Deutsche   Stimmen

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Feuilletonbeilage der ,, Deutschen Freiheit" Samstag, den 2. September 1933 Ereignisse und Geschichten

Die Lösung und Erlösung

Ein

Bekenntnis zur Gesinnung-

Von Theodor Lessing Theodor Lessing  

, der am Mittwoch von einem Schergen des deutschen   Terrors ermordet wurde, ift 62 Jahre alt geworden. Er war ursprünglich Arzt und hat von 1914-1918 Striegsdienst geleistet. Seine wichtigsten Schriften find: Schopenhauer  , Wagner, Niegiche"( 1906), Europa   und Afien"( 1918), Geschichte als Sinngebung des Sinn lofen"( 1919). Seit 1908 wirkte er als Privatdozent, feit 1919 war er Professor an der Technischen Hochschule   in Hannover  . Vor einigen Jahren zwangen ihn brüllende Studenten, denen die pazififtische Gesinnung Leffings nicht ges fiel, auf sein Lehramt zu verzichten. Er behielt jedoch einen Forschungsauftrag. Alles, was Leffing geschrieben hat, # 2 vereinigt höchftes Gedankengut, gezeugt von Güte und Menschenliebe, mit edelfter deutscher   Sprachgestaltung. Im März drangen braune Horden in seine Wohnung ein und setzten sie unter stinkende Janche, so daß die ganze Bibliothek Leffings unbrauchbar wurde. Jetzt haben ihn seine Haffer, die Feinde menschlicher Gefittung und mensch licher Kultur, wie einen tollen Hund in der Fremde niederschießen lassen, obwohl er sich in aller Stille seinen philosophischen Arbeiten widmete. Sein nachfolgender Essay stammt aus dem Jahre 1932.

Wir entnehmen aus der Geschichte, daß manche Völker unter sechs verschiedenen Regierungen sechsmal ihren Glau­ben gewechselt haben. Keine Weltanschauung, keine öffentliche Meinung, ja auch keine wissenschaftliche Theorie dauert länger als die Zellen unseres Organismus, die etwa alle fieben Jahre einen vollständigen neuen Leib bilden. Ein Be­griff, der heute in aller Mund ist und positiv betont, wie z. B. Nation, Völkis.h, Gleichschaltung, Romantik kann sieben Jahre später ein durchaus negativ betonter Begriff sein. Ebenso können die Ekelworte von heute, z. B. Marxismus, Mechanismus, Rationalismus einige Jahre später allgemein beliebte Ruhmesworte werden.

Forschen wir nach den Gesetzen dieses Wechsels der Gesinnung, dann stellt sich wohl zunächst die banale Wahrheit ein, daß die Menge stets nach der Richtung der jeweils größten Kraftentwicklung gedrängt wird. Und zwar aus Unselbständigkeit, Lentsamkeit und aus dem Bedürfnis, zu gehorchen und befehligt zu werden. Es ist ein großer Wahn, daß Erfolge je zustande kommen auf Grund von Würde und Wert. Der bekannte Sat:" Das Genie setzt sich immer durch", ist gerade das Gegenteil der Wahrheit. Es ist sehr selten, daß ein Genie sich durchzusehen vermag. Wohl aber gilt die folgende Erfahrung: Ueberall dort wo Erfolg, Macht, Wirkung in Erscheinung tritt( gleichviel mit welchen Mitteln), da werden Werte und Tugenden, falls sie vorhanden sind, gesehen, und wo sie nicht vorhanden sind, er­funden. Ich nenne diese Gesetz:" Sinngebung von Nach­hinein".( Sacrificatio post festum.) Es ist das Grundgesetz aller Geschichte. Es wäre aber sehr ungerecht, wollte man in dieser Verklärung der Macht, in dieser nachträglichen Recht­fertigung selbst des Niederträchtigen und Verbrecherischen, nur den Ausdruck der menschlichen Angst und Feigheit sehen. Es klingt sehr parador und verbirgt doch tiefe Wahrheit: Just diese Charakterlofigikeit und Feigheit der Masse hängt zu­fammen mit der adeligsten Eigenschaft des Menschen: dem Willen zum Jdeal. Einige ganz einfache Beispiele werden zu dieser überraschenden Erkenntnis verhelfen. Ich entnehme sie meinem Buche: Geschichte als Sinngebung des Sinn­Iosen".

