Deutsche   Stimmen

Feuilletonbeilage der Deutschen Freiheit"

Baleacier von F. Gale

Mein Freund, zum Beispiel, ist Balearier. Das ist weder ein neudeutsches Zuchtergebnis, noch eine neue Rassen­forschungstheorie. Es ist eine ganz unheroische Angelegen­

heit.

Wie? Möchten Sie auch werden? Was das ist?- Warten Sie doch ab. Lassen Sie doch erzählen.

Also, mein Freund, der Balearier, hat die Statur eines Borers und dazu die Schultern eines Ringkämpfers, ohne eine wattierte Jacke anzuhaben. Wenn bei Göbbels   noch Zweifel über seine arischen Stammwälder bestehen, meines Freundes jüdische Abstammung ist über jeden Zweifel walhallahoch erhaben.

Er ist Deutscher  ( nicht Teutscher) und lebt auf Mallorca  , das zu den spanischen   Balearen- Inseln gehört. Als ihn dørt, im vierten Reich, eines schönen Tages eine schneidige schnit­tige Stimme anfuhr: Sie sind Jude!", war seine Antwort: Nein, Bale- Arier!" Seitdem ist er Balearier. Einfach, nicht wahr?

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Denn Alemanne ist er nicht mehr, seitdem er per Ein­schreiben dem Reiche der Richter und Henker( vormals Dichter und Denker) seinen Reisepaß einsandte mit der Be­merkung, daß er einen Staat, der seine Familie mordete, nicht mehr achten und angehören fönne. Er verzichte auf die deutsche Staatszugehörigkeit. Demnächst wird der. Balearier Spanier sein. Aber schwenken wir nicht ab.

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Vor nicht langer Zeit sißt der Balearier mit einem nicht­jüdischen Freunde, also einem Arier, vor einem Cafe. Sie sprechen nicht von Geschäften, weil es so triste ist, und nicht vom schlechten Wetter, weil die Sonne immer unheimlich brennt. Nein, sondern der Arier erzählt dem Balearier eine nette Geschichte: ... also tommt Hitler zum Arzt; zu einem Spezialarzt", verstanden? Das Ungeheuerliche ist ihm, gerade ihm, passiert.

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Der Arzt: Was, Herr Hitler  ... Sie... unmöglich... aber doch nicht etwa in...???"

Adolf nickt nur stumm und ergeben.

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die korrekt Der Arzt: Ja, aber Exzellenz verzeihen, die Rorreft­heit meines Berufes zwingt... äh... zwingt mich. zur Frage..."

Adolf winkt gelangweilt ab: Natürlich, Frontkamerad..­Hm, Riesenbankett, Baroneß Kriemhild von Auenstoß, natürlicher, automatischer Ausgang: Gleichschaltung.

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Und nun...

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Nach zwei Tagen hat der Spezialarzt" Kriemhild  , Baro­neß von Auenstoß herbeizitiert: Gnädiges Fräulein... äh, Baroneß, glauben alfo vorher nichts von Ihrer... na, also, jedenfalls, nichts davon gewußt zu haben?"( Er wischt sich den Schweiß von der Stirn.)

Sie, empörter wie eine betrogene Verführte: Ich! nichts gewußt?!"

Der Arzt, zögernd: wagten

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Sie wußten,

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Sie... und da Kriemhildchen, kleinlaut und ärgerlich: Wo es doch immer hieß, wenn Hitler kommt, wird alles besser..."

Der Balearier lacht dröhnend. Der Arier auch. Ein anderer Wiz," sagt der Arier.

Weiter fommt er nicht. Ein Wis der Wirklichkeit: Fan­faren. Marschmusit. Standarten mit indischen Swastika­Nunen: Indi- Arier! Die Nazis von Palma   machen einen Propagandamarsch nach Terreno. Tobernste, verschlossene Ge­fichter, wie die Hunnen vor der Schlacht mit den Westgoten. Der Arier und der Balearier grinsen. Von dem Wis noch. Natürlich. Aber die Kerls müssen das misverstanden haben. Irgendetwas muß da vorgefallen sein. Jedenfalls: Riesen feilerei! Die Polizei greift sofort ein. Die Riesengestalt das Baleariere fällt am meisten auf. Sie greifen ihn. " Gehören Sie bazu?"" No!!!" grinst der. " Sie sprechen aber Deutsch  ?"- Ja."

