baß in der Regierung Dollfuß Pläne erwogen werden, legal oder illegal das rote Wien, die freien Gewerkschaften und die österreichische Sozialdemokratie, die, wie die Unterschriftensammlung für die Einberufung des Parlaments zeigt, noch immer mindestens 42 Prozent der
Leipzig : Verteidiger und Richter
Stimmberechtigten für sich hat, zu zerstören. Ebenso Zwei Hauptfiguren des großen Reichstagsprozesses
menig zweifelhaft ist es, daß die österrei chischen Sozialisten Gemalt mit Gemalt be antworten werden, so daß man ruhig fagen barf: die Regierung Dollfuß, die ihre Stärke überschätzt, geht bewußt und blind in den Bürgerkrieg.
Der Ausgang dieses Bürgerkriegs ist zweifelhaft. Er gibt zunächst den Nazis innerhalb und außerhalb Desterreichs die Möglichkeit zum Eingreifen. Eine Verlegung der österreichischen Grenze durch Hitlers Banden bedeutet schwere Konflikte für Europa . Wie 1914 kann wieder ein großer Krieg aus der dummen österreichischen Außenpolitik erwachsen. Das Schicksal der deutschen Brüder hat die österreichischen Sozialdemokraten gewarnt: Sie werden legal und illegal mit allen Mitteln für die Freiheit kämpfen und sind auf alles gefaßt.
Man sollte meinen, daß diese Dinge auch der österreichi schen Regierung bekannt sein müßten. Dem ist nicht so. Die Regierung überschätzt ihre Macht; ihre führenden Männer, berauscht von ihren Versammlungen und Aufzügen, sind als Nichtparlamentarier nicht imstande, die Kraft der politischen Gegner einzuschätzen und glauben, daß die Sozialdemokratie, weil sie bisher, um den Kampf gegen die Nazi nicht zu stören, zu den meisten Handlungen Dollfuß ' geschmiegen hat, auch zu allen weiteren Aktionen der Regierung schweigen wird. Sie meint, es werde ihr ein Leichtes sein, die Gewerkschaften und die
Rechtsanwalt Sack
Sy. In dem am 21. September 1933 vor dem Reichsgericht stattfindenden Prozeß gegen die sogenannten Reichstags= brandstifter spielen die Namen Vogt und in letzter Zeit Sack eine große Rolle, und zwar als Untersuchungsrichter und Verteidiger. Von diesen beiden hat nur der eine, Vogt, uebung in der Rolle, die er gleich nach der Inflation zu spielen begann und in die er sich rasch mit beinahe hämischem Zynismus hineinfand. Dagegen ist die Stellung Sacks, man möchte beinahe sagen, wenn die Größe des Unglücks baß Sad ein guter Verteidiger ist, der, als es galt,& eme es nicht verbieten würde: pikant. Es ist nicht zu leugnen, mörder und andere Verbrecher von Rechts gegen die deutsche Republik zu verteidigen, seine Sache mit großer Beredsam. feit nicht nur, sondern auch mit großem Geschick gemacht hat. Sack ist der homme a femmes, der es mit einer großen, imposanten Erscheinung verstand, nicht nur Eindruck auf das Publikum zu machen, sondern die Richter mit gut placierten Beweisanträgen einzuschüchtern und ihnen Knüppel zwischen die Füße zu werfen.
Mit seinem äußerlich polierten, guten Benehmen konnte er aber gleichzeitig die Richter für sich einnehmen, so daß meistens der Kampf zwischen Staatsanwalt, Richter und Anwalt nicht auf den Rücken der Angeklagten ausgefochten wurde.
Seine hohe, etwas elegante Erscheinung, mit dem etwas
geschickt zu verteidigen, um ein Meisterstück der Verteidigung und der gleichzeitig, wenn auch nicht nach außen in Erschei nung tretenden, großartigsten Prävarikation zu liefern, die die Geschichte des deutschen Anwaltstandes, der einst hohes, auch moralisches Niveau fannte, zu verzeichnen haben wird. Die Regierung arbeitet bereits mit der Propaganda, die ihr die Verteidigung Sacks liefert, indem sie darauf hinweist, Sack sei sogar nach Paris gefahren, um sich zu informieren. ( Meldung des Paris- Soir).
Die Regierung scheint überzeugt, daß der große Berteis diger fie gut verteidigen wird; es ist nicht zu fürchten, daß er die Pforte des ewigen Ruhms überschreiten wird, wie es ihm Moro- Giafferi in feiner großartigen Rede im Salle Wagram zugerufen hat.
