JAN SEVERIN

Die Wirtschaftsschrumpfung

Rundblick über eine trostlose deutsche   Entwicklung

Wer heute nüchtern und unter Vermeidung aller politis schen Schlagworte die wirtschaftliche und finanzielle Lage Deutschlands   zu überprüfen versucht, kommt tatsächlich zu niederschmetternden Ergebnissen. Ebenso wie in allen großen Industrieländern bleibt natürlich auch für Deutsch­ land   das Arbeitslosenproblem der Schlüsselpunkt der ge­samten wirtschaftlichen Entwicklung und trotz der von der Regierung veröffentlichten Zahlen und recht allgemein gehaltenen Angaben über den Rückgang der Erwerbslosig keit in einzelnen Bezirken, und zwar besonders in den landwirtschaftlichen Kreisen, hat sich die Situation auf diesem Gebiet in den letzten Monaten ganz außerordent­lich verschlechtert. Fast von Tag zu Tag werden allerdings neue Bulletins ausgegeben, in denen irgend ein Landrat meldet, daß in seinem Kreise die Arbeitslosigkeit voll ständig überwunden sei. Diese Nachrichten kommen in der Praxis so zustande, daß in solchen industriearmen Land­kreisen die gesamte erwerbslose männliche Bevölkerung zum Arbeitsdienst auf gerufen wird, während der gesamte Rest, someit alte Männer und erwerbslose Frauen nicht schon überhaupt seit längerer Zeit ausgesteuert" sind, der Wohlfahrts. fürsorge überwiesen werden und so aus den eigentlichen Listen der Arbeitslosen verschwinden.

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Mit einer normalen Arbeitslosenstatistik, wie sie früher in Deutschland   in geradezu vorbildlicher Weise gepflegt wurde, haben solche Manipulationen natürlich nicht das mindeste zu tun. Ein gleiches gilt von der Streichung aller jugendlichen Erwerbslosen aus den Listen der groß städtischen Arbeitsämter, die man einfach damit begründet, daß die betreffenden Jahrgänge zum Arbeitsdienst ein berufen seien. In Wirklichkeit kann man nur einen Bruchteil dieser Jahrgänge in den Lagern beschäftigen Der gesamte Rest wird weiter unterstützt, gilt aber jetzt nicht mehr als arbeitslos im Sinne der Statistik. Von Standpunkt einer wirk lich objektiven Sozialstatistik aus ist es übrigens nicht einmal angängig, die in den Arbeitsdienstlägern beschäf­tigten, ehemaligen Arbeitslosen nunmehr als erwerbs tätig anzusehen. Die Kosten des einzelnen Arbeitsdienst lers belasten die Staatsfinanzen, wie rechnerisch selbst nach den eigenen Ziffernangaben der Reichsregierung fest zustellen ist, den Reichshaushalt eher stärker, als die Unterstügungskosten für den ein­zelnen Arbeitslosen. Der wirtschaftliche Wert der Arbeitsleistung steht schon deswegen in einem krassen Mißverhältnis zu den aufgewandten Kosten, weil die Tätigkeit der Lagerinsassen vorwiegend in Wehrsport und ähnlichen Verrichtungen besteht, die mit wirklichen wirt­schaftlichen Leistungen nichts zu tun haben. Der Rückgang der Arbeitslosenziffern in Deutschland   ist, wie man zu­sammenfassend feststellen kann, trotz der bei oberflächlicher Betrachtung recht günstig wirkenden Ziffern ausgesprochen fiktiv. Dieser Rückgang beruht auf zahlreichen statistischen Manövern, die im übrigen vielfach auch noch recht unge­schickt vorgenommen werden, weil der Renner des deutschen   statistischen Apparates aus verschiedenen Anhaltspunkten feststellen kann, wie die Dinge in Wirk lichkeit liegen. Um nur ein einziges charakteristisches Bei­spiel zu erwähnen, sei auf die Tatsache verwiesen, daß die neudeutschen Arbeitslosen- Statistiken einen Rück­gang fast nur bei den Wohlfahrtserwerbs Tosen, also denjenigen Unterstützten aufweisen, die schon seit Jahr und Tag aus dem Produktionsprozeß heraus. geschleudert wurden. Jn Wirklichkeit bedarf es kaum näherer Darlegungen, um zu verstehen, daß ein wirklicher Rückgang der Arbeitslosigkeit sich in erster Reihe an den Ziffern der kurzfristig Erwerbslosen   erweisen müßte, denn bei Neueinstellungen werden natürlich diese vor den langfristig erwerbslosen Wohlfahrtsempfängern bei weitem bevorzugt.

