Der Reichstagsbrand

Der Herr Reichsanwalt auf dem Rückzug: Lubbe allein angeklagt!

Die große Pariser Abendzeitung Paris Soir" bringt eine sensationelle Meldung Es ist einem ihrer Mitarbeiter gelungen, Einblick in die Anklageschrift des Oberreichsanwaltes gegen die Reichstagsbrandstifter" zu erhalten. Aus dieser Akte geht hervor, daß die Reichs anwaltschaft versuchen wird, glaubhaft zu machen, daß van der Lubbe der alleinige Täter gewesen sei. Der junge, halbblinde Holländer soll an der Fassade des Reichstages hochgeklettert sein, eine Scheibe eingetreten haben und so ins Innere des Reichs­tagsgebäudes gelangt, ganz allein mit ein paar Kohlen­anzündern das riesige Feuer angelegt haben. Diese Version schlägt den bisherigen Behauptungen der offi­ziellen deutschen Stellen, daß mindestens zehn Menschen notwendig gewesen seien, um zentnerweise Brandmaterial in den Reichstag zu schaffen, geradezu ins Gesicht. Sie widerspricht ebenso allen bisher abgegebenen Gutachten der deutschen Sachverständigen, daß unmöglich ein Mann allein die vielen Brandherde vorbereitet und entzündet haben könne. Der Untersuchungsrichter Vogt hatte immer wieder erklärt, daß er die Beweise dafür besitze, daß van der Lubbe mehrere Helfer bei der Jn­brandsetzung des Reichstages gehabt habe. Der amtliche preußische Pressedienst schrieb am 1. März:

Die bisherige amtliche Untersuchung der großen Brandstiftung im Gebäude des deutschen Reichstages hat ergeben, daß allein zur Herbeischaffung des Zündmaterials mindestens sieben Personen notwendig gewesen sind, während die Verteilung der Brandherde und ihre gleich­zeitige Entzündung in dem riesigen Hause min­destens zehn Personen erfordert haben muß." Von Beginn an also war die Anklage darauf angelegt, eine umfangreiche, lang vorbereitete Verschwörung nach­zuweisen.

Weshalb fällt jetzt in letzter Minute die Anklagebe­hörde um und behauptet, daß von der Lubbe allein den Reichstag angezündet habe? Die Gründe für diese sensationelle Schwenkung sind sehr ein, fach. Es ist nachgewiesen worden, daß in der Tat eine Anzahl von Personen nach sorgfältiger Vorbereitung das Brandmaterial in den Reichstag gebracht und an ver­schiedenen Stellen zugleich entzündet haben. Diese Brandstifterkolonne hat aber nur durch den unterirdischen Gang vom Palais des Reichstagspräsidenten Göring in den Reichstag eindringen können. Diese Möglichkeit aber war niemals für Kommunisten, sondern ausschließ­lich für Nationalsozialisten gegeben. Der Beweis ist Iückenlos. Die ganze Welt weiß heute darüber Bescheid, werden Reichstagange zündet hat und aus welchen Gründen diese verbrecherische Provokation erfolgte. An­gesichts der Weltöffentlichkeit muß die Anklagebehörde in Leipzig , deren Aufgabe es ist, die Wahrheit zu ver­tuschen, nicht aber sie zu finden, die Schwenkung vor­nehmen und alle früheren offiziellen Behauptungen dementieren.

Wird man heute noch wagen zu behaupten, daß Torgler , Dimitroff , Zaneff und Popoff an

Auch die Journalisten, die Pressefotografen wurden dugend­weise wieder fortgeschickt, weil nicht ein einziger Mensch mehr in den vollkommen überfüllten Saal hineinging, in dem man die Stühle an die Seite gestellt hatte und stand, Kopf an Kopf. Draußen auf den Straßen demonstrierten Tausende und aber Tausende gegen den Mörder Hitler " und für die Freilassung Torglers, Thälmanns und aller Opfer des deutschen Faschismus. Unter atemloser Stille schilderte Moro Giafferi die Vorgänge: den Reichstagsbrand selbst und die Begebenheiten am Tatort. Er zitierte die ersten amtlichen Verlautbarungen, teiligt gewesen sein müssen. Er beschäftigte sich ausführ= wonach mindestens zehn Mann an der Brandstiftung be lich mit der Person van der Lubbes, den er als einen Halbirren kennzeichnete. Er betonte, daß die Behaups tung der Anfläger, van der Lubbe habe ein Mitgliedsbuch der Kommunistischen Partei in der Tasche gehabt, erlogen sein müsse, da bewiesen worden ist, daß van der Lubbe be­reits 1931 aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen worden ist. Er zerpflückte die Aussagen der nationalsozia­listischen Belastungszeugen bis ins einzelne. Er stellte die zahlreichen Widersprüche und Unmöglichkeiten in diesen Aussagen fest. Er zog aus allen juristischen Argumenten und aus der Tülle des vorliegenden Tatsachenmaterials den Lubbes- mit dem Brande nicht das Geringste zu schaffen Schluß, daß die Angeklagten - mit Ausnahme van der gehabt haben, daß die Anflage konstruiert und voller un wahrscheinlicher Widersprüche sei. Moro Giafferi sagte, daß er als Anwalt spreche, der das Recht erforschen wolle. Daß er nicht aus politischen Gründen, sondern aus dem Grunde des Rechts und der Wahrheitsfindung feststellen müsse, daß die Angeklagten unschuldig seien.

