Ein Appell an den Volkerbund Krach in Brandenburg
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Wiederholt haben wir in der„ Deutschen Freiheit" das Da muß es ja fein und lieblich zugegangen sein
Schicksal Wilhelm Leuschners behandelt. Der frühere hessische Innenminister war führendes Mitglied der deutschen Delegation beim Internationalen Arbeitsamt und wurde bei der Ver- Ley- ung der Gewerkschaften gezwungen mit nach Genf zu fahren, wo es zu dem befannten Zwischenfall kam. Weil er hier Ley nicht zu Willen war, ließ der Führer der„ Arbeitsfront " ihn verhaften. Schon vor einigen Wochen meldeten wir, daß Leuschner ins 3uchthaus Rockenberg überführt worden sei. Jezzt meldet unser badischer Korrespondent:
" Darmstadt , 12. September 1933. Leuschner befindet sich noch immer im 3uchthaus Rodenberg, und zwar nenerdings in verschärfter Einzelhaft. Das Zuchthauspersonal, das mit Lenschner in Berührung kommt, wurde ausgewechselt. Die seits herigen Beamten wurden durch ausgesuchte nationalsozia= listische Elemente ersetzt, selbst der Direktor des Zuchts hauses wurde entfernt und durch einen absolut sicheren Parteigänger des neuen Regimes ersetzt. Ueber die Bes handlung Leuschners kursieren die schlimmsten Gerüchte." Da der berüchtigte Verfasser des Borheimer Dokuments, Dr. Best in Darmstadt , als Staatspolizeichef des Landes Hessen Herr über Leben und Tod der in hessischen ZuchtHäusern, Gefängnissen und Konzentrationslagern Inhaftierten ist, besteht in der Tat Veranlassung, wegen Leuschner die schlimmsten Befürchtungen zu hegen. Man braucht sich nur daran zu erinnern, daß Leuschner es war, der als damaliger Hessischer Polizeiminister denselben Dr. Best als Urheber des Borheimer Mordplanes entlarvte und daß derjenige, der die Polizei auf das Borheimer Dokument zuerst aufmerksam machte, Dr. Schäfer, Offenbach , vor einigen Wochen auf Befehl Bests an einem Bahndamm bei Frankfurt nachts durch mehrere Revolverschüsse ermordet wurde.
Wir rufen das Internationale Arbeitsamt, wir rufen den Völkerbund,
wir rufen das Gewissen der Weltöffentlichkeit und die Arbeiterinternationale
zu einer sofortigen Aktion zur Befreiung Leuschners aus den Kerferbanden des dritten Reichs" und aus den Händen seines schlimmsten Feindes Dr. Best auf!
Wer ist politischer Flüchtling?
Die Sozialdemokratische Flüchtlingshilfe in Prag erklärt in einem Rundschreiben an die Flüchtlingszentralen:
Als politisch ernst gefährdet wird von den vereinigten Flüchtlings- Komitees in Prag nur der anerkannt, der in Deutschland schwere politische Prozesse zu erwarten hat und dessen Leben, Gesundheit und Freiheit bei einer Rückkehr nach Deutschland ernsthaft gefährdet ist. Flüchtlinge, die nur örtliche Rempeleien mit den Nazis hatten, aber nicht von der Geheimen Staatspolizei oder der Staatsanwaltschaft gesucht werden, können sich in den meisten Fällen auch in einem anderen Orte Deutschlands aufhalten. Bei allen leichteren Fällen genügt auch eine zeitweise Ortsabwesenheit und- insbesondere bei ledigen Genossen eine vorübergehende Wanderschaft.
Durchreisende Wandergenossen, die sich infolge der Verhältnisse in Deutschland außerhalb Deutschlands ein Stück Welt ansehen wollen, können nicht die Unterstützung als Emigranten in Anspruch nehmen. In solchen Fällen muß die gewerkschaftliche Reiseunterstützung oder eine kleinere Unterstützung der Arbeiterfürsorge, je nach den örtlichen und persönlichen Verhältnissen genügen.
