Mehr Erwerbslosenkosten denn je

Bankrott der Gemeinden

Zum Stillstand gekommen

Die vorübergehende Textilbelebung

In der münsterländischen Textilindustrie ist bei den Baumwollspinnereien die Belebung der letzten

Staatskommissar Dr. Lippertonate zum Stillstand gekommen. Einzelne Firmen ver­

enthüllt den Schwindel der Siege" in der Arbeitsschlacht eichnen Rückgänge der Abrufe auf bereits getätigte Ab­

Viel weniger Aufsehen als das Feuerwerk und die Pa­raden auf dem Reichsparteitag in Nürnberg erregte eine Rede, die der Staatskommissar Dr. Lippert( Berlin ) am 31. August in Nürnberg gehalten hat. Er redete nicht durch Lautsprecher zu den in Begeisterungsausbrüche versetzten Massen, sondern vor einem geladenen Publikum im Sigungssaal des Rathauses. Den Bericht über die Rede des Staatskommissars findet man auch nicht in fetten Schlagzei­Ien auf der ersten Seite der gleichgeschalteten Presse, sondern verstedt im fleinsten Drud im Innern einiger Zeitungen. Und dennoch ist diese Rede wichtiger als der ganze Nürn­ berger Lärm. Lippert hat mit dürren Worten zugestanden, daß die Erwerbslosigkeit nicht abgenommen hat und die Finanzlage der Gemeinden, die anscheinend die Kosten für bie schwindelhaften Siege" in der Arbeitsschlacht zu tragen haben, einfach trostlos ist. Wir entnehmen aus diesem Be­richt u. a.:

Dr. Lippert schilderte eingehend die finanzielle Entwid­lung bei den Gemeinden, die unter dauernder Aufbürdung neuer Lasten rund zwei Drittel unserer arbeitsfähigen Ar= beitslosen als Ortsarme nach den Grundsätzen der Ar­menpflege betreuen mußten. Die nationalsozialistische Staatsführung sei gewillt, diesem Zustand ein Ende zu machen. Leider sei es bisher nicht möglich gewesen, die Ar­beitslosenhilfe organisatorisch und finanziell durchgreifend neu aufzubauen und dabei auch die Lasten der deutschen Gemeinden und Gemeindeverbände aus der Arbeitslosen­hilfe auf ein erträgliches Maß zu senken.

Wir müßten uns damit abfinden, daß für das laufende Rechnungsjahr 1933 mit einer wesentlichen Verringerung der Arbeitslosenlaft der Gemeinden und Gemeindevers bände nicht zu rechnen ist.

Nach einer zahlenmäßigen Darstellung der Lage der Ge­meindefinanzen, nach der die deutschen Gemeinden mit un= gedeckten Fehlbeträgen in Höhe von rund 1100 Mill. R M. in das Rechnungsjahr 1934 hinein­gehen würden, richtete Dr. Lippert an die nationaso­sialistische Regierung die eindringliche Bitte, ihre finanziellen Hilfsmaßnahmen für die deutschen Gemeinden und Gemeindeverbände auf dem Gebiet der Arbeitslosen­hilfe, zu denen sie entschlossen ist, mit der allergröß­ten Beschleunigung durchzuführen.

In der Schuldenfrage seien wir uns bisher im all­gemeinen nicht darüber klar geworden, daß der Zinsen- und Tilgungsdienst auf die riesigen von den Gemeinden auf­genommenen Schulden höher ist als die Eigenlast der Ge­meinden in der unterstüßenden Arbeitslosenhilfe.

Die Gesamtverschuldung der deutschen Gemeinden betrage rund 11,8 Milliarden RM., von denen rund 7 Milliarden

RM. langfristig und rund 4 Milliarden RM. mittel- und furzfristig seien. Der Zinsendienst für diese Schulden bes trägt insgesamt rund 720 Mill. RM. In der letzten Zeit ist nun eine Reihe von Gemeinden, vor allem größere Städte, aber auch viele Landkreise und Landgemeinden, dazu übergegangen, ihren Schuldendienst ganz oder teils weise einzustellen.