Aber er plädierte nicht nur als Verteidiger, sondern auch als Ankläger. Er stellte fest, daß nach amtlichen deutschen Verlautbarungen vom 1. März die Polizei bereits am 24. Februar davon unterrichtet gewesen sei, daß ein Anschlag auf den Reichstag drohe. Was aber hat Göring getan, um diesen drohenden Anschlag zu verhindern? Er hat, wie feft­gestellt ist, am 27. Februar den Kommandeur der verant­wortlichen Polizeiwache beauftragt, seinen Mannschaften Urlaub zu geben. Giafferi stellte weiter fest, daß die Täter rur zwei Möglichkeiten hatten in den Reichstag zu gelangen, entweder durch das streng bewachte Portal Nr. 5 oder durch den unterirdischen Gang vom Palais des Reichstagspräsi= denten Göring. Er appellierte mit Leidenschaft an die deutschen Verteidiger, alle diese Fragen in Leipzig zu stellen und auf alle widersprüche der amtlichen Verlautbarungen, der Vorunterfuchung und der Anklageschrift hinzuweisen. Er rief am Schluß seiner langen und inhaltsreichen Rede aus:

Der Mörder und Brandstifter ist Göring !

Nach ihm sprach der zweite weltbekannte französische An­walt, Me Torres, Depute, der alle Ausführungen von

und zu niemanden eine auch nur ähnlich geartete Ers klärung abgegeben.

Ganz im Gegenteil hat der Gelehrte, der sich vor den Mord-. drohungen der Nationalsozialisten nach England flüchten mußte, den Vertretern der englischen Presse noch einmal er­klärt, daß er selbst zwar nicht am Braunbuch" mitgearbeitet babe, sich aber mit seinem Inhalt vollkommen identifiziere.

Am 14. September:

Beginn des Londoner Gegenprozesses

Am 14. September hat in London im Hause der Society of Law der Prozeß der Internationalen Juristenkommission gegen die eigentlichen Urheber des Brandes im deutschen Reichstagsgebäude begonnen. Eine von der Untersuchungskommission nach Holland ents sandte Unterkommission hat in diesen Tagen sehr erhebliche Zengen ermitteln und protokollarisch vernehmen können. Es Tätigkeit des van der Lubbe in faschistischen Organi­handelt sich um Personen, die in der Lage sind, über die fationen sehr genaue Angaben zu machen, und, anderenteils, um solche Personen, die über den homosexuellen Komplex in der Affäre sehr präzise Mitteilungen geben fonuten. War nach dem bisher vorliegenden, im Braun­Buch" ausgebreiteten Material mit hoher Wahrscheinlich­teit anzunehmen, daß van der Lubbe durch den ermordeten Bell in den amoureusen Kreis des Stabschefs der SA. und SS., des Hauptmanns Röhm, eingeführt worden war, so fehlten doch bis jetzt Beweise dafür, daß van der Lubbe auch schon vor seiner lekten Reise nach Deutschland in Hol­ land in homosexuellen Zirkeln verkehrt habe. Jezt ist von der nach Holland entsandten Unterkommission eine Reihe von Zengen ermittelt worden, deren Aussagen nunmehr feinen Zweifel mehr bestehen lassen, daß van der Lubbe hemosernell veranlagt ist. Einer dieser Zeugen hat mit dem Provokateur in intimem Verkehr gestanden.

Dem Londoner Gerichtshof wird ein umfassendes, historisch und dokumentarisch fundiertes Gutachten vorliegen, in dem, von der Ermordung Liebknechts ab bis auf die neueste Zeit die ver­schiedenen terroristischen Akte geschildert werden, die von der deutschen Gegen- Revolution begangen worden sind, um die Ar­beiterschaft, als den tragenden Pfeiler der Weimarer Republik , zu provozieren.

