Massenverhaffung

von Sozialdemokraten

500 bis 600 Funktionäre

Das Prager Tagblatt" meldet aus Berlin  : Die ge­heime Staatspolizei hat den neuen Zentralausschuß der Sozialdemokratischen Partei verhaftet.

Das Mitglied des Ausschusses, der frühere Redakteur des " Vorwärts", Klüß, war vor drei Wochen nach Paris   gereift, um dort bei der Leitung der Partei Informationen einzu­holen. Seine Reise war aufgefallen und er wurde nach seiner Rückkehr fortdauernd überwacht. Ein unvorsichtiges Telefon­gespräch, das er mit dem Kassierer des Ausschusses, Wilhelm Krüger  , führte, hatte die Verhaftung der beiden zur Folge. Bei der hierauf vorgenommenen Hausdurchsuchung fiel der Polizei großes Material in die Hände.

Alle Mitglieder des neuen Aktionsausschusses, darunter der Abgeordnete Hildenbrand, der seinerzeit württembergischer Gesandter in Berlin   war, wurden verhaftet. Im ganzen Reich wurden ungefähr 500 bis 600 sozialdemokratische Funk tionäre verhaftet. Sie wurden in Konzentrationslager ge­bracht, die Mitglieder des Aktionsausschusses nach Leipzig  , wo gegen sie ein großer Hochverratsprozeß eingeleitet werden sell.

Auch von der neuen Organisation der sozialdemokratischen Arbeiterpartei wurden mehr als 40 Mitglieder verhaftet.

Der Widerstand lebt

Demonstrationen in Berlin  

In den letzten Tagen haben in Berlin   nicht weniger als 18 Demonstrationen mit einer Teilnehmerzahl von jeweils 50 bis 300 Mann stattgefunden. Ganze Stadtteile wurden abgeriegelt und von SA. durchsucht. Trotzdem willkürliche Verhaftungen verdächtiger Arbeiter erfolgten, gelang es nicht, die Aktionen zu verhindern.

In den Warenhäusern Karstadt   und Tiek flogen Flug­blätter von den obersten Stockwerken und landeten auf den Verkaufsständen. In den Siemenswerken und in zehn ande­ren Großbetrieben wurden Flugblätter und illegale Bei­tungen verbreitet.

2400 in Oranienburg  

Im Konzentrationslager Oranienburg   ist die Zahl der Internierten von 170 am 1. Juni auf etwa 2400 angewachsen. Die größte Anzahl besteht aus Arbeitern, die fast alle will­türlich und zufällig aus den Millionen herausgegriffen worden sind, die als linkspolitisch bekannt waren. Zu den ältesten Häftlingen gehört der sozialdemokratische Abgeord­nete Gerhard Seeger, dessen pazifistische Tätigkeit bestraft wird. Nach dem Haarschneiden" mußte Seeger ins Kranken­haus überführt werden: man hatte ihm die Kopfhaut an meh­reren Stellen aufgerissen. Die früheren Eleven des Gutes Wolzig bei Königswusterhausen  , die vom Israelitischen Gemeindebund" zu jungen Landwirten ausgebildet werden sollten, sind geschlossen eingeliefert worden. Man fand auf dem Gut ein Waffenlager" von einem Maschinengewehr und einigen Pistolen, die von der SA. bei Beginn der Haus­fuchung unter die Betten der Eleven gesteckt worden waren. Einer der Jungens, ein Knirps von 14 Jahren, mußte täg­lich beim Morgenappell der SA. vor die Front treten und auffagen: Ich bin ein Sittenstrolch, ich habe ein deutsches Mädchen verführt." Interniert im Lager Oranienburg   sind weiter die früheren Leiter des Berliner Rundfunks, Direktor Magnus, Intendant Flesch, der Regisseur Alfred Braun  . Sie werden mit Vorliebe zu den schwersten Arbeiten komman­diert, vor allem zum Tragen von Mauersteinen. Vier SA.­Oberführer aus München  , die wegen ,, Meuterei gegen Hitler  " eingeliefert wurden, genießen eine außerordentlich respekt­volle Sonderbehandlung.

Das Konzentrationslager Oranienburg   ist das Hoheits­gebiet der SA  . Keine Behörde kümmert sich um das Lager. Rein Beamter fontrolliert, was dort geschieht.

Quälerel!