Kein Einsichtiger wird verkennen, daß diese Entwicklung nicht nur für den Kommunalkredit, sondern auch für die Lage der Gläubigerinstitute der Gemeinden verhäng. nisvoll werden kann. Es sind nicht so sehr die Privat­banken, denen aus dieser Entwicklung größere Gefahren drohen, als vielmehr die öffentlichen Kreditinstitute, vor

allem die Girozentralen, Landesbanken, Sparkassen und z. T. die öffentlichen Hypothekenanstalten, für die tatsächlich schon Gefahr im Verzug ist. Hier brauchen die deutschen Gemeinden die Hilfe der Reichs­regierung. Wie die Regierung sich entschloffen hat, für die deutsche Landwirtschaft im Hinblick auf ihre besonderen wirt­schaftlichen Verhältnisse eine allgemeine 8inssentung auf 4 Prozent durchzuführen, so sollte sie sich auch ent­schließen, für die deutschen Gemeinden und Gemeindever­bände eine allgemeine Zinssenkung auf durchweg 4 Prozent herbeizuführen. Wir sind der Ueberzeugung, daß die zu dieser Aktion erforderlichen Reichsmittel nur eine sehr be­scheidene Höhe erreichen werden. Man könnte auch erwägen, darüber hinaus den Realkreditinstituten mit Reichsmitteln beizuspringen, deren Kommunalforderungen auf 4 Prozent gesenkt würden, während die von ihnen begebenen Kommu­nalobligationen einstweilen bei 6 Prozent stehen bleiben, ähnlich wie dies hinsichtlich der ländlichen Pfandbriefinsti­tute geschehen ist.

Sollte sich die Reichsregierung im Rahmen ihres Wirts schaftsplanes zu einer allgemeinen Zinssenkung für die Gemeindeschulden nicht entschließen können, so müssen wir fie bitten, im Wege der Reichsgefeggebung ein geordnetes Berfahren bereitzustellen, indem für die einzelnen nets leidenden Gemeinden und Gemeindeverbände Entlastungs­maßnahmen bei ihrem Schuldendienst durchgeführt werden fönnen.

Die Hilfe, die den zahlungsunfähigen Gemeinden und Ge­meindeverbänden zuteil werden müßte, hätte sich in erster Linie auf die vorübergehende vollständige oder teilweise Aussetzung der Tilgung bei den Gemeindeschulden zu erstrecken. Sie müßte darüber hinaus aber auch allgemein eine Herabsetzung der Zinsenlast bet denjenigen Gemeinde­schulden bringen, deren Zinsfuß immer noch ungerechtfer­tigt hoch ist.

Scrip- Valuta und deutsche Zahlungsbilanz

Ein wichtiges währungspolitisches Thema

Die deutsche Regierung hat sich entschlossen, die von dem Transfermoratorium betroffenen Gläubiger der Auslands­schuld durch Hingabe von zunächst 50 Prozent des Zinsen­dienstes für den Rest des laufenden Jahres in Scrips end­gültig abzufinden. Man hatte zunächst damit gerechnet, daß der nicht zum Transfer gelangende Teil der Zinsen bei der neu errichteten Konversionskasse zwecks späteren Transfers stehen gelassen würde. Die Reichsbank hat eine solche Reg­Iung aber mit der Begründung abgelehnt, sie würde die schwebende Auslandsschuld des Reiches, die sich immer noch um 900 Millionen Mark Herum bewegt, nur vermehren. Die Verwertung der Scrips bleibt also dem Auslands­gläubiger überlassen und ihre Einlösung mit einem 50­prozentigen Disagio seitens der Golddiskontbank ist nur als Uebergangsmaßnahme anzusehen.

Als einzige Verwertungsmöglichkeit für Scrips fommt Bezahlung zufäßlichen Erports" in Betracht. Schon bisher konnte die Bezahlung solcher Zusagerporte im Umfang von 25 bis 60 Prozent durch Sperrmark erfolgen, deren Disagio zwischen 25 und 35 Prozent schwankt. Diese Sperrmark, zu der sich nun die sogenannte Konversions- Sperrmart gesellt, stellt( übrigens genau wie die von jeder ausländischen Reise­agentur mit Disagio gehandelte Registermark für den Reiseverkehr) unzweifelhaft eine neue, im Gegensatz zur Reichsmark unstabile Währung dar. Das Volumen dieser neuen Währung wird in Gestalt der Scrips stark erhöht, was in der ja schon vorausgesehenen Entwertung von jest mari­mal 35 auf später 50 Proz. und vielleicht auch mehr ihren Aus­druck finden wird. Dabei sei daran erinnert, daß man an die Ausgabe solcher Scrips nicht nur für Zwecke der Zins­sahlung, sondern für die Rückzahlung der jetzt blockierten Furzfristigen Kredite denkt.

