Deutsche   Stimmen

Feuilletonbeilage der Deutschen Freiheit" Dienstag, 12. September 1933*

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Ereignisse und Geschichten

Grundbuchrichter der Ecbmasse Das Versprechen hinterm Herd

,, Erbkrank- erbgesund"

Augenblicklich ist in Hitler- Deutschland ein großer Feld­zug des Propagandaministeriums im Gange. Er gilt der Förderung der Erbgesundheit im Sinne rassischer Be­völkerungspolitit. Im Rahmen dieser Aktion sandte in der vergangenen Woche der Deutschlandsender ein rassen­hygienisches Lehr- und Hörspiel": Erbtrant- erb­gesund von Konrad Dürre. Ueber den Inhalt er­fahren wir unter anderem folgendes aus der gleich­

geschalteten Presse:

Mancher Standesbeamte hat bis zum heutigen Tag in vielen Fällen das Unheil kommen sehen, ohne eine Hand­habe zum Eingreifen zu haben. Das soll anders wer­den. Der Standesbeamte sitzt gewissermaßen am Erbstrom, und es muß seine höchste und vornehmlichste Aufgabe sein, dafür zu sorgen, daß dieser Schicksalstrom des Volkes lauter und flar fließt. Das Standesamt muß nicht nur ber Drt der Ziviltrauung sein, sondern ein Ehe, Familien­und Sippenamt im weitesten Sinne. Das Endziel ist die Einrichtung von Karteien, in der die Erbqualität jedes einzelnen aufgezeichnet ist. also eine Art erb= biologisches Grundbuchamt". Der Standesbeamte der Zu­funft soll so etwas sein wie ein Grundbuchrichter der Erb­masse. Als Assessor" wird man ihm einen erbbiologisch und eugenisch geschulten Arzt beigeben, der gleichzeitig der eigentliche Gheberater des neuen Amtes ist. Zu seinen Auf­gaben wird es u. a. gehören, die schwersten Fälle dem Sterilisierungsausschuß zu überweisen, der die Verbindung zu den Heilanstalten, Wohlfahrtsämtern und zum Kreisarzt darstellt.

Die Uniform für den kommenden Grundbuchrichter der Erbmasse" ist, wie wir hören, schon entworfen. Auf einem Rragenspiegel in rosa treuzen sich zwei Schnuller über einer Geburtszange, während auf der Brust das Problem der ge­funden Erbmasse durch eine Göbbels- Medaille symbolisiert

wird.

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Früher hat man den Genius dem freien erotischen Zufall überlassen, dem unwägbaren Geschick der Geburt, das freilich oft Beute mit sichtbar schlechtem rassischen Familien­standard zutage förderte. So tamen schwere Fälle" wie

Beethoven  , Grabbe, Kant auf die Welt, und der Schicksalsstrom des Volkes" hat, wie wir glauben möchten, auch in der Zeugungsstunde Napoleons  , Friedrichs des Großen und Wilhelm II.  , wenn man an ihre körperlich- biologische Beschaffenheit denkt, nicht ganz ein­wandfrei gerauscht.

Aber jetzt haben wir, gottlob, das erbbiologische Grund­buchamt" in naher Aussicht. Jetzt stehen uns Hermanns und Thusnelden bevor, Beispiele eines gesunden Volkes, die durch Adel des Geistes und durch Ebenmäßigkeit des Körpers die deutschen zur Vorderrasse in der Welt erheben werden. Was nicht gelingt, wird sterilisiert! Die Solinger   Kleineisen­industrie rüstet sich bereits zur Hochkonjunktur.

Thomalla

ein Germane

Werbefachmann für Eebbiologie

Der organisatorische Leiter des Aufklärungsamtes für Be­völkerungspolitik und Rassepflege im Reichspropaganda­ministerium, Dr. Thomalla, machte vor den Vertretern der Presse über den soeben einsetzenden Aufklärungsfeldzug für erbbiologische Probleme unseres Volfes, seine Organisa­tion und Ausführung folgende bemerkenswerten Aus­führungen: Die im reinen Bewußtsein der Rasse ver­anferten Gedanken erbbiologischer Art, die mit ein Haupt­programmpunkt der nationalsozialistischen Bewegung bilden, sollen nun in großzügigster Weise in das ganze deutsche   Volk getragen werden, in das deutsche   Volk, das bisher in er= schreckend geringem Maße sich diese für sein Leben und seine Zukunft so wichtigen Gedankengänge zu eigen gemacht hat. Um die Probleme der Erbbiologie an jeden Deutschen   her­anzubringen und ihn gleichermaßen zu zwingen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, wird die Presse den Buchmarkt, den Rundfunk, den Film und das Theaterspiel in den Dienst der Sache stellen. Kurz, in alle Gebiete des täglichen Lebens

Das dritte Reich  " erstand auf euren Knochen, SA.- Proleten, armer Mittelstand.

