Deutsche   Stimmen

Feuilletonbeilage der Deutschen Freiheit"* Mittwoch, 13. September 1933* Ereignisse und Geschichten

Wenn i ne miese Note krieg, fliegt der Lehrer ins Konzentrationslager!

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JCK BIN N' RASSENREINES NAZI- LIEBCHEN

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Juden kommen nich' in Frage!

Elisabeth am Spinnrocken

Tante Frieda ist wieder lebendig..

Neuerdings ist unter den Förderern des erwachten Koch­topfes Frau Elisabeth Braun   in Front getreten, die fittliche Gleichschalterin der deutschen Mädchenlager. Einst­weilen geht sie, wie sie im Leibblatt des vormaligen Königs Stinnes den höheren Töchtern verkünden läßt, in allen Mädchenlagern, die in den deutschen Gauen verstreut liegen, an die Arbeit, um die offenen Lager" und die nicht von der deutschen Frauenfront" unterhaltenen Amazonen in ihre Obhut" zu nehmen. Vor allem sollen die oft ganz ver­bogenen Großstadtmädels" zu Hausfrauen erzogen werden, aber nicht im gestrig- städtischen", sondern im morgig- länd­lichen" Sinne.

Zu diesem Zwecke erhält jedes Lager Spinnrad und Web stuhl, damit die unfittlichen Damenstrümpfe und die

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Spielen auftreten. Tischgebete sollen eingeführt werden, Zigaretten dagegen sind verboten. So wäre denn die richtige geistige Vermählung mit dem Size des Rase= amtes der SS., dem sogenannten Hengstgestüt auf der Burg bet Lippe- Detmold geschaffen.

Diese, wie man sieht, ganz nach Art der alten Pensionats­Goldelsen gehaltene Tusnelda  - Erziehung am Spinnrad ist eher dem Daheim" und den Tante- Frieda Ge= schichten als einer Revolution abgelauscht und macht den gefunden Gedanken der modernen Frauenerziehung nur lächerlich. Leider wird der weibliche Arbeitszwang dieser Komödie nachfolgen.

vermutlich marxistische Wäsche aus der Mode kommen, und Todesstrafe für ,, Verführung"

dann sollen die Jungfrauen sich öfter an Erntefeften, Schüßenfesten, wahrscheinlich auch Manöverbällen als echte Büromädels sollen auf diese Kriegerbräute beteiligen.- Weise wieder mütterlich" werden und dabei für ihre Kinder, das heißt für die ihnen gnädigst überlassenen Spröß­linge der gnädigen Frauen, sorgen dürfen, indem sie ihnen Kreppfleider" und dergleichen anfertigen, natürlich im Geiste der Welterneuerer ohne Zehrgeld. Ferner sollen sie auf den Freilichtbühnen jedes Lagers, vermutlich im Schmucke der alten Germaninnen, in Tänzen und

Die Germania", das Blatt des Herrn von Papen, druckt den wesentlichen Teil eines Artikels, der im Deutschen Aerzteblatt" von einem Dr. Gmelin veröffentlicht wurde. Zunächst wird verlangt, daß ein Gesetz den Verkauf von Ge burtenverhütungsmitteln verbietet. Präventivmittel sollen nur auf ärztliche. Verordnung hin abgegeben werden. Aber das Schlimmste ist natürlich die Verführung" einer Jung­frau. Das soll den Tod koften, mindestens Raftration.

Ist der politische Mord..."

Fragen in der Hitler  - Schule

Einen netten Einblick in den Schulbetrieb des dritten Reiche 8" gewinnt man, wenn man in der Zeitschrift für deutsche Bildung" blättert. Da findet man unter anderm auch einen Aufsatzplan" für die deutschen Mittelschulen. Die Themen sind sorgfältig ausgewählt und dem Leben entnommen:

Gibt es berechtigten Lurus?

Läßt sich der Klassenbetrug entschuldigen oder gar recht­fertigen?

Kann ein Gang durch die Fabrik unsere Kenntnis vom Los des Arbeiters wesentlich bereichern?

Man sieht, daß das Risiko eines Schülers im heutigen

Ist Sugehörigkeit zu einer Linkspartei als Zeichen Deutschland   nicht gering ist. Wenn er bei der Beantwortung mangelnder Vaterlandsliebe zu deuten?

Rann ein Aristokrat Republikaner sein?

Ift Zugehörigkeit zu einer Rechtspartei als Zeichen nationaler Gesinnung zu werten?

Ist der politische Mord anders zu be= merten als ein anderer?

Ist Reichsein ein Unrecht?

Ein nützliches Geschenk Hitlers Nilpferdpeitsche  

In der Deutschen Ostfront", dem amtlichen Organ ober­schlesischer Staatsbehörden, erschien folgender amt­licher Nilpferdpeitschenbericht: Der Flieger Brüdner schenkte dem Kämpfer Hitler   in den ersten Jahren der Parteireden eine aus Afrifa mitgebrachte Nilpferdpeitsche, damit Hitler nicht ganz unbewehrt zu den Versammlungen zu gehen brauchte. Der Führer hat sich seitdem so an die Peitsche gewöhnt, daß er ohne diesen fleinen Sicherheits­faktor faum noch ausgeht... Kürzlich trafen neue Nilpferdpeitschen aus Afrifa ein..." Mit denen dann wehrlose Gefangene unter unsäglichen Qualen geprügelt wurden.

Reichswalzer untersagt

In einer Filmwochenschau wird gegenwärtig als neuer Tanz ein sogenannter Reichs malzer" vorgeführt. Diese Bezeichnung Reichswalzer" ist nunmehr, wie von zu­ständiger Stelle mitgeteilt wird, untersagt worden, weil sonst der Eindruck entstehen könnte, als werde dieser Tanz von Reichs wegen gefördert.

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Es bleibt unflar, warum der Reichswalzer" feine amt­liche Gunst erfahren soll. Wir vermuten, daß bereits dem neuen Gleichschrittler" die offizielle Liebe des dritten Reichs" gehört. Vielleicht hat der Reichswalzer Schritte, die aus der Reihe tanzen und individuelles Gepräge besigen.

diefer verfänglichen Fragen seine fünf gleichgeschalteten Sinne nicht beisammenhält, kann es ihm passieren, daß er von der Schulbant weg ins Konzentrationslager gebracht wird. Oder es geschieht mit dem Lehrer, falls er nicht die Auffassung lehren sollte: Ein Linksparteiler ist in jedem Fall ein Vaterlandsverräter."

Auch in Wien  

Die Zeit will wieder groß werden

Die Wiener   Polizeiforrespondenz Wilhelm meldet: Die am allgemeinen deutschen Katholikentag teil­nehmenden nichtaktiven Militärpersonen, die auf Grund ihres Ansuchens bereits den Uniformausweis erbalten haben, können in folgender Ausgangsadjustierung erscheinen: Kappe, Waffenrock mit Volldekorationen ohne Bänder der Großkreuze, schwarze Salonhose oder hechtgraue Lampaß­hose, Kavallerieoffiziere auch rote Reithose mit Reit­stiefeln und Sporen, schwarze Stiefeletten oder Schnürschuhe ohne Kappenverzierung, eventuell Sporen; zuständige Seitenwaffe, weiße Handschuhe, even­tuell Mantel. Die Angehörigen der ehemaligen Kriegsmarine in der ehemals festgelegten Ausgangsadjustierung mit dunkler Hose."

Es ist mit dem Nationalhaß ein eigenes Ding. Auf den untersten Stufen der Kultur wird man ihn immer am stärk­ſten finden. Es gibt aber eine Stufe, wo er ganz verschwindet und wo man gewissermaßen über den Nationen steht, m ein Glück od r eine Wehr feines Nachbarvolfes nachempfindet, ala märe es dem eigenen begegnet. Goethe.

Der Fall Hauptmann

Von den Webeen" zu Adolf Hitler  .

Wenn Burschen ohne Bedeutung wie Ewers und Bron­nen dem Hakenkreuz ihre Reverenz erweisen, wenn von allen Seiten charakterschwaches Volk zusammenläuft, um an der fetten Tafel bes Raubgesindels mitzufressen, dann sind das landläufige Stücke aus der Geschichte der menschlichen Arm­seligkeit, die dem Menschenkenner nichts Neues sagen und für unser Geistesleben ohne Bedeutung sind. Es wäre ja ein Wunder, wenn die moralische Verjauchung, dte das Bürger­tum im Volke der Kant und Fichte ergriffen hat, grade den Stand der Literaten, der sich großenteils nie durch besondere Charakterfestigkeit ausgezeichnet hat, verschont hätte. Ein anderes aber ist es mit Gerhart Hauptmann  .

Wir haben lange gewußt, daß er keine Kampfnatur ist. In all seinen meisterhaften Charakterzeichnungen hat er kaum einen fernhaften Mann hingestellt, der ein Leben hin­durch zäh den Kampf um eine Idee führte. Viel eher die schwankenden Gestalten, wie der Glockengießer Heinrich oder Gabriel Schilling, die im Streit zwischen Schwäche und Pflicht allemal auf die schwache Seite fallen. Aber dennoch kannten und ehrten wir ihn als einen Mann, der nicht nur durch hohe Begabung, der auch durch seine Gesinnung auf der Höhe der Menschheit stand, der mit Recht als bahnweisender Bannerträger der neuen Dichtung, als einer der vornehm= sten Vertreter deutschen Geistes in der Welt anerkannt war. Nicht als zeitlich Erster, aber als Eindringlichster und Wirksamster hat er der deutschen naturalistischen Dichtung Leserschaft und Bühne erobert. Der Naturalismus bedeutet für die Entwicklung nicht nur der Kunst, sondern auch der sittlichen Gesinnung eine Uebergangs- und Erziehungsstufe, die wir aus der Entwicklung unseres Geisteslebens gar nicht mehr wegdenken können. Das war mehr als eine der immer wechselnden literarischen Richtungen und Moden, das war planvolle Anwendung der umwälzenden naturwissenschaft­lichen Methode auf Dichtkunst, Menschenschilderung. Gegen den schöngeistigen Historizismus mit allerhand gemüts vollen" Schnurrpfeifereien, der damals alles beherrschte, trat da ein ernster und schwerer Geist, entschlossen, demt Volke die Wahrheit unverschönert vor Augen zu stellen.

