DAS BUNTE BLATT

NUMMER 62= 1. JAHRGANG TAGLICHE UNTERHALTUNGS- BEILAGE DONNERSTAG, DEN 31. AUGUST 1933

Kanada  

Dort, wo die Menschen nochi frofi sind...

Als Maisonneuf im Frühling 1648 endlich nach vielmonate­langer Fahrt die Insel zwischen den beiden Strömen, dem Sankt Lorenz   und dem Ottawa  , erreicht und sein kleines Detachement ausgeschifft hatte, errichtete er zwischen den Bäumen ein Kreuz und einen Altar, um als erstes die Besitzergreifung des neuen Landes durch eine heilige Messe zu weihen.

Es waren ein paar Dußend Soldaten und Bauern, die Maisonneuf begleiteten, ein Mädchen und ein Priester. Bis die kleine Schar die ersten Gerätschaften und Vorräte aus­geladen hatte und der Altar stand, war es Abend geworden. Auf dem Wasser des großen Stromes, der irgendwoher aus dem Unbekannten floß, lag der Widerschein der untergehen­den Sonne, die auch die Stämme des Waldes rotgolden färbte, des Waldes, der gleichfalls bis in die Unendlichkeit sich fortzuseßen schien, und der voller Schrecken des Un­erforschten lag.

Man zündete Fackeln an. In ihrem Scheine las Pater Vimont die Messe. Vor ihm leuchteten als ewiges Licht vor dem Muttergottesbild ein paar Glühwürmchen, die man in eine Flasche gesperrt. Der Heiligen Mutter Gottes war die Siedlung geweiht, die hier entstehen sollte. Ville Marie hieß zuerst, was sich später zur Millionenstadt Montreal   ent­widelte.

Als die Messe zu Ende, wandte sich der Pater an die tniende Schar, die auf das große Abenteuer ausgezogen war in die unbekannte Wildnis, um dem König von Frank­ reich   neues Land und der Kirche neue Gläubige zu gewinnen. " Ihr seid wie ein Samenkorn," sagte der Priester, das wachsen wird, bis seine Zweige die Erde beschatten. Ihr seid wenige, aber dies Werk ist das Werk Gottes. Sein Lächeln ruht auf Euch, und Euer Werk wird das Land füllen." Einstweilen sah es allerdings nicht so aus, als ob diese glorreiche Prophezeiung in Erfüllung gehen sollte. Das Volt, auf dem angeblich das Lächeln Gottes ruhte, hatte nichts zu lachen. Zwar gelang es in aller Eile, ein kleines Fort und eine Palisadenumfassung zu errichten, ehe die Jrokesen von der Landung Wind bekamen. So entging man dem ersten ge­fährlichen Ueberall. Aber wie hungrige Hyänen umschlichen die Indianer Tag und Nacht die Siedlung, und nur ununter­brochene, niemals nachlassende Wachsamkeit bewahrte die Siedler vor dem Massaker. Dazu tamen all die Entbehrungen der ersten Zeit, vor allem der furchtbar lange und strenge Winter, gegen den man zuerst ungenügend gerüstet war. Und als sich die Franzosen am St. Lorenz einigermaßen ein­gerichtet, begann der ununterbrochene Kampf mit den Eng­ländern, die schließlich mit dem Niederholen der Lilien Frant reichs und dem Hissen des Union Jack endete.

Aber die andere Hälfte der Vimontschen Prophezeiung ging in Erfüllung. Aus den wenigen wurden viele. Aus den paar hundert Männern und Frauen, die das Neue Frankreich  gründeten, wurde ein Baum, der zwar nicht die Erde über­schattete, aber doch den Sankt Lorenz   und das östliche Kanada  .

Die ungefähr drei Millionen französischen   Blutes und französischer Sprache, die heute in Kanada   wohnen, und die ungefähr fünf Millionen, die man in Nordamerika   zählt, ent­stammen so gut wie restlos den wenigen tausend Franzosen, die im 17. Jahrhundert nach Neu- Frankreich auswanderten. Die Franzosen waren zu feiner Epoche ihrer Geschichte große Emigranten. Auch für das Neu- Frankreich hatte man lange keine Siedlungswilligen auftreiben können. So ver­suchte man es zuerst mit Sträflingen. Nur einem Zufall oder war es eine Fügung? verdankte Kanada  , daß es nicht gleich Australien   als Sträflingsfolonie begründet wurde. Gleich nach der Entdeckung des Sankt Lorenz   durch Cartier hatte man den Seigneur de Roberval mit einer Schar Sträflinge ausgeschickt, die als Kolonisten angesiedelt werden sollten. Gleich die erste Ueberwinterung aber rieb fast die ganze Expedition auf, so daß Roberval sich zur Rückfehr ent­schloß. Ebenso kläglich scheiterte der zweite Versuch unter La Rochelle  . Und dann? Ja, dann wurde Kanada   einfach ver­