Wenn ein Mensch Unrecht getan bat gegen über einem anderen, dann besteht ihm selber un= bewußt in seiner Seele die Tendenz, alles aufzusuchen, zu sammeln und scharf zu betonen, was von nachhinein das ins­geheim gefühlte Unrecht rechtfertigen und womöglich in ein gutes Recht umbiegen kann. Hat zum Beispeil ein Weißer einen Schwarzen, ein Schwarzer einen Weißen verunrechtet, so wird er nach der Motivation seines Unrechts suchen und möglicherweise fünftig jeden Schwarzen oder jeden Weißen

für minderwertig" erklären. Das menschliche Gewissen reagiert viel empfindlicher auf das aktiv zugefügte als auf das passiv erduldete Unrecht. Als im Jahre 1914 in Deutsch­ land   zur Mode ward, sich auf den Straßen zu grüßen mit der Formel Gott strafe England", da erschien im Nu eine ganze, heute schon wieder vergessene Literatur, welche wissenschaftlich bewies, daß England in Gegensatz zu Deutschland   der Hort des Materialismus und Rationalismus sei. Sie sagen Gott und meinen Kattun". Ein wunderliches Beispiel dieser nach­träglichen Sanktion eines heimlich als ungerecht empfunde­nen Urteils ist die fast komische Vergleichstabelle aller eng­lischen und deutschen   Nationaleigenschaften, welche May Scheler seinem Buch Der Genius des Krieges" anhängte. Unmittelbar auf jede Judenverfolgung er­scheint eine Flut unsinniger Bücher, welche nachträglich das Recht des Geschehenen be= weisen und womöglich aus dem Wesen der Geschädigten und Verunrechteten motivieren. Aber diefes Gesetz der nach­träglichen Sinngebung des Sinnlosen hat viel schrecklichere Untiefen als irgendwer sich eingesteht. Kennt man denn zum Beispiel schon die letzten Untergründe, aus denen der Richter das Verbrechen straft, der Geistliche die Sünde verdammt?

Man glaubt naiv, daß der Richter seine Verdikte fälle um des Angeklagten, des Schuldigen willen. Aber man sieht nicht, daß der Spruch des Richters vor allem und zunächst nur das Urteil oder Vorurteil des Nichtenden sanktionieren muß. Hat der Richter etwa eine Antipathie oder Sym= pathie, so hat er ein Interesse daran, just diejenigen Um­stände hervorzusuchen, zu überbetonen und aufzusammeln, welche ihn selber rechtfertigen und ihm das unangenehme Gefühl ersparen, auch nur ein irrender Mensch zu sein. Die öffentliche wie die private Meinung fommt also zustande durch das Bedürfnis, schon geschehene, aus ganz anderen als ethischen Beweggründen fließende Tatbestände von Nach­hinein als gerechtfertigt und als sinnvoll erscheinen zu lassen. Dies Gesetz der Sinngebung( logificatio poft festum) glaube ich als Kerngesetz der Geschichte erwiesen zu haben. Aber der wirkliche Fortschritt des Menschen führt hinweg von Geschichte, ja tann sogar als Erlösung von aller Geschichte bezeichnet werden. Er führt hinweg von der schwankenden Erschei­nung" zur Dauer der Gedanken. Das heißt zu den aller Ge= schichte entrückten und niemals aus Geschichte ableitbaren objektiven Institutionen wie Logit, reines Recht, reine Sitt­lichkeit. Schon find Mechanik und Dekonomit ein Bereich, das der Willkür der Individuen und der Völker ganz entrückt ist. In diesem heute verkannten Reiche liegt die Lösung und Erlösung.

Geschichte der Juden­

in nationalsozialistischer Beleuchtung

Nach Gleichschaltung der Schulen im dritten Reich" wird ein Teil des Geschichtsunterrichts der Entwicklung der jüdischen Weltherrschaft" gewidmet. Demnach haben die Juden, kurz zusammengefaßt, folgende Geschichte gehabt:

