Oesterreichisches Heer

Ein amtlicher Kommentar

Wien , 30. Auguft. Zu der von Heeresminister Vaugoin angekündigten Heer form veröffentlicht die offiziöse Bolie tische Korresponden einen Kommentar, in welchem aus­drücklich festgestellt wird, daß es sich weder um eine Ein­führung der allgemeinen Wehrpflicht noch auch des Miliz systems handele, sondern nur um die Aufstellung eines militärisch et Assistenzkorps, das dem regulären Bundesheer amegliedert wird. Die Stärke dieses Assistenz­forps werde i bemessen sein, daß mit dem Bundesheer zu­sammen die in Friedensvertrag Desterreich zugestandene Höchstgrenze bor 30 000 Mann nicht überschritten wird. Es ist geplant, he Dienstzeit in diesem neuen Militär- Assistenz­torps auf sinf bis sechs Monate festzusetzen. Die Verhand­lungen Deterreichs mit den Mächten über diese Frage haben bereits während der Abrüstungskonferenz in Genf begonnen. Sie wurden unterbrochen, als die Konferenz in Genf ver­tagt wurde, und sie wurden dann mit den Mächten direkt geführt. Die Verhandlungen können materielI als abgeschlossen gelten. Nach dem erfolgten for­meller Abschluß, der für die nächsten Tage zu erwarten sei, werden die neuen Wehrvorschriften veröffentlicht, und es wird unverzüglich mit den Werbungen begonnen werden.

Zu Kreuze gekrochen

Wieder einmal!

Die Nazi- Regierung hat deutschen Reisenden die Be­nüßung fremder Schiffe durch scharfe Devisen bestimmungen fast unmöglich gemacht. Als die Bevollmäch­

tigten britischer, amerikanischer, französischer Schiffahrts­gesellschaften mit Gegenmaßnahmen drohten, als auch die

diplomatischen Vertreter dieser Staaten in Deutschland pro­testierten, mußten die braunen Diktatoren, die nach innen auftrumpfen und nach außen fazbuckeln, schleunigst einen Rückzieher ankündigen. Wie der Daily Herald" bemerkt, verzeichnen nämlich die fremden Schiffe nur 10 Prozent. deutsche Passagiere in ihren Listen, indes auf deutschen Schiffen 70 Prozent Ausländer zu reisen pflegen.

Wieder ein mißglückter Autarkieversuch! Der wievielte?

Die illegale Presse Mitteilungen aus Deutschland

London , 80. Aug.( Inpreß.) Die New Statesman and Nation " veröffentlicht einen großen Artikel über die illegale Presse und Agitation in Deutschland , die fast ausschließlich

von Kommunisten geleitet wird. Wir entnehmen dem Auffa

einige aufschlußreiche Stellen.

Der deutsche Revolutionär von heute ist vor allem ein

technischer Künstler, ein konspiratives Genie, oft geradezu ein Zauberer. Seine Redaktion befindet sich in einem kleinen Raum, den er oft täglich, sogar mehrfach am Tage wechseln muß. Kommen und Gehen geschieht unter Lebensgefahr. Oft haust er in dem Raum, ißt und schläft dort. Nur selten be­steht seine Druckerei aus einer richtigen Druckmaschine. Im allgemeinen ist es ein Vervielfältigungsapparat, eine Schreibmaschine, häufig nur ein gewöhnlicher Löscher, auf den er einen Streifen Linoleum flebt, in welchen die Worte eingeritzt sind. Mit einem gewöhnlichen Löscher dieser Art tann man in einer Nacht Hunderte Handzetteln herstellen. Wichtiger aber noch als der Druck ist die Verbreitung dieser Presse in den deutschen Städten. Für diese Zwecke ist eine besondere Kunst und Wissenschaft gebildet worden, an­gepaßt den neuen Bedingungen. Die Organisation ist so ein­geteilt, daß einer den andern nicht kennt. Die verschiedenen Verteiler und Verkäufer der Flugblätter haben ihre be­sonderen Sammelpunkte, aber den, der die Zeitungen hin­bringt, kennen sie nicht; wird ein solcher Verteiler von der Polizei erwischt, so kann sie kaum etwas von ihm erfahren.

