DAS BUNTE BLATT

NUMMER 66- 1. JAHRGANG TAGLICHE UNTERHALTUNGS- BEILAGE DIENSTAG, DEN 5. SEPTEMBER 1933

Rebellenfahine in Marokko

noch immer wird gekämpft. Die Fafine der Legionäre Die Fahme der Legionäre

An den Felshängen des Atlas, und zwar am Dschebel Ba­dou und am Dschebel Hamdoum läuft soeben der letzte Att der Tragödie des marokkanischen Krie= ges ab, der seit 1911, nach der Ausschaltung Deutschlands aus Marokko , von Frankreich gegen die aufständischen Ber­berstämme geführt wird. Es ist dem französischen Oberkom­mandierenden General Huré gelungen, die, wie der offi­zielle Heeresbericht sagt, Ait- Hadidou- Schüßen" in die höch­sten Gebirgskämme des Dschebel Badou zurückzuwerfen und durch den Einsatz der letzten modernen Kampfmittel, vor allem der Flugzeuggeschwader der französischen Kolonial­armee, den Schlußakt des Kampfes zu erzwingen. Nach ver­lustreichen Gefechten rings um die Vorgebirge des Dschebel Badou wird nunmehr die Hochgebirgsstellung der Berber, die von Sidi Mohamed, dem Bruder des kürzlich ge= fallenen Rebellenführers, angeführt werden, durch Bomben­flugzeuge vergast und durch Minenwerfer und Steilfeuer­geschüße sturmreif geschossen.

Die Kampftechnik der Franzosen interessiert vor allem den englischen Generalstab. So hat der Gouverneur von Gibraltar auf Anweisung aus London eine Offizierskom­mission nach dem hohen Atlas entsandt, um die Kämpfe im Hochgebirge, vor allem den Flugzeugeinsatz zu studieren. Auch die englische Kolonialarmee habe demnächst- nach der Mitteilung der Londoner Presse mit afghanischen Räu­berbanden im nordindischen Gebirgsgelände zu kämpfen und man könne nicht wissen, wann die englischen Truppen einen derart komplizierten Hochgebirgs- Flugzeugangriff auszuführen hätten.

Geschichte des marokkanischen Krieges

Seit die Franzosen im Jahre 1881 Nordwestafrika besetz­ten, haben sie eine ununterbrochene Kette von militärischen Kämpfen auf sich nehmen müssen. Zunächst galt es Algier niederzuwerfen, das von den kriegerischen Ulab" unter Führung des Ben von Algier mit besonderer Hartnäckigkeit verteidigt wurde. Die französische Kolonialtruppe mußte an­dauernd vergrößert werden. Im Jahre 1841 gelang es zum erstenmal, auch eingeborene Truppen in den Kampf ein­zu setzen. Es wurde ein Korps von 20 Schwadronen Spahis gebildet und mit gutem Erfolg, später vor allem in den Feldzügen von 1859 unter dem Befehl Napoleons III. gegen Tunis und marokkanische Grenzstämme eingesetzt.

Der eigentliche Vormarsch nach Marokko begann jedoch erst im Jahre 1912, als der Marschall Lyautey mit seinem Armeekorps in Marokko einmarschierte. Von 1912 bis 1926 hatte die französisch- marokkanische Besaßungsarmee vor allem mit den Riffabylen ununterbrochene Kämpfe zu be­stehen. Auch nach der Gefangennahme Abd el Krims flackerte der Aufruhr am Rif weiter fort. Die geflüchteten Berberstämme zogen sich vor allem in das Gebiet des soge= nannten Anti- Atlas, und zwar in den Dschebel Saghro zu­rück, wohin sich alle irgendwie asozialen Elemente Maroffos, von der Gendarmerie gesuchte Diebe und Räuber zusam­menfanden.

Im November 1932 begann der erste französische Groß­ongriff gegen den Dschebel Saghro, wobei drei militärische Kolonnen im Norden, Osten und Westen gegen den Ge­birgsstock eingesetzt wurden. Im Februar 1933 sezten die Berber zum Gegenangriff an, um den Ring der Belagerer zu sprengen. Dabei wurde der Kapitän Arriahin mit sei­ner gesamten Offizierspatrouille niedergemacht. Schließlich wurden die damals noch 20 000 Mann zählenden Berber­schützen in den höchsten Teil des Atlas, in den Dschebel Ba­dou, zurückgeworfen, wo sich heute unter der Führung von Sidi Mohamed noch etwa 4000-5000 Mann halten dürften. Der Kriegsschauplay

Der Dichebel Badou ist eine Art natürliche Bergfestung, deren Hochgelände, das Plateau des Aiguilles, von einem Ring nadelspißartiger Felsen nach allen Seiten geschützt wird. General Huré versuchte zunächst den Einbruch gegen den strategisch wichtigen Berggipfel, die Bergnadel VI". Auch Sidi Mohamed erkannte die beherrschende Bedeutung der Nadel VI" und warf seine besten Schüßen in die Schlucht, die der Bergspige vorgelagert ist. Wochenlang dauerte dort der Feuerkampf, der von den Berbern mit einer fabelhaften Schießtechnik geführt wurde, so zwar, daß jeder zweite angeschossene Franzose am Kopfschuß verstarb.