Jm„ Brandenburger Anzeiger"( Nr. 180) lesen wir folgenden vielsagenden Artikel, den wir gerne so bringen, wie er in dem Blatte stand( auch mit der Zensurlücke):
Fahnen sind zu grüßen!
Kommunistische
ant Provokateure am Werke
Von der Kreisleitung Brandenburg der NSDAP. werden wir um die Veröffentlichung folgender Erklärung gebeten:
Die B. V. G. war gestern mit einigen hundert Mann Gast unserer Stadt. Kommunistische Elemente, die bereits an den Vortagen am Arbeitsamt und Wohlfahrtsamt versucht hat= ten, aufzuwiegeln, unternahmen es, die Bevölkerung gegen die Berliner Gäste aufzuheßen. Leider hatten sie in einigen Gegenden anläßlich des Ummarsche Erfolg, und so kam es, daß die B. V. G.er, als den Fahnen nicht die nötige Ehrerbietung und der Gruß gezollt wurde, einigen Volksgenos: sen eine nachdrückliche Belehrung zuteil werden ließ. Die Unkenntnis vieler, die immer noch nicht wissen, daß die Fahnen mit dem deutschen Gruß zu ehren sind, hatte bedauerlicherweise dazu geführt, daß manch einer eine recht unsanfte Behandlung erfuhr.
Wir bedauern dies um so mehr, da es sich in diesem Falle um Volksgenossen handelte, deren nationales Wollen und deren nationale Gesinnung außer Zweifel steht.
Wir bitten auf diesem Wege, diese unsanfte Belehrung, die wir aufs Schärffte mißbilligen, mit der ungeheuren Erregung der B. V. G.er zu entschuldigen. Die Angelegen heit erfährt noch eine Untersuchung, und diejenigen Volksgenossen, die im Uebereifer gehandelt haben, müssen die Folgen tragen.
Die bedauerlichen Vorkommnisse bitten wir, weder der Bes wegung noch der Gesamtfachschaft der B. V. G. nachzutragen. N. S. D. A. P. Kreisleitung Brandenburg ( Savel). ( gez.) Heppner, stellv. Kreisleiter, m. d. L. b.
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rauchen oder lant höhnende Bemerkungen machen. Diese Volksgenossen erfuhren durch den Werkschaftsdienst der Straßenbahner mit Recht eine deutliche, oft handgreif liche Aufmunterung".
Unter den also„ Ermahnten" befanden sich leider auch einige Parteigenossen. Diese sollten eigentlich wissen, wie sie sich beim Vorbeimarsch der Parteifahnen zu verhalten haben.
Bei dem raschen Zupacken der Straßenbahner ergaben sich hier und da aber zweifellos auch bedauerliche Mißgriffe. Insbesondere wurden ältere Leute, die ahnungslos auf den Bürgersteigen standen bzw. aus den Fenstern sahen, bedroht. Bei der Polizei ist eine Reihe von Anzeigen solcher Volfsgenossen eingegangen, die sich zu Unrecht mißhandelt fühlten. Das gestrige Verhalten der Straßenbahner hatte im Handumdrehen zu den tollsten Gerüchten Veranlassung ge= geben, die naturgemäß von Hetzern und kommunistischen Agis tatoren sofort aufgegriffen und weitergetragen wurden. Die nationalsozialistische Bewegung ist allerdings zu fest in den Herzen der Deutschen verankert, als daß ihr durch solche unwahren Uebertreibungen Schaden zugefügt werden könnte!
Jeder erweise in Zukunft den Fahnen als den Symbolen der nationalen Erhebung seinen Gruß, und keinem wird ein Haar gekrümmt werden! Die Bewegung verlangt, daß man ihr Achtung und Anerkennung zollt, und wahrlich, sie hat es verdient!