Dichter- Anekdoten

Die Probe

Lessing   besaß einen Bedienten, dessen Treue man ihm ver­dächtigte. Lange Zeit war Leffing ohne Argwohn, bis er end­lich sich entschloß, den Menschen auf die Probe zu stellen. Er erzählte seinem Freunde, er habe auf dem Tisch Geld liegen lassen, um nachzuprüfen, ob der Verdacht begründet sei. Haben Sie das Geld aber auch gezählt?" fragte der Freund, der Lessings Zerstreutheit kannte. Lessing   sah ihn betroffen an, er hatte wahrhaftig vergessen, das Geld ab­zuzählen.

Grabbe Christian Grabbe  

neigte bekanntlich sehr zur Trunkenheit; er tranf nächtens und schlief viel am Tage. Eines Tages er­mahnte ihn seine Wirtin:

" Wie, schämt sich nicht ein Mann, so spät noch zu schlafen, die Sonne ist schon sechs Stunden aufgegangen?" Grabbe   erwiderte:

Ein schöner Vergleich! Die Sonne hat sich gestern abend um 8 Uhr zur Ruhe begeben, und ich ging erst um 3 Uhr morgens zu Bett."

Der Autor

Jean Paul   kam einst auf einer Reise an das Tor einer fleinen Stadt. Der Korporal der Torwache fragte ihn nach

gessen, bis der Kolonisationsgedanke unter Heinrich dem Vierten neu aufflammte und Champlain   und Maisonneuf Quebec und Montreal   gründeten.

Diesmal waren es freie Männer, die in die Neue Welt hinausgingen. Aber es waren ihrer nicht sehr viele. Und auch die folgenden Jahrzehnte wurde es nicht viel mehr. Die Be­siedlung Kanadas   blieb ausschließlich eine Angelegenheit Nordwestfrankreichs. Normannen, in denen noch etwas von der Abenteurerlust der alten Wifinger lebte, waren es haupt­sächlich, die an den Sankt Lorenz   auswanderten. Alles in allem werden es kaum mehr als 20 000 Menschen gewesen sein. Bis zur Beendigung des englisch  - französischen Kolonial­frieges war die Bevölkerung des französischen   Amerika   auf 60 000 bis 70 000 angewachsen. Diese 60 000 bis 70 000 Men­schen sind die Stammväter aller Frankofanadier, ja aller Amerifaner französischen   Blutes; denn mit der Unterzeich nung des Friedens hörte nicht nur jede weitere Einwande­rung aus Frankreich   auf, sondern überhaupt jegliche Be­ziehung zum Mutterlande. Und auch als aus der britischen  Kolonie das freie Dominium wurde und aus allen Ländern Europas   ein Strom von Einwanderern sich nach Kanada   er­goß, schickte die alte Heimat nur wenige tausend Siedler.

So ergibt sich die frankofanadische Bevölkerung als das Resultat einer wirklich verblüffenden Fruchtbarkeit. Rechnet man sich die Vermehrung der Kanadier durch, so kommt man auf einen alljährlichen Zuwachs von 50 Prozent. Lange Zeit war Französisch- Kanada das Land der größten Fruchtbarkeit, während das Mutterland das der größten Steriltät war Heute haben sich die Verhältnisse etwas geändert. Frankreich  ist nicht mehr so steril, zum mindesten haben andere Länder es darin erreicht oder gar übertroffen, und Kanada   ist nicht mehr so fruchtbar, zum großen Leidwesen seines Klerus und seiner nationalen Führer, die beide den geheimen Traum hegen, Kanada   doch noch einmal ganz französisch und ganz katholisch zu machen. Immerhin hat das französisch- katho= lische Quebec   auch heute noch bei weitem die höchste Ge­burtenrate von ganz Kanada  . Sie ist mit über 29 jährlichen Geburten auf 1000 Menschen für europäische Verhältnisse noch hübsch hoch, für altkanadische jedoch erschreckend niedrig. Es ist noch gar nicht so lange her, da belief sie sich auf über 60 pro Tausend. Nun drücken allerdings die 25 Prozent Britischkanadier erheblich auf die Geburtenrate. Im franzö­ sischen   Teil Quebecs   findet man heute noch Familien von 10, 12, ja von 15 und 17 Kindern. Auf dem Lande sind 6 bis 8 der Durchschnitt.