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Ereignisse und Geschichten

Leise Anfrage

Von Maximilian Schröder

Sie haben, meine Herren, ein Schächtverbot erlassen, das jedermanns humanes Hera erfreut. Jedweder Hentersknecht muß jest erblassen; die Tierwelt jubilieret schlachtbereit.

Sie haben tiefes Mitgefühl für alle Kreatur, das steht nunmehr gesehlich außer Frage. Gestatten Sie die leise Sorge uur:

Wie steht das mit den Menschen heutzutage? Wird man jetzt vorher rasch mit Chloroform begossen, falls man per Zufall auf der Flucht erschossen? Kann man die Kanne Nizinns im Magen nach Gummifnüppelhieben heilsamer ertragen? Gibt es in Schughaft jezt die Möglichkeit, sich an betäuben, wenn man das Pech hat, allzulange bei Verstand zu bleiben? Greift man bei öffentlicher Ehrabschneidung nie daneben? Rann man nachher bewußtloß mit Familie weiterleben? Wie steht es mit den angesengten Sohlen der Margiften? Bei Wotan, meine Herrn, wir sind bekanntlich Chriften. Nun gut, ich sehe ein: Ich habe mich zu deutlich ausgesprochen. Die Juden find an allem schuld. Ja, ich spreche leise. Die werden mit besondrer Schächterlaubnis abgestochen auf eine arisch konsequente Art und Weise. Erst stets betäuben, dann erst schlachten! Die moralische Manier

" Dann sagen Sie bitte sofort, daß alle antreten sollen! der Sache ist human; man ist gerührt; man kann es kaum Les! Los! Lassen Sie antreten!"

Die indiarischen Nazis glaubten ihren Ohren nicht au trauen. Jeglicher Protest wurde von seiten der Polizet energisch zurückgewiesen.

Die spanische Polizei hat keinen Sinn für Indiarier und Balearier. Unter unendlichem Jubel der Bevölkerung brüllt

noch faffen.

Der Mensch ist schließlich nur ein kompliziertes Tier. Mein Antrag lautet: Schächtverbot für Menschen zu erlassen!

der jüdische Standartenführer:" Antreten!"- Und sie treten Lauff

zur

an. Abteilung m- arsch!" Und sie marschieren Polizeiwache. Boran mein Freund, der Standartenführer. Nach kurzem Verhör wurden alle entlassen. Man hat ihnen weder den Schädel eingeschlagen, noch fie in ein Konzen­trationslager abgeführt. Und niemand wurde auf der " Flucht" erschossen. Nicht mal zu ihren arischen Heimat­gauen wurden sie ausgewiesen. Und mein Freund ist auch nicht mehr Standartenführer. Er denkt als einfacher Bale­arier nur manchmal an seine ruhmreiche Vergangenheit zurück.

Blick ins Rasseschaufenster

Auch das Schwein ist ein Kriterium

Zu den aufschlußreichsten Dokumenten der in Deutschland  herrschenden Barbarei gehört das Börsenblatt für den deutschen Buchhandel", das treulich den Dreck anpreist, der sozusagen die Literatur des dritten Reiches" ist. Man nehme etwa das Heft vom 14. d. M.: Auf der ersten Seite werden in Großformat Die astrologischen Kalender für das Jahr 1934" angekündigt, untrennbar verknüpft mit der Weltanschauung des Hakenkreuzes feiert die Astrologie Triumphe. Der Leipziger   Naziverlag Rainer Wunderlich bietet nicht weniger als siebzehn astrologische ka lender an; aber diese Volksaufklärung und Propaganda für deutsche Wissenschaft" wird von dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda   noch übertrumpft. Das Reichsministerium veranstaltet vom September bis November eine Werbung für den rassenhygienischen und rassenkundlichen Gedanken" und hat zu diesem Zweck eine Liste von dreißig Raisebüchern aufgestellt. Siebzehn

Clauß: Die nordische Seele.

Scheidt: Einführung in die naturwissenschaftliche Fa milienkunde.

In dieser Tonart geht das weiter. Nach welchem der dreißig Rassesonderbücher soll der deutsche Mensch zuerst greifen, wo findet er die besten Vorschriften für rationelle Menschenzucht? Da fällt sein Blick auf ein Buch des Reichs­ministers Darre, und alle Zweifel sind gebannt; daß Buch heißt: Das Schwein als Kriterium für nordische Völker und Semite   n." Das ist die neue Bibel des deutschen   Volkes, das ist der Blutmythos" in seiner Urgestalt. Das Schwein entscheidet, wer ein Arier ist und wer ein Jud. Die Frage aber, welches Schwein die letzte Instanz ist, wird das Buch öffentlich beantworten.

astrologische Kalender und dreißig Rassebücher"- wahrlich, Rassensondecfenster

der Aufbruch" der deutschen   Wissenschaft ist ungeheuer! Die Regierung erwartet" von den Buchhändlern, daß in jeder deutschen   Stadt Rassenfonderfenster veranstaltet wer den". Für diese Rassenfonderfenster" kommen die Rassen­sonderwerke folgender Rassensonderlinge in Betracht: Reichsminister Walter Darre  : Neuadel aus Blut und Boden. Das Zuchtziel des deutschen Volkes. Professor Hans Günther  : Rassenkunde des deutschen Volkes. Der nordische Gedanke.

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Bryn: Der nordische Mensch.

Worte fallen wie Bein"

Czech   sieht ihn blond

Herr Erich Czech Jochberg   schreibt in der Braun­schweigischen Landeszeitung" darüber folgendes:

Hitler   und sein Stab" und nicht: Die Führer der NSDAP  . Wir Nationalsozialisten sagen: Der Führer". Die anderen, mögen sie dem Führer im Amte noch so nahe siehen, sind Mitarbeiter. L'Etat c'est moi: Bestimmend ist sein Wille. Hitlers   Wille.

Wer in den Pausen eines Empfanges, an einem Bierabend mit Hitler   spricht, ist überrascht über seine warme Liebens­würdigkeit. Ueber die Ruhe und Kraft, die beinahe physisch von diesem Manne ausstrahlt. Man wächst in der Nähe dieses Menschen. Wie er uns unsere eigenen Gedanken, die sich zaghaft ballen, aus dem Munde nimmt! Ste blitz­schnell formt, wie wir es nicht vermocht! Wie er auf alle Dinge reagiert.

Plöglich nimmt das Gespräch eine andere Wendung. Eine dienstliche", Eine atute Frage steht zur Diskussion: Wir

Aus einem Verlagsinserat im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel":" Alle Behörden und Büchereien, Beamte und Erzieher, Aerate und Geistlichen müssen sich eingehend mit der Rassenfrage beschäftigen. Die Regierung erwartet, daß in jeder deutschen   Stadt Rassensonderfenster veranstaltet werden. Material für Rassensonder fenster. Wir liefern je nach Wunsch entweder: Ausgabe A ( großes Fenster): Etwa 40 Werke. Ausgabe B( fleines Fenster): Etwa 25 Werke."

sehen einen ganz anderen Hitler. Wir sehen aber auch einen ganz anderen Göring, Göbbels  , Heß, Frick.

Eisernwerden die Süge und die Wortefallen wie Bein. Kein Deuteln. Nur deuten. Kein Herumdrehen: Schläge. Es gibt in Dingen der Bewegung, in Dingen Deutschlands   fein Taften, nur ein Zupaden. Der flaffische Ernst, mit dem Hitler und seine um den Führer gescharten Mitarbeiter ihre Sendung nehmen, hat in der Geschichte dieser Welt nur wenige Parallelen.

Man muß sie in den Männern des erwachenden m suchen die ein Weltreich schufen, in Scävola, Cäsar. Oder in dem Sendungs- Glauben jenes blonden Mannes aus Nazareth, der schon durch zwei Jahr­tausende schreitet...

Das Unglück will es, daß Hitler   mit dem blonden jungen Mann aus Nazareth" nur geringe äußerliche Aehnlichkeit besitzt. Aber pielleicht guckt Herr Czech seinem Heros einmal unter die Achselhöhle. Dort ist er nämlich, nach dem Zeugnis seines Pressechefs Hanfstängt, germanisch- blond.

