Solche Urteile werden in Hitler- Deutschland täglich gefällt Begreift man jetzt das große Schweigen und die Verschüchterung? Keiner sagt mehr, was er denkt...
Drei Kölner Urteile 1. ,, Es ist ja alles Quatsch"
Als am 21. März dieses Jahres mehrere Leute in einer Mülheimer Kneipe zusammenfißen, gibt gerade der Rundfunt durch, daß mehrere Flieger über der Reichshauptstadt erschienen sind und Flugblätter verheßenden marristischen Juhaltes heruntergeworfen haben. Bei den Bierbankpolitifern erhebt sich hierüber eine Debatte und dabei glaubt auch der 48jährige Arbeiter Paul Büttgen aus Bensberg setnen Senf unbedingt dazu tun zu müssen:
„ Es ist ja alles Quatsch, was da geredet wird; das haben die Deutschen doch wieder selbst gemacht. Wenn überhaupt nicht bald dafür gesorgt wird, daß andre Lente ans Ruder tommen, die auch im Ausland beliebt sind, dann kommen wir alle noch auf Klumpen!"
Wegen dieser verheßenden Aeußerung stand er vor dem Condergericht und versuchte sich damit herauszureden, daß er in seinem vollen Kopf die Gefährlichkeit seiner Rederet gar nicht so bedacht habe.
Staatsanwalt Dr. Nebmann brandmarkte die Gefähr lichkeit solcher Leute, die an der Bierbant ihr Gift versprigen und beantragte gegen den Angeklagten eine Gefängnisstrafe von einem Jahr.
Das Gericht, unter Vorsiz von Landgerichtsdirektor Fehr, erfennt auf eine Gefängnisstrafe von 10 Mona ten, da auch den leichtfertigen Schwägern fühlbar ihr Mundwert endlich gestopft werden müsse.
2. ,, Nicht einmal Zeit zum Essen "
Der 28jährige Arbeiter Franz Diez aus Efferen meldete fich nach einem Streit mit seiner Ehefrau zum Arbeitsdienst. Er tam zum Lager Mackensen; aber bereits nach nur eintägigem Arbeitsdienst und Lagerleben zog er wieder nach Efferen . Selbstverständlich mußte er jetzt erzählen, weshalb er so schnell wieder zurückgekommen war und daran hatten in erster Linie die Eltern Interesse, deren Söhne bereits im Lager waren.
So in den Mittelpunkt des Interesses gestellt, glaubte Franz" einmal richtig auspacken zu müssen. 3unächst habe man im Lager bei der vielen Arbeit nicht einmal Beit zum Essen. Size man aber schon mal bei Tisch und ein Vorgesetzter komme dazu, dann müsse alles in die Höhe sprißen, daß einem fast der Löffel im Halse stecken bliebe. Wie die Sträflinge müßten sie beim ErerBieren in den blauen Anzügen herumlaufen. Die Verpfle gung sei ein Kapitel für sich, denn meistens sei das Brot schimmelig.
Er stand nun wegen dieser abfälligen Aeußerungen ver dem Sondergericht. Bestreiten fonnte er diese Redensarte richt. Aber er wandte ein, daß das Brot manchmal Schimme angesetzt hatte, doch sei stets auf Anfordern einwandfreies Brot nachgeliefert worden. Was die Arbeit selbst anbelange, so habe jeder damit fertig werden können, aber über das mittägliche Ererzieren habe er sich geärgert. Das Gar fet ihm zu komisch vorgekommen.
Der der Angeklagte seine Aeußerungen in aller Deffentlichkeit getan hatte, um gegen die Arbeitsdienstpflicht Stimmung zu machen und junge Leute dagegen aufzuheben, bea antragte der Staatsanwalt gegen ihn eine Gefängnisstrafe von acht Monaten.
Nachdem Rechtsanwalt Thetsen auf eine weit geringere Strafe plädiert hatte, erging das Urteil auf vier Monate Gefängnis. In der Urteilsbegründung wurde ausgeführt, daß der Angeklagte den Arbeitsdienst und das Lagerleben einseitig im ablehnenden Sinne dargestellt habe, um die Interessenten und die Eltern der Arbeitsdienstwilligen zu beunruhigen. Der Angeklagte gehöre auch zu den jungen Leuten, denen es an der entsprechenden Erziehung gefehlt habe und die ich daher in die neue Ordnung nur schlecht einrangieren ließen, was ihnen aber nicht einmal abs persön Niche Schuld angerechnet werden könne. Daher auch habe die beantragte Strafe gemildert werden können..
