Arbeiterklasse und Abrüstung

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Die Entschließung der gemeinsamen Abrüstungskommission der Sozialistischen Arbeiter- Internationale und des Internationalen Gewerkschafts- Bundes

Wir tragen aus den Beratungen der Pariser Konferena noch folgende Entschließung nach:

Der JGB. und die SAJ. stellen fest, daß die Abrüstungs­konferenz des Völkerbundes nicht zu positiven Abrüstungs­maßnahmen gelangt ist. Andererseits haben die ständige Durchbrechung des Völkerbundspaktes und der Verträge durch Japan , die Ausbreitung des Faschismus in Europa in­folge der Machtergreifung Hitlers in Deutschland und der offenkundige Wilfe zur geheimen Wiederaufrüstung, den der deutsche Faschismus nicht verhehlt, zur Wirkung, daß die Menschheit zugleich von einer Verstärkung der Rüstungen, zu der die großen Länder entschlossen scheinen oder sich resigniert haben und von den Möglichkeiten eines Krieges be­droht ist, der alle erfassen wird.

Diese Feststellungen zwingen die Völker und die Regierun­gen, und besonders die Arbeiterklasse, dem Ernst der Situa­tion ins Auge zu sehen, die ihren Ursprung besonders in den Wiederaufrüstungsbestrebungen einer Re­gierung hat, die alle demokratischen Rechte und Frethettenvernichtet, zur Gewalt nach außen hin ent­schloffen ist, wie sie es zur Gewalt im Innern des Landes ist, und die eine My stit des Revanche- und Eroberungskrieges fördert.

Die Abrüstungskonferenz des Völkerbundes muß unver­züglich ihre Arbeiten mit der festen Absicht aufnehmen, zu einer wirksamen Reduktion der Rüstungen zu gelangen, die allein imstande ist, die Kriegsgefahr einzu­dämmen.

Die SAJ. und der JGB. betonen von neuem ihren gemein: famen Standpunkt zugunsten der Gleichheit der Rechte und der Pflichten aller Nationen, die keineswegs in der Wieder: aufrüstung irgend eines Landes ihren Ausdruck findet. Unter den Maßnahmen, die die SAJ. und der JGB. als wesentlich betrachten und die infolge der geheimen Rüstungen, der Unterdrückung der politischen und gewerkschaftlichen Or ganisationsfreiheit, der Presse- und Meinungsfreiheit noch dringlicher geworden ist, nimmt für sie den ersten Platz ein die vollkommene Abschaffung der privaten 28 affenfabrikation und die Errichtung einer Kon­trolle, die ständig und an Ort und Stelle in allen Län= bern fungieren soll.

Die SAJ. und der JGB. fordern dringend alle Ange­hörigen der ihnen angeschlossenen Arbeiterorganisationen auf. die Errichtung und die Tätigkeit dieser Kontrolle tatkräftig zu unterstützen.

In voller Uebereinstimmung mit dem Brüsseler Gewerks fchaftskongreß 1933 erklären die SAJ. und der JGB., daß ber Generalstreik das legte Mittel der Arbeiterklasse gegen den Krieg bleibt,

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wenn alle Mittel politischer und parlamentarischer Einfluß­nahme versucht wurden und sich unwirksam erwiesen haben.

Im Rahmen der gegenwärtigen internationalen Verträge ist der Augenblick für diese äußerste Kraftanstrengung der Arbeiterklasse bestimmt nur die Schiedsgerichtsbar tett, sei es, daß der Vorsitzende des Völkerbundsrates die schiedsgerichtliche Entscheidung auf Grund des Artikels 2 der Satzung herbeiführt, sei es, daß eine Regierung ste in An wendung des Völkerbundspaktes oder des Pariser Kriegs­ächtungspaktes fordert, oder wenn beides nicht der Fall ist, JGB. und SAJ. selbst die schiedsgerichtliche Entscheidung angesichts des Ernstes der internationalen Ereignisse für un­umgängig notwendig halten.

Jedes Land, das sich weigert, diesen Weg zu beschreiten, muß von der internationalen Arbeiterbewegung als Angreifer angesehen werden. Von diesem Augenblick an ist es die Pflicht der organisierten Arbeiter, den Generalstreik in diesem Lande außzulösen. Die Pflicht der Organisationen der anderen Länder ist es, diese Bewegung zu unterstüßen und den Boykott des Angreiferlandes zu organisieren. Die beiden Internationalen lenken die Aufmerksamkeit der Welt auf die Gefahren, die die ständige und tolerierte Ver­legung der allgemeinen Packte und Verträge zur Folge hat. Auf diese Weise wird die Autorität der internationalen Jn stanzen herabgesetzt und mit jedem Tage wird mehr und mehr eine Wiederkehr zur internationalen Anarchie möglich, die bereits den Krieg von 1914 hervorgerufen und in jüngster Zeit infolge der Nichtbeachtung der neuen inter­nationalen Verträge einen Eroberungskrieg im äußersten Often zur Folge gehabt hat.