Bor furzem entdeckte die Polizei in Berlin , daß die Post wochenlang auf Kosten des Staates revolutionäre Druck­sachen in Briefumschlägen mit dem Aufdruck der Zentrale der städtischen Elektrizitätswerke befördert hatte. Eine Bro­

schüre gegen Hitler betitelt sich Stunft und Wissenschaft", in

Bayern ist eine revolutionäre Broschüre herausgekommen mit dem großen Titel über der 1. Seite: Neueste Sensation! Der neueste billige Radioempfänger! Vier Jahre Garantie! Sie müssen unseren Radio haben!"

Man kann die Presse des Volkes nicht ausrotten- das ist in Nazideutschland wieder einmal bewiesen worden. Diese Presse ist eine wachsende Macht."

Landesverrat"?

..Soweit die deutsche Zunge reicht"!

Erklärung

Die braune« Saar- Front" vom 31. Auguſt 1933 bringt eine Erklärung der NSDAP.- Saar gegen mich wegen meiner Veröffentlichungen aus der Rede des Pg. Staatsrat Simon vor den Vertretern des Bundes der Saar - Vereine.

Ich erkläre hiermit jeden Teilnehmer der Ver­sammlung, Staatsrat Simon eingeschlossen, der es wagt, die Unrichtigkeit unserer Meldung über die Er­oberungsrede des Staatsrats Simon und seine Ver­kündigung eines zukünftigen 90- Millionen- Ger­manenreiches zu behaupten, für einen gemeinen Lüg­ner und Verleumder!

Ich wähle diese schwer beleidigenden Ausdrücke mit voller Absicht, um die Beleidigungsklage gegen mich zu provozieren, damit ich vor dem saarländischen Gericht die Wahrheit meiner Behauptung durch den Eid der Anwesenden einschließlich meiner Zeugen vor aller Welt darkun kann!

Mein erster und bester Zeuge wird Herr Staatsrat Simon selbst sein. Die zweite Garnitur der Zeugen be­steht aus den Berichterstattern der saarländischen gleich geschalteten Presse. Jeder dieser Zeugen wird sich vor einem Meineid hüten, jeder wird unter seinem Eide erklären müssen, daß Staatsrat Simon in der Tat erklärt hat:

,, Soweit die deutsche Zunge reicht, soweit deutsches Blut in den Adern rollt, so weit reicht das große Deutschland ! Wir begnügen uns nicht mit der Saar . Darüber hinaus reicht

die deutsche Zunge bis nach Metz und her­unter bis Mülhausen . Die Saar , Elsaß- Loth­ ringen , Oesterreich, Luxemburg , Teile von Belgien und die Niederlande sind alle einmal deutsch gewesen und deutsche Eigenart ist noch heute dort zu Hause. Deutschland will nicht nur ein 60- Millionenvolk sein, sondern ein Volk von 90 Millionen Einwohnern wer­den. Im Mittelpunkt dieser Aufgabe, die sich das Deutsche Reich gestellt hat, steht die Saar­frage: die Eroberung der Saar wird der An­fang zu weiteren Erfolgen in der Außenpolitik Deutschlands auch nach Westen hin sein. Nicht eher wird der Nationalsozialismus und wird das ,, dritte Reich" mit dem Volkskanzler als Führer ruhen, als bis das Ziel eines Groß­deutschland von 90 Millionen erreicht ist!"

Und endlich: Meine Augen- und Ohren­3eugen haben fünf Meter von Herrn Staatsrat Simon entfernt gesessen und seine Aeußerung stenografisch auf­genommen. Aber ich bin sicher, auf diese Zeugen erst gar nicht zurückgreifen zu brauchen, weil Herr Staatsrat Simon selbst unter Eid die Richtigkeit meiner Darstellung bestätigen muß!

Leider wird es zu dieser Gerichtsverhandlung nie­mals kommen, da keiner der Teilnehmer, auch Herr Staatsrat Simon nicht, meine schweren Beleidigungen auf sich beziehen wird. Schade! Sehr schade! M. Braun,

Im holländischen Blickfeld

Drei Acußerungen als Stimmungszeichen

99

Treu und Glauben"!