Das französische Kommando setzte allmählich eine große Aktion gegen die Nadel VI" an und zog dazu sämtliche Nahkampfmittel des Kolonialforps heran. Ein riesiges Auf­gebot an Minenwerfern und Steilkampfgeschüßen wurde in Stellung gebracht und trommelte mehrere Tage auf den Bergspizen beiderseits der Nadel VI" herum. Infanterie­flieger strichen mit Gasbomben dicht über die Schüßenstel­lungen der Berber hinweg, warfen Bomben ab und nahmen mit ihren Maschinengewehren die Schüßennester der Ait Hadidou- Kämpfer unter Feuer. Es zeigte sich jedoch hier wieder einmal, daß die Kraft des Verteidigers im Hochge­birge, wie der italienisch- österreichische Kampf in den Trien­tiner Alpen im Weltkrieg bewies, nahezu ungeheuer ist. Ein gewandter Verteidiger kann sich auch dem Steilfeuer sehr rasch durch Stellungswechsel entziehen und ein Nah­fampfflieger kann durch sehr gute Schüßen sehr wohl her­untergeholt werden. Die Franzosen haben in den letzten Wochen nahezu täglich ein Flugzeug verloren. Die eigent­fiche Nadel VI" ist zwar augenblicklich in den Händen der französischen Truppen, die Berberschüßen aber haben sich bereits wieder in einer neuen Stellung am Hochatlas ein­genistet.

Die Fremdenlegion

Selbstverständlich wird der Hauptteil des Kampfes von den vier maroffanischen Regimentern der Fremdenlegion getragen, die bei ruhigen Zeiten in Sidi Bel Abbes , Mek­nes, Fes und Marrokesch garnisonieren. Unter den 17000 Mann der marokkanischen Legionäre befinden sich etwa 10000 Deutsche , die schon seit Monaten ohne

Ablösung dort oben eingesetzt worden sind. Bei den Kämp fen der Fremdenlegion werden übrigens grundsäßlich zu= nächst erst eingeborene Partisanentruppen" eingeseßt, die als Kenner des Atlasgebirges die Verstecke der Rebellen viel leichter aufzuspüren vermögen. Diese Vorkämpfe zwi­schen Rebellen und Partisanen pflegen meist sehr erbittert zu sein; denn jeder im Sold der Regierung stehende einge= borene Partisanenschüße, der in die Hände der Berber fällt, stirbt dort sofort einen qualvollen Tod. An­dererseits pflegen die Partisanentruppen die Eingeborenen­dörfer besonders brutal auszurauben und zu plündern. So­bald die Kampfberührung so nahe geworden ist wie augen­blicklich am Dschebel Badou, liegt die ganze Kampfleistung auf den Schultern der Legionäre. Lediglich französische Spe zialtruppen, Minenwerfer, Granatwerfer, Artilleristen und Flugzeugführer unterstüßen den Kampf der Legion.

Das französische Kolonialtruppenfommando pflegt sich übrigens in den letzten Jahren sehr lobend über die Kampf­moral der Legionäre auszusprechen. Desertionen sollen in den letzten Monaten sehr wenig vorgekommen sein. Das Kampfziel

Das Kampfziel der Franzosen ist natürlich die Befrei ung" des Atlas und damit Marokkos überhaupt. Dabei ver­sucht man mit allen Mitteln die Berberstämme auseinander zu manövrieren, um den Zusammenhalt der Aufständischen zu lockern und die letzte Kampftruppe zu isolieren. So hat man im März und April mit Hasso Ou Basselam, dem Häuptling der Ait Atto, verhandelt, um einen wichtigen Stamm aus der Reihe der Kämpfer herauszubrechen. Hasso Ou Basselam wurde auf die Gefechtsstelle des französischen Oberkommandierenden, des Generals Huré, gebracht und nach einer längeren Rücksprache zur Unterwerfung bewogen. Das Truppenkommando hatte bereits einige Lastwagen mit Lebensmitteln, Wein und Medikamenten bereitgestellt, um die besiegten Rebellen zu versöhnen und zu verpflegen.