Nun wollt ihr auch, was man euch laut versprochen, Brot Arbeit- Freiheit und ein Stückchen Land?

Die Poften find an andre weggegeben, Der Umsturz ward durch Führerwort gestoppt. Ihr dürft nur feiern und die Hand erheben. Wagt nicht zu sagen, daß man euch gefoppt.

Das neue Reich wird ohne euch gestaltet. Nur Hunger quält euch, wie im alten Reich. Wenn ihr auch arm bliebt, ihr seid gleichgeschaltet Und ener Elend blieb sich gleichfalls gleich.

bedrückt und arm,

Denkt ihr der Worte, der uneingelöften, Weil ihr- so nach wie vor Nehmt es nicht tragisch, eines wird euch trösten: Wenn euch auch kalt ist, andre sitzen warm!

Verjudetes Dankgebet!

Mac Barthel.

Da hat jahrzehntelang ein ahnungsloses Arierpublikum das Niederländische Dankgebet gesungen: Wir treten zum Beten vor Gott  , den Gerechten  ..." Auf feiner Siegesfeier durfte dieser Schlußgesang fehlen, nament lich jetzt, wo alle Tage Siegesfeier ist.

Was aber stellt sich heraus? Jüdische Verse hat man in aller Ahnungslosigkeit geschmettert! Das kommt daher: Das Niederländische Dankgebet" des holländischen Dichters Valerius wurde vor zirka 50 Jahren auf Veranlassung des Wiener   Komponisten und Chordirigenten Kremser ver­deutscht. Ueberseßer war der damals bekannte Librettist Josef Weyl  , der auch populäre Texte zu Straußschen Walzern schrieb, wie schon der Name sagt, ein Jude. Nach dessen Worten ist man also zum Beten getreten", offenbar vor Jehova statt vor Gott   den Gerechten  ! Gott  , der Ge­rechte!" möchte man vor Schreck ausrufen!

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müſſen die bevölkerungspolitischen Ideen des neuen Staates ,, Gott strafe England"

hereingetragen und darin aufgezeigt werden."

Ich bitte um den nächsten Reichswalzer"

Deutsches Wesen im Gleichschrittlec

Die deutschen   Tanzlehrer haben jüngst in Bad Kissingen   getagt. Während zu ihren Häuptern das Hakenkreuzbanner leuchtete, ihren Zungen immer wieder ein Heil Hitler" entströmte, haben sie ihre Füße der neuen heroischen Weltanschauung angepaßt, rassig geadelt und er­tüchtigt. Traun fürwahr! Künftig wird kein deutscher Jüng­ling und kein deutsches Mädchen mehr den deutschen Ge­danken Hohn tanzen! Mit Hitler   in der Brust, mit Göring  im Gesäß und mit Göbbels   in den Kniekehlen tanzen sie fortan, die Reihen sest geschlossen, deutsche Erneuerung und deutsche   Ertüchtigung. Die Erotit der leichtgeschürzten Muse Terpsichore   ist durch die Beschlüsse des deutschen Tanzlehrer­kongresses endlich aufgenordet und ins Metaphysisch- Irratio­nale der deutschen Seele erhoben.

Aus der Kölnischen Zeitung  " vom 7. September( Abend­blatt) erfahren wir die Einzelheiten ganz authentisch. Was soll man also reden?" fragt das Blatt. Hören wir, was wird. Es gibt zunächst fünftig:

den Deutschländler. Er ist ein Vierertanz, der die Quadrille ersetzen soll. Seine Figuren sind," so hören wir, ganz der heutigen Zeit angepaßt. Er soll die Form des Gruppen- und Gemeinschaftstanzes darstellen. denn es ist natürlich, daß zu einer Zeit, da gegenüber der Gesellschaft die Idee vom Volt ausgeht, ge­rade auf das Volkhafte des Tanzes besonderer Wert gelegt wird."