Wie wird sich nun das Greshamsche Gesetz, nach dem fchlechtes Geld gutes verdrängt, im Verhältnis der Scrip­zur Reichsmartwährung auswirken? Aus den Zahlungen des 2. Semesters 1988 ist mit einem Scrip- Anfall von 180 Millionen Reichsmark zu rechnen, zu deren Verwertung ein ausäßlicher Zusaß- Export"( nämlich über die mittels Sperrmart bezahlten Zusagerporte hinaus) von rund 400 Millionen Reichsmart erforderlich wäre. Das entspräche etwa dem deutschen Export eines Monats, so daß allein durch

die Zins- Scrips, abgesehen von möglicherweise zu emittieren den Kapital- Scrips, eine Exporterhöhung von 16 Prozent eintreten müßte. Eine solche Erhöhung innerhalb der letzten sechs Monate und über den Rahmen der normalen Ausfuhr hinaus kann nicht erwartet werden. Andererseits werden die Scrips auf Verwertung um jeden Preis drängen; dieser Druck wird nicht nur infolge des Disagio der Scrip- Wäh­rung, in der ein Teil der deutschen Exporte zu 50-60 Proz. bezahlt werden fann, die deutschen Angebote verbilligen, sondern auch eine Verminderung der" normalen" zugunsten der Zusatz"-Exporte bewirken. Zur Anerkennung eines Ausfuhrgeschäfts als ausäßliches" genügt ja die Vorlegung von Dokumenten und Erklärungen, aus denen hervorgeht, daß ohne die Entgegennahme von Scrips bzw. Sperrmarf die deutsche Ware nicht konkurrenzfähig wäre. Solche Doku­

mente sind erfahrungsgemäß sehr leicht zu beschaffen, und der Anreiz für ihre Fabrikation wird um so größer, je billigeren Einkauf der schlechte Stand der Scrips, d. h. die Marge zwischen Reichsmart- und Scripnstierung, verspricht.

Eine ungünstige Auswirkung auf die deutsche Zahlungs­bilanz kann nicht ausbleiben. Schon jest dürfte ihre Aktivi­tät erheblich unter derjenigen liegen, die amtlich in Reichs­mark ausgewiesen wird eben weil ein Teil des Gegen­wertes der sogenannten Zusagerporte aus in Deutschland be­findlichen und nicht aus nach Deutschland einströmenden

Geldern stammt; das gleiche gilt heute praktisch vom samten Ausland- Reiseverkehr. Wenn jest ein weiterer Teil samten Ausland- Reiseverkehr. Wenn jest ein weiterer Teil der eigentlich als Gegenleistung für exportierte Güter ge­schuldeten Devisen durch Scrips ersetzt wird, so ist die schon gegenwärtig recht knappe Aktivität der wahren" Handels­bilanz bedroht. Deutschland ist weitgehend von Rohstoffen entblößt und wird durch die über kurz oder lang unvermeid­liche Steigerung der Rohstoffpreise an sich schon vor eine schwierige Aufgabe gestellt, zu deren Ueberwindung es Aus­landskredit braucht. Das ist der Unterschied gegenüber der Lage in Japan , England und den USA., wo zwar ebenfalls Valutadumping getrieben wird, wo man aber hinsichtlich der Rohstoffbeschaffung gesichert ist.

Dieses Moment wird von denen übersehen, die annehmen, daß die Scripwährung Deutschland nicht schädige, weil ja der Auslandgläubiger durch billige Hergabe seiner Forderung die Kosten des Valutadumping trage. Das ist ja der gleiche Gläubiger, von dessen Finanzierungsbereitschaft die deutsche Rohstoffversorgung abhängig ist. Diese Bereitschaft wird in Zukunft doch teurer als bisher erkauft werden müssen, und die Erhöhung des Zinsfußes für deutsche Kredite im Ausland wird auch an der deutschen Binnenwirtschaft nicht einflußlos vorübergehen. Die Parität der Reichsmark wird seitens der Reichsbank sicher schon deshalb aufrechterhalten werden können, weil der Umsatz darin zugunsten des Um­satzes in Sperrmark( Scrips) immer mehr zurückgehen wird. Aber auch ohne Abgehen von der Parität wird das Steigen des inländischen Preisniveaus Zeugnis von dem Wirken des Greshamschen Gesezes geben.