3. Siegmund in Stahlhelm - Uniform
Siegmund Freund ist Schlosser von Beruf und gerade 20 Jahre alt und, wie Vor- und Zuname schon deutlich besagen, jüdischer Religion. Während der nationalen Erhebung entdeckte er plöblich und schnell sein nationales Herz und meidete sich in Köln zur Aufnahme in den Stahlhelm. Er bekam einen Verpflichtungsschein vorgelegt, füllte ihn vorschriftsmäßig aus und vergaß aber dabei, sein Religionsbetenntnis anzugeben. Dies wurde natürlich gleich bemerkt, und er wurde gefragt, ob er fatholisch sei, was er bejahte und nun Stahlhelmer wurde. Eines guten Tages wurde er in feinem Milieu auf dem Buttermarkt von einer SA.- Streife aufgegriffen und der nächsten Polizeiwache vorgeführt, wor auf ihm das Tragen der Uniform außer Dienst untersagt wurde. Dann aber machte der Stahlhelm eine Fahrt nach Paderborn und er erhielt von der Schreibstube ebenfalls einen Fahrtausweis. Nun bildete er sich ein, daß man das erste Verbot gegen ihn mittlerweile wieder vergessen habe und ging jetzt nur noch in seiner Uniform spazieren.
Achtet die Ausländer!
Nur Inländer dürfen verprügelt werden
Der Chef des Stabes der SA . Hat eine Verfügung erlassen, nach der jede Belästigung von Ausländern auch dann verboten wird, wenn sie bei gegebenen feierlichen Gelegenheiten ihre Hand zum Hitlergruß nicht erheben. Auch auf andere deutsche Volksgenossen sei von der SA. bei diesen Gelegenheiten im Sinne eines forrekten und zurückhaltenden Verhaltens gegenüber solchen Ausländern einzuwirken.
,, Adel der Nation"
Natürlich: SA. und SS.
Der Reichsstand des Deutschen Handels erläßt folgenden Aufruf:
Mutige Männer haben die deutsche Wirtschaft und das Vaterland vor dem Schrecken eines bolschewistischen Trümmerfeldes gerettet. Tausende von Kämpfern der braunen Armee haben für Volk und Reich Gut und Blut geopfert. Sie und ihre Kameraden sind dadurch der neue A del der Nation. Der Reichsstand des Deutschen Handels hat bei seiner Gründung mit der Ehrung der SA. und SS. seiner ersten Pflicht genügt. Es gilt nun, dieser ersten Pflicht die zweite hinzuzufügen. Neben den rein wirtschaftspolitischen Arbeiten des Reichsstandes ist die Erfüllung seiner selbst
So hatte er sich die Aufnahme in den Stahlhelm erschlichen, weiter per botswidrig außer Dienst die Uniform getragen und stand jetzt vor dem Sondergericht. Zu seiner Entschuldigung gab er an, daß er sich sowieso habe umtaufen lassen wollen und mit Lust und Liebe in den Stahlhelm ge= gangen set, um später einmal Segelflieger werden zu können. Auf den Antrag des Staatsanwaltes von sechs Monaten Gefängnis erkannte aber das Gericht nur auf eine Ge= fängnisstrafe von zwei Monaten, weil zur Zeit der Tatbewegung im März dieses Jahres bei dem Stahl= helm noch nicht die durchaus geregelten Verhältnisse wie heute bestanden hätten.
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Diese Berichte sind, von einigen Kürzungen abgesehen, dem Kölner Naziblatt, dem„ We stdeutschen Beobachter," entnommen. Sie beweisen, was es heißt, wenn man die Devise:„ Maul halten!" durchbricht. Auf dieser Ebene entfalten sich Angeberei und Schnüffelei in üppigem Wuchs. Aus dem deutschen Volk ist eine Gesellschaft von Duckmäusern geworden, die mit ihrer Meinung hinter dem Berge halten müssen, wenn sie nicht der Terror- Justiz in die Hände fallen wollen.
den Augen bedroht:" Dich rotes Schwein will ich noch lehren..." bekommt, da sich ein zertretenes Hakenkreuz in seinem Geldtäschchen fand: 8 Monate Gefängnis!. Ein magenfranker Mensch, der in der Untersuchungshaft schon schrecklich abmagerte. Seine Frau brach bei der Urteilsverlesung ohnmächtig zusammen.
3. Buchbinder W., etwas hinfend, wegen einer aufklärenden Bemerkung auf der Straßenbahn von Nazis verprügelt, an der Haltestelle glücklich entronnen, beschwert sich törichterweise auf der nächsten Polizeiwache, wo er erneut verprügelt und„ dabehalten" wird als warnendes Beispiel" sagt der Vorsitzende: 8 Monate!