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So war es kein Zufall, daß die Arbeiterbewegung ihn als Bundesgenossen erkannte, ihre Kulturarbeit mit dem Stre­ben der neuen Dichtung in enge Verbindung brachte. Im Herbst 1890 wurde die Berliner Volksbühne mit Haupt­manns ,, Webern" eröffnet.

" Die janze Richtung paßt uns nicht," erklärte der Berliner  Polizeipräsident dem Anwalt, der bei ihm für die Zulassung des für die Bühne verbotenen Stückes eintrat. Als sie am Oberverwaltungsgericht durchgesezt war, kündigte Wil­belm II. seine Loge wegen des rebellischen Profetenstücks. Für die Arbeiterschaft aber und alle ernst sozial Gesinnten war die Aufführung ein wahres Erlebnis, ein Fingerzeig aus trüber Not in eine bessere Zukunft. Sie betrachteten den Verfasser als ihren Dichter.

So wurde Hauptmann, vielleicht mehr, als er selbst ge­ahnt und gewollt hatte, ein Bannerträger zwar nicht des kämpfenden, aber doch eines echten gefühlsmäßigen Sozia= lismus. Uns packte die Gesinnung, die in seinen Stücken lebte: das Mitgefühl mit der leidenden Kreatur wie Rose Bernd  , das Opfer frömmelnder gesellschaftlicher Erbar­mungslosigkeit, wie Hannele, der verlassene Bastard des Herrn Amtsvorstehers, das einem bösartigen Säufer zum Totquälen überlassen ist, in all den vielen Dramen und Er­zählungen von leidenden, manchmal erlösten, manchmal untergehenden Opfern gesellschaftlicher Sünden und inuerer Zerrissenheit. Aber auch herzhaft lachen konnten wir, wenn er in seinem Biberpela" die Schwachköpfigkeit des aufge­blähten Junkers zu Schanden werden ließ. Und die mann­hafte Tapferkeit des ritterlichen Führers der Bauernrebellen, Florian Geners, riß auch die mit, die vom Aufbau des Stückes nicht restlos befriedigt waren.

Mehr und mehr löste sich dieser gesinnungsmäßige Zu­sammenhang mit seinem zunehmenden Alter, in dem er immer mehr den über den Dingen schwebenden Genius, den Allerweltsnationaldichter zu spielen suchte. Und nun hat er sein ruhmloses Ende gefunden. Hauptmann hat sich gleich­geschaltet!

Nun huldigt er denen, die hungernden Webern die schüßende Organisation zertrümmert, die mühselig zu­sammengesparten Gelder gestohlen, das Stück Margarine­brot vom Munde geschlagen haben. Die armen Kindern den Bater martern und der Mutter die Hungergroschen schwer­erdienter Unterstüßung vorenthalten. Die aus der sozialen Volksbühne eine rassische Verdummungs-, eine milita­ristische Verrohungsanstalt machen, die wüsten und stumpf­sinnigen Amtswaltern schrankenlose Gewalt über denkende Menschen verleihen.

Vor nicht vielen Jahren ließ er sich von Friedrich Ebert   und Konrad Hänisch   als geistiger Vertreter demokratisch- sozialen Geistes feiern; noch vor zwei Jahren hat er der Berliner Volksbühne zu ihrem vierzigjährigen Bestehen die Festrede gehalten, heute frißt er den Göbbels und Göring   aus der Hand, die mit ihrem Unrat die Republik   besudeln. Ein trauriges Ende!

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Man spricht so gern von weiblicher Schwäche. Nun, wir stellen diesem Manne" eine Frau gegenüber, die nach Gegenstand und Kunstrichtung viel innere Berwandtschaft mit ihm gehabt hat: Käte Roll wit. Treu und unbeirrt steht sie heute, wo sie immer stand: im Lager des leidenden Volkes, im Kampfe für Menschengüte und Menschheits­frieden. Ob ihn nicht doch ein Gefühl der Erniederung er­fassen wird, wenn er dieser Frau gedenkt und so manches anderen, der den Träumen seiner Jugend die Trene be­wahrt hat?

Die schöne Villa in Agnetendorf   wird nun nicht von Nazi­horden verwüstet werden. Das Standbild des großen deut schen Volksdichters Gerhart Hauptmann   aber ist morsch von. Sockel gesunker, lorian Genex