Feuilletonbeilage der„, Deutschen Freiheit"** Samstag, 9. September 1933* Ereignisse und Geschichten
Das Saarland ist auf dem besten Wege, endgültig„ gerettet" zu werden. Die Herren da drüben in Berlin werden das schon schaffen! Die hören nämlich das Gras wachsen!
Da fordert jezt der Nazi- Filmjournalist Frizz Krenn in Nr. 33 der Filmfachzeitung Der Film" die saarländischen Kinobesizer auf, um Gottes und aller Heiligen willen ja feine französischen oder„ bolschewistischen" Filme zu spielen, sondern sich brav an die Produkte der geistigen Göbbels - Prostitution zu halten.
Das läßt sich noch ertragen. Schlimm wird die Sache erst, wenn der Edelnazi Krenn hohe Politik verzapft. Das sieht dann so aus:
" Die Fäden zwischen Moskau und dem Saarland wers den immer dichter gezogen. Unter dem Schuße der Regie: rungskommission im Saarland verbreitet sich die rote Best" mit unheimlicher Schnelligkeit. Auf der einen Seite hagelt es Verbote deutschbewußter Zeitungen, und auf der anderen Seite macht sich unter den Fittichen der hohen Herren von der Regierungskommission die Front vom Sowjetstern immer breiter. Es ist eine erwiesene Tatsache, daß das aus Deutschland geflüchtete Gefindel„ drüben" mit aller Gewalt versucht, sich an dem Terror gegen jeden Deutschen zu beteiligen. Die in Saarbrücken gegründete margiftische Zeitung Deutsche Freiheit" ist der Tummelplag aller Greuelheher, an ihrer Spitze steht Kurt Groß mann , der erst fürzlich aus seinem Prager Versteck eine Portion seiner Lügen in diesem Blatt gegen Deutschland losließ."
Gegen diese Weisheiten läßt sich nichts sagen. Wenn der Verstand stillsteht, dann müssen selbst die Götter schweigen. Der Nazi Krenn hat aber noch etwas vergessen, und das
sei hier nachgeholt. Der Herausgeber der Deutschen Freiheit", Kurt Großmann in Prag , der gleichzeitig in Saar brücken herumspukt und hier den unverfänglichen Namen May Braun führt, ist nämlich identisch mit dem seinerzeit in Berlin hingerichteten Frauenmörder Großmann und hat außerdem noch genügend Zeit gefunden, bis zu seiner„ Gleichschaltung" durch Papen unter dem Namen„ Braun" den Posten des preußischen Ministerpräsidenten zu befleiden. Im übrigen ist er im Auftrage Frankreichs mit sowjetrussischen Schmiergeldern bestochen, die von der Regierungskommission des Saargebietes stammen. Wotansheil!
E. K.
Leider, so müssen wir hinzufügen, stimmt da etwas nicht. Nach dem Zeugnis der nationalsozialistischen Presse sind die angeblichen Greuelmeldungen Kurt Großmanns gar nicht in den Besitz der Deutschen Freiheit" gelangt, weil seine Briefe bereits auf der Post entwendet wurden. Die Folge ist, daß die„ Deutsche Freiheit" wegen des Mangels an Greuelmeldungen ihrem nahen Ende entgegensieht. Da werden ihr auch die Gelder nichts mehr helfen, die sie von Moskau bezieht! Herriot , der soeben dort eingetroffen ist, hat im Einvernehmen mit Stalin noch einen letzten Sanierungsversuch unternommen: Die„ Deutsche Freiheit" zum amtlichen Publikationsorgan der russischen und der französischen Regierung zu ernennen. Wir danken dem hervorragenden französischen
In unsre Jugend warfst du helles Licht. Die Wahrheit zeigtest du in flarem Schein. Der Menschen Schicksal und ihr innres Sein Erschien vor unbestechlichem Gericht.
Und Menschenliebe strahlt aus deinen Werken. Der Kampf der Menschheit um manch hohes Gnt, Er lebt darin, schlug auf zu hoher Glut Und konnte uns zu neuem Kampfe stärken.