Neue Schikanen im Sonnenburger Konzentrationslager

Im Konzentrationslager Sonnenburg  , wo die meisten der führenden marxistischen   Funktionäre untergebracht sind, find neuerdings auf direkte Anweisung des preußischen Innenministers Göring   unerhörte Verschlechterungen für die Schuzhaftgefangenen eingeführt worden. Während bis da­hin wenigstens alle 14 Tage die Gefangenen Pakete emp­fangen fonnten und Briefe geschrieben werden durften, während die Angehörigen alle vier Wochen Besuchserlaubnis erhielten, ist jetzt die Besuchserlaubnis überhaupt gesperrt, Pakete dürfen nicht mehr geschickt werden und selbst die Uebersendung kleiner Geldbeträge, für die sich die Ge­fangenen bisher wenn auch nur in kleinerem Umfang

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in der Kantine Rauchwaren und dergleichen kaufen konnten, ist jetzt untersagt. Als Grund für diese Quälerei gegenüber den Insassen werden die deutschen kommunistischen Wühle­reien" angegeben. In Wahrheit handelt es sich um die Durchführung des barbarischen Prinzips, das einer der mit

Deutsche   Geschichte

So wird sie nun der Jugend vorgesetzt

Ein Volksschullehrer schreibt uns:

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Die ganze Trostlosigkeit nationalsozialistischen Geistes­lebens", das sich nicht an wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern an dem Ererzierreglement der SA. zu orien­tieren hat, zeigt sich im Schulunterricht von der Elemen­tarschule, in der die Leistung des Schülers nach der stram­men Kehrtwendung bemessen wird, aufwärts bis zu den Universitäten in Zukunft muß der Student im Schießen Gut" haben, wenn er zum Examen zugelassen werden will. In den bayrischen Schulen haben die jüdi schen Schüler die Klasse zu verlassen, wenn deutsche Dinge besprochen werden: Judenkinder mal eben raus!" So wie man den Kindern bereits einen Judenhaß, von dem sie nichts wissen, aufoktroniert, so präsentiert man ihnen im Geschichtsunterricht eine deutsche   Geschichte", die nicht einmal mehr die Wahrheit ahnen läßt, die zum Parteimythos der NSDAP  . zurechtgestukt worden ist. Vor uns liegt als Ergänzung für den Geschichtsunter­richt der höheren Lehranstalten auf Grund der Ent­schließung des bayerischen Staatsministeriums für Unter­richt und Kultus vom 27. 3. 1933" von einem Münchener  Oberstudiendirektor herausgegebenes Büchlein: Auf­bruch der deutschen   Nation. 1914-1933"

Mit einer göttlichen Unbekümmertheit wird hier Ge­schichte gemacht", daß man herzhaft lachen müßte, wenn einem die Generation nicht leid täte, deren Geist so ver­nebelt und deren Hirn so vergiftet wird. Der Kampf der heldenhaften Persönlichkeit mit der deutschen Zwietracht" ist nach der Meinung des Verfassers das zentrale Pro­blem der deutschen   Geschichte" und für den Unterricht ,, das unmittelbare Ziel der geschichtlichen Darstellung". Die Darstellung der historischen Ereignisse, wie sie der Herr Oberstudienbirektor sieht, ist so, wie sich der kleine Moritz den Ablauf der Weltgeschichte vorstellt.

Hier nur eine kleine Blütenlese, die keineswegs er­schöpfend ist:

Deutschland   liegt in der Mitte von Europa  . Es ist rings von Nachbarn umgeben, die seine Schwäche ausnüßen und ihm alles Ueble antun wollen.

Bismarck   sieht so aus:

im Dienste für sein Vaterland verzehrte er sich. De m Streit der deutschen   Stämme machte er ein Ende..... Oesterreich mit seinen fremdent Völkerschaften mußte aus Deutschland  ausscheiden( 1866). Wenn die Völker in Feindschaft gerieten, tamen sie zu Bismard. Der schlichtete ihren Streit.

Die soziale Frage findet folgende klassische Behandlung: Die Kapitalisten hatten oft wenig Ver­ständnis für den Arbeiter und achteten ihn immer seltener als Bruder und Volks. genoffen. Sie legten ihr Geld zusammen und gründeten Gesellschaften( Attiengesell­schaften).

Immer größer wurde dadurch der Haß der Arbeiter gegen die Reichen. Volksfremde Menschen hezten sie zum Kampf.