Augenblicklich hält also nur noch Sidi Mohamed die Re­bellenfahne hoch. Die Franzosen haben einen Preis von 100 000 Franken auf seinen Kopf gesetzt und erwarten jeden Augenblick, spätestens mit dem Ende dieses Sommers, die Kapitulation. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob der Optimismus der französischen Kolonialverwaltung berech­William Warren. tigt ist.

3var- Kreuger- Ballade

Immer wieder taucht ein neues Gerücht auf, Jvar Kreuger habe seinen Pariser Selbstmord nur vorgetäuscht, um unerkannt irgendwo ein neues Leben zu beginnen. ( Beitungsnotig.)

Das ist die Sage vom Zündholzkönig der Welt, Des Vertreters des niedergehenden Kapitalismus schlechthin: Einerseits scheffelte Mr. Kreuger das Geld. Aber andererseits hätte Jvar am liebsten: Pfui Teufel!" geschrien.

Gleichzeitig war er ein Mensch und Kapitalist. Fiel's ihm ein, trieb er Kurse rauf, schmiß Arbeiter' rans ohne Grund.

Aeußerlich Moloch, der Dividenden nur frißt, Stand er schließlich vorm Spiegel sich gegenüber zur Mitters nachtsstund.

Jazz aus der Halle erfüllte dumpf das Hotel. Bon der Straße rauf kam das Licht der Reklamen, der Lärm von Paris . Und aus dem Goldrahmen trat ein Spiegelgesell Hoffnungslos grinsend, riß das Smokinghemd auf und nidte nur: Schieß!"

Jvar hob stumm den Revolver. Drückte dann ab. Mr. Kreuger fiel um. Doch Ivar schrie auf, da er alles begriff,

Ging ohne Hnt auf den Gang, die Treppe hinab, Durch die Halle, die Drehtür, Straßen der Stadt. Und er strolchte und pfiff. Friz Brainin

Das Wunder

der drafitlosen Telefonic

Eine gelungene Rekordleistung der modernen Technik stellt ein Radiotelefongespräch dar, das bei der letzten Fahrt des Amerikadampfers Bremen" vom Bord dieses Schiffes mit einem fahrenden Zug auf der Strecke Neuyork- Chikago geführt wurde. Eine Reisende der Nobelklasse des Schnell­dampfers war in Bremen bereits krant an Bord gekommen. Unterwegs hatte sich ihr Zustand so verschlimmert, daß der Schiffsarzt eine unverzügliche Operation vorschlagen mußte. Die Frau wollte die Operation aber nicht ohne die Zustim­mung ihres Mannes vornehmen lassen. Da sich ihr Gatte gerade auf einer Geschäftsreise befand, wurde eine Radio­verbindung zwischen dem Schiff und dem fahrenden Zug hergestellt. Die Herstellung der Verbindung gelang in über­raschend kurzer Zeit und auch die Verständigung war gut.

Die Armbanduhr

Na, nun erzählen Sie einmal. Wie war denn das mit der Armbanduhr?"

Aber die siebzehnjährige Angeklagte, die in Wien vor dem Richter steht, erzählt nicht. Sie schluchzt gottsjämmer­lich und preßt dabei den Handrücken und den halben Unter­arm vor beide Augen: so kann sie den Richter nicht sehen. Sie handelt, als wäre sie zehn Jahre jünger: ein Kind darf glauben, daß eine Sache, die es nicht sehen will, auch nicht vorhanden ist. Aber es ist etwas vorhanden, was nicht ohne weiteres aus der Welt zu schaffen ist: eine Anklage wegen Diebst a h I s. Diebstahl heißt das also nun, was da vor vier Wochen geschah.

Damals besuchte sie eine Freundin. Und damals hatte die Freundin die Armbanduhr eben geschenkt bekommen. Sie

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mädchenweisheit: Wer jederzeit kaufen kann, der kann der und ganz Lust zum Kaufen manchmal leicht widerstehen leicht der Lust zum Stehlen. Bestimmt würden bedeutend weniger Leute Armbanduhren stehlen, wenn sie sich welche kaufen könnten. Und damit hat man nichts in der Hand als eine Binsenwahrheit. Na ja..."

Drei Tage Arrest befommt Erna, bedingt auf zwei Jahre. Der Gerichtsdiener muß sie mit sanfter Gewalt hin­ausschieben, denn sie steht noch immer und schluchzt und schützt die Augen mit dem Handgelenk, an dem vor vier Wochen die wunderschöne Armbanduhr prangte. Most ar

war stolz darauf und glücklich darüber, und Glück macht die Lachen nicht verfernen

jenigen großzügig, die es nicht gewöhnt sind. So sagte denn die Freundin:" Du darfst die Uhr ein Weilchen tragen, Erna." Erna band sich die Uhr ums Handge­lenk und fand, daß das Handgelenk gleich schmaler und schö­ner aussah. Sie hielt die Uhr ans Ohr, und es tickte mert­würdig sein und zart, obwohl es die billigste der Armband­uhren war, mit einem Band aus derbem Leder und einer groben Uhr aus schlecht versilbertem Material.

