Beamten, die nicht abonniert haben, der SA. bekannt gegeben würden, damit einige Tage später ein SA.- Mann in ihrer Privat wohnung wegen eines Abonnements vorsprechen solle. Wenn der beauftragte Nationalsozialist nicht vollkommen freundlich sein würde, so ist in einer der öffentlichen Bekanntmachungen zu lesen, so müßte das unter den gegebenen Verhältnissen verstanden werden.
BRIEFKASTEN
Kleinblittersdorf( Saar ). Sehr interessant, daß die aus dem Arbeitslager im Reich zurückgekehrten jungen Nazis von dem Schwindel kuriert sind. Essen und Behandlung entsprachen dem ,, dritten Reich". Sie teilen uns mit, die örtlichen Naziführer seien in das Arbeitslager gefahren, um die„ Lügen" ihrer eigenen jungen Anhänger zu entlarven. Drüben geblieben sind sie aber nicht. Die Herren waren froh, als sie im Saargebiet wieder eine Lippe riskieren konnten.
Deutscher im Elsaß . Wir bewundern Ihre Ausdauer im Schreiben und die Höhe Ihrer Portoausgaben, die doch leider der Post Ihres „ Erbfeindes" zugute kommen. Auch wenn Sie statt mit Blei Ihre Briefe mit Tinte schrieben, würden wir sie nicht lesen.
Rotterdam . Was müssen Sie sich für Vorstellungen von unseren finanziellen und personellen Kräften machen!
An unsere Freunde. Das Suchen nach Exemplaren der Deutschen Freiheit" in den Eisenbahnzügen, die ins Reich fahren, hat sich verschärft. Also Vorsicht!
Das ist glatte Einschüchterung. Die Frau des Beamten wird beim Anblick des SA.- Mannes an ihrer Wohnungstüre zittern. Sie wird ihren Mann bitten, sofort zu abonnieren, damit er die seelische Folter dieses Besuches beende und unabsehbare Folgen von sich und seiner Familie abwende. Man stelle sich eine Lehrersfrau allein einem Nazi gegenüber vor, der in voller Uniform mit Gummiknüppel oder anderer Bewaffnung auftritt!
Freiwillige" Spenden
schafft werden. Einige der behördlichen Maßnahmen, z. B. Die Arbeitslosigkeit soll durch eine Verordnung abge die Abschaffung der Autofteuer für neue Wagen sind tatsächlich wirksam gewesen. Bei anderen ist keineswegs eine derartige Wirkung sichtbar geworden. Der kleine Mann muß regelmäßig für die„ Arbeitsfront" spenden. Sowohl Arbeitgeber wie Arbeitnehmer müssen frei. willig" nicht weniger als 1 Prozent des Lohnes oder Einkommens abführen. Ein Rajsenarzt muß ,, freiwillig" wenigstens zwei Prozent von seinen Einkünften aus der zwei Prozent von seinen Honoraren und außerdem Privatpraxis zahlen. Jm Juli mußten alle Beamten für die Arbeitsfront spenden. Diejenigen, die großzügig zeichneten, um ihre Ergebenheit zu beweisen, wurden verschiedentlich bitter enttäuscht, denn verschiedene Städte handelten wie der Oberbürgermeister von Krefeld ; dieser ordnete in einem Rundschreiben an, daß diese freiwilligen Beiträge monatlich regelmäßig bis zum Ende des Jahres erhoben werden sollten genau wie die Steuern.
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Deutsche Freiheit"
Fast jede Woche veranstalten die Nazis irgendwelche Feste für das Volk ein Reiterfest, ein Radrennen usw. Die Eintrittskarten werden in den Büros zum Verkauf angeboten, ebenso die Lose der Lotterie zur Arbeitsbeschaffung. Es ist in den meisten Fällen gefährlich, sich zu weigern, eine Karte zu kaufen. Deffentliche Kundgebungen werden ebenso mit Hilfe der Freiwilligkeit" veranstaltet. Düsseldorf hatte letzte Woche eine große NSBO.- Kundgebung. Eine Anzahl von Mitgliedern aus den umliegenden Städten wurde aufgefordert, an ihr freiwillig" teilzunehmen, was sie auch taten. Im allgemeinen werden derartige Kundgebungen gut organis fiert. Diese war es aber nicht. Eine Anzahl von Zwischenfällen auf den Straßen vermehrte den Verdruß der Wartenden. Ungefähr dreißig Personen auf der Straße, welche versäumt hatten, die Fahne durch Hutabnehmen zu grüßen, wurden auf so rohe Art geschlagen, daß sie durch den Sanitätsdienst fortgetragen werden mußten. Ein Mann behielt seine Pfeife im Mund. Ein Nazi stiek sie Ich ersuche um regelmäßige Zusendung der ihm in den Hals, so daß er ihn beinahe tötete. Der Miß- ,, Deutsche Freiheit" handelte mußte sich einer schweren Operation unterziehen.
Besuche in der Redaktion der Deutschen Freiheit" sind im allgemeinen nicht erwünscht, dagegen mit vollem Namen unterzeichnete Briefe sehr. Unbekannte Besucher werden nicht vorgelassen. Lothringen . Nein, Mitglied der Freimaurerloge sind wir nicht. Wir hoffen aber, demnächst in die Ortskrankenkasse aufgenommen zu werden, wenn die Weisen von Zion etwas nachhelfen. Neunkirchen . Warum wir auf die Anwürfe des Kommunistenblattes an der Saar nicht antworten? Weil es zwecklos ist. Dies. mal werden wir als Kriegstreiber angeprangert. Das nächste Mal werden wir als vertrottelte Pazifisten verspottet. Und immer wieder mal find wir das Sprachrohr des SPD. - Vorstandes in Prag ", der noch nie Einfluß auf unser Blatt genommen hat. Parteiheze in solcher Zeit ist ein Zeichen der Beschränktheit oder der Unwahrhaftigkeit. Keines von beiden ist ein Ziel unseres Ehrgeizes.
Verantwortlich: für die Redaktion Joh. Biz: Inferate
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