Dann erwirbt sich der Verfasser um den Marxismus un  schäßbare Verdienste durch die Auffindung folgenden 3itats aus dem Kommunistischen Manifest", das bisher noch jedem Marristen entgangen ist:

Schließt euch mit den Arbeitern des Aus­landes zusammen und kämpft gegen die eigenen Volksgenossen. Alle Betriebsmittel,

das Geld und die Fabriken, die Bergwerke wie die Felder und Wälder müssen in den Besitz der Allgemeinheit kom­men."( Kommunistisches Manifest von Karl Marx   und Fr. Engels 1847.) Die unzufriedenen Arbeiter ver­einigten sich zu einer Partei( Sozialdemokratische Partei  , gegründet 1875). Sie wollten das Reich zer­stören, die Volksgemeinschaft vernichten und eine Gewaltherrschaft aufrichten( Dif tatur des Proletariats).

Damit nicht genug:

Aber der Haß im Volte wurde weiter ge­schürt; die deutschen   Arbeiter sollten ihre Heimat vergessen und mit dem Ausland zu­sammenarbeiten( Internationale). Bis­ marck   erhob sich dagegen. Da mußte er( am 20. März 1890) aus seinem Amte scheiden. Von den 32 Seiten, die das Büchlein umfaßt, werden rund 10 dem großen Weltkrieg" gewidmet, selbstver­ständlich nur unter Aufzählung unserer heroischen Siege". Etwa so:

Das Deutschlandlied fingend, die Blumen noch am Helm, gingen sie in den Kampf und in den Tod. Unter ihnen war ein unbekannter Soldat, der tapfersten einer, der gegen die englischen Drahtverhaue vorsprang und seine Feuertaufe empfing: Adolf Hitler  .

Das Kriegsende sieht im Hirn des Herrn Oberstudien­direktors folgendermaßen aus:

Da brach in der Heimat die Revolution aus. Die Ma­trosen auf den Schiffen verweigerten den Gehorsam ( Meuterei in Kiel   am 3. November 1918). Arbeiter- und Soldatenräte begannen mit Willkür zu herrschen. Die Ordnung zerfiel. In den Straßen wurde geplündert, deutsche   Volksgenossen wurden hingemordet. Die Regie­rung wurde gestürzt( 9. November 1918). Von einem volksfremden Juden( Kurt Eisner  ) wurde in München  die Revolution ausgerufen. Ein Rat der Volksbeauf­ tragten  " übernahm die Macht im Staat. Noch wäre Ge­legenheit gewesen, den Waffenstillstand mit seinen un­seligen Bedingungen abzulehnen. Das deutsche   Heer fonnte sich in der Rheinstellung sammeln. Es war die stärkste Festung der Welt und auch für Kampfwagen Tanks) unangreifbar... Aber die Machthaber der Re volution, die an Vaterland und Fürsten   Verrat und Treubruch verübt hatten, vergaßen, was, sie dem Vater­land schuldig waren. Sie fälschten Urkunden, um den Franzosen zuliebe dem deutschen   Volt die Schuld am Kriege zuzuschieben.

Dann werden die entsetzlichen Geldforderungen der Feinde" bis ins Detail aufgerollt:

" Pferde, Milchkühe, ja Hunde und Kazen mußte Deutsch­ land   den Feinden ausliefern."

Im Anschluß an eine seitenlange Glorifizierung Schlageters, den man fälschlich zum Mitglied der NSDAV. macht, wird der Rest des Büchleins dem großen Adolf gewidmet. Es erübrigt sich, auf den schleimigen Byzan finismus einzugehen, den man tagtäglich in der national­sozialistischen Presse findet.

Arme Jugend, die in einer solchen Schul- und Kultur­politik" ihre geistigen Weihen" erhält! Die Eltern fra­gen sich verzweifelt, wie ihre Kinder, mit solch geistigem Rüstzeug versehen, später einmal den Lebenskampf be­stehen können. Sollte die heutige Jugend ein dem kul­turellen Untergang geweihtes Geschlecht sein? Früher hieß Deutschland   einmal das Volk der Dichter und Denker.

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Nazi- Spitzel H. Müller verurteilt

Er sollte im Saargebiet.umlegen"

Meg, 14. September.

Die hiesige Straffammer verurteilte heute den 27jährigen Heinrich Müller   aus Dort­ mund   zu zwei Jahren Gefängnis, 1000 Fr. Geldbuße und zehnjähriger Landesverweisung. Die Verhandlung fand unter Ausschluß der Deffentlichkeit statt, dennoch weiß der an­scheinend ausgezeichnet informierte Le Lorrain" folgendes zu berichten:

Müller hielt sich als Provokateur der Nazis im Saar  gebiet auf, gleichzeitig aber betätigte er sich als Spion des Reichswehrkommandos 3 in Münster im Elsaß- Loth­

der Verwaltung beauftragten SA.- Leute furz nach der Er Sie Klauen alles

öffnung des Lagers dahingehend formulierte: Wir werden dafür sorgen, daß von den kommunistischen   Führern keiner mehr lebendig herauskommt."