Dieser neue Deutschländer wird also, wenn wir recht ver­standen haben, den Vierjahre plan des Reichs­tanzlers au symbolisieren haben. Wenn sich nachher die Figuren schnell wieder auflösen, so weiß man sofort um die beutige Beit": Einmal geredet, einmal getanzt, und schon ist alles vorbei, ein duftiger Hauch.

Der neue Reichswalzer stammt aus Hamm   in West­ falen  , während der oben erwähnte Deutschländer" in Meeran   in Sachsen   zur Welt kam. Auch dieser Tanz nimmt, wie die Kölnische Zeitung  " schreibt, auf die neue Beit gebührend Rücksicht". Aber dieser Walzer wird in Zu­funft, langsam getanzt" werden. Es sind einige retar= tierende Tatte eingefügt, und man bringt nun tombinierte Schritte.

Man begreift sofort, was der Reichswalzer ausdrücken soll. Die Revolution ist beendet, das dritte Reich" kommt in den Zustand der evolutionistischen Bewegung, in der der SA. retartierende Takte vorgeschrieben werden. Kombinierte Schritte": Das Biel Bismarcks, den Partiku­larismus der Einzelstaaten zu überwinden, ist endlich durch Hitler   gelungen! Jeder Herr, der fünftig seine Dame um den nächsten Reichswalzer bittet, muß sich klar darüber sein, daß die Mainlinie für immer überwunden ist.

Zu unserem Schrecken entdecken wir, daß es dem Reichs­verband deutscher   Tanzlehrer nicht gelang, die ausländischen Tänze ganz auszuschalten. Sie werden vielmehr teu­tonisch getarnt weiter bestehen. Wir lesen in der Kölnischen Zeitung  ":

Was wir heute an Tänzen mit fremden Namen noch haben, das ist inzwischen, wir können es getrost so sagen, so deutsch geworden, daß es auch in Zukunft bestehen

wird. Da ist der One step, den man gut mit Marschtanz, schlechter mit Schieber übersetzt, der schwerlich je vom deut­schen Ballsaal gänzlich verschwinden wird, so sehr ist er assi­miliert worden, genau so wie der Foxtrott, den man

Vorläufer der ,, deutschen" Wissenschaft von heute

Im 54. Band der Sophien- Ausgabe von Goethes   Werken, Weimar  , 1916, der das Register A- 2 enthält, findet sich am Schluß der Aufzählung aller Goethe- Stellen, die sich auf England beziehen, der Zusatz: Gott strafe England!" Der schönste Druck Goethescher Gedichte wurde 1916 von Cobden= Sanderson   in London   veranstaltet. Die Veranstaltung für das Goethe- Register tragen May Hecker und Wolfgang von Dettingen.

nun auch Gleitschrittler zu nennen pflegt, in Schillers ,, Räuber" in der Praxis

gewissen Gegenden auch Friedrichshainer  , Märfischer Achter usw. Auch der Foxtrott wird gemäßigter ge­tanzt, hat fultivierte Bewegungen bekommen und ist damit durchaus erträglich geworden. Den Tango, den wir den Südamerikanern verdanken, hatte schon die gute englische  Gesellschaft erheblich verfeinert, und man hat ihn in­zwischen auch zum vornehmen deutschen Tanz ausgestattet. Ein Südamerikaner, der den Tango in seiner Heimat kennt, würde ihn in Deutschland   kaum wiederer­kennen. Wie man ihn nun in Deutschland   tanzt, setzt der Tango viel musikalisches Empfinden und Tattgefühl voraus. Man wird ihn wohl als den exklusiven deutschen Gesellschaftstanz bezeichnen fönnen. Charleston, Taptrott, Rumba, Charlestev so

und wie sie sonst geheißen haben mögen- sie werden, jo fern sie dem deutschen Gefühl überhaupt entsprechen, auch

in Zukunft getanzt werden. Aber wir werden ihnen

deutsche   Namen geben. Und den übrigen Eintags= fliegen, die eine Mode schuf, die immer nach dem dernier cri hezte, werden wir faum eine Träne nachweinen." Man wird also in Deutschland   die ausländischen Tänze wie bisher tanzen. Man wird schieben, sich aneinander schmiegen dürfen, im Onestep die Beine miteinander kreuzen fönnen, aber man wird es mit gutem Gewissen tun dürfen, weil diese Tänze jetzt deutsche   Namen haben. Der ge mäßigte Gleichschrittler, der früher Fortrott hieß, ist der lebendig trippelnde Beweis für die Tatsache, daß aus fauligem, erotischem Flittergold deutsches Wesen gezeugt werden kann, wenn sich rassereine Füße seiner annehmen. ,, Wie wir sie tanzen, sind sie deutsch  ," sagt wört­lich die Kölnische Zeitung  ".

