Fretheil

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Nummer 64-1. Jahrgang

Saarbrücken , Samstag, 2. September 1933

Chefredakteur: M. Braun

Ich bin ganz überzeugt, daß wenn es je möglich ist, dem Volke aus seinem Verderben, in welchem es so tief versunken, wieder aufzuhelfen, so ist es durch das Volk und seine Mensch­lichkeit selbst.

J. H. Pestalozzi.

Deutschlands Luftmarschall

Die Ernennung des Hauptmanns Göring zum General

Berlin , 31. Auguft.

Amtlich wird mitgeteilt: Der Herr Reichspräsident hat mit Wirkung vom heutigen Tage den Herrn Reichswehrminster, General der Infanterie von Blomberg, zum Generalobersten be­fördert.

Er hat ferner im Rahmen anderer Beförderungen dem preußischen Ministerpräsidenten und Haupt­mann D. Goering, Ritter des Ordens Pour le merite ", in Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste in Krieg und Frieden den Charakter als General der Infanterie verliehen mit der Be­rechtigung zum Tragen der Uniform des Reichs­heeres.

D. F. Auf politischem Gebiete hat neulich der Ges freite Hitler dem Hauptmann Göring eine Niederlage beigebracht. Es ist dem Reichsminister und preußischen Mis nisterpräsidenten Göring nicht gelungen, die pomphaft ange= kündigten neuen Blutgesetze gegen den Widerstand des Reichskanzler durchzusetzen. Militärisch aber hat nun der Hauptmann den Gefreiten hoffnungslos überrannt. Die vor einiger Zeit von einflußreichen Freunden Hitlers be triebenen Absichten, dem Reichskanzler einen höheren mili­tärischen Grad als den des Gefreiten zu verleihen, find ge= scheitert. Hitler bleibt Gefreiter und Göring ist General . Damit ist die Revolution nun wirklich und gründlich zu Ende. Das Bündnis zwischen Reichswehr und Rüftungsindustrie, als dessen Treuhänder General Göring Igelten darf, tritt nun auch äußerlich in Erscheinung. Göring war bisher schon der Vertrauensmann des Hochkapitalis= mus im Reichskabinett. Er hat nun auch militärisch die Machtfülle erreicht, die seine Hintermänner brauchen und benußen wollen. Der preußische Polizeigeneral ist nun auch General des Reichsheeres. Ueber ihm stehen militärisch nur nech der Reichspräsident als Generalfeldmarschall und der Chef der Heeresleitung, General von Blomberg als Genes raloberst.

Wir konnten schon am 26. August mitteilen, daß dem Bes Juche Görings auf dem Gute Neudec des Reichspräside in

Man kann moralisierend den Standpunkt einnehmen, die anderen Mächte, deren Rüstungen denen Deutschlands zweis anderen Mächte, deren Rüstungen denen Deutschlands zwei­fellos noch weit überlegen sind, hätten keinen Rechtsgrund, sich gegen die Ansprüche auf Deutschlands Gleichberechtigung sich gegen die Ansprüche auf Deutschlands Gleichberechtigung zu wehren. Man kann auch zugeben, daß der Versailler Ver= trag alles andere als eine Lösung des europäischen Rüstungs­problems gebracht hat und durch seine dauernde Diffamie: rung auch zweifellos republikanischer und friedlicher Regie: rungen den Görings für ihren Wiederaufstieg die Bahn brechen half. Politisch gesehen aber bleibt die Tatsache, daß die mehr oder minder saturierten übrigen europäischen Großmächte in dem Rüstungswillen Deutschlands die gewal:

tige Vorbereitung der Zurüderoberung der von Deutsch­ land verlorenen Gebiete und Eroberungen darüber hinaus befürchten.

Die neue Regierung im Reiche scheint troß ihrer gelegents

lichen Friedensreden außenpolitische Rücksichten kaum noch zu nehmen. In weniger als einer Woche bietet sie der Welt Aufmärsche von Tannenberg, die gegen den Westen ges richtete gewaltige Kundgebung am Niederwalddenk= mal mit der agressiven Eroberungsrede des preußischen Staatsrats Simon, die großartigen Paraden der SA. und SS. auf dem Parteitag in Nürnberg und nun die Er­nennung des Chefs der deutschen Luftfahrt zum General. Man wird zugeben müssen, daß das alles zu sammen nicht gerade zur Befriedung der hochgespannten Atmosphäre Europas beitragen muß.

Man kann das stärkste Gefühl und den besten Willen für die Gleichberechtigung Deutschlands haben, aber die Mittel ablehnen, mit denen sie von Berlin her erstrebt wird. Es ist unmöglich, sich noch darüber zu betrügen, daß wir gerade: wegs auf friegerische Zusammenstöße lossteuern, wenn die

jetzigen Methoden und das jetzige Tempo beibehalten wer den. Eine derartige Ueberhigung kann Europa nicht mehr lange ertragen. Der Mann, der in der ganzen Welt als der Urheber des Reichstagsbrandes gilt, der Mensch, dessen geis ftige Erkrankung durch ärztliche Zeugnisse und durch seine Aufnahme in eine Frrenanstalt feststeht, dieser besessene Machtwahnwizige wird nun der Kulturwelt in einem der höchsten militärischen Grade Deutschlands gezeigt. General der Infanterie? Gewiß, der Uniform nach, tatsächlich aber Marschall der riesenhaften deutschen Luftflotte, die einstweis len nur in seinen Träumen leben mag.

Die Revolution ist zu Ende! Das ist zweifellos richtig, wenn man die hochkapitalistische Gegenrevolution in eine Revolution umfälschen will. Die Revolution ist zu Ende, und die Frage erhebt sich: Wann beginnt der Krieg?