Das Fest verlief am Nachmittag noch recht harmonisch. Das Wetter hatte sich aufgeheitert, so daß der Volkshausgarten bald dicht gefüllt war. Unter Leitung der Parteigenossen Bölcke , Stiller, Inspektor Wesener, Kaciala, Fach-. gruppenleiter Seiler und Sturmführer Schmidt entwickelte sich bald reges Leben und Treiben. Neben allgemeinen Volksbelustigungen war auch für die Kinder gesorgt; unter Vorantritt der Musikkapelle wurde schließlich für die Kleinen sogar ein besonderer Umzug durch die Straßen veranstaltet.
( Zensurlüde im Original.)
Bei dem gestrigen Umzug der Berliner Straßenbahner er gaben sich leider wenig schöne Szenen. Zugegeben, daß eine ganze Anzahl Brandenburger Einwohner bedauerlicherweise offenbar noch nicht weiß, daß die Fahnen der NSDAP . als Hoheitszeichen unseres Staates durch Erheben der rech= ten Hand zum Deutschen Gruß zu ehren sind. So sah man Männer und namentlich auch jugendliche Gestalten einfach die Hände in den Hosentaschen behalten, ihre Pfeife weiter: Es scheint uns, daß der„ Empfang", den die Brandenburger den Berliner Pg. bereitet haben, die Volksstimmung besser offenbart, als der Riesenrummel in Nürnberg .
44 Jahre Zuchthaus!
Für vier Kommunisten
Das Comité d'Informations et d'Aide aux Réfugiés allemands, 8, rue des Francs- Bourgeois à Strasbourg , hat sich einer Idee zur Verfügung gestellt, die aus Kreisen der Emigranten und Refugies an das Komitee herangebracht
wurde.
Es handelt sich um den Gedanken einer Selbsthilfeorganisation der deutschen Flüchtlinge. Es ist immer wieder aus Kreisen französischer Bürger, die sich des Hilfswerkes in besonders großzügiger Weise angenommen haben, Erstaunen und Unmut darüber geäußert worden, daß die
jenigen Deutschen , die das Glück hatten, bei ihrer Ueber siedlung nach Frankreich größere Mittel zu retten oder sofort neue Arbeits- und Existenzmöglichkeiten zu finden, sich in keiner Weise um ihre vom Glück weniger begünstigten Schicksalsgenossen kümmern.
Es sollte nach Ansicht redlich denkender Kreise und auch nach unserer Ansicht Ehrenpflicht der Glücklicheren sein, die schwere Last, die den einheimischen Fürsorgestellen durch die Versorgung und Betreuung der teilweise vollkommen existenzlosen Flüchtlinge entsteht, zu ihrem Teil angemessen zu erleichtern und an dem Hilfswerk mitzuarbeiten. Es handelt sich hier nicht so sehr um einen Akt freiwilliger Wohltätigkeit, wie um eine unabweisbare Pflicht.
Das ganze Ansehen der deutschen Flüchtlinge wird beeinträchtigt durch diese scheinbare Gleichgültigkeit der eigenen Landsleute; jeder deutsche Flüchtling muß sich darüber klar sein.
Die neu zu schaffende Selbsthilfeorganisation will nun all diejenigen zusammenfassen, die in Erkenntnis der bisher gemachten Fehler, an dem Aufbau einer produktiven Selbsthilfeorganisation der deutschen Flüchtlinge tatkräftig mitwirken wollen.
Wer die bezeichneten Ziele fördern will, und die unabweisbare Menschenpflicht erfüllen will, möge seine Adresse dem oben bezeichneten Komitee bekannt geben.
Unzureichende Eignung
aber besonders wertvoll!
Der deutsche Reichsminister des Innern hat in einer Verfügung Richtlinien über die Versetzung von Beamten in den einstweiligen Ruhestand erlassen. Er erörtert hierbei die Tatsache, daß in der letzten Zeit häufig nationalsozialistische Be amte„ wegen unzureichender Eignung" in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden sind. Dazu erklärt er:
Das Merkmal der unzureichenden Eignung wird in der Regel auf solche Wartestandsbeamte nicht zutreffen, die nach ihrer Gesinnung dem nationalsozialistischen Staat als besonders wertvoll erscheinen müssen.
