„ Die deutsche Regierung
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verfolgt ausländische Berichterstatter.. Mowrer, der Korrespondent des..Chicago Daily News" über Presseireiheit im Nazilande
Wir lassen nachstehend den Wortlaut des Briefes folgen, den der Präsident der Auslands- Journalisten in Deutschland , der Nordamerikaner Edgar A. Mowrer , Korrespondent der hochangesehenen ,, Chicago Daily News", an die Generalversammlung der ausländischen Pressevereinigung Deutschlands gerichtet hat, und der zugleich einer der besten und unmiẞverständlichsten Kommentare zu dem bekannten Protest der gleichgeschalteten Nazipresse des Saargebiets beim Völkerbundsrat liefert:
Ich gebe mich keinen Illusionen darüber hin, daß mein Abschied aus Ihrer Mitte auf deutscher Seite falsch ausgelegt werden wird. Eine neue Lage entstand für mich, als vor einigen Wochen die preußischen Behörden es für nötig hielten, unsern achtundsechzigjährigen Kollegen Paul Goldmann zu verhaften. Wir machten einige vergebliche Versuche, ihn freizubekommen, und schließlich beschloß ich, seine Freilassung durch meinen Rücktritt vom Vereinsvorsiz zu erkaufen.
Mein Rücktritt aber ermunterte offenbar die deutsche Regierung in ihrem Bestreben, Prestige unter den Böltern zu erwerben das durch, daß sie ihre Fähigkeit unter Beweis ftellte, einen ausländischen Berichterstatter zu besiegen. Kurz nachdem mein Rücktritt bes fannt geworden war, wurde der Vertreter der deutschen Regierung sowohl in Washing ton als auch in Berlin bei den zuständigen amerikanischen Behörden vorstellig mit dem Verlangen, daß ich sobald als möglich Deutschland verlassen soll.
Die deutsche Regierung hätte mich jederzeit als läftigen Ausländer ausweisen können. Aber daran lag ihr nicht, denn ihr Bestreben war, wie mir das auch unter der Hand mitge teilt wurde, einerseits den Eindrud zu erwecken, daß die Auslandspresse in Berlin gänzlich frei und unbeeinflußt sei, und auf der anderen Seite die Abreise solcher Berichterstatter zu veranlassen, deren Kenntnis der Lage in Deutschland groß genug ist, der deutschen Propaganda nicht zum Opfer zu fallen. Deshalb sagte die deutsche Regierung nicht einfach: Rufen Sie Mowrer zurück oder wir werfen ihn hinaus", fondern sie sagte:„ Solen Sie Mowrer aus Deutschland zu rück, und zwar so schnell wie möglich, da wir für seine leibliche Sicherheit nicht mehr einstehen kön nen". Vielleicht, daß in dieser Behauptung etwas steckt.
Es liegt wohl keine Sensation in dem Ges ständnis, daß die offizielle deutsche Regierung nicht unbegrenzte Macht über die verschiedenen Parteiinstanzen bes sigt. Trotzdem aber steht es in der diplomatischen Geschichte einzig da, baßeine reguläre, fest im Sattel sigende Regierung ihre Ohnmacht ausländischen Diplomaten gegenübereingesteht.
Angesichts der dringlischen Warnung, daß ich nicht sicher wäre, wenn ich noch länger hier bleibe, drängte mich die amerikanische Regierung und die amerikanische Vertretung in Berlin , meine Abreise von Berlin zu beschleunigen.
Wäre ich unter diesen Umständen gegen den Wunsch der diplomatischen Vertreter meiner Heimat hiergeblieben und wäre dann tatsächlich irgend etwas vorgekommen, so wäre die deutsche Regierung in der Lage gewesen, jede Verantwortung abzulehnen. Mir blieb also nichts anderes übrig, als zu gehen. Aus diesem Grund, und aus diesem Grund allein kann ich an Ihrer nächsten Versammlung nicht teilnehmen.
Vielleicht wissen nur wenige von Ihnen, wie groß die Verlust liste unserer Mitglie: der ist, die sich geweigert haben, ihre Unab: hängigkeit gegenüber der deutschen Regies rung aufzugeben.
Fontamara
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Die Kollegen Abromovic( Forward", Newyork), Bendz(„ Dagens Nyheter ", Kopenhagen ), Gödemann ( Telegraaf", Amsterdam ), seller( Kuryer Codzienny", Srakan), Jorgensen( Sozialdemokrat", Kopenhagen ), Klinow Jewish Morning Journal", Neuyork). Nilson ( Göteborga Tidningen") haben Deutschland verlassen, nur weil es ihnen unmöglich war, unter den ob waltenden Umständen ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Kollege Kuh( United Preß") wurde unter Androhung törperlicher 3üchtigung überzeugt, daß es das beste für ihn fei, bas Land zu verlassen, Kollege Deuß( Hearstpresse) wurde von Göring so gut wie aus dem Lande herausgeworfen, Kollege Olberg( Sozialdemos traten", Stockholm ) reifte ab, nachdem eine aussuchung bei ihm abgehalten worden war.