Aus Wiesbaden   kommt die Nachricht, daß Josef von Lauff   im Alter von 78 Jahren auf seinem Sommerfis in Cochem   a. d. Mosel   gestorben ist. Lauff? Man muß etwas lange seine Erinnerungsfähigkeit mobilisieren, um bei diesem Namen bestimmte Vorstellungen zu haben. Der ehemalige Friedensmajor war Wilhelms Lieblingsdichter, dessen Ro­mane und dessen robust geblumte Dramen das Entzücken der schon in den neuna ger Jahren Unzeitgemäßen erregte. Lauff war in seiner Weise ein ehrlicher Mann, der nicht mehr gab als er besaß: eine bestimmte Begabung zur derben Charakterzeichnung und volkstümlicher Landschaftsdarstel­lung. Wilhelm adelte ihn, als er auch Hohenzollerndramen schrieb. Bulest lebte er still und vergessen meist in Wies­ baden  .

Das Braunhaus

Der Reichssendeleiter Hadamowity formulierte in seiner Nede über die Korruption im Rundfunk den Satz: Rund­funt ist keine Beute für Großverdiener, sondern der Rund­funk ist das Heiligtum des Volkes. Das Funkhaus foll das Braunhaus des deutschen   Voltes sein." Dieses Braunhaus des deutschen   Geistes sieht folgendermaßen aus: An einem einzigen Tage wurden gesendet: Der wadere Handwerksmann, zeitgenössische Texte und Musiken um Friedrich, Jugend vor dem Staat: geharnischte Ethik, Stunde der Nation: schlesische Komponisten, Wilhelm Fanderl  : Der neue Alltag, W. Scharrelmann  : Worpsweder   Märchen, Friedrich der Große   als vaterländischer Dichter, Rede des Reichssendeleiters Hadamowsky, die deutsche Sparerbewe­gung als Motor für Freiheit und Aufstieg, Fridericus", Sonette von Gös Otto Stoffregen, Kernspruch, Göz Otto Stoffregen Die Woche des Rundfunks"," Lächelndes Rokoko", Hörfolge von Edith Braun.

Das alles strahlt vom geduldigen Berliner   Sender aus., dem Heiligtum des deutschen Volkes".

Fritzchen schreibt nach Basel  

Die Basler Nationalzeitung" hat eine anonyme Karte folgenden Inhalts aus Berlin   erhalten:

Sehr geehrter Herr! Ich habe Ihre Ansichten vom Montag in Verwirrungen über Verwirrungen" gelesen und kann Ihnen nur zur Mäßigung aufrichtig raten. Viel­leicht gibt es im nächsten Jahr schon weder Sudetendeutsche, noch Tiroler Deutsche   in Bozen  , noch Schweizerdeutsche in Basel  , sondern nur noch Deutsche   schlechthin. Und dann könnte Ihnen Konzentrationslager oder noch Schöneres blühen. Vielleicht gibt es dann überhaupt keine Schweizer  mehr, abgesehen von den Stallschweizern und dem Schwei­ zer   Käse. Und die Tessiner sind dann gute Italiener, was fie schon heute de fatto find. Also etwas mehr Vorsicht und Voraussicht, lieber Freund, wenn es nicht zu guter Lezt das liebe Köpfchen kosten soll. Ich komme vielleicht im September einmal persönlich hin, vorausgefeßt, daß nicht inzwischen die Tausendmarkabgabe für Reisen nach der Schweiz   angeordnet ist. Bis dahin seien Sie herzlich ge­grüßt von Ihrem alten Kollegen Friz."

Die Redaktion der Basler Nationalzeitung" bemerkt dazu: Wir sind auf alles gefaßt, sogar auf Frißchens Besuch im September und werden uns bemühen ihm klarzumachen, daß das Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschstäm= migen", die heute noch außerhalb des dritten Reiches" stehen, durch Drohungen und Gewaltmaßnahmen weder ge­schaffen noch da, wo es schon vorhanden ist, gestärkt werden tann."