Bejubelte Mörder

Die Blut atze des Nationalsozialismus

Schulz und Tilessen, die den feigen Meuchelmord an Erzberger   begingen und die Mörder Rathenaus, Kern und Fischer, werden vom nationalsozialistischen Führer" in Karlruhe wie folgt gefeiert: Das neue Deutschland   hat sich zu den Richtern Walter Rathenaus, zu Fischer und Kern, bekannt und dadurch das Andenken dieser Idealisten für alle Zeiten in unserm Volk verewigt. Zeitlich vor diesen Namen

Fischer und Kern, die leider viel zu früb gefallen find,

stehen Schulz und Tilessen, die einen der größten Schäd­linge Deutschlands  , den das ganze deutsche Volt als Ver­räter betrachtet, unter vollem Einsatz ihrer Person be­seitigt haben. Es ist nicht mehr als recht, daß wir diesen Vorfämpfern des völkischen Gedankens Glüd wünschen." Mörder als Vorkämpfer das kann von einem Gegner der Faschisten nicht schneidender gesagt werden

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Die politische Abteilung des Berliner   Polizeipräsidiums teilt mit, daß es ihr gelungen sei, eine dem ehemaligen Reichstagsabgeordneten Remmele gehörende Steingrotte, die aus wertvollem Uralgestein zusammen­gefest, ausfindig zu machen und zu beschlag nahmen. Remmele habe diese Grotte seinerzeit von Ruß­ land   als Geschenk erhalten und sie bisher in einer Berliner  Privatwohnung verborgen.

Das wichtigste an dieser Meldung der Berliner   politischen Polizei ist zweifellos die Tatsache, daß es sich um wertvolles Uralgestein gehandelt habe. Das dürfte auch der einzige politische Grunde gewesen sein, solange nach dieser Grotte zu forschen, um sie endlich zu beschlagnahmen".

Well sie nicht,.spendeten" Wer nicht zahlt, ist ,, Saboteur"

Der Gemeinderat von Herrheim bei Landau   hat be­schlossen, daß eine Reihe von größeren Grundbesitzern, die sich weigerten, zur Voltssozialistischen Selbsthilfe einen Beitrag zu zeichnen, als Saboteure am Gemeindebrett angeschlagen werden sollen. Die NSBO. will außerdem einen Bontott

ringer Festungsbereich. Er war mit reichlichen Geldmitteln versehen, und als Opfer der Hitlerbewegung machte er sich an politische Flüchtlinge in Saarbrücken   heran. So auch an seinen früheren Vorgesetzten, den Landrat des Kreises Hörde, Hansmann.

Vom Polizeipräsidenten Sch   epmann und dessen Krimi­nalkommissar Völker hatte er den unglaublichen Auftrag er­halten, nicht nur Hansmann, sondern auch andere Persönlich­feiten, die sich im Saargebiet aufhalten, umzulegen".

Da Müller geständig war, erkannte die Meßer Straf­kammer auf das bereits erwähnte Strafmaß.

gegen die betreffenden Bauern durchführen; in einer öffentlichen Kundgebung soll gegen das Verhalten der Landwirte, die der VS. ihre Unterstüßung versagen, pro­testiert werden. Eine Anzahl Saboteure wurden aus der Ortsgruppe des Bundschuh ausgeschlossen.

Schutzhaft wegen Getreidespekulation

München  , 14. Sept. Nach einem Bericht der bayerischen politischen Polizei haben gewissenlose Spefulanten" ver sucht, am Getreidemarkt Unruhe zu erzeugen und die Preise für den Zeitpunkt herunterzusprechen, wo neues Getreide in größerer Menge auf den Markt kommt. Diesem Treiben habe sich auch eine größere Münchener   Handelsgesellschaft für Ge­treide und Mühlenfabrikate angeschlossen. Der Direktor der Gesellschaft sei deshalb von der bayerischen politischen Polize in Schubhaft genommen worden.

Englischer Schüler miẞhandelt

Ein englischer Schüler im Alter von 15 Jahren ist in Berlin   belästigt und brutal mißhandelt worden, weil er die Hakenkreuzfahne nicht gegrüßt hatte. Das Foreign Office hat gegen den Vorfall beim deutschen   Außenministerium energischen Protest eingelegt.