Das Weilchen war recht schnell vorüber: Erna mußte ge­hen, sie hatte eine Stellung als Laufmädchen. Als sie die Uhr wieder vom Arm wegtun wollte, hielt sie plötzlich inne und sagte: Was würdest du tun, wenn ich die Uhr mit­nähme?" Die Freundin, noch immer glücklich und großzügig, lachte und antwortete: Ich würde dich einfach anzeigen." Ach, Unsinn, das tust du ja doch nicht!" lachte Erna zurück mit der Uhr am Handgelenk. und lief fort

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Die Freundin wartete eine halbe Stunde, einen halben Tag, eine halbe Woche. Erna kam nicht. Dann sah sie Erna auf der Straße. Erna lief vor der Freundin fort. An ihrem rechten Arm schimmerte die Uhr. Sie sah sehr vornehm aus, diese billige Uhr, weil alles Uebrige an Erna gar nicht vor­nehm und noch billiger war; das Kleid ausgeblaßt und schlecht genäht, die Schuhe plump, und hübsch ist Erna auch nicht. Sie schien aber zu glauben, daß die Uhr all diese Män­gel auszugleichen imstande sei. Jedenfalls brachte sie das Geraubte auch weiterhin nicht zurück, und die Freundin flagte schließlich doch.

Warum haben Sie das bloß getan?" fragt der Richter und fügt ermahnend hinzu: Man muß nicht unbedingt eine Armbanduhr haben." Er zeigt sein ungeschmücktes Handge­lent: Sehen Sie, ich bin fünfzig Jahre alt und habe auch noch keine!"

Da nimmt Erna zum erstenmal die Hand von den Augen, unterbricht ihr Schluchzen und sagt mit dünnem Stimmchen zwischen zwei dicken Seufzern: Aber Sie hätten sich jeden Tag eine kaufen können!"

Der Richter ist zunächst verblüfft. Aber ich hab's doch nicht getan!" sagt er mißverstehend und im Tone eines, der sich vor Erna zu verantworten hat. Dann aber besinnt er sich und sagt brummend: Na ja." Und dies Na ja!" ist immer­hin so etwas wie eine Anerkennung des Ernaschen Argu­ments. Gewiß, die Siebzehnjährige hat recht mit ihrer Lauf­

Ein Hörfehler

Nach dem Abendbrot schritt der Herr Staatsanwalt an der Seite seines Gastes durch seine Privatgemächer, stolz von der Architektur und dem eigenen Stil der Zimmer plaudernd. Vor einem großen Delgemälde blieben beide stehen. Sehen Sie," sagte der Staatsanwalt, hier ist mein liebstes Bild, die Göttin der Gerechtigkeit: Nemesis!" vielen Dank, Herr Staatsanwalt!" sagte der Gast und ergriff mit beiden Händen die Rechte des Gastgebers. " Ich nehme es gern! Ich lasse es gleich morgen früh ab­holen!" ( Neue J. 3.")

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Grüne Jugend

" Dieser Papagei ist hundert Jahre alt, mein Herr!" Hm, für dieses Alter ist er aber noch reichlich grün!" ( Neue J. 3.") Gerettet Meine sämtlichen Hühner find diese Nacht von Einbrechern abgeschlachtet worden!"

Und ihr scharfer Wachthund, der immer im Stall liegt?" " Der lebt noch!" ( Fliegende Blätter ")

Das junge Huhn

Wirtin: Wie ist das junge Huhn? Ich habs nicht gern geschlachtet!"

Gast: Aus welchem Grunde? Sie sind wohl zusammen aufgewachsen?" ( Fliegende Blätter ")

Aus der Schule

,, Kurt, wer hat früher regiert: Marimilian II, oder Ludwig II. ?" " Die haben beide früher regiert, Herr Lehrer!" ( Fliegende Blätter ") Nicht schwindelfrei Dachdecker zum Kollegen: Ich habe meine Braut aufgeben müssen. Sie tanzte so gern, und ich werde dabei doch immer schwindlig." ( Journal")

Ein Gemütsmensch

Das ist doch unerhört! Deine Frau geht jeden Tag mit dem jungen Mann aus und du sagst gar nichts!"

,, Man muß sich einer Neigung nicht widersetzen. Ich werde mir nächstens einige Lotterielose kaufen." Journal