Die Regierungen mögen sich bewußt sein, daß der Sozialis mus und die Arbeiterorganisationen ihnen die Verant wortung auferlegen werden, wenn sie sich nicht zu einer entschiedeneren und kraftvolleren internationalen Politik ent­schließen.

Im Augenblick, da die Umtriebe der faschistischen Regierungen zu jeder Unruhe und zu jedem Mißtrauen Anlaß geben, obliegt den demokratischen Regierungen die un­bedingte Pflicht, diese Verlegungen internationaler Konven tionen nicht zu dulden und an keinerlei Intrigen in der Frage der Abrüstung teilzunehmen.

Die Abrüftungskonferenz fann weder verschwinden noch fich selber aufgeben, um die Bahn zur Wiederaufrüstung, zu einem neuerlichen Rüstungswettlauf im bewaffneten Frieden und zur Weltkatastrophe freizulegen.

Ein Vertrag über weitgehende Abrüstung, die ge­nauester Kontrolle unterliegen soll, ist eine Sicher­beitsgarantie für alle. Er muß endlich abgeschlossen

werden.

Militarisierte Jugend

Wie das Ausland die deutsche Jungmannschaft sicht- Genaue Angaben

Der Manchester Guardian" bringt einen längeren Be­richt aus Deutschland , der ins einzelne gehende Angaben über den wahren Charakter der Arbeitsdienstlager als militärische Ausbildungsstätten enthält. Wir entnehmen dem langen Artikel, der offenbar aus allerbester Quelle stammt, die folgenden Angaben:

Döberitz ist hermetisch vor Besuchern abgeschloffen burch Patrouillen und Wachen. Auswärtige Journalisten find nur bei Führungen zugelassen und eine allgemeine Anordnung ist erlaffen worden, wonach Waffen nicht zur Schau gestellt werden dürfen, SA. und Stahlhelm wer ben in Döberig unter der Aufsicht regulärer Truppen von der Reichswehr in neuen Gewehren( 98) und schweren Maschinengewehren ausgebildet. Die Schießstände der Reichswehr sind auch für SA. und Stahlhelm zugänglich ( Heeresverordnung 38, Nr. 15).

In Küstrin machen 150 Mann aus Arbeitslagern einen Kursus im Maschinengewehrschießen durch.

In Jüterbog und Wusterhausen werden SA. ­Abteilungen im Gewehrschießen, Bombenwerfen und Maschinengewehrschießen ausgebildet, um ihnen die Quas lifikation als SA .- Offizier zu geben. Um den militärischen Charakter zu verbergen, tragen sie die Uniform des Bahn­Schußes.

Der Sturm 28/18 der SA. wurde sorgfältig in der Be­nnzung von Revolvern, Karabinern und leichtem Maschinengewehr im Juli ausgebildet.

In Elsgrund bei Döberitz werden SA .- Sturms führer von Reichswehroffizieren in der Benuhung von Maschinengewehren, Feldartillerie, Kartenlesen usw. aus:

gebildet.

Seit Juli find die SA .- Lente nicht mehr gefragt worden, ob sie freiwillig an den von der Reichswehr veranstalteten Kursen teilnehmen wollen. Sie sind ein­fach zu dieser Arbeit kommandiert worden.

In Leipzig find SA ., Stahlhelm, Werwolf usw. in allen Reichswehrkasernen, wo sie an leichten und schweren Maschinengewehren, Minenwerfern und Artillerie ansges bildet werden. Die Ausbildung an den leichten Waffen er­folgt zusammen mit der Polizei.

Zuchthans bestraft werden, wenn fie irgendwelche Auss

künfte nach außen geben.