Gegen Deutschland Zollerhöhungen in England

Die Zölle für verschiedene Lebensmittel, für Stahl, Eisen, Baumwollgarne, Teigwaren, Süßigkeiten und andere Post­tionen, wie Rosensträucher usw. sind mit Wirkung ab 5. Sep­tember weiter erhöht worden. U. a. sind die Zölle für Hafer, Gerste und Erbsen von 10 auf 20 Prozent vom Wert herauf­gesezt worden, eine Maßnahme, die sich, wie bie englische Presse betont, gegen die deutsche Einfuhr richtet.

Die Säße für Stahl- und Eisenfabritate sind von 20 auf 38 Prozent erhöht worden, für Walzeisen von 20 auf 25 bzw. 33,5 Prozent, für verarbeitetes eder um weitere 15 Prozent. Außer Deutschland dürfte vor allem Japan durch die neuen Zollfäße betroffen werden.

schlüsse. Befriedigend ist die Lage der Fein garnspinne reien; fie flagen allerdings über die englische Konkurrenz, die durch einen ungenügenden deutschen Zoll nur wenig be­hindert werde. Die Baumwollweberei en verfügen noch über volle Beschäftigung für zwei bis drei Monate. Außerdem konnten sie durch erhöhte Gewebepreise die ge­stiegenen Kosten für Rohstoffe und Garne ausgleichen. Teil­weise wurde sogar die Verdienstspanne erhöht. Unbefriedi gend ist die Lage bei den Jutespinnereien und-webe­reien, in der Hauptsache wegen des Rückganges der Rohjute­preise. Auch bei den Leinen- und Halbleinenwebereien, die über die Unmöglichkeit klagen, ihre Gewebepreise an die ge­stiegenen Garnpreise anzupassen, ist die Lage unverändert schlecht.

Opfer der Arbeitsschlacht"

Vor den Toren der rheinischen Hauptstadt Man schreibt uns aus Köln :

"

Bei Knapsad, Sürth und Berrewath im Kölner große Industriewerke. Der im Landbezirk sind Rheinisch- 28 estfälischen Elektrizitätsmert erzeugte Strom wird in das Innere Deutschlands geleitet. Die Braunkohlengruben und Brikettwerke( Rippertwerke) beliefern das gesamte Rheinland mit Heizungsmaterial. Gold und Silber", das große chemische Wert, stellt Rohmaterial für Arzneien und Explosivstoffe her. Insge jamt 5000 Arbeiter finden in den Werken Beschäftigung. Sie rekrutieren sich meist aus der Landbevölkerung, be­arbeiten nach Feierabend ihr Stückchen Garten hinter dem Häuschen oder flicken ihren Rotten. Ab und zu geht die Frau einmal auf den Markt in die Stadt, um dort ihren fleinen Vorrat an Gemüse und ihr bißchen Obst abzusehen. Es ist nicht viel, was hierbei herauskommt, gibt aber dennoch ein kleines zusäßliches Einkommen zum Wochenverdienst des Mannes.