Der Post Scripta" der Haagschen Post vom 26. August ent­nehmen wir folgendes:

,, Wie springt man in Deutschland mit dem um, das man dadurch erspart, daß man die Zahlungen ans Ausland einge­stellt hat! Unzählige Millionen werden gebraucht, um die Arbeitslosigkeit auf fünstliche Weise zu verringern und mit dieser Verringerung zu proßen. Unzählige Millionen wer­den verwandt, um im Ausland Propaganda für den Natio= nalsozialismus zu machen und um sich durch ein ausgebautes Spionagesystem auf dem Laufenden zu halten. Unzählige Millionen werden vergeudet, um Oesterreich, das als erstes auf dem Wunschzettel der ersehnten Länder steht, zu annek­tieren. Unzählige Millionen werden verschwendet für groß­artige Feste, die mit einer Art von Völkerwanderung ver­bunden sind. Und das alles, um dem In- und Ausland Sand in die Augen zu streuen und um das Volk einzulullen. Während nun die nicht bezahlten Gläubiger Deutschlands nicht aus noch ein wissen, weil sie kein Geld haben, hat der Schuldner Deutsch­ land es augenscheinlich wohl in Hülle und Fülle."- Treu und Glauben!..."

Im Konzentrationslager

Die Nieuwe Rotterdamsche Courant" vom 28. August be richtet u. a.:

Besonders zu denken gab, daß die kommunistischen Ge­fangenen ein Monument für Horst Wessel errichten mußten. Einige Bewohner des Konzentrationslagers klagten über das Essen, das hauptsächlich aus Kartoffeln und hartem Brot bestände und unzureichend sei. Andere beklagten sich, daß die Pakete, die man ihnen schickte, geöffnet würden und daß man die Lebensmittel und Delikatessen herausnähme. Wieder andere beschwerten sich, daß sie arbeiten mußten, obwohl sie

Deutschland produziert Rüben für die Rüstungs- nicht dazu in der Lage waren. Der Gouverneur leugnete

industrie

Der Völkische Beobachter" propagiert in einem Aufsat des Wirtschaftsteils den forcierten Anbau von Zuckerrüben. Er behauptet:" Die Suderindustrie liefert einen Beitrag zur Wehrhaftigkeit. Rüstungen tosten Opfer. Aber an Rüstungen hat sich niemand zu bereichern. Ausschließlich die oberste Wirtschaftsleitung hat zu prüfen, wieviel Rübenbau ist er­forderlich, um den Rüstungszweck zu erreichen."

Arme Irre

Aber auch Denunzianten

Die Vereinigung nationaldeutscher Ju den" hat eine Erklärung in folgendem Sinne veröffent­licht: Der Prager Zionistenkongreß, an dem die deutschen Zionisten nicht teilgenommen, den sie aber zweifellos be­einflußt hätten, habe sich offen an das Ausland gewandt, um eine Einmischung in die inneren deutschen Angelegen­heiten herbeizuführen. Die deutschen Juden nationaler Richtung miß billigen ganz entschieden jeden Versuch, auf die deutsche Regierung mit Hilfe des Auslandes einen Druck auszuüben. Sie hofften auf eine baldige Lösung der jüdischen Frage, die den Juden, die seit Generationen in Deutschland lebten und wirkliche Deutsch seien, es erlaubte, mdem Aufbau des nationalen Staates mitzuarbeiten. Die nationaldeutschen Juden" harren der Stunde, wo sie in den Schoß des Nationalsozialismus aufgenommen wer den. Ihr Liebeswerben wird mit Hohn beantwortet. Man fann nicht einmal sagen, daß sie etwas Besseres verdienen.

ausdrücklich, daß Körperstrafen angewandt würden. Trotz­dem zeigten einige Gefangene deutlich die Spuren von Schlägen auf dem Rücken.

Das Schlimmste für die Gefangenen ist jedoch, daß sie dauernd unter Kontrolle stehen. Der Zweck der Läger ist nämlich, die Gefangenen zum Nazitum zu befehren. Wer be­kehrt ist, wird freigelassen, allerdings dann noch weiterhin unter strenger Kontrolle gestellt.