Die Juden wurden von einem Mann, der den typisch jüdischen Namen Moses   trug, erfunden. Kurz nach ihrem ersten Auftreten wurden die Aegypter von zehn Plagen ( hier find nicht die zehn Gebote gemeint!) heimgesucht, deren fürchterlichste die berühmte ägyptische Finsternis war. Aus dieser Finsternis entsprang das Licht des Antisemitismus. Die ägyptischen Nationalsozialisten mit ihrem Obersten Gaupharao Adolfamses Hitlerides I. vertrieben die jüdischen Einwanderer und errichteten das dritte Aegyptische Reich. Es folgte der Auszug der Juden aus Aegypten   unter der Parole Horud nach Palästina!" Die Juden schweiften vierzig Jahre in der Wüste umher.( Wüste Ausschweisungen waren schon immer ein hervorragendes Merkmal der Hebräer.) Auf dem Berge Sinai leistete ganz Juda den Offenbarungseid. Hier bildeten sie sich auch im Fressen von Mazzes, einer mit geheimnisvollen Kräften versehenen Speise aus. In der Gewalt Moses   über das Rote Meer  zeigte sich zum erstenmal finnfällig die Abhängigkeit der Roten von den Juden. Mit der Befißergreifung Palästinas  begann ihre eigentliche Weltherrschaft. König David war der erste Weise von Zion. Ihm folgten bald viele andere, deren Haupttätigkeit im Verfassen von Protokollen bestand. Nach dem David auf hinterlistige Weise den ahnungslosen Arier Goliath aus dem Wege geräumt hatte, lernte dieser Gemüts= mensch Zither spielen. Ein Klüngel von jüdischen Literatur­schmöcken dichtete in einem Kaffeehaus in Jerusalem   den berüchtigten Talmud, eine Sammlung unzüchtiger und ver brecherischer Rezepte zur Ergreifung der Macht, von denen das Programm der Sozialdemokratie nur ein kleiner Aus­zug ist. Die aufkommenden Römer stellten die Juden wegen

ihrer Geriebenheit als Agenten in ihren Handelshäusern an. Später schickten sie sie als Platzvertreter in die ganze Welt. Das Unheil begann. Sie machten sich bald selbständig und nahmen ganze Stadtteile für sich in Besitz, die sogenannten Gettos, in denen sie ihr schändliches Treiben, das in den Ritualmorden gipfelte, völkisch unbeobachtet fortseßen fonn­ten. Als es der arischen Bevölkerung zu bunt wurde, begann die erste Judenverfolgung. Hierbei hatten die Hebräer immer die Taftit, durch Ei- wei- Geschrei das Mitleid der christlichen Bevölkerung zu erregen, wodurch sie der gerechten Strafe damals entgingen.

So haben die Juden schließlich die Völker unterjocht, den Krieg entfesselt, den Pazifismus aufgebracht, das Kapital an sich gerissen, den Bolschewismus hochgezüchtet, mit einem Wort, sie sind an allem Schuld. Nur verreckt sind sie noch nicht. Das ist die Aufgabe des Nationalsozialismus.

Recht und Macht

Karo.

Es sind Gewalt und Lift nur dies Geschlecht; Was will, was soll, was heißet denn das Recht? Hast du die Macht, du hast das Recht auf Erden. Selbstsüchtig schuf der Stärk're das Gesez, Ein Schlächerbeil zugleich und Fangenez Für Schwächere zu werden.

Adalbert von Chamisso  ,

Fremdenwerbung

( Für die Leipziger Messe)

Ja, Deutschland  , das kann nur gedeihn, Wenn wir zuvor das Land befrein Von fremder Köterrasse.

Die Kinder, ob sie noch so klein, Erzieht zum Judenhasse!

Kauft nicht im jüdischen Geschäft, Und wenn ihr einen Inden trefft, Dann haut ihm in die Fresse...

Ihr Juden, tommt, wir tun euch nichts. O, athtet nicht des Greuelberichts, Ja, Grenelberichts.

Besucht die Leipziger Messe!

Kein Thig darf in unser Bad,

Die Nase trumm, die Füße platt.

Er liebt ein deutsches Mädel?

Schleift fie in Schanden durch die Stadt

Mit fahlrafiertem Schädel!

Sie ins Bordell, den Kerl ins Loch.

Wo hat ein Jude Stellung noch?

Entlaßt ihn auf der Stelle...!

Doch heute sind wir umgestellt: Rommt, liebe Juden,

Recht viel Geld...!

bringt uns Geld,

Mir Sachfen, mir sein helle! Wir geben euch ein Freifonzert, Ihr werdet an die Bruft gezerrt, Ihr lieben, lieben Juden.