So wurdest du der neuen Zeit ein Führer. Zur Wahrheit und zur Güte zeigteft du Den Weg, der aufwärts führt aus dumpfer Ruh, Und wardst der heißen Flammen starter Schürer.
Und nun hast du das alles preisgegeben. Der Lüge hast du seige dich gebengt, Verlassen, wofür kühn du einft gezengt. Mit Füßen trittst du hent dein ganzes Leben.
Der Haß, die Grausamkeit, der Rache Luft, Sie dürfen nun in deinem Namen morden, Zu ihrem Fest flingt in verlognen Worten Dein Lied, das einstmals klang aus reiner Brust.
C
So ließest du dich ganz erbärmlich zähmen. Vor Göbbels ' Füßen liegt ein armer Hund. Zu Gözen betet nun dein feiler Mund. Gerhart Hauptmann , fannst du dich nicht schämen? Florian Geyer .
Bolitiker für diese Hilfsbereitschaft, aber wir fürchten, daß Wir spielen mit Handgranaten"
dies nichts mehr ist als eine letzte Schalmei an unserer Bahre.
„ Erwiesene Tatsache", Herr Krenn!
Die große Keuschheitsposse
Ein Zensucvecbot von Balzacs ,, Tolldreisten Geschichten "
Das„ dritte Reich" hat auch ein Zensurverbot gegen Balzac erlassen. Zunächst gegen des Dichters Tolldreiste Ge schichten". Es ist diesmal ein Verbot, das wirklich ehrlich gemeint ist. Kein durchsichtiger radaupolitischer Vorwand
für einen bequemen Vermögensraub liegt vor. Auch dürfte sich kaum ein neudeutscher Dichterling finden, der sich damit schmeichelt, die Position und die Tantiemen des längst in jedem Sinne dieses kostbaren Wortes freigewordenen Balzac zu beziehen. Dieser Balzac ist den Nazimachthabern vielmehr, man lese und staune weiter nicht: zu unsittlich. Drin= gende völkische Besorgnis gilt dem gallischen Gift des großen Menschen- und Sitten wie Unfittenschilderers. Es ist allzu naheliegend, um einfach und bequem verschwiegen werden zu können, daß sich die jetzt bereits hie und da hervorwagenden Beschwichtigungsanwälte des neudeutschen AntiFulturfurses auf das feineswegs abzuleugnende bolschewifische Beispiel stüßen werden. Sowjetrußland hat bekanntlich unter anderen sogar Tolstoi und Dostojewskii auf seinen streng fommunistischen Index gefeßt. Das geschah allerdings mit dem ganzen und ungeheuchelten Einsatz einer Klassenideologie, die sich unterdessen bereits in vielen wesent
licheren und gerade in diefen geistigen Bunften furalebiger des russischen Volkes und der russischen Seele ohne Unterschied irgend einer, außer einer rein menschlichen Gesinnung.
gezeigt hat als die so unbedacht verfemten grandiosen Dichter
Im dritten Reich" ist etwas ganz anderes, allerdings etwas noch viel weniger Lebens- und Denkensfähiges ge= plant: nichts anderes als die praktische Einbürgerung und Legitimierung von Spießerphrasen, die jahrelang am politischen Stammtisch gebrüllt wurden. Das romanische Ausland etwa hat es niemals begriffen, daß der deutsche Nationalismus nach außen hin derartige Gretchenzopf- Allüren betätigt. Hitler- Deutschland hat dem Bubikopf, dem Lippenstift, der Puderquaste, dem Seidenstrumpf und jeder weiblichen modischen Intimität, die nicht von der Barchentindustrie befitten wird, unversöhnlichen und grundsäßlichen Krieg angesagt. Der Versuch, diese Askese der Einfalt von dem unvermeidlichen Fluch der Lächerlichkeit zu befreien, führt in deutschen Städten immer wieder zu ebenso indisfutablen wie dem Ergößen der gesamten Kulturwelt dienenden Zwischenfällen. Amerikanerinnen, Bolinnen, Schwedinnen sind in deutschen Lokalen, da sie den Lippenstift zückten
oder mit einem„ dunkelraffigen" Savalier konversierten, be
reits ebenso gesinnungsfest wie saugrob an das jetzt vorschriftsmäßige Verhalten der deutschen Frau erinnert worden. Die Entschuldigungen, die daraufhin in der Regel bei den Konsulaten der betreffenden Länder erfolgen müssen, sind gewissermaßen symbolisch. Es sind Rückzüge nicht nur vor der Zivilisation, sondern auch vor dem Geiste eines Eros, der nichts zu schaffen haben will mit der Keuschheitsposse ebenso uninformierter wie erbitterter Pubertätsvisionen.