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4. ein Arbeiter aus Sch., armer Kerl, der froh war, mal eine Pfeife Tabak geschenkt zu friegen, hatte vor der Wahl Bettel verteilt: 6 Monate!
5. der Reisende G. hatte in der Trunkenheit davon gesprochen, daß Hitler homosexuell sei, erhielt dafür 6 Monate. Ein teuer bezahlter Rausch!
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meist noch Zentrumsleute, katholisch- loyal und verständnisvoll für die besondere Lage der Angeklagten. Heute Vollzugsorgane der brutalen Macht, in deren Namen sie Urteile fällen, die das Blut stocken machen, ohne ihrerseits mit der Wimper zu zucken.
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Die Faust empor!
Sieben Monate Gefängnis für den Reichsbannergruß bei einer Totenfeier
Die heutigen Machthaber Deutschlands möchten der Welt vortäuschen, das ganze deutsche Bolk sei voller Begeiste rung über ihre Herrschaft. Nur selten darf die gleichgeschaltete Presse Mitteilungen veröffentlichen, die diesen Eindruck stören. So konnte man kürzlich folgenden Bericht lesen:
Vor dem Schnellgericht hatte sich wegen Aufreizung zu Gewalttätigkeiten" der 23jährige Schriftsetzer Wilhelm Kluge zu verantworten. Kluge, der früher Mit
Das Dortmunder Schwurgericht verurteilte den 21 Jahre alten Arbeiter Baltschun sowie den 23 Jahre alten Arbeiter Striepling, die unter der Anklage standen, im Februar des Jahres in Dortmund- Hörde den Polizeibeamten Zieroth ere schossen zu haben, zu je 12 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust. Obwohl sich das Urteil auf mangelhafte Indizien stüßt, fiel es in dieser Höhe aus.
Schöffengericht
Vor dem Schöffengericht zu Görlig wurde gegen ote beiden Arbeiter Karl Dieß und Anton Seifert aus Lauban verhandelt. Beide wurden beschuldigt, eine Hitlereiche abgebrochen zu haben. Obwohl nicht der geringste Beweis für die Täterschaft der beiden Angeklagten da war, verurteilte sie das Gericht zu je einem Jahr Gefängnis und drei Jahren Ehrverlust.
glied des Gauvorstandes des Reichs banners war, Schutzhaft
hatte in besonders pietätloser Weise gegen den neuen Staat demonstriert. Bei der Einäscherung eines seiner früheren Reichsbannerkameraden im Krematorium in der Gerichtsstraße drängte sich plötzlich der Angeklagte durch die Menschenmenge nach vorn, stellte sich dicht vor dem Sarge auf und hob mit geballter Faust den rechten Arm hoch, um damit den beim Reichsbanner üblich gewesenen Gruß zu demonstrieren. Ein Beamter des Geheimen Staatspolizeiamtes hatte dies beobachtet und Kluge aufgefordert, den Arm herunterzunehmen. Dieser verharrte jedoch in der demonstrativen Stellung und wurde deshalb unmittelbar nach der Totenfeier festgenommen. Die Beweisaufnahme ergab, daß Kluge nicht einer unwillkürlichen Eingebung gefolgt war, als er die Faust erhob was unter den gegebenen Umständen vielleicht nicht so schwer genommen worden
wäre- sondern daß er längere Zeit bis zum Ab schluß der Totenfeier, indeutlich demonstra= tiver Absicht die Faust oben behalten hatte.
O
Das Schnellgericht erblickte in diesem Verhalten den deutlich erkennbaren Willen zur Aufreizung zu Gewalttätigkeiten und verurteilte Kluge zu einer Gefängnisstrafe von sieben Monaten. Außerdem wurde gegen den Berurteilten ein Haftbefehl erlassen.
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Wieviel Angst muß doch das herrschende Regime haben trotzdem ihm hunderttausende schwerbewaffnete Söldner, Reichswehr , Polizei, Justiz und Verwaltung zur Verfügung stehen, wenn es die überzeugungstreue und die kameradschaftliche Gesinnung zu einem Berstorbenen für so gefährlich hält, daß es ihre friedliche Bekundung mit einer langen Gefängnisstrafe ahndet!