Der Besucher verläßt das Lager mit einem Gefühl des Wiedersehens". Er fühlt sich mitschuldig an etwas unge­hörigem und zwar nicht allein dadurch, daß er menschliche Wesen, die sich in einer so schrecklichen Lage befinden, gesehen hat, sondern auch weil er mitansehen muß, wie einsichtslose Leute ihr eigenes Fleisch und Blut unter Kuratel stellen. Man hört die schauerlichsten Geschichten über die Konzen­trationsläger. Die körperlichen Gewalttaten können als Ausschreitungen aufgefaßt wer­den. Die geistigen Qualen aber sind noch viel ärger. Daß Badeeinrichtungen und Kranken= stationen in Ordnung sind, daß vielleicht die Klagen über das Essen zu Unrecht bestehen, mildert das nicht.

( Es handelt sich um ein Lager, in dem sich 2500 Gefangene befinden. Um welches Lager es sich handelt, geht aus dem Artikel nicht hervor.)

Arbeitsdienst

" Het Volk" vom 28. August schreibt:

,, Es ist in Deutschland in der letzten Zeit sehr still geworden um den Arbeitsdienst. Das hat seinen guten Grund. Während der letzten Monate haben viele Konferenzen über das Thema: Arbeitsdienst stattgefunden, wobei vom Finanz­ministerium immer wieder betont wurde, daß die Sache einfach nicht zu finanzieren sei. Wie uns mitge­teilt wurde, hat man heute die Arbeitsdienstpflicht aufge= geben.

Hierzu möchten wir bemerken, daß man in der Rechnung einen dicken Fehler gemacht haben muß, da die deutsche Regierung doch ihr Lieblingskind: Arbeitsdienst nicht ohne zwingenden finanziellen Gründe vor die Türe gesetzt haben würde.

Mit nüchternen Augen geschen

, Er sah gewöhnlich aus und schrie mich an!"

Hitler schrie mich an..." So ist ein Aufsatz im Daily Herold" überschrieben, in dem ein Experte des britischen Rundfunks seinen Besuch bei Adolf Hitler schildert. Der Interviewer man spürt es seinen Worten an- wurde wurde zweifellos ausgesandt mit der Weisung, den Kanzler des dritten Reiches" recht objektiv zu betrachten, denn Objektivität verlangt der englische Hörer vor allem.

Da kam er nun an, der sachliche Engländer, und fand Herrn Hitler in seinem bequemen Arbeitszimmer sigend" vor einem großen Schreibtisch im Mussolinigeschmack mit einer umfangreichen Blumenvase daneben, die Mussolini zweifellos als weibisch verwerfen würde". Der Inter­viewer saß in einer Ecke, neben ihm ein Beamter des Aus­wärtigen Amtes, der den Gast kontrollieren und neben diesem einer vom Nazi- Generalstab, der den Beamten vom Auswärtigen Amt und den Gast kontrollieren sollte.

In Hitler fand der Engländer einen gewöhnlich aus. sehenden Mann mit großen braunen Augen, etwas volle

ren Wangen , als er erwartet hatte und einem Schurrbart, größer als sonst, so daß es nicht mehr möglich ist, den Kanzler mit Charlie Chaplin zu vergleichen". Der Interviewer bekennt, daß er noch immer nicht begreift, warum mancher Deutsche in Deutschland , von Hitler spricht, als sei er ein Halbgott.

Dann aber begann der Kanzler zu sprechen, und jetzt lief es dem Engländer kalt überm Rücken:

Die Augen auf eine unsichtbare Menge gerichtet, schrie er mit mißtönender Stimme, so daß ich beinahe erwartete, seine Sekretäre würden hereinrennen, um mich zu verhaften... Als der Kanzler sprach, schien er Stim­men zu hören wie Jeanne d'Arc . Er zollte uns so wenig Aufmerksamkeit, daß ich fest überzeugt bin, er hätte es nicht einmal bemerkt, wenn wir aufgestanden wären und den Raum verlassen hätten."