Giaffert unterstrich und an das Weltgewissen appellierte, fich Man rüstet durch die Justizfarce, die in Leipzig aufgeführt werde, nicht täuschen zu lassen.

Diese beiden Hauptreden waren eingerahmt in die An­sprachen und Appelle des Versammlungsvorsitzenden, des großen französischen Journalisten ecache, des Schrift stellers Egon Erwin Kisch , des in einem SA- Keller mißhandelten Inders Tagore ( den Neffen des Dichters), durch die Anklage gegen die Verbrechen des Naziregimes, die Rudolf Leonhard noch einmal zusammenfaßte und endlich durch das Bekenntnis der Schwester des Angeklagten Dimitroff zum Freiheitskampf des revolutionären Proletariats.

Die Versammlung nahm am Schluß einstimmig und leidenschaftlich für eine Resolution Stellung, die das Justiz verbrechen, das jetzt in Leipzig zur Ausführung kommen soll, aufs Schärfste verurteilte. Der Freispruch der An­

in Leipzig

Der Prozeß beginnt am 21. September in Leipzig . Das Reichsgerichtsgebäude wird seit Montag scharf über­wacht. Polizei und Wächter sind an allen Eingängen auf­gestellt. Man erwartet einen beträchtlichen Andrang von deutschen und fremden Journalisten, aber die Behörden haben beschlossen, nicht mehr als insgesamt 120 Presse­tarten auszugeben. Dreißig besondere Telefonzellen werden den Berichterstattern vorbehalten sein. Außerdem versichert man, daß verschiedene Gerichtssitzungen durch Radio verbreitet werden dürfen. Später wird das Gericht in Berlin tagen. Der Saal des Hauptausschusses des Reichs­tags ist für diese Sigungen bestimmt.

geklagten wurde im Namen des Rechtes und der Mensch Ekstrabladet" sagt die Wahrheit! lichkeit gefordert.

dieser Tat beteiligt gewesen sind, daß sie den Täter an Das gefälschte Einstein Interview

gestiftet haben? Wird man es zuwege bringen, der Deffentlichkeit einzureden, daß Torgler den halbblinden van der Lubbe veranlaßt habe, eine Fassade zu er­klettern? Die Manöver der vor der Welt entlaroten wahren Brandstifter werden immer verzweifelter. Kein Täuschungsversuch kann heute mehr verhindern, daß die Wahrheit in der Welt bekannt geworden ist und auch in Deutschland selbst schon dämmert.

Die Hauptbelastungszeugen im Leipziger Reichstagsprozeß sind, wie es sich bei den Methoden dieser Justizbehörde beinahe von selbst versteht, ausgesuchte Nationalsozialisten.

Es werden gegen Torgler zeugen: der nationalsozia­listische Reichstagsabgeordnete Karmahne. aus Hannover . Karwahne wurde 1925 aus der Kommu nistischen Partei, in der er vergeblich eine Rolle zu spielen suchte, ausgeschlossen. Der zweite Zeuge ist der Frak­tionssekretär der nationalsozialistischen Reichstags­fraktion, Kreuer; der dritte ein führender öster reichischer nationalsozialistischer Funktionär namens Frey.

Es ist selbstverständlich, daß diese Zeugen" als Funktio­näre einer Partei, die ein Lebensinteresse daran hat, die Wahrheit über den Reichstagsbrand zu vertuschen, völlig unglaubwürdig sind. Sie werden nur das aussagen, was ihnen vorher durch das Propaganda­ministerium eineɣerziert worden ist. Diese Aussagen werden teils völlig freie Erfindungen, teils völlige Ent­stellungen und Verdrehungen von Tatsachen sein. Die Deffentlichkeit kann sich darauf gefaßt machen, daß sie von diesen Herren Zeugen" die sonderbarsten Schauer märchen zu hören bekommen wird.

Das Pariser Massenmeeting ,, Der Mörder und Anstifter ist Göring !"

Paris , 18. September. Zehntausende waren gefommen, um im größten Saale von Paris , dem Salle Wagram", von den beiden berühmtesten französischen Anwälten Moro Giafferi und Torres zu hören, wer den deutschen Reichstag in Brand gesteckt hat. Um sieben Uhr waren die Zugänge zum Saal gesperrt.