Die Kolleden Lestschinsky( Forward", Nenyork) und Wasserbäck( Wiener Korrespondenz- Büro") wurden offiziell aus Deutschland ausgewiesen, der eine als Berichterstatter, der andere als Diplomat. Beide, sowohl Wasserbäck wie Leftschinsky, machten auch mit dem Gefängnis Bekanntschaft, Leftschinsky sogar für längere Zeit. Der Kollege Lontre( Petit Parifien") wurde nur infolge energischen Eingreifens seiner Re: gierung vor der Ausweisung bewahrt. Das Außenpolitiche Amt machte außerdem einen Versuch, die Rüdrufung eines Kollegen durch einen unmittelbaren Appell an seine Zeitung zu veranlassen, glücklicherweise jedoch ohne Erfolg. Kollege Goldmann wurde infolge der bekannten Abmachung aus der Haft entlassen. Auch eine Reihe von Haussuchungen fand statt, unter anderem bei Frau Keith ( Jsweftija", Moskau ), bei kriger( Robotnik", Warschau ) und Schaffalizky( Berlingske Tidende", Kopenhagen )."
Der Fall Mowrer braucht daher nicht die geringste Ueberraschung über die Auffas= sung der deutschen Regierung von der Freis heit der Preise auszulösen.
Fern von Ihrer Sigung und nicht mehr imftande, Mitglied Ihres Vereins zu bleiben, gebe ich mich der Hoffnung hin, daß Sie weiter Ihre Unabhängigkeit bewah= ren werden. Ich will Ihnen deshalb die Lage der auss ländischen Zeitungsleute schildern, wie ich sie sehe.
1. Die deutsche Regierung verfolgt ausläns dische Berichterstatter, nicht weil ihre Berichte un wahr sind, sondern weil die Wahrheit, die sie berichten, den wirklichen oder vermeintlichen Interessen Deutschlands im Ausland schaden könnte.
unterhalten, mit ihr zusammenzuarbeiten, ihre Bestrebungen und ihre Handlungen zu erklären und zu deuten.
4. Sollte es jedoch für Auslandsberichter: statter unmöglich sein, in diesem Land zu fagen, was sie zu sagen haben, dann wäre es das richtigste, die Koffer zu paden und abzu= reisen. Ich hoffe und wünsche, daß der Verein auch weiter seine Aufgabe erfüllen kann. Aber tausendmallieber ihn auflösen, als den sonst berechtigten Vers dacht entstehen zu lassen, der Verein der Auslandspreise zu Berlin sei gleichgeschaltet worden."
Kein Zweifel: man wird vergeblich in einer der gleichgeschalteten Zeitungen des Saargebietes, deren Redakteure Redakteure sich beschwerdeführend wegen angeblich mangelnder Pressefreiheit nach Genf wandten, auch nur einen Auszug aus diesem wichtigen Dokument eines als objektiv und deutschlandliebenden Amerikaners suchen. Sie werden kein Wort des Protestes in dieser Presse gegen die Unterdrückung der Pressefreiheit sowohl der inländischen wie der ausländischen Presse Hitlerdeutschlands in diesem gleichgeschalteten Zeitungspapier der Saar entdecken. Sie werden nicht erleben, daß diese„ Kollegen" für ihre verfolgten, mißhandelten, eingesperrten, geworfenen, existenzlosgemachten Kollegen der In- und Auslandspresse auch nur ein Wort der Teilnahme, der Verteidigung oder gar der Solidarität aufbringen. Aber den Handlanger im Dienste des Hakenkreuzes und eines im Auswärtigen Amt in der Wilhelmstraße angefertigten Protestes für eine Pressefreiheit, die man da, wo man selber Macht befigt, längst eingefargt hat, abzugeben dazu langts! Herr Hitler hat die Journa listen, die er verdient- und man wagt nach allen listen, die er verdientErfahrungen der letzten Monate kaum noch zu bezweifeln, daß sie ebenso ihn verdienen!
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2. Demgegenüber bemühen sich die ausländischen ZeitungsLeute, soweit das möglich ist, die Wahrheit zu finden und zu Judenhaß berichten, jeder nach seiner Fähigkeit, seiner Ueberzeugung und selbstverständlich unabhängig von den politischen Konse quenzen, die sie für Deutschland haben kann. Die Regie: rung will nicht einsehen, daß Zeitungsleute troß ihrer Liebe zu Deutschland , solange fie ihrem Beruf treu find ,, wichtige Ereignisse nicht mit Rücksicht auf die deutsche Regierung verdrehen oder unterdrücken dürfen.