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Der Wehr stahlhelm- das sind Stahlhelmmänner bis zu 35 Jahren und qualifizierte ältere Männer in die SA , eingegliedert werden. Am 1. November erfolgt nach einer Verordnung, die von Hitlers Stabschef Röhm und dem Gruppenführer von Morosowicz gezeichnet ist, die völlige Verschmelzung zu einer unauflöslichen Einheit. Der Führer der SA.: Gruppe Berlin: Brandenburg hat den Bericht von 20 Ingenieuren in der SA . angefordert, damit die Arbeit zu einer neuen Schiffswerft begonnen werden kann. Der frühere Militär: flughafen in Bug( Rügen ), der nach dem Kriege aufgegeben wurde, wird jeßt wieder instand gesezt. Zwei Wasserflug­zeuge find schon da und Bombenwerfen wird geübt mit Attrappenbomben und einer Zielscheibe, die auf die Erde gemalt ist. Das Vorgebirge von Bug ist für Besucher und Verkehr gesperrt. Hundert Mann vom Arbeitslager find dort stationiert. Das Kinderheim in Wieck wird in Kasernen für Flieger umgewandelt. Es ist ein modernes Gebäude, das ungefähr 1500 Personen beherbergen kann. Im allgemeinen sind die Beziehungen zwischen Stahlhelm und Reichswehr gut, aber zwischen ihnen und der SA. besteht oft Mißtrauen. Am 21. Juli fand ein privates Treffen von Stahlhelmführern eines bestimmten Bezirkes( der Name tann hier nicht genannt werden) statt, auf dem recht offen gesprochen wurde. Der ganze Wehrsport wurde als Mödsinn bezeichnet, der Unglaube in die Bez hauptungen der deutschen Regierung, daß die Arbeits­losigkeit zurückgegangen sei, kam zum Ausdruck, das Pros gramm der Arbeitslager wurde als Quatsch bezeichnet und es wurde rundherans gesagt, daß Göring sehr uns populär sei wegen seiner Prahlsucht und Eitelkeit und daß man ihn nicht mehr ernst nehme".

Soweit der Bericht, dessen detaillierte Angaben zeigen, daß der Verfasser gut Bescheid weiß. Jeder Satz klingt wahrscheinlich. Für Deutschland wirkt der Bericht nicht. Offenbar hat man in Berlin die Katastrophe mit der Schwarzen Reichswehr bereits wieder vergessen

In Mödern find etwa 200 SA .- Männer mit der Schule als Kasernenhof

Polizei für zwei bis drei Monate stationiert. Sie tragen Polizeiuniform und das 98er- Gewehr.

In Grimma find zwei SA .- Stürme in den Kasernen und werden als Jufanteristen bzw. Artilleristen ausges bildet. Die Kurse sind streng geheim und werden unter dem Namen Wanderkurse des Nationalen Athleten­Bundes verborgen. Die Rekruten werden bei der Ver= eidigung unterrichtet, daß sie mit mindestens sechs Jahren

( Inpreß): Die Frankfurter Stadtverwaltung hat in sämt­lichen Schulen ein neues Zeremoniell eingeführt. Bevor der Unterricht beginnt, passiert der Lehrer die Front der Schü­ler und grüßt mit emporgeredtem rechtem Arm. Die Klasse schreit, den rechten Arm ebenfalls erhebend: Hell Hitler". Nach Schluß des Unterrichts wiederholt sich das Marionetten­spiel auf dem Schulhof, worauf die Schüler in ausgerich= tetem Doppelglied abmarschieren.

Die Dienstpflicht

Den neuen Herren des armen Deutschlands wird es mit der Verbesserung ihrer Raffe allmählich ernst. Sie betrachten sich selbst, beginnen sich zu erkennen, und da

ist

es kein Wunder, wenn der lebhafte Wunsch in ihnen erwacht, dieſe Raffe zu verbessern. Alſo wird mit Behe

menz an die Arbeit gegangen: Rasseämter werden ge­schaffen, Zuchtwarte ernannt, es geht, wie bei jeder Gründung, luftig und heiter zu. Schon verbietet man den Juden bei Strafe der Kastration den Umgang mit arischen Mädchen, schon verlangt man, daß der deutsche Jüngling kein Mädchen mit ovalen Brüsten küre, kurz: es geht mit Riesenschritten vorwärts. Jm Deutschen Aerzteblatt ", dem offiziellen Fachorgan der deutschen Aerzte, umschreibt der Reichsinnenminister Frick die Auf gabe des deutschen Arztes: Sicherung, Vermehrung und Veredlung der deutschen artgleichen Menschen habe dem Arzt als höchstes Ziel des deutschen Staates zu gelten. Da eine solche Sicherung und Vermehrung immerhin mit einer gewissen, wenn auch mitunter nicht allzu unange­nehmen Arbeit verbunden ist, kommt in dem gleichen Organ auch der Reichsarbeitsminister Franz Seldte zu Wort, der die Aufgabe des Arztes auch von der mehr negativen Seite betrachtet: die Berufung des Arztes sei es, dem ganzen Volkskörper in Deutschland zur Ges fundung, zur allmählichen Ausmerzung des Artfremden und zur Reinhaltung des Arteigenen zu verhelfen".

Um die dem Arzt so gestellte Doppelaufgabe, nämlich auszumerzen" und zu vermehren", nach Möglichkeit leichter zu gestalten, hat da kürzlich im Göbbelsschen Ministerium für Bolksaufklärung und Propaganda eine Besprechung mit medizinischen Pressevertretern statt­gefunden, in der der Dezernent, Herr Doktor Thomalla - nach einem Bericht des 8- Uhr- Abendblattes"- be­kanntgab, daß die Regierung plane, den Kampf gegen die Geburtenbeschränkung mit allen Mitteln aufzu nehmen. In den Dienst dieses Kampfes sollen neben den Zeitungen vor allem die Arbeits. dienstpflichtigen gestellt werden".