Vom Stamme Nimm

Göring läßt sich 10 000 Quadratmeter Staats­gelände schenken

Wie die Nationalzeitung"( Essen), das Blatt des preus ßischen Ministerpräsidenten erfährt, hat der bayrische Ministerrat beschlossen, dem preußischen Ministerpräsi­denten Göring als Ehrengabe 10000 Quadratme= ter Staatsgelände zur Errichtung eines Hauses auf dem Obersalzberg zur Verfügung zu stellen, mit dem Wunsche, ihn recht bald in den bayrischen Bergen begrüßen zu können. Ministerpräsident Göring hat die Ehrengabe dankend angenommen.

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Warum nicht? Ein echter Nazi nimmt alles an, was an­dern gehört.

Branting gegen Reichsanwalt

beſondere Bedeutung zukomme. Göring hat die Schiebung Lassen auch das die Herren auf sich sitzen?

vermittelt, die der Familie Hindenburg zu dem geschenkten Gut Neudeck aus Staatsmitteln ein weiteres Gut von 8 000 Morgen( nicht 5 000, wie wir irrtümlich gemeldet hatten) hinzuschenkte. Man wußte, daß sich der Reichspräsident oder richtiger deffen Sohn Oskar erkenntlich zeigen würde. Es blieb zunächst im Dunkel, wie die mächtigen Leute um sins denburg ihren Vorkämpfer Göring gegen den Reichskanz ler ftügen würden. Die Art, wie es nun geschehen ist, spricht dentlich genug. Mars regierte die Stunde. Der hemmungsloseste, der brutalste, der abenteuerlichste, der tries gerischste Nationalsozialist wird General .

Die Ehrungen Görings häufen sich. Er ist Reichstagspräfi­dent, er ist preußischer Ministerpräsident, er ist preußischer Polizeiminister, er ist preußischer Polizeigeneral, er ist Reichsluftfahrtminister und seit einigen Tagen, wie es dem frommen Manne gebührt, von der evangelischen Kirche in ihre Generalfynode berufen worden. Er ist also ein unenda lich mächtiger Mann im Himmel und auf Erden. Ob die evangelische Kirche ihrem neuesten Heiligen auch einen Ges nerals- Talar verliehen hat, wird nicht gemeldet. Vielleicht Schweben darüber noch künstlerische Erwägungen.

Des neuen Generals Lieblingswaffe ist nicht die Infans terie, sondern das Bombenflugzeug. Er trägt den Orden pour le Merite , für hervorragende Leistungen als Führer der Flugzeugstaffel Richthofen im Weltkriege. Die Draufgängerei wollen wir dem Soldaten Göring nicht bes Streiten. Es steht freilich auch dokumentarisch und hunderts fach bezeugt feft, daß sein Mut nicht aus einem festen männ lichen Charakterzuge kommt, sondern aus dem Rausche des Morphinisten, der die Gefahren nicht mehr sieht und nicht mehr kennt.

Die ganze Welt beobachtet mit Aufmerksamkeit und uns ruhe, wie der Reichsminister und nunmehrige General Gö­ ring die deutsche Luftfahrt zu einem Instrument allerersten Ranges machen will. Man kann gewiß so tun, als sei dies eine reine Zivilangelegenheit. Aber niemand in der Welt würde es glauben. Wenn ein Mann von so betont soldati= schem Ehrgeiz und so sich selbst rühmenden kriegerischem Wil­len mit so viel Leidenschaft der Waffe dient, die den nächsten Krieg entscheiden muß, so weiß alle Welt, was die Stunde geschlagen hat. Deutschland ist mit einem Tempo von unges heurer Energie in das allgemeine Wettrüsten eingetreten. Alles Verhüllen und vorsichtiges Herumreden ist zwedklos. Die Tatsachen sprechen allzu deutlich und Görings Ernens nung wird mehr alarmieren als alle landesverräterischen" Auffäße, die zum Unbehagen der jetzt Deutschland Ruinies zenden geschrieben werden.

Der gegenwärtig in Paris weilende bekannte schwedische Rechtsanwalt Georg Branting antwortet in einem ausführlichen Schreiben auf den vor einigen Tagen ver­öffentlichten Brief des Oberreichsanwalts Werner. In dem Schreiben heißt es:

" Ich stelle mit Genugtuung fest, daß Sie der Auffassung find, daß das dem Untersuchungsausschuß vorliegende Mate­rial zur Entlastung der Angeklagten Torgler, Dimi troff, Popoff und Taneff geeignet sein kann. Sie schreiben, daß Sie in ihrer Bitte an mich von dem Bestreben ausgegangen sind, der Schuldfrage dienende bedeutsame Tat­sachen dem Gericht zur Kenntnis zu bringen". Dazu gehört ohne Zweifel auch die Verfolgung anderer Spuren, als der, die zu den von Ihnen Angeklagten führen. Sie schreiben auch

wegen Material, das geeignet set, den Verdacht der Be­teiligung am Reichstagsbrand gegen Personen zu begrün­den, gegen die bisher ein Verfahren nicht anhängig gewor den ist. Ist Ihnen nicht bekannt, daß in der gesamten West­presse schon Anfang März mit aller Bestimmtheit erklärt: wurde, daß der Reichstagsbrand

kein Werk der Kommunisten sei? Ist Ihnen nicht bekannt, daß in der ganzen Weltpresse schon Anfang März behauptet wurde, daß die Brandstiftung im deutschen Reichstag den jeßigen preußi­schen Ministerpräsidenten Göring zum Ur­heber habe? Es erschien uns im Ausland als Selbstver­ständlichkeit, daß der Ministerpräsident Göring zumindest eines der großen Weltblätter, das diese Behauptungen auf­

Van der Lubbe wird vernommen