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nicht gesperrt!-

tommt, o kommt doch, Bringt Umfag in die Buden. Erst das Geschäft, dann das Pläfier: Herr Cohn, ein Mädchen?- Machen wir! Hent nehmen wir's nicht so genau:

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Sie friegen zur Mätresse Was Extra: Blondes, Augen blan, Arisch blau!

Nur tommen Sie zur Meife!

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Hans Grimm  

Dichtec mit Raum

Mudt.

Im Deutschen   Haus der Chikagoer Weltausstellung will der Verlag Albert Langen  - Georg Müller eine Schau Volk ohne Raum  " veranstalten, in deren Mittelpunkt Hans Grimms Roman stehen soll, der den gleichen Titel trägt. Hans Grimm  ! Da haben sie sich gerade den rechten aus­gesucht! Kürzlich veröffentlichte das sehr mondäne Moden­blatt Neue Linie", das in seiner letzten Nummer er­staunliche Fotos aus Görings luxuriöser 34-3immer- Woh­nung zeigte, auch Hans Grimms Dichterheim im Bilde. Und siehe auch diese braune Höflingsbehausung erwies sich als so elegant, daß eine andere Zeitschrift, ein gleichgeschal­tetes Literaturblatt, protestierte. Es habe allgemeine Ver­wunderung erregt, so etwa war der Sinn des Briefes, daß der Dichter von Volk ohne Raum  ", wenn er schon selbst über so viel und so komfortablen Raum ver­füge, sein Heim auch noch fotografieren lasse. Sicher sei die Veröffentlichung ohne Grimms Wissen erfolgt.

Das glauben wir nicht. Göring   und Grimm sie schämen fich wohl alle beide nicht ihrer großbürgerlichen Behaglichkeit. Das braune Paradies ist da, die Bonzen haben ihr revolu­tionäres Mäntelchen abgelegt und der kleine SA.- Mann, der mit seiner achtköpfigen Familie in einem oder in zwei Zimmer haust, hat beim Anblick der geschmackvollen Bilder gar nicht zu meckern, sonst setzt es Hiebe. Denn der Klassen­famps ist in Deutschland   abgeschafft.

Volkslexikon in braunem Einband Zur Warnung!

Der Kampfbund für Deutsche Kultur   teilt mit, daß er auf Grund einer Vereinbarung mit dem Verlag Knaur Nachfolger sich entscheidenden Einfluß auf die Gestaltung der Neuauflage des vom Verlage Knaur heraus­gegebenen Volkslerifons gesichert habe. Damit ist die Gewähr gegeben, daß die Neuauflage des Knaurschen Kon­versationslexikons eindeutig im Sinne der na­tionalsozialistischen Weltanschauung in den entscheidenden Abschnitten über die nationalsozialistische Bewegung, die NSDAP  . und deren Organisationen sowie auch über die Gesetzgebung und die Einrichtungen des neuen Deutschlands   bearbeitet und jede marxistische oder liberale Ausdeutung beseitigt wird."

Die Wiedergeburt

Luther   hat faschistisch gegrüßt"

In der letzten Zeit ist man bemüht, den Deutschen   ganz allgemein die nationalsozialistische Grußform mit dem im Winkel von 45 Grad erhobenen rechten Arm beizubringen. Man nennt diese Art der Begrüßung den deutschen Gruß", obwohl es eigentlich der alte römische Gruß ist, den Mussolini  im Faschismus wieder modern gemacht hat und der von den Nationalsozialisten nach dem italienischen Vorbild über­nommen wurde. Das Reichspropagandaministerium ist be= müht, nachzuweisen, daß es sich nicht um die Kopie des römischen Grußes handle, sondern um die Neuerwek­fung einer altgermanischen Grußform", die im Laufe der Jahrhunderte nur vergessen worden sei. Nicht nur Luther   habe auf dem Reichstag zu Worms   so gegrüßt. Es gebe vielmehr dokumentarische Belege dafür, daß schon zu Zeiten Hermanns und Thusneldas die alten Germanen sich so und nicht anders gegrüßt hätten. Es ist unfaßbar, daß sich Erwachsene an solchen Dingen vergnügen und ihnen Zeit widmen. Man ist nur halb getröstet, wenn man bedenkt, daß diese Kindereien die Hermannen und Thusneldas hindern, den ganzen Tag auf die Folterungen ihrer Gefangenen zu verwenden.