In großer Aufmachung bringt der Völkische Beobachter" auf der Titelseite die Nachricht, Albert Ein­ stein habe holländischen Blättern ein Interview gegeben, in dem er sich über die angebliche Ausnutzung seines Namens bei der Publikation des Braunbuches" beklage und mit­teile, der eigentliche Herausgeber des Braunbuches sei der Reichstagsabgeordnete Münzenberg .

Diese Interviews sind eine völlig freie Erfindung des Berliner Propagandaministeriums. Einstein hat niemals

..Attentat auf Hitler "

Ein braunes Greuelmärchen

Frankfurt a. M., 13. Sept. Gelegentlich der Festnahme dungsaktion der Geheimen Staatspolizei, wurde, wie das einer größeren Anzahl von Kommunisten bei einer Fahn­Geheime Staatspolizeiamt mitteilt: ermittelt, daß im Juni rorigen Jahres ein Anschlag auf Reichskanzler Adolf Hitler in Mainz geplant gewesen war.

Die Verhafteten gestanden", daß am 13. Juni 1932 Adolf Hitler , als er in einer Versammlung in Mainz sprach, auf der Rückfahrt hätte ermordet werden sollen. Der Plan sei daran gescheitert, daß einer der Attentäter mit seinem Revolver nicht umzugehen verstand und sich die Waffe in einem Hausflur erklären ließ. Dabei ging ein Schuß los, und die Attentäter flüchteten, da sie der Meinung waren, es sei ein Gegenanschlag auf sie geplant. Als die Verschwörer sich wieder gesammelt hatten, war Hitler mit seinem Kraft­wagen bereits vorbeigefahren.

Und dieses schwachsinnige Lügenmärchen der Geheimpolizei soll ein vernünftiger Mensch ernst nehmen! Aber es handelt sich darum, wieder einen Anlaß zu neuen Kommunistenvers folgungen zu konstruieren. Die Verfolgungen haben bereits begonnen.

Mainz , 13. September. Bei einer Polizeiaktion gegen Unterorganisationen wurden in Mainz 79 Personen feftges nommen. Es wurde festgestellt, daß der Rotfrontkämpferbund in Mainz immer noch fortbesteht und Vorbereitungen zu einem Umsturz getroffen hatte. Beschlagnahmt wurden Bomben, Sprengstoff, Gewehre, Handgranaten und Munis tion.

die verbotene Kommunistische Partei und deren Hilfs: und

Darum wird es in Hitler- Deutschland verboten!

Kopenhagen , 14. Sept.( Eig. Ber.) Das große dänische Blatt Ekstrabladet" wurde heute von der Geheimen Staatspolizei in Deutschland beschlagnahmt und auf un= bestimmte Zeit verboten.

-

Warum?: Nun, es hatte ein Foto des Ministerpräsi­denten Göring mit der Unterschrift: Das ist der wahre Reichstagsbrandstifter!" gebracht. Weil aber Herr Göring diese Wahrheit nicht vertragen kann, mußte das Kopenhagener Blatt verboten werden!

Wo ist Dr. Mierendorff?

Lebt

noch?

Man schreibt uns aus dem Reich:

Der bekannte sozialdemokratische Abgeordnete Dr. Karl kreuzes 1. Klasse, befand sich seither in dem hessischen Mierendorff, Kriegsfreiwilliger und Inhaber des Eisernen Konzentrationslager Osthofen bei Worms . Auf dem Wege dorthin wurde er bekanntlich im Triumphzuge durch Darmstadt geschleift und mißhandelt. Auch im Lager Ost­ hofen wurde er mißhandelt. Wir wissen zuverlässig, daß er mindestens zweimal dort in der schlimmsten Weise ver­prügelt und niedergeschlagen wurde.

Dr. Mierendorff befindet sich seit de m 1. September nicht mehr in Osthofen ! Zur Ent­lassung fam er nicht, geflüchtet ist er auch nicht. Er wurde von den hessischen Machthabern aus dem Lager entfernt und niemand vermag zu sagen, wo sich Dr. Mierendorff jetzt be= findet. Die schlimmsten Befürchtungen über sein Schicksal sind nicht von der Hand zu weisen!

Wir fragen den Präsidenten des Hessischen Staatspolizei­amtes, Dr. Best, in Darmstadt :

Wo ist der Reichstagsabgeordnete Dr. Mierendorff?

Die Ohrfcige des Holländers 15 Monate" efängnis

( Inpreß.) Ein holländischer Geschäftsmann, der die Be­lästigungen eines SA.- Mannes schließlich nicht anders als durch eine Ohrfeige zu parieren wußte, wurde in Düsseldorf zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt.