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Die freie Saar   marschiert

Die Kundgebung der 15000 in Neunkirchen  

Die Bergarbeiterstadt Neunkirchen   erlebte am Sonn­tagnachmittag eine gewaltige Kundgebung im Zeichen des Freiheitskampfes an der Saar  . Fünfzehntausend Menschen hatten sich zusammengefunden, geschart um die alten Fahnen, geeint im Kampf gegen den Faschismus im Saargebiet, ein Wille und ein Atem für die Verwirklichung des Sozialismus, der ohne die Freiheit nicht Gestalt werden

ann.

Lange vor Beginn der Kundgebung auf dem großen Platz an der Lindenallee waren große Scharen der Demonstranten mit allen nur möglichen Verkehrsmitteln eingetroffen. Schutzbündler, sozialistische Arbeiterjugend, Sportler mit Fahnen, Standarten, unter den Wirbeln der Trommeln und unter den Klängen der Marschmusik. Vieltausendstimmige Freiheitsrufe umjubelten den Fahnenaufmarsch, der diese Kundgebung einleitete. Die leuchtenden Farben der Tücher, der strahlende Sonnenglanz, die Erregung der Menschen, deren Fäuste sich immer wieder zu den Freiheitsrufen sich

erhoben; man wird dieses Bild so schnell nicht vergessen.

Der Führer der roten Freiheitsfront von Neunkirchen  , Etienne, hielt die Begrüßungsansprache. Sie hallte weit über den Menschen. Seine Grußworte im Namen der Neun­firchener Arbeiterstadt, in einem Freiheitsbekenntnis gipfelnd, fand stürmischen Beifall. Er brandete noch lauter empor, als May Braun an das Mikrofon trat. Aus seiner Rede, die immer wieder von mächtigen Beifallskund­gebungen unterbrochen wurde, sind die folgenden Aus­führungen von besonderer politischen Bedeutung.

Max Braun:

Wir haben nicht die Staatskasse Hitlers  , der für feinen Parteitag zweieinhalb Millionen aus ihr zur Verfügung stellte, wir haben nicht die Fonds des Propa­gandaministeriums Göbbels, die jedem Jugendlichen, der zum Niederwald fuhr, allein zur Fahrt 14 Fr. beistenern fonnte, wir haben nicht die Unterstützung der gleichgeschal­teten Kommunalbehörden des Saargebietes und auch nicht die der Unternehmer und Kapitalisten, die mit mehr oder weniger sanftem Druck Angestellte und Arbeiter auf den Trab zum Niederwald zu bringen suchten oder mit Ent: lassungen drohten, falls sie an unserer Kundgebung teil: nehmen sollten, wie wir überhaupt feststellen dürfen, daß sich unsere Kundgebung der besonderen liebevollen Anteilnahme und Fürsorge" seitens des Naziboykotts zu erfreuen hatte: Kein Geschäftsmann im Saargebiet hatte die Courage, uns einen Lautsprecher für den heutigen Tag anzubringen. Immer wieder wurde uns gesagt: Wir möchten gerne, aber wir fürchten die Folge eines Wirtschaftsboykotts!" Wir haben trotzdem einen Lautsprecher und sogar einen sehr guten aber Ihr alle, die Ihr hier seid, Ihr seid ae= tommen als

Bekenner für eine Idee,

Aber die Geschichte weist uns noch eine andere Grenz aufgabe zu: Brücke der deutsch  - französischen Verständigung zu sein! Wohin ist es mit dieser Verständigung unter Hitler gekommen?: Während heute die Hitler- Kundgebung ausgerechnet am Niederwalddenkmal, dem Denkmal einst des Triumphes über Frankreich  und jetzt der Revanche, stattfindet, weilt der französische  Ministerpräsident im benachbarten Lothringen   zur Besichti: gung der Befestigungswerke, die Frankreich   gegen die Hitler  - Barbarei aufgerichtet hat. Dazwischen aber, Ges noffinnen und Genossen, liegt unser Land, und wir haben es satt und

wir denken nicht daran, wieder einmal Rampfgebiet eines neuen imperialistischs chauvinistischen pangermanistischen Natios nalismus gegen Frankreich   zu werden. lieben, so sehr haben wir Frankreich   schäßen und lieben So sehr wie wir Deutschland  , sein Land und sein Volk lieben, so sehr haben wir Frankreich   schäzen und lieben gelernt, in größter Hochachtung vor seinen Leistungen, vor seinem Friedenswillen, vor seiner europäischen Sendung! Uns und ihm und ganz Deutschland   und Europa   frommt nur eins: Aussöhnung der beiden großen Kulturnationen des kontinentalen Europa  - und die Menschheit wäre glück: licher! Darum: Niemals wieder Krieg gegen das demokra= tisch  - pazifistische Frankreich   und niemals Beihilfe der Saar  zum Verbrecherwerk des neuen Hitler- Rüstungswahnsinns! Und ein drittes ist uns als Aufgabe gestellt: Wir sind ein Ausfalltor der deutschen   Freiheit gegen die Hitler- Despotie zur Wiedereroberung des wahren deutschen   Volksstaates, seiner Arbeiter und Bauern in der Stunde der

Abrechnung mit dem braunen Schandregime und der Aufrichtung eines neuen freien und friedlichen Deutschlands  !

Im Sinne dieser drei Aufgaben vereinigen wir uns heute in dem Schwur:

Niemals Hitlerterror über die freie Saar  ! Niemals wieder Kriegsaufmarschgelände gegen das demokratisch- pazifistische Frank= reich!

Kapitulation gegenüber der

Niemals Hitler  - Despotie!

aber Kampf, Kampf, unerbittlichen Kampf um Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit für eine freie Saar als eines der Unterpfänder für ein späteres nenes, freies, fozialistisches Deutschland   und ein durch Frankreich   und Deutschland   geeinigtes Europa  !

Für diese Aufgaben formiert die Bataillone der Freiheits­legion der Saar  . Wenn die Trommel ruft und wir die

Fahnen heben, dann marschiert mit der Berachtung des

Todes und der Gefahr im Herzen, mit der hochgeschwungenen und nicht als bestochene oder bezahlte oder mit Handgeld Faust der Freiheit zum Schlage bereit und auf den Lippen den unsterblichen Kampfruf: Freiheit! Freiheit! Freiheit!( Tosender, langanhaltender, immer wieder­halter Beifall.)

angeworbene Hampelmänner, die für Freibier und Erbs= wurst Heil- Hitler" schreien, aber dafür andererseits das Stumm- Hilger- Syftem wieder in Kauf nehmen! Euch legt die heutige Teilnahme materielle Opfer auf-: Um wievieles höher ist da Eure Teilnahme und Eure Anwesenheit zu veranschlagen, als die der gleichgeschalteten Subventions  : fotgänger auf der Tagung jenseits der Saargrenze!( Brausende Zustimmung.)

Wir stehen hier auf dem legten Zipfel hitlerfreien Bodens, der vom ehemaligen deutschen Reiche übriggeblieben ist, und wir werden ihn festhalten mit unserem ganzen Herzen, denn hier sind die starken Wurzeln unserer Kraft! Mit Zähnen und Klanen und mit Einsatz aller Mittel werden wir ihn verteidigen, und auch zum äußersten Mittel greifen, wenn man es wagen sollte, uns wie Oesterreich   zu

tommen!

Wir sind das zweite Desterreich!

Wir sind wie sie gute Deutsche, aber ebenso gute Saarländer wie sie Oesterreicher  . Und vor allem sind wir wie sie Be­wahrer deutscher   Kultur, die wir zu retten haben vor der Vergewaltigung durch den antideutschen und undeutschen Nationalsozialismus und seine Barbarei. Wer ist dieser Nationalsozialismus und seine Barbarei. Hitler   ist die Lüge, Sitler ist die Not, Hitler   ist der Krieg und Hitler   ist der Untergang Deutschlands  ! Darum ist wahrhaft deutsch  , wer gegen Hitler   steht. Und darum ist die Hitler: Kundgebung am Niederwald eine antis deutsche   Anti- Saarkundgebung!

Heiliger Rock   und Nazikasse Was man sich in Trier   erzählt

Man schreibt uns aus Trier  :

In Trier   ist seit dem 23. Juli der Heilige Rock   ausgestellt. SA.   und SS. versehen in den Straßen den Ordnungsdienst, regeln den Riesenverkehr. Bis heute kamen erstaunlicher Weise noch keine Ausschreitungen gegen katholische Gesellen vereinler usw. vor, abgesehen von der Verhaftung des Wehr­dener Pilgers. Die Ausstellung des heiligen Rockes bringt große Summen Geld ein. Die Geschäftsleute profitieren, zahlreiche Familien verschaffen sich durch Zimmervermietung einigen Verdienst, Straßen- und Eisenbahn haben Hochbe­trieb. Um den Heiligen Rock zu sehen, muß jeder Pilger

30 Pfennig zahlen; und es kommt des öfteren vor, daß Wan­derer, die fein Geld besißen, auch zur Heiligen- Rock- Schau nicht zugelassen werden.- SA.   und SS. wurden zum Ord­nungsdienst kommandiert und der Führer, Herr Reckten­wald, gab bereits mehrere Anweisungen an seine Leute her­aus, ja zuvorkommend gegen Pilger zu sein. Bis ins kleinste erhalten die Leute ihre Anweisungen. Ordnungsdienst der SA.   und SS.  , Anstand der Nationalsozialisten, zuvorkom­menheit, Freundlichkeit usw. all das klingt sehr schön. Dafür erhält die nationalsozialistische Parteitasse 15 Pro­zent der Bareinahmen, die die Ausstellung des Heiligen Rockes bringt.

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Gesang, Kampfverse, Gedenken der toten Freiheitskämpfer, dann hob sich an dem riesigen Fahnenmast eine gewaltige rote Fahne empor. Max Braun sagte dazu diesen Fahnenspruch

" Ich weihe dieses Banner der Freiheit für die Saar   im Andenken an die zahllosen und unerhörten Opfer, die die sozialistischen   und alle übrigen Freiheitskämpfer der Saar  , Deutschlands  , Europas   und der Welt der Sache der Freiheit und der Humanität an Geist, Gut, Blut und Aufopferung des eigenen Selbst gebracht haben. Ich weihe es als das Symbol unseres Saarkampfes gegen alle Des= potie und Unterdrückung und als das Symbol unserer Zukunftshoffnung, das wir eines Tages hinübers tragen werden über die Hitlergrenzen in das Herz Deutsch  lands zu neuer Freiheit, Kraft und Größe unseres Voltes.

Ich weihe es als das Symbol der großen Inter: nationale der Arbeiter der ganzen Welt, als das Symbol der Völkerverständigung, des Böl kerfriedens und der Wohlfahrt aller Völker, als das Symbol einer Einigung Europas   auf der Grundlage deutsch  - französischer Verständigung.

Dieses unser Freiheitsbanner, geweiht in der Stunde unserer großen Freiheitsaktion am 27. August 1938 zu Neunkirchen   an der Saar  , steige auf, fliege uns voran und sei unser Siegespanier in der Entscheidungsschlacht gegen den Faschismus!

Arme Gottesmutter!

Das Hakenkreuz am Marienaltar

Wie die Germania  " aus Freiburg   meldet, hat das erz bischöfliche Ordinariat eine Bekanntmachung er­lassen, wonach kein kirchliches Hindernis bestehe, auch die Fahnen und Abzeichen der NSDAP. in die katholischen Kirchen zuzulassen und deren Aufstellung in Kirchenschiffen zu gestatten. Die Pfarrgeistlichen wer­den angewiesen, dem Mitbringen solcher Abzeichen zum Gottesdienst oder zur Teilnahme an kirchlichen Prozessionen keinerlei Schwierigkeiten zu bereiten.

Unvorsichtige SS.  - Leute

Ein Spitzel legt sie herein

In Bremerhaven   ging vor einigen Wochen ein tadellos gekleideter Herr, der den Eindruck eines Ausländers machte, auf zwei uniformierte SS.  - Leute zu und wollte von ihnen wissen, was ihre Uniform zu bedeuten habe. Die SS.  - Leute gaben bereitwilligst Auskunft:" Dies ist die Uniform der SS.  - Leute, Hitlers Schutzstaffel."-Schön," sagte der Herr, Hitlers Schutzstaffeln; und die braunen Uniformen?" " Das sind SA.  - Leute, Sturmabteilungen." Ah, da sind

Wir ziehen dich hoch mit dem Schwur: Auf den Tag!" und mit dem Rufe: Freiheit! Freiheit! Freiheit! Damit war der erste Teil der Kundgebung zu Ende. Brau send klang die Internationale, über den Play. Nach einer halben Stunde ertönten wieder die Fanfaren. Arbeitersänger sangen den Völkermai. Stafettenläufer kamen mit Botschaf­ten. Mit erhobenen Fäusten sprachen dann die Massen den Freiheitsschwur, der sich allen denen, die diesen Tag miterlebten, fest ins Gedächtnis einprägen wird: Saardeutscher schwöre,

Du Saarvolk höre

Nie Hitlerknechtschaft und braune Gefahr! Frei, ewig frei, bleibt die deutsche Saar!

Botschaft

an an Deutschland  Die Schlußansprache Brauns

Deutsche   Frauen und deutsche Männer! Zehntausende faa deutscher   Volksgenossen, Zehntausende antifaschistischer Fre heitskämpfer senden Euch durch mich vom hitlerfreien jaar­deutschen Boden aus die herzlichsten Kampfgrüße und die tiefgefühltesten Freiheitswünsche.

Wir bewundern Euern Heldenmut und wir beklagen Eure urerhörten Opfer. Die Wunden, aus denen Ihr blutet, schlug man uns. Das Blut, das Eure Henker in Strömen vergossen, war unser Blut.

Nehmt unseren Dank in dem Gelöbnis, die Saar   ewig freizuhalten von den Ketten, an die man Euch geschmiedet. Frei auch für den Tag, der die Mouern Eurer Bastille n: ederlegt und die Stunde der unerbittlichen Abrechnung mit dem gewaltigen Werk der Grundsteinlegung des neuen, freien, sozialistischen Deutschland   im freien, völferversöhnen­den größeren Europa   verbindet.

Eure Sehnsucht ist unsere Hoffnung. Euer Ringen ist unser Kampf. Euer Sieg ist unser Triumph!

In diesem Sinne grüßen wir Euch als Schicksalsgenossen des gemeinsamen Kampfes für deutsche Freiheit und euro­päische Einigung mit unserem Kampfruf Freiheit" und dem Schwur: Auf den Tag!"

Ballons fliegen

Hunderte von Luftballons flogen nun zugleich hoch. Alle mit kleinen Liebesgaben" für die schmachtenden Arbeiter in Deutschland   versehen. Ihnen waren schon immer vorher Ballons in Gruppen und einzeln vorangeflogen, um die Kunde von der sozialistischen   Freiheitskundgebung nach Hitler- Deutschland zu tragen. Mit dem Massenchor, den alle Versammelten mit erhobener Faust mitsangen: Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" fand die großartige Freiheitskund­gebung in Neunkirchen   ihren Abschluß.

Demonstration

der Kommunisten Der alte Ton Einheitsfront

- gegen die antifaschistische

Auch die Kommunisten des Saargebiets hatten am Sonntag eine eindrucksvolle Kundgebung. Nach Mittei= lung der Arbeiterzeitung" sollen sich an den großen Um­zügen durch die Straßen Saarbrückens 25 000 Menschen be­teiligt haben. Das Blatt behauptet, daß auch sozialdemokra­tische Arbeiter, Schutzbündler und Sportler Schulter an Schulter mit den Kommunisten marschiert seien. Wir wissen aus Erfahrung, wie weit sich solche Mitteilungen von der Wahrheit entfernen. Denn von den Sozialisten, die am Sonntag demonstrierten, hat kein einziger auf der Neunkir chener Kundgebung gefehlt!

Der politische Ertrag der kommunistischen   Rundgebung ist recht gering. Auch die Kommunisten an der Saar   haben nichts gelernt und nichts vergessen. Ihre Kampfansagen ge­gen den Faschismus wurden gewürzt mit Anschuldigun gen der Sozialdemokratie und der Gewerf schaftsführer an der Saar  , die erneut bewiesen, daß alle Hoffnungen auf eine Einheitsfront mit dieser kommuni­ stischen   Führerschaft llusionen find. Während sich die Situa­tion an der Saar   immer stärker auf die aktuelle Frage der Abimmung zuspißt, proklamiert die KP. des Saargebiets, daß dieses ein Teil der deutschen Räterepublik" werden müsse! Sie sieht hüben und drüben, in Deutschland   wie in Frankreich  , imperialistische Räuber". Bei einer solchen Pa­rolestellung bleibt für den Kampf um die politische Freiheit, der hier an der Saar   durchgefochten werden muß, nicht sehr riel übrig. Man muß sich mit der Tatsache abfinden, daß die tommunistische Parteileitung an der Saar   als Mitkämpferin an der sozialistischen   Freiheitsfront ausfällt. Aber zum Glück werden die kommunistischen   Massen in der entschei­danden Stunde eine andere Sprache sprechen.

fie Leute, die mit Hitler für Freiheit, Arbeit und Brot fämpfen?" Jawohl," verseßen die SS.  - Leute. Und was machen Sie, wenn Hitler nicht hält, was er versprach?" Un­bedenklich kommt es aus dem Munde der SS.  - Leute: Dann schießen wir ihn übern Haufen." Der gutaussehende Herr war ein Spizel; auf diese Weise werden einiger­maßen ehrliche Nationalsozialisten gefangen und die Nazi­leitung konstruiert kommunistische Wühler" in den Reihen der Nationalsozialisten.

Um Rosenberg

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Der Grund für das Verbot der ,, Jüdischen Rundschau  "

( Inpreß.) Die Jüdische Rundschau", ein Blatt, das nur deshalb nicht nationalsozialistisch war, weil die National­sozialisten keine Juden aufnehmen, ist für ein halbes Jahr verboten worden. Der Grund für das Verbot wurde aus einem Leitartikel geholt, in welchem die Jüdische Rundschau  " mit aller notwendigen Ehrerbietung Herrn Alfred Rosen­ berg   zitierte und devotest betonte, die deutschen   Juden hätten sich überall als treue Staatsbürger ihres Landes benommen