Es entsteht nun die Frage, welcher Art diese Dienste sein werden, die man da von den Arbeitsdienstpflichtigen verlangt. Wird man mit dem Achtstundentag bei dieser Aufbauarbeit das Auslangen finden? Erfolgt die Be. zahlung nach den bisher üblichen niedrigen Entlohnungs. skalen für diese bedauernswerte Kategorie der Dienst pflichtigen oder wird eine Separatgratifikation verab folgt?

Aber auch noch andere, wichtigere Fragen tauchen auf: wie werden sich SS. und SA . zu dieser offiziellen Bevor­zugung der Arbeitsdienstpflichtigen verhalten? Wird die SA., die bisher mehr zu Ausmerzungs"-Arbeiten ver­wendet wurde, nicht mit allen Kräften danach streben, ihre Kraft in den Dienst dieser Aufbauarbeit zu stellen? Und die SS.? Soll sie, wenn es einmal Arbeit im Vollen gibt, beiseite stehen und leer ausgehen? Auch hier regen sich Kräfte und drängen nach Entfaltung und Vermeh­

rung.

Wenn also die böse Auslandspresse in nächster Zeit etwa wieder von Konflikten zwischen SA . und SS. zu berichten haben wird, so liegen deren Ursache gewiß nicht in der Unzufriedenheit der SA . mit dem bourgeoisen Regime des Herrn Thyssen, sondern nur in dem un­bezähmbaren Eifer beider Truppengattungen, möglichst piel zur Dienstleistung für die Vermehrung der artgleichen Menschen des Staates höchstes Ziel herangezogen zu werden, wobei allerdings mitunter eine kleine Zer­streuung, bestehend in der Ausmerzung artfremder Unter­menschen kein geringeres Hochziel des Staates erwünscht sein dürfte.

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Pfälzer Brief Sittliche Erneuerer

Stefan Pollatschek.

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Wie man im dritten Reich" die sittliche Erneuerung auf­faßt, beweist folgender Fall: Der Kreisleiter der NSDAP . in Speyer am Rhein ist ein gewisser Höber. Ein schwer­friegsbeschädigter Bahnbeamter mußte, weil er plößlich frant wurde, vom Dienst früher als die übliche Zeit nach Hause gehen. Der Mann ist was sollte ein Bahnbeamter im britten Reich" sonst sein?- selber Pg. Als er die Woh­nung betrat, fand er seine Frau mit einem Mann zusammen, und zwar in ganz unzweideutiger Situation. Wer war der andere Mann? Er war einer von Hitlers Getreuesten. Ein ,, alter Kämpfer". Einer der sittlichen Erneuerer". Der jenige, der die Reinheit der germanischen Ehe als das höchste und schönste Ideal in einer Unzahl von Versamm­lungen gepriesen hatte. Es war der Kreisleiter Höber. Jetzt ist er spurlos verschwunden. Niemand weiß wohin. Wahrscheinlich ist er versetzt, und wirkt jetzt ander­wärts als treuer brauner Soldat, als Propagandist der fitt­lichen Wiedergeburt des deutschen Volkes durch das dritte Reich".

Ebenfalls aus Speyer verschwunden ist ein NSBO.. Leiter. Er soll bei der Firma Holzmann, bei der er be­schäftigt war, 3000 Mark unterschlagen haben. Die Sache wurde mit größter Peinlichkeit behandelt. Aber die Fama arbeitet schnell und sicher. Ganz Speyer weiß Bescheid. In den Reihen der marristischen Korruptionisten" herrscht eitel Schadenfreude.

Neuer Dienst der SA .

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-Gerichtsvollzieherschutz

In vorderpfälzischen Zeitungen konnte man Ankündi­gungen von Zwangsversteigerungen lesen. So stand im Rheinischen Volksblatt", daß einem Landwirt in Speyer am Burgweg eineinhalb Morgen Weizen vom Halm" versteigert wurde. Der Gerichtsvollzieher amtierte unter dem Schuße von SA .

Vor einem Jahr noch war es eine Heldentat, wenn Hitlers braune Soldaten angeblich aus Bauernfreundlichkeit den Gerichtsvollzieher aus dem Dorf hinausprügelten. Es ver­ging fast kein Tag, an dem nicht Siegesmeldungen der Art durch die braune Presse verbreitet wurden. Und heute? SA . als Vollstreckungsschuh! Das heißt, Organ der Voll­streckungsbehörden. Das heißt, um in dem Jargon der Beute zu bleiben, den Bauern helfen ausrauben. Das ganze aber unter der Ueberschrift: Bauernhilfe.