3. Abgesehen von diesen Einschränkungen sind sie bestrebt, die bestmöglichste Beziehung zur deutschen Regierung zu
bei den Haaren. Schließlich kam es wieder zum Turnus. Aber auf einmal fehlte das Wasser von neuem. Wir warteten kurz, aber es blieb weg.
Unterwegs hatte die Sorcanera gesagt, wir sollten sie nur machen lassen, aber angesichts dieser lachenden Menge, wußte sie nicht mehr aus noch ein. Diesem schäbigen Landjäger allein mit gleicher Münze heimzuzahlen, wäre ein leichtes gewesen, denn auch er hatte in seiner Jugend die Läuse nicht nur auf Andern gefangen. Aber da war noch die ganze übrige Gesellschaft...
Ein Beamter fagte uns:
,, Wen sucht ihr? Wen wollt ihr eigentlich?" Marietta antwortete:
„ Wir wollen mit dem verehrten Herrn Sindaco sprechen." Die Beamten unter dem Tor sahen sich bei dieser Antwort verblüfft an. Einige fragten noch einmal:
" Was wollt ihr?"
Mit dem Sindaco sprechen," sagten wir zu vier oder fünft.
Da fingen sie wieder wie die Idioten zu kichern an. Wiederholten laut unsere Bitte und eine neue Lachsalve verauf den breitete sich über den Platz, in den Fenstern, Veranden, an den Tischen er umliegenden Häuser.( Es war gerade Essenszeit.)
Da es Mittag war, verließen die Beamten das Rathaus, einer von ihnen schloß das Tor; im Weggehen sagte er: " Wollt ihr wirklich zum Sindaco?... Erwartet ihn hier." Erst jetzt bemerkten wir in einer Ecke des Plazes einen Brunnen. Wir stürzten darauf los. Es gab einen richtigen Sturmangriff. Alle hatten Durst, aber wie konnten nicht alle auf einmal trinken.
Mariettas Anspruch, wegen ihrer Schwangerschaft als erste zu trinken, wurde nicht anerkannt. Nach vielem Geschiebe und Gestoße setzte sich schließlich eine Art Turnus durch. Zuerst trank Giuditta Scarpone. Dann die Fornara. Dann ein Mädchen, mit eitrigen Lippen. Wir wollten sie nur als legte heranlassen, aber sie klammerte sich an die Brunnenröhre und wollte ihren Platz keinesfalls aufgeben. Dann sollte Marietta trinken, aber da blieb plötzlich das Wasser aus. Das mußte eine kurze Störung sein. Wir warteten, aber das Wasser kam nicht. Der Brunnen war versiegt. Wir waren im Begriffe wegzugehen, als das Plätschern des Wassers uns zurückhielt. Es floß wieder. Ein neues Gedränge begann. Neues Gezänt. Zwei Mädchen kriegten sich
Das Verhalten des Wassers war wirklich zu sonderbar. Bei der Quelle am Eingang unseres Dorfes war ähnliches Von der anderen Seite des Plazes sahen uns der Landjäger und der Uhrmacher lachend zu.
Es mag dumm scheinen, daß ich mit der Erzählung dieser Kleinigkeit Zeit verlieren, denn später kam es zu viel wichtigeren Ereignissen. Aber das Bild jenes Wassers, das immer wieder vor unserem Durst zurückwich, geht mir nicht aus dem Kopf. Es spielte sich so ab: weil das Wasser nicht lief, entfernten wir uns vom Brunnen, aber während wir weggingen, kam es wieder. Und das geschah drei- oder viermal. Wir näherten uns und sofort verschwand das Wasser, der Brunnen versiegte. Wir entfernten uns es fam wieder, der Brunnen plätscherte. Durst verzehrte uns und wir konnten nicht trinken. Wir konnten das Labsal nur von ferne sehen. Kaum näherten wir uns, verschwand es von neuem. Nachdem das Wasser zum vierten Mal ausgeblieben war, kamen an die zehn Carabinieri, umringten uns und fragten. was wir wollten.
„ Mit dem Sindaco sprechen."
,, Mit dem Sindaco?" schrie der Anführer der Patrouille. ,, Mit dem Sindaco?... Wißt ihr denn nicht, daß es keinen Sindaco mehr gibt?... Wann werdet ihr eigentlich begreifen, daß der Sindaco heute Podesta heißt?..."