Das heißt in dürren Worten: Ein nationalsozialistischer Beamter ist für den Dienst im dritten Reiche" auf feinen Fall ungeeignet mag er auch sonst noch so unfähig sein,
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Das Hanseatische Sondergericht in Hamburg verhandelte gegen eine Gruppe von sieben ehemaligen Kommunisten wegen Teilnahme bei der Verabredung eines SprengAngeklagten waren auch am Abend vorher bei dem Ueberfall auf ein NS.- Lokal beteiligt, bei dem der Polizeibeamte Ropka erschossen wurde. Vier Angeklagte wurden am 22. Juli zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt. Das Sondergericht verurteilte unter Einbeziehung der am 22. Juli verhängten Strafen den Angeklagten Wieck ström zu 14 Jahren, die Angeklagten Dose und Flumm zu je 12 Jahren und den Angeklagten Hans Jabs zu sechs Jahren Zuchthaus.
Kommunistenführer ermordet
Wer ist es?
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Die Telegrafen- Union meldet aus Warschau :
Vor zwei Wochen wurde aus einem Nebenfluß der Weich sel bei Warschau eine Leiche geborgen, deren Identität nicht gleich festgestellt werden konnte. Nun stellt es sich heraus, daß es sich um einen führenden deutschen Kommunisten handelt, der vor kurzem illegal nach Polen kamund größere Geldsummen, wie vermutet wird einen Teil der kommunistischen Parteikasse, bei sich führte. Man nimmt an, daß es sich um einen Raubmord handelt. Der Name des Ermordeten wird noch geheim gehalten.
Ganz besonders gut gefiel das B. V. G.- Orchester, daß unter Leitung von Pg. Gohlke spielte; es wurde vielfach der Wunsch ausgesprochen, diese über 60 Mann starke Kapelle recht bald wieder einmal in Brandenburg zu hören.
Abschiedsbricides Revolutionärs
Einer, der zu sterben wußte
Einer der vier in Hamburg hingerichteten Kommunistent hat vor der Exekution an seine Kinder folgenden Brief geschrieben:„ Altona , 31. Juli 1933, Gerichtsstraße 3... Liebe Kinder, wenn Ihr diesen Brief erhaltet, dann ist Euer Papa nicht mehr, dann wurde er laut dem Urteil erledigt, also werden wir uns nicht mehr sehen. Aber wenn Ihr größer seid und Weltgeschichte studiert habt, dann werdet Ihr begreifen, was Euer Papa war, warum er kämpfte und starb. Ihr werdet begreifen, warum er so und nicht anders handeln konnte. Lebt wohl und werdet Kämpfer. Es grüßt Euch Papa." d
Kamerad Bischof
Zur Beisetzung Dr. Schreibers
Berlin, 11. Sept.( Inpreß.) Der turhounge Bischof Schreiber, der nach Abschluß des Preußenkonkordats vor einigen Jahren sich in Berlin niederließ, ist nach kurzer Gleichschaltung von Polizei in Stärke von 150 Mann und einer starken Abteilung des Reichswehr - Infanterieregi mentes Nr. 19 zu Grabe getragen worden. Die Reichswehrtapelle spielte:„ Ich hatt einen Kameraden..." Halbamtlich war bekanntgegeben worden, daß keine strafrechtliche Verfolgung stattfinden werde, wenn der Leichenzug in den Straßen nicht hitlerisch gegrüßt werde.
Vergebliche Mühe
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BISHER VOLL
KOMMENER
MANGEL AUFBAUENDER
POLITIM
DEUTSCHLAN
R
AUFGEBLASEN UND DOCH NICHT STEIGEND.
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