In manchen Kreisen ist es direkt eine Frage gesellschaft­lichen Prestiges, nicht unter einer gewissen Anzahl Kinder zu haben, und wir mit unseren zwei waren hier Gegenstand eines mit leiser Verachtung gemischten Mitleids. Die Kirche tut jedenfalls alles, was in ihren Kräften steht, die Kinder­zahl hochzuhalten und mir wurden Fälle berichtet, in denen der Priester Beichte und Absolution verweigerte, wenn ein Elternpaar nach einer gewissen Zeit über das erste oder zweite Kind nicht hinauskam. Ob jedoch die Bemühungen des Klerus werden verhindern können, daß Kanada   von der all­gemeinen Zivilisationserscheinunng sinkender Geburtenrate auf die Dauer eine Ausnahme macht, ist eine andere Frage.

Alter Kleinbauer

( Nach dem Rumänischen  )

Wes Ackerboden zu leicht ist, des Alter ist schwer. Mein Hof verfällt. Meine Felder tragen fein Korn. Meine Schuppen find lächerlich eng, und doch sind sie leer. Mein Zwetschenbaum muß gleich mir in Herbheit verdorr'n. Meine Hütte ist frumm, unter morsche Schindeln geduct. Die fleckigen Wände stüßt nur noch der Walnußbaum. Die blinden Scheiben hassen das Licht und sind kaum Wie meine Handflächen groß, in denen das Alter zuckt.

Meine Frau.. nun, Kleinbanernweiber holt früh der Tod. Meine Töchter heirateten weit ins Land. Meinen Sohn, von dem meine Hoffnung gezehrt wie vom Brot, Nahm mir ein Krieg, den ich nicht verstand.

Nun find meine Freunde nur Tiere: die Hennen, die Bienen.

Die Menschen? Ihr Sehnen? Ihr Wollen? Ihr- Gott? Sehe ich Popen im Dorf, neig' ich mich tief vor ihnen, Denn Alter in Armut macht müd. Zu müd selbst zum Troß und zum Spott.

Gerhart Hermann Mostar.

Lieber tot als in Hemdärmeln

Auch das heutige England hält unvermindert auf Tradition. Besonders vor Gericht herrscht, wie seit altersher, strengste Etikette. Drückende Sommerhitze lag noch vor wenigen Wochen über London   und alles reiste ins Gebirge oder an die See, um der Glut der Großstadt zu entgehen. Um so schwerer hatten es die Leute, die in der Stadt bleiben mußten. Ganz besonders hart war aber das Los derjenigen, die vor Gericht erscheinen mußten. Mochte die Hize auch noch so groß sein, Sportanzüge waren unmöglich und der Anblick eines Sporthemdes wäre als Sakrileg empfunden worden. Und doch gab es auch in England einige, die gegen das bei Ge­richt übliche Herkommen Sturm liefen. So war erst kürzlich ein Rechtsanwalt verwegen genug, in einer weißen Jacke vor Gericht zu erscheinen. Doch der Richter ließ ihn belehren, daß Seine Lordschaft" ihn in diesem Aufzug weder an­hören, noch überhaupt Notiz von ihm nehmen" könne. Dem Anwalt blieb darauf nichts anderes übrig, als sich umzu­kleiden, um vor Gericht plädieren zu können. Ein andermal wurde ein Angeklagter, der in weißen Flanellhosen und einer gestreiften Sportjacke erschienen war, von dem Richter mit den Worten angefahren: Ich wundere mich nur, daß Sie nicht im Pyjama gekommen sind!" Auch Frauen haben sich vor Gericht nach bestimmten Vorschriften zu richten. So wurde einer Frau in Essex  , die auf der Zeugen­bank ohne Hut Platz genommen hatte, vom Richter bedeutet, daß sie es an genügender Ehrerbietung dem Gericht gegen­über mangeln ließe. Als sie sich entschuldigte, daß sie keinen Hut habe, lieh ihr das Gericht einen Hut. Sie mußte es sich gefallen lassen, daß ihr Benehmen vom Richter für schlechter als das eines Mannes, der vor Gericht mit dem Hut auf dem Kopf erschiene, bezeichnet wurde. Doch soll es gelegent­lich auch tolerantere Richter geben, wie zum Beispiel Lang­ ton  , der sich plötzlich die in England noch heute bei Gericht übliche Perücke abnahm und damit den Anwälten ein Bei­spiel gab. Allem die Krone setzte jedoch der Gerichtspräsident Reading auf, als er seinen Präsidentenstuhl im Sport­anzug und offenen Sporthemd einnahm.

Jedenfalls spielt hier eine ganze Reihe von Faktoren mit Zahnschmerzen

und entscheidend wird sein, welche Haltung und Entwicklung das Volk einzunehmen sich entschließen wird, auf dem nach den Worten des Priesters das Lächeln Gottes ruht.

Dieses Lächeln Gottes aber ruhte bisher sichtbar auf ihm, trotz aller Not und schweren Zeit, die es durchzumachen hatte, oder vielleicht gerade deswegen, in sichtbarer Erfüllung des Bibelwortes und wennn es köstlich gewesen, so ist es Mühe und Arbeit gewesen". Weilt man in einer der kinderreichen altkanadischen Familien, so ist man überrascht über den Geist, der in ihnen herrscht, den Zusammenhalt, die Disziplin, das gute Verhältnis der Kinder zu den Eltern, der Eltern zu­einander und zu den Kindern, und vor allem der tiefinner lichen Herzensfröhlichkeit, die alle miteinander verbindet.

Colin Roß  ( Quebec  ).

seinem Namen. Ich heißte Richter!"" Ihr Stand?" Ich bin Autor." Autor?", fragte der Korporal, was heißt denn das? Was verstehe ich darunter?"" Nun, das heißt, ich mache Bücher," erwiderte Jean Paul  . Der Korporal schmunzelte. " Ja, so, das ist mir verständlich, heutzutage gibt man sich allerlei fremde, unbekannte Titel. Hierzulande nennt man einen Mann, der Bücher macht, einen Buchbinder." Weimar  

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Der

,, Was macht denn Ihr Sohn, der Schriftsteller?" - Schöne Stadt! Weshalb ist lebt jetzt in Weimar  !" So? " Wissen Sie eigentlich nur aus er denn dahin gezogen?" Rücksicht auf die Leute! Die werden mal viel Zeit sparen, wenn sie die Wohnstätten der größten Dichter Deutschlands  besuchen wollen!"

Bech

Ein Schriftsteller war gestorben. Erst wollte er zum Himmel, dann wollte er zur Hölle. Beide Male kam er zurück mit einem höflichen Begleitschreiben: Wir bedauern, von Ihrem geschätzten Angebot keinen Gebrauch machen zu fönnen. Ein Werturteil liegt in der Rücksendung auf keinen Fall. Ihre Einsendung folgt beigeschlossen zurück."

Was in der Welt geschieht, das suche ich mir aus dem Sinne zu schlagen, doch schmerzen mich sehr die öffentlichen Verbrechen, die jetzt begangen werden.

Adalbert Stifter  .

Anerkennungsschreiben. Hiermit bestätige ich dem Herrn Zahnarzt Dr. Sangerl, daß sämtliche Plomben, die er mir gemacht hat, tadellos ausgefallen sind.

Der Mosbacher Lenz hat sich einen Zahn ziehen lassen. Nach glücklich verlaufener Operation fragt ihn der Bader  , ob er zu Hause etwas zum Mundspülen habe. Darauf gibt der Lenz strahlend zur Antwort: Jawohl, i hab daham a Mund­harmonika!"

Knöllchen trifft seinen Freund, der seit kurzem verheiratet ist, in sehr schlechter Stimmung. Was ist dir denn über

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die Leber gekrochen?" fragt er ihn teilnahmsvoll. Ach was, meine Frau hat sich mir gegenüber etwas heraus­genommen," brummt der Gefragte.

Na, so schlimm wird das nicht gewesen sein; in einer so jungen Ehe..."

Das hätte sie aber vor der Hochzeit tun sollen!" So? Erzähl doch einmal, was hat sie sich denn dir gegen über herausgenommen?"

" Ihr falsches Gebiß!"

Der Zahnarzt greift zur Zange und sagt zu dem ängstlichen Patienten: So, jetzt kommt noch ein schmerzhafter Moment. Beißen Sie die Zähne fest zusammen und machen Sie den Mund weit auf!"

Paul und Raoul lassen sich einmal im Restaurant einen Truthahn kommen. Nach den ersten Bissen sagt Raoul mit Rennermiene: Dieser Truthahn ist mindestens zwanzig Jahre alt."

,, Woran erkennst du denn das?"

,, An den Zähnen!"

" Soviel mir bekannt ist, haben diese Viecher doch gar feine!"

Aber ich!"

Bei Frau Hofrat Maier ist eine fleine Raffeegesellschaft beisammen. Die betagten Damen rühmen in den höchsten Tönen die dargebotenen Keks und wollen unbedingt wissen, wie sie gemacht wurden. Die Frau Hofrat läßt also die Köchin rufen. Alle stürmen auf sie ein: Nein, wie hübsch Sie die Keks geformt haben! Wie haben Sie das nur gemacht?" Mit meinem falschen Gebiß!" antwortete die

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Küchenfee.