Balzac als gefährlichen Bornographen zu verbieten, dazu gehört die ganze drollige Sexualangst einer aufgescheuchten Gymnasialfantasie. Man vergleiche damit die enthusiastische Gelassenheit, mit der Mussolini in seinen Gesprächen mit Emil Ludwig über Balzac als eines seiner menschlichen und Lünstlerischen Jdole spricht, mit der Wucht und der Witterung, wie sie die paar Säße über den unvergleichlichen Plastiker der Menschenseele enthalten. Mussolini hat jedenfalls, mas man freilich von seinen deutschen Nachahmern nicht verlangen kann, den Heroismus Valzacs erkannt, einen völlig unpolitischen, aber vor feinerlei menschlicher Tiefe und Unfiefe zurückschreckenden Heldenmut der Schilderung wie der Schlußfolgerung. Den Fanatiker in Mussolini begeistert die
"
Der Geist der deutschen Jugend
Die Jugendbeilage des Dortmunder Generalanzeigers" bringt einen Bericht aus den Sommerferien, die 85 deutsche Großstadtjungens in einem Seltlager auf der Insel Borfum verbrachten, in dem es heißt:„ Sehr anstrengend ist das Handgranatenwerfen. Trotzdem wird häufig eine Stunde dafür angesetzt. Wir haben Holzgranaten, die 800 Gramm wiegen und unten mit Eisenringen beschwert find. Wir warfen in den Dünen aus allen möglichen Lagen; stehend, liegend, hinter und an einer Wand usw. Gerade diese Uebung machte uns viel Spaß."
Es ist ein grauenhaftes Spiel, das mit den Kindern
malerische und restlose Unerbittlichkeit, mit der dieser Dichter Deutschlands getrieben wird. der menschlichen Tragikomödien den Kampf gegen die Materie wie die Illussion wieder aufnahm. Dieser rein geistige Weltkrieg, den ein Genie gegen jegliche Form von Mangel
an Verständnis wie an Erträgnis ſeiner Wunderwerte geführt hat, ist freilich für das jetzt herrschende deutsch - völkische Gehirn niemals geführt worden. Denn was hat dieses Gehirn von Balzac behalten: Ein paar satirisch- erotische Situa= tionen!
Man kann von Adolf Hitler , dessen Privatstunden mit verräterisch- romantischer Karl- May - Lektüre angefüllt sind, nicht verlangen, daß er dem Duce den Gefallen tut, am Ende gar Balzac zu lesen. Es wäre auch eine riskante Lektüre. Denn bei den großen und erschöpfenden Menschenzeichnern wie Balzac und Shakespeare finden wir alle, so sehr wir an Charakter oder Handlungsweise verschieden sein mögen, uns restlos wieder. Der Osaf vielleicht sich selbst, und nicht sehr schmeichelhaft.
Weg mit den Tüchtigen
Die Lehrbefugnis entzogen
Den ordentlichen Honorarprofessoren Dr. Albert Fraenfel ( Tuberkulose), Dr. Walter Lenel( Mittlere Geschichte), Dr. Siegfried Loewe ( Pharmakologie) und Dr. Leopold Perels ( Deutsches Privatrecht), dem nichtplanmäßigen außerordentlichen Professoren Dr. Ludwig Schreiber( Augenheilkunde) und den Privatdozenten Dr. Raymond Klibansky ( Philosophie), Dr. Hans Laser( Pathologie), Dr. Walter Pagel ( Pa= thologische Anatomie und Geschichte der Medizin), Dr. Friz Stern( Haut- und Geschlechtskrankheiten) und Dr. Ernst Witebsky( Immunitätslehre und Serologie), sämtliche an der Universität Heidelberg , ist mit Wirkung vom Tage der Eröffnung der Entschließung gemäß§ 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in Verbindung mit Nr. 8 zu§ 7 der Dritten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums die Lehrbefugnis entzogen worden.