Für uns war es ganz gleich, ob der Gemeindevorsteher sich Sindaco oder Podesta nannte. Aber für gebildete Leute mußte der Unterschied groß sein, sonst hätten die Beamten bei unserer Frage nicht so gelacht und der Hauptmann der Carabinieri wäre nicht so wild geworden. Die gescheiten Leute sind oft so wunderlich und regen sich um Kleinigkeiten so auf.
Schließlich bekamen vier Carabinieri vom Hauptmann den Auftrag, uns zum Podesta zu begleiten. Zwei gingen voraus und zwei hinterdrein. Die Leute in den Straßen riefen einander zu und höhnten uns mit Worten und Ge= bärden, wie die Bewohner größerer Orte, besonders Handwerker, bäuerliche Cofani immer verhöhnt haben.
Die Carabinieri ließen uns durch die Hauptstraße ziehen und einige Gäßchen kreuzen. So kamen wir an das Haus des früheren Sindaco Don Circostanza; aber zu unserem großen Erstaunen gingen unsere Führer daran vorüber. Wir wunderten uns sehr, daß Don Circostanza nicht mehr Gemeindevorstand war und glaubten, daß die Carabinieri uns dafür zum Haus des Don Carlo Magna führen würden,
hinaus
Der Sadismus der Paßämter, der seit einiger Zeit in gewissen Bezirken Deutschlands seine Befriedigung feiert, ist iezt auf das ganze Reichsgebiet ausgedehnt worden. In den Pässen für jüdische Staatsbürger wird der Name des Paßinhabers zweimal unterstrichen. Das ist das moderne Plakat: Achtung, ein Jude!" In manchen Aemtern werden die Pässe sogar mit einem dicken Stempel„ Jude" versehen.
Aber sie gingen auch an diesem Haus vorbei. Immer weitergehend waren wir bald außerhalb der Stadt, zwischen den Gärten.
Die Carabinieri halten uns zum Narren, sagten wir uns. Gemeindevorsteher kann nur Don Circostanza sein; vor dem Krieg war er es, während des Krieges war er es, nach dem Krieg blieb er es. In der kurzen Zeit, in der er das Amt nicht bekleidete, war es immer von Don Carlo Magna besetzt gewesen. Da die Carabinieri an beiden Häusern vorübergegangen waren, bereitete sich offenbar wieder ein häßlicher Scherz vor. So wenigstens dachten wir.
Der Pfad, den uns die Soldaten führten, war mit Baumaterialien, Backsteinen, Kalk, Zementfäcken, mit Sand und Eisenstangen schier verrammelt und es war recht schwer einer neuerbauten Villa, die einem, auch in Fontamara gemeinsam durchzukommen. Mühsam erreichten wir das Tor unter dem Namen„ Impresario" bekannten Römer gehörte. Die Villa war mit bunten Papierlampions und Fahnen geschmückt. Im Hof sah man Frauen Teppiche klopfen und bürsten. Direkt vor dem Tor des Hauses machten die Carabinieri endlich Halt.
Keine von uns konnte ihre Verblüffung verbergen. ,, Wie?... Diesen Räuber haben sie zum Gemeindevorstand gemacht... Einen Fremden?... Ausgeschlossen!" „ Seit gestern," sagten uns die Carabinieri.„ Das Telegramm, das ihn ernannte, ist gestern aus Rom eingetroffen." Vor drei Jahren, als der Impresario in unserer Gegend auftauchte, wußte niemand, wer er war, noch wo geboren. Er zog ins Gasthaus, wo die Passanten logieren. Er begann damit, den Cafoni, die Geld brauchten, im Monat Mai die Aepfel noch an den Bäumen abzuhandeln. Dann fing er an, Zwiebeln, Bohnen, Linsen, Tomaten zu kaufen und sandte sie nach Rom . Später begann er Schweine zu züchten. Dann Pferde. Bald befaßte er sich mit allem: Kaninchen, Bienen, Felle, Straßen, Erd- und Zimmermannsarbeiten. begegnete ihm auf allen Jahr- und Wochenmärkten der Gegend. Die eingeborenen Besitzer sahen ihm mißtrauisch zu und weigerten sich, mit ihm zu tun zu haben. Der Jmpresario hatte einen nach dem anderen ausgestochen. Es gab bald kein wichtiges Geschäft, bei dem sie nicht von ihm verdrängt wurden. Mißtrauisch geworden, kamen sie schließlich dazu, ihn bei den Carabinieri als Hersteller falscher Banknoten anzuzeigen. Die Untersuchung ergab tatsächlich das Vorhandensein einer Notenfabrik, die dem Impresario die Mittel zu all seinen Unternehmungen lieferte, aber die Noten waren echt, denn die Fabrik war durch eine Bank geschützt.
Man
( Fortsetzung folgt)