Sondergericht
1. Eine Frau, Leiterin einer Nähstube, schrieb einen Brief nach Holland :" Thälmann haben sie auch die Knochen entswei geschlagen..." Dafür: ein Jahr Zuchthaus! 2. Schr., Krankenkassenkontrolleur in Gr., SPD. - Gruppenleiter, Vater von sechs kleinen Kindern, dreimal aus dem Bett verhaftet, von Major v. Mindwiß mit der Faust vor
wegen Beziehungen zu arischen Mädchen
Worms , 30. Auguft. Der Polizeibericht meldet: Troß verschiedener Warnungen hat schon wieder ein hiesiger jüdis scher Händler versucht, sich in anstößiger Weise einem christlichen Mädchen zu nähern. Der Betreffende wurde, wie vers schiedene seiner Raffengenoffen, dem Konzentrationss lager Osthofen zugeführt. Ferner wurden sieben Personen in das Konzentrationslager eingewiesen, weil sie versuchten, den Staat und dessen Organe und Einrichtungen „ verächtlich" zu machen.
Neun Monate
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Ein Oesterreicher vom Sondergericht verurteilt Das Sondergericht für das Land Sachsen in Freiberg hat den österreichischen Staatsbürger Karl Steininger. bisher Prokurist der Dresdner Bank, wegen Verbreitung von„ Greuelnachrichten" zu neun Monaten Gefäng= nis( der Staatsanwalt hatte sechs Monate beantragt) verurteilt. Steininger hatte in Briefen an Bekannte in Salzburg und Wien unter anderm geschrieben:
Der Terror hat nicht nachgelassen. Das Hakenkreuz spielt eine Rolle wie Tells Hut. Das Volk wird befoffen gemacht. Ich habe jeben Berkehr abgebrochen und mich auf meine jüdischen Freunde konzentriert, mit denen ich mich verbunden fühle.
In der Urteilsbegründung, die zahlreiche schwere Angriffe gegen Oesterreich enthielt, wurde als strafverschärfend bewertet, daß sich Steininger als Arier mit jüdischen Bekannten verbunden fühle und namentlich, daß er als Desterreicher solche Brief in seine Heimat schreibe, statt dorthin zu berichten, was die nationale Revolution an" Erhebendem" gebracht habe.
verständlichen Dankespflicht dessen größte und schönste Auf Rottet sie aus!"
gabe. Sie heißt:
Arbeitsbeschaffung für SA. und SS.!
Die Führer des Reichsstandes des Deutschen Handels erwarten von jedem deutschen Kaufmann, daß er Neueinstelvornehmlich aus den lungen von Angestellten Reihen der SA. und SS. vornimmt.
Hermes vor Gericht Neuer Schlag gegen das Zentrum
Berlin , 81. Aug. Wie die Justizpressestelle Berlin mitteilt, ist das Ermitts lungsverfahren gegen den früheren Präsidenten der Vereinigung der deutschen christlichen Bauernvereine, Reichs= minister a. D. Dr. phil . Andreas Hermes , abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen fortgesetter Untreue
erhoben.
Die Untreue wird darin erblickt, daß Hermes Gelder, die zur Unterstützung des landwirtschaftlichen Genossenschaftss wesens bestimmt waren, für die von ihm geleitete Vereini gung der deutschen chriftlichen Bauernvereine verwendet hat.
Hermes, der am 21. März d. J. in Untersuchungshaft ge= nommen worden war, ist vor einigen Tagen aus der unter: suchungshaft entlassen worden, da Verdunkelungsgefahr und Fluchtverdacht nicht mehr bestehe. Hermes ist 3en= trumsmann und Katholit
Nämlich die Danziger Deutschnationalen
Bekanntlich stehen die Deutschnationalen Danzigs in Opposition zur Naziregierung Rauschning und besonders der bisherige Senatspräsident von Danzig , der deutschnationale Abgeordnete Dr. Zie hm, fämpft einen aufrechten Kampf gegen die braunen Gleichschalter Danzigs . Er hat sich unter anderem am Volkstag gegen die Aufhebung der Immunität des sozialdemokratischen Fraktionsführers BriII ausgesprochen, der von den Nazis„ beschuldigt" wird, daß er Partei- und Gewerkschaftsgelder vor ihrem Zugriff bewahrt hat, weswegen er jetzt gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, Kommu nisten und Deutschnationalen, aber mit den Stimmen des Zentrums(!) verfolgt wird, obgleich er nur getan hat, was jeder aufrechte Sozialdemokrat an seiner Stelle hätte tun müssen!
In ihrer Wut über die mannhafte Haltung der Deutschnationalen haben nunmehr die Nazis zum Schlag gegen die Deutschnationalen ausgeholt. Der stellvertretende Polizeipräsident von Darsen hat sowohl im Parteibüro der Deutschnationalen wie in den Wohnungen einzelner Prominenter dieser Partei Haussuchungen vornehmen lassen num 3 wecke der Beschaffung von Beweis. material", L