Der Tanz unter dem Hakenkreuz mag fünftigen Ge­schlechtern lehren, welche Befreiungstat dem National­sozialismus gelang. Unter den innigen Klängen des Reichs­walzers wird gottlob niemand das Schreien der andern hören, die täglich deutsche Tänze auf eine besondere Weise erleben: die der Peitschen auf ihren Rücken.

Zwangs- Theater!

Jeder Beamte muß...

Der Leiter der Nationalsozialistischen   Beamtenschaft des Kreises Bamberg  , Studienrat Walter Doye, hat in einem Erlaß jedem Beamten, der über 300 Mark Monats­einkommen hat, zur Pflicht gemacht, einen Sig im Staats: theater zu abonnieren. Eine Ausnahme von dieser Ver­pflichtung soll nur für finderreiche oder in besonders schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen lebende Beamte ge­macht werden.

Es bleibt die Wahl zwischen Kinderreichtum und Theater­besuch. Bei der Qualität der heutigen Theater wird das zu einer Welle der Geburten führen...

Der katholische Bühnenvolksbund ist von den Nazis   int Konkurs getrieben worden. Sein Eigentum hat das braune Regime der Deutschen Bühne", die sich alleinige deutsche  Theaterbesucher- Organisation" nennt, überwiesen. Der sehr aktive Verlag des katholischen Bühnenvolksbundes hatte aber, da er geschäftlich selbständig geführt worden war, durch den Konkurs nicht gelitten, Nun wurde er gezwungen, seinen bisherigen Namen zu löschen. Seine Aktiven übernimmt Albert Langen  - Georg Müller. Also: Ent­eignung zugunsten einer Privatfirma. Die gleichgeschaltete Presse darf diesen Raub nur sehr verklausuliert mitteilen.

mit dem Hammer

auf den Kopf geschlagen

Die Zeitschrift Hammer" des Antisemiten Theodor Fritsch  bringt die folgende Fantasie eines zweifellos nicht ganz Normalen: Die Zeichnung einer soeben in Holland   neu herausgegebenen Briefmarke zu 12 Cent, das ist bezeich­nenderweise das Auslandsporto, gibt den Davidstern wieder. In ihm sieht man Schwert( Krieg) und Taube( Frie­den) dargestellt. Damit wird also zum Ausdruck gebracht: Wir( Juden), die Inhaber des Davidsternes, bestimmen über Krieg und Frieden. Wir kennen die Heßzzentrale Judas   in den großen holländischen Städten aus den üblen Verleum­dungsschriften zur Genüge, um schon daraus Schlüsse für die jüdische Macht in Holland   ziehen zu können. Die Ausgabe dieser Marke, und soll es sich nur um das Auslandsporto handeln, scheint uns aber den Höhepunkt darzustellen"

Frauen

stäckt den Binnenmackt! nicht mehr schminken

In Breslau   ist geschminkten Frauen der Zutritt zu Veranstaltungen der Nationalsozialistischen   Partei verboten. In Hannover   setzten zwei Frauen der Frauenschaft durch, daß bei einer Modevorführung die vorführenden jungen Mädchen abgeschminkt wurden. Hoffentlich," fo schreibt die gleichgeschaltete Presse wörtlich dazu, findet solches Vorgehen Nachahmung, schon aus Gründen der Ein­fuhrverminderung, einer aktiven Handelsbilanz und damit Stärkung des Binnenmarktes, wenn man das Schminken nicht aus Kulturrücksichten unterlassen will."

Amerikanische Literatur verboten!

The literary Digest", Neuyork, eine der besten und be= fanntesten amerikanischen   Literaturzeitschriften ist im dritten Reich" bis auf weiteres verboten.( Deutsches Kriminal­polizeiblatt Nr. 1627.