Die Nazis finnen hier auf Abhilfe". Sie haben die Ab­ficht, alle Arbeiter mit irgendeinem zusäßlichen Einkommen, ja selbst diejenigen, die nur in etwa die Möglichkeit haben, mit der Produktion des eigenen Gärtchens ihren Haushalt selbst zu versorgen, zu entlassen. Es fommen, wenn diese Pläne verwirklicht werden, woran faum gezweifelt werden tann, durch diese Maßnahme bret bis dreieinhalb tausend Arbeiter zur Entlassung. Hierunter fallen größtenteils die Stammannschaften, die mit den großen Gefahren der Werke vertraut sind. Die Folge von umfang­reichen Einstellungen von Neulingen wird die an und für sich schon hohe Unfanziffer innerhalb der Elektrizitäts- und Chemiewerke ins Stefordmäßige steigern, unter Umständen die Lichtversorgung des Rheinlands in Gefahr bringen. Bor allem aber werden die entlassenen Arbeiter auf einen Lebens­standard heruntergebrüdt werden, der zum Leben" faum noch etwas übrig läßt. Man scheint bei den Nazis die stille Abrede getroffen zu haben, jeden einmal die Segnungen des Wohlfahrtsempfängerdaseins verspüren zu lassen. Empö rung und Widerstandswille innerhalb der in Frage kommen­den Arbeiterschaft sind ungeheuer. Bei einem nicht geringen Teil hat sogar eine verständliche Verzweiflungsstimmung Plaß gegriffen. Jedenfalls haben alle Belegschaften sich soli­darisch erklärt uns unter sich, von Mann zu Mann, be­schlossen, der geplanten Maßnahme heftigen Widerstand ent­gegenzusetzen. Selbstverständlich lassen sich die gleichge­schalteten Gewerkschaftsvorstände ebenso wie die NSBO. nicht sehen, obwohl sie schon angerufen wurden. Sie er­flärten einmal fernmündlich, daß es sich hier um eine lokale Maßnahme der Direktion handle, mit der man sich in einer Sizung gütlich einigen müsse."

Ins Konzentrationslager!

Wie ein Blatt des Reichskanzlers die Abfahrt schildert

h. b. Die Kieler Nazizeitung veröffentlichte in diesen Tagen folgende Gemeinheit:

Heute morgen traten mit dem fahrplanmäßigen Zug, ber 8.54 Uhr Riel nach Hamburg verläßt, 40 ehemals in Kiel führende marristische Größen wie auch eine Anzahl anderer Gernegroße, die es nicht überwinden konnten, daß nun eine neue Beit in Deutschland angebrochen ist, eine große Reise an. Es handelt sich in diesem Falle allerdings nicht um eine Ferienreise, sondern um eine Reise ins Konzentrationslager. Hier wird ihnen einige Monate Gelegenheit gegeben werden, einmal darüber nachzudenken, ob es nicht vorteilhafter ge= wesen wäre, anstatt Aftionen gegen den deutschen Staat und das deutsche Belt zu planen und au infsenieren, fich einzugliedern in die große deutsche Volksgemeinschaft, und in ehrlicher Arbeit für ihre Familien und sich Brot zu schaf fen, so wie es Hunderttausende andere von ihnen einmal verführte Arbeiter auch tun, die den Weg zurückfanden.

Obwohl die Stunde des Abtransportes der Schughäftlinge geheimgehalten war, hatten sich doch zahlreiche Angehörige auf dem Bahnhof eingefunden, deren verhärmten Gesichtern man das ganze Leid der legten Monate ansah, und die, als die Schutzhäftlinge den Zug bestiegen, in Tränen ausbrachen. Es mußte deshalb sonderbar anmuten, daß die Häftlinge selbst ein wenig ernstes Wesen zur Schau trugen und an­scheinend absolut kein Verständnis für die Stimmung ihrer nun im Ungewissen bleibenden Angehörigen zeigten.

Unter den Abtransportierten bemerkten wir u. a. den ehe­maligen roten Stadtrat Schweizer und auch so manchen anderen, dessen Name einmal nicht nur in der SPD . bekannt, sondern auch gefürchtet war.

Et=

Es wäre Fronie, den jetzt in das Konzentrationslager Lichtenstein in Sachsen Ueberführten gute holung zu wünschen, wohl aber wünschen wir, daß sie dort erkennen mögen, daß es höheres gibt als das eigene Ich und daß sie nach dieser harten Schule nach Kiel zurück­kommen mit dem Vorsatze, sich nunmehr dem Wiederaufbau Deutschlands nicht mehr zu widerfesen, und an ihrer Stelle nichts weiter als auch nur ihre Pflicht in der großen Ge­meinschaft zu tun."

Wenn Naziredakteure, die immerhin noch ein gewisses Maß von äußerer Erziehung haben sollten, ihre Gegner so verhöhnen, kann man sich ausmalen, wie die mehr­lofen Opfer im Konzentrationslager erzogen" werden.