Während noch bis vor einigen Wochen immer wieder sehr optimistische Berichte über den Geschäftsgang in den einzelnen Gewerbezweigen, so besonders in der Textil industrie, veröffentlicht wurden, sind diese amtlichen Darlegungen jetzt immer seltener geworden. Der Grund

Die Preistreiberel

Steigerungen bis zu 40 und mehr v. H.

Die Vossische Zeitung"( Nr. 401) schreibt:

" Die für einzelne Waren beobachteten Preissteige rungen um 20, 30, 40 und mehr Prozent können weder durch die Verteuerung gewisser ausländischer Roh­stoffe, noch durch die Korrektur der unter dem mannigfachen Krisendruck eingeführten Schleuderpreise erklärt werden. Sie haben auch nichts zu tun mit einer anderen, gewisser­maßen vom Kunden selbst gewollten Verteuerung des Ein­

kaufs, die sich daraus ergeben kann, daß nicht mehr die bil lige Waren schlechthin, sondern die preiswerte Ware in den Bordergrund rückt, daß also neben dem Preis auch die Qualität wieder eine größere Rolle zu spielen beginnt.

Die Rundfunkindustrie Bilanz der Berliner Funkausstellung Berlin  

, 24. Aug.( Jnpr.) Die 10. deutsche   Funtausstellung wird von drei Tatsachen beherrscht: 1. sie ist eine reine Nazi­Ausstellung; 2. der sogenannte Voltsempfänger scheint die Ausstellung zu beherrschen, ist aber im Vergleich zu den hochentwickelten Empfangsgeräten ein jämmerliches Spiel­zeug und 3., es fehlen Auslandsbesuche.

hierfür liegt darin, daß die Bevölkerung grade in den großen deutschen   Textilrevieren, vor allem in Sachsen   und im Rheinland  , genau weiß, daß Aufträge fast überhaupt nicht mehr vorliegen. Besonders die Tuchwebereien waren einige Monate lang tatsächlich recht gut beschäftigt. Es handelte sich hierbei aber nicht etwa um Export aufträge, die vielmehr trotz größter Preiskonzessionen in enormem Maßstabe annulliert worden sind, sondern viel­mehr um Inlandsaufträge, die sozusagen der Uniformierung des ganzen deutschen  Volkes dienten. Dieser Bedarf an Uniformen und vor allem an uniformähnlichen Kleidungsstücken ist jetzt auf lange Zeit hinaus gesättigt und die in der Hand des Publikums befindlichen Bestände werden sehr stark dazu beitragen, den normalen Textilbedarf auf lange Sicht äußerst niedrig zu halten. Nach Erledigung dieser Inlands aufträge, deren Bezahlung übrigens nach übereinstimmen den Berichten der Verbände und der großen Unter­nehmungen sehr viel zu wünschen übrig läßt, fehlt es völlig an Aufträgen. Solange noch Rohstoffvorräte vor handen, wurden die Spinnereien und Webereien durch sanften Druck" der NSDAP  . und anderer lokaler Amts: stellen, schließlich sogar der Zentralbehörden gezwungen, von Arbeiterentlassungen abzusehen. Die vorhandenen Rohstofe sind aber nun inzwischen fast durch weg verarbeitet worden und die Möglichkeit neuer Ein­käufe ist so gut wie überhaupt nicht vorhanden, da es einerseits den Firmen an den hierfür notwendigen Mit teln bzw. an dem entsprechenden Kredit fehlt und da andererseits die hierfür erforderlichen Devisenbeträge von der Reichsbank gar nicht oder nur in ganz bescheidenen Grenzen freigegeben werden können. Man begnügt sich Grenzen freigegeben werden können. Man begnügt sich auf dem Gebiet der Textilwirtschaft mit völlig unzu reichenden Ersagrohstoffen, mit Kunstvolle, deutscher  Inlandswolle, Kunstseide usw., die aber ihren Zweck bei weitem nicht erfüllen können und sich überdies vielfach eher teurer stellen als die überseeischen Rohstoffe, die man nicht einführen kann und darf.

Die Folge dieser trostlosen Entwicklung, für die die Textilindustrie hier nur als Beispiel angeführt werden soll, ist auch bereits deutlich in der Tatsache zu erkennen, daß den Unternehmern heute nichts weiter übrig bleibt, als ihre beschäftigungslos gewordenen Arbeiter zu ent­lassen. Eine Zeitlang versuchte man, die Belegschaften durch immer stärker gedrosselte Kurzarbeit soweit als irgend möglich in den Fabriken zu halten. Auch diese Uebergangsperiode scheint jetzt abgeschlossen zu sein. Die Lage läßt sich am kürzesten so kennzeichnen: Die Roh stoffläger sind leer. Die Vorräte an Fertigwaren find unverhältnismäßig groß, aber im Jnland aus Mangelan Raufkraftvöllig unverkäuflich. Auslandsaufträge fehlen und die Offerten bleiben schon mit Rücksicht auf den immer schärfer spürbar werdenden Boykott ohne Erfolg. Die Belegschaft wird immer weiter vermindert und die Unternehmungen sind fast nur noch damit beschäftigt, immer wieder zu versuchen, ihre Fertig warenläger abzubauen, insbesondere die Ware durch ständig größeren Preisnachlaß im Export zu verschleudern. Man bietet heute bereits zu Preisen an, die um 30 Prozent. ja in einigen Artikeln sogar bis zu 40 Prozent unter den Weltmarktpreisen liegen. Aber trotz dieses Dumpings bleibt der Erfolg aus.

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Neuerdings hat nun die Reichsregierung einen Weg be­schritten, durch Einführung einer neuen Export prämie den Bemühungen der Industrie zu Hilfe zu kommen und dieses schon jetzt mindestens 30prozentige Dumping noch weiter zu verstärken. Bekanntlich wird nach dem Londoner   Abkommen nur ein Teil zumeist 50 Prozent

der deutschen   Anleihezinsen, insbesondere auch der Obligationenzinsen deutscher   Aktiengesellschaften usw. transferiert. Die andere Hälfte zahlt der Schuldner in Deutschland   in eine zu diesem Zweck besonders gebildete Konversionskasse in Berlin   ein, die ihrerseits dem aus ländischen Gläubiger Scrips aushändigt, die unverzins. lich sind und ohne jede Valutagarantie auf den nicht trans­

ferierten Nominalbetrag der fällig gewordenen Zins zahlung lautet. Nach der Ansicht des Reichsbank präsidenten Dr. S ch a cht dürfte bei der Ausbildung eines entsprechenden Marktes für diese Scrips mit einem Kurse von 50 Prozent zu rechnen sein. Die Auslandsgläubiger, vor allem die von der ganzen Reglung besonders betrof­fenen Schweizer   Interessenten haben diese Annahme aller­dings von vornherein als reichlich optimistisch zurück­gewiesen, da kaum anzunehmen sei, daß eine solche unver zinsliche, lediglich auf Reichsmark lautende Schuld­verschreibung marktmäßig höher bewertet werden dürfte, als zahlreiche hochverzinsliche Gold- und Dollar­obligationen deutscher   Schuldner, die seit Jahr und Tag an den Weltbörsen amtlich notiert werden. Diese Skepsis in die Verwendbarkeit der Scrips der Konversionskasse versucht man nun durch eine neue Reglung zu beseitigen, die die Scrips gleichzeitig zu einem sehr wert. vollen Instrument für die deutsche Exports förderung machen soll. Nach dieser Reglung wird nämlich den deutschen   Exporteuren erlaubt, die Scrips der Konversionskasse zum vollen Nennwert bei der Bezahlung ihrer Fakturen durch die Auslandskunden in Zahlung zu nehmen. Der die Scrips dann in Deutschland   der Konversionskasse einreichende deutsche Exporteur erhält den vollen Nennbetrag in Mark ausgezahlt. Der aus­ländische Käufer deutscher   Waren, der zu einem Kurse von ca. 50 Prozent die Scrips erwerben kann, würde also für den Bezug deutscher   Ausfuhrgüter eine sehr erhebliche Preisermäßigung erlangen. Zunächst hofft man- offen­bar auch mit Aussicht auf Erfolg auf diese Weise eine sonst kaum erzielbare Kursbewertung der Scrips pon 50 Prozent zu ermöglichen und den Schaden der Gläubiger also auf eine insgesamt nur 25prozentige Entwertung ihrer Zinsscheine zu begrenzen. Auf der anderen Seite aber holt man aus dieser Reglung, die auf den ersten Blick nur im Interesse der ausländischen Anleihegläubiger ge troffen zu sein scheint, eine weitere erhebliche Export­prämie für die deutsche Industrie heraus.

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Berücksichtigt man, daß die deutschen   Exportindustrien, die heute zumeist nicht mehr in der Lage sind, neue Roh stoffe hereinzunehmen, weil der immer schlimmere Devisenmangel und die gleichzeitige scharfe Steige­rung der internationalen Rohstoffpreise dies verhindern, schon jetzt im Zeichen eines allgemeinen Ausverkaufes ihrer Fertigwarenlager zu 30 Prozent unter den Welt­marktpreisen stehen, so wird man sich über die Folgen dieser zweiten Dumpingprämie, die hier geschaffen worden ist, nicht im unklaren bleiben dürfen. Die nicht­deutsche Industrie, die die gleiche Ware oder aber ähnliche Artikel fabriziert und exportieren will, dürfte von dieser Maßnahme in nicht geringem Umfange betroffen werden. Finanziert wird diese ganze Dumpingprämie mit dem Gelde, das man dem ausländischen Besizer deutscher   An­leihen vorenthält. Die Wirtschaft der anderen Industrie­länder ist also auf diese Weise doppelt geschädigt, einmal um die Zinszahlungen auf das in Deutschland   angelegte Kapital, weiter aber um die entsprechende Beeinträch tigung des eigenen Exportes gegenüber der deutschen  Dumping- Ausfuhr.

Unter diesen Verhältnissen ist es nicht weiter merk­würdig, wenn sich der Boykott gegen den deutschen  Export, von allen humanitären und politischen Motiven ganz abgesehen, schon aus solchen der wirt­schaftlichen Selbsterhaltung der anderen Industrieländer immer weiter verschärft. Damit spitzt sich aber die wirtschaftliche Krisenlage in Deutschland   immer weiter zu und es muß daher trotz aller günstigen Kommuniqués, trotz der veröffentlichten Statistiken und trotz aller Propaganda für die angeblich bereits deutlich sichtbaren Erfolge des wirtschaftlichen Wiederaufbaues immer fraglicher werden, ob eine An­kurbelung der deutschen   Konjunktur unter den herrschen. den Verhältnissen überhaupt möglich ist. Die bisherige Entwicklung scheint sehr deutlich für das Gegenteil zu sprechen.

radiotechnisch von der Welt abschließen. Man hatte ur Produktive Arbeit

sprünglich mit dem Verbot der Anschaffung von Fern­empfängern für Private gerechnet, aber die Industrie ver­hinderte diesen Göbbelsschen Plan. Die teuren Empfänger, die im wesentlichen für den Export gebaut werden, werden in diesem Jahre keinen Absatz finden, da weder nach Groß­ britannien  , Frankreich  , Tschechoslowakei  , Polen  , Spanien  vnd dem Balkan  , noch nach den skandinavischen Ländern seit dem 1. Quartal des Jahres Rundfunkgeräte ausgeführt werden fonnten.

Killinger bestellt

,, Alle Rassen willkommen"

Der fächsische Ministerpräsident von Rillinger äußerte

Chausseen werden gebaut, um gesprengt zu werden

Berlin  , 24. Aug.( Inpreß.) Die produktive Arbeitsbeschat­fung hat nahe bei Berlin  , bei Jüterbog  , eine äußerst sinn­fällige Illustration erhalten: ein Lager von Arbeitsdienst­freiwilligen hat eine tadellose Chaussee bauen müssen, die mitten in der Landschaft anfing und mitten in der Land­schaft aufhörte Dann wurden Sprengkästen in die Chaussee eingebaut und diese Chaussee wurde von der Reichswehr  wieder gesprengt.

sich einem Pressevertreter gegenüber zu der Frage, ob Auflösung aller Werksportvereine

während der Leipziger Messe irgendwelche Unsicher heit für Ausländer oder Andersrassige bestehe. Er erflärte kategorisch, daß jeder Ausländer, gleich welcher Nasse, ruhig zur Leipziger Messe fommen und sicher sein könne, stets als geachteter Gast behandelt zu werden. Das Ausland müsse sehr wohl wissen, daß in Deutschland   Ordnung und Sicherheit herrsche. Trotzdem habe er aber noch beson dere Anweisung an die Polizei erteilt, während der Messe­tage den Sicherheitsdienst zu verstärken. Wenn Beute wegblieben, so geschehe dies nur aus völlig unbegrün­deter Furcht oder aus Unkenntnis der in Deutschland   herr­schenden Verhältnisse.

Und dieser Rillinger ist einer der übelsten Judenfresser!

Man weiß schon jetzt, daß die deutsche Rundfunkindustrie mit Verlusten arbeiten wird. Der von Göbbels   sämtlichen Fabriken in Zwangsauflage befohlene Voltsempfänger ist für die Fabriken kein Geschäft.(?) Seine Einführung sollte Die Hörer auf den Ortsempfang beschränken und Deutschland   Messe stehen.

Berlin  , 24. Aug.( Inpreß.) Die Reichssportbehörde hat die Auflösung sämtlicher Firmensportverbände angeordnet. Aus­genommen sollen nur die Vereine der Post, der Reichsbahn  und der Polizei sein.

Diese Maßnahme ist durch die Furcht zu erklären, in Firmen- und Werksportverbänden, die früher besonders ge­fördert wurden, könnte sich eine Opposition entwickeln, die nicht so gut überwacht werden kann, wie in den mit Nazi­tommissaren und Spizeln durchsetzten offiziellen Sport­verbänden.

Wenn er so bettelt, muß es ganz schlecht um die Reipatger Abonniert die Deutsche Freiheit