Sie brauchen einen Fuden
Der würdelose Horst- Wessel - Film
In Berlin wurde bekanntlich vor kurzem der„ HorstWessel- Film" gedreht. Für diesen Zwed wurde das heutige Horst- Wessel- Haus wieder in ein„ Karl- Liebknecht- Haus" zu rückverwandelt, und auf dem Bülowplatz wurden kommunistische Straßenkämpfe inszeniert. Für diesen Film wurde auch ein Schauspieler gebraucht, der die Rolle eines den Begriffen des dritten Reiches" entsprechenden Juden mimen sollte. Zuerst wollte sich niemand finden. Dann aber hat sich der einst geachtete Schauspieler Hugo Doeblin , ein Bruder des bekannten Romanschriftstellers Alfred Doeblin , dessen Werke dem Autodafe seinerzeit zum Opfer gefallen sind, be= reit gefunden, die üble Rolle zu übernehmen.
Fatal ist mir das Lumpenpack, das, um die Herzen zu rühren, den Patriotismus trägt zur Schau mit allen seinen Geschwüren."
( Wintermärchen".)
Mutterschutz ,, kulturbolschewistisch" Was sie verbieten
Wie die Pressestelle des badischen Staatsministeriums mitteilt, wurde in Baden eine Reihe kulturbolschewi= stischer Organisationen aufgelöst und ihr Vermögen beschlagnahmt. Darunter sind der Reichsverband für Geburtenreglung und Sexualhygiene, Verbände und Gesellschaften für Sexualreform, die Liga für Mutterschutz und ihre Volksbünde, der Einheitsverband für proletarische Serualreform, der Reichsbund für Lebensreform, die Vereinigung zur Kleinhaltung der Familie und der Verein für Ehereform. Ihre Zeitschriften sind gleichfalls verboten worden.
Was man sich zuflüstert
Berichtigung. Es ist unwahr, daß Göring von Hindenburg zum General ernannt worden ist, vielmehr wurde er zum Generalbranddirektor ernannt, und nur durch eine Abkürzung dieses Titels ist das Mißverständnis entstanden.
Warum heißt das Gut Hindenburg Neuded ? Weil sich der Eigentümer alle paar Jahre die Spesen, die er dort ge= habt hat, vom deutschen Volk neu decken läßt.
Die Bewohner von Sylt, die der Ruhm von Norderney nicht schlafen läßt, haben bei Göring den Antrag gestellt, die ihnen benachbarte iütische Küst e" durch die SA. besetzen und gleichschalten zu lassen.
Braune Geschichte
Herr Göbbels hat die erstaunliche Feststellung gemacht, daß der faschistische Römergruß, den die Hitlerleute übernommen haben, bereits bei Martin Luther , ia sogar bei Hermann dem Cherusfer Sitte war!
Nicht nur der Dr. Martin Luther , Auch Adam, wie wir jetzt erfahren, Und Eva, als der Menschheit Mutter Sie waren Hakenkreuz- Babaren!
Und in der Arche jenes Noah, Der durch die Sündflut durchgefegelt, Hat eine artbewußte Boa Den Herrn des Hauses angeflegelt!
Die Höhlenmenschen, sehr verständlich, Die Ihresgleichen gern verspeisten, Betätigten fich hitlerhändlich, Wenn sie um ihre Opfer kreisten!
Eins aber ist uns sehr erklärlich, Daß, fagen wir, die Menschenaffen, Die ja jetzt drüben sehr entbehrlich, Nach braunem Ebenbild erschaffen!