Der Deutschnationale Sack hat seine Zuverlässigkeit für das ,, dritte Reich", durch den angeblich nicht ganz arischen Großvater etwas angezweifelt, zu beweisen. Er kann es nur, wenn er den Machthabern das Material zu einer guten Propaganda in der Innenpolitik liefert, Torgler sei selbst durch den anerkannt besten politischen Verteidiger nicht zu retten gewesen, der aus Großmut den politischen Feind noch in der schlimmsten Gefahr verteidigt habe. Hoch lebte einst die freie Advokatur in Deutschland ! Heute ist zu fürchten, daß Sack seine Aufgabe mit der großen, ihm eigenen gefährlichen Fähigkeit einwandfrei löst. Und deshalb wird es nicht gut gewesen sein, daß man Torgler durch Sack verteidigen ließ.
Bartei zu zerschlagen. Wenn ihr dieses gelungen ist, will runden, vollen Gesicht, den blasterten Zügen, der guten Untersuchungsrichter Vogt
fie mit den Nazi zusammen(!) den„ totalen Staat" etwa in der gemilderten Danziger Form aufbauen. Um die Nazi regierungsfähig zu machen, fördert Dollfuß eine betont österreichische Nazipartei, die von Dr. Walter Riehl geführt wird. Dieser Riehl ist vor kurzem zum Schein aus der Nazipartei ausgeschlossen worden; es ist kein Zweifel, daß dennoch er in ständiger Verbindung mit Hitler selbst, dessen Duzfreund er ist, verblieben ist. Der Kurier, der die Verbindung zwischen Reich und Walter Riehl besorgt, ist namentlich bekannt. Da es den Gegnern der Regierungspolitik möglich war, diese Verbindung fest zustellen, find sie wohl auch der Wiener Polizei, die sich gern die beste der Welt nennt, bekannt; bisher ist dieser Dienst nicht gestört worden, denn die Regierung wünscht nicht zu stören. Auch sonst ist Dollfuß darauf bedacht, die künftigen Roalitionspartner dort ungeschoren zu lassen, wo es das Ausland nicht merkt. Er hat weil das bei den Anleihegebern gut aussieht, die hakenkreuzlerische Deutsche Studentenschaft verboten, aber die verbotene aber die verbotene Deutsche Studentenschaft amtiert seelenruhig weiter, ihre Geschäftsstellen sind offen, als wäre nichts geschehen, und fie dienen als Organisations- und Kanzleiräume der Nazipartei, die angeblich in Desterreich verboten ist.
Was Dollfuß versucht, ist, um das klipp und klar zusammen zu fassen: Faschismus gestützt auf Heimwehr und fpäter auch auf Nationalsozialisten, die, nicht offen, sondern nur getarnt, dem Kommando Hitlers folgen; Frankreich und Jtalien sollen betrogen werden.
Innerhalb der Regierung stehen diesem Plan die Landbündler, eine kleine Bauernpartei, und mindestens zwei der christlich- sozialen Minister entgegen, da sie mit Recht fürchten, mit der Errichtung des Faschismus ihre eigenen Parteien zu erledigen.
Das sogenannte liberale Bürgertum, das in der Re publik nie eine große Rolle gespielt hat, wird durch ein paar jüdische" Beitungen vertreten, die aus Angst vor dem antisemitischen Faschismus einen Faschismus italienischer Prägung zu fressen bereit sind. Dollfuß bedient sich heute noch dieser Blätter, hat aber erst vor kurzem in vertrautem Kreise offen gesagt, er freue sich auf den Augenblick, da es ihm im uneingeschränkten Besitz der Macht möglich sein werde, diese Blätter mit einem Fuß tritt von sich zu stoßen.
Desterreich und mit ihm die europäische Demokratie, geschwächt durch den Faschismus im Reich, steht vor großen Gefahren. Die außenpolitische Lösung liegt bei Frankreich , das in den letzten Wochen Italien freie Hand fieß; die innenpolitische wird, wenn es nicht anders geht, bei den Arbeitern liegen, deren Kraft und Ueberzeugungs. treue, deren Organisation und Hingabe der österreichische Bundeskanzler unterschätzt. Dieser sich so gern naiv gebende kleine Kanzler ist aus Machtrausch heraus im Begriffe, ein Feuer anzuzünden, in dem sehr leicht mehr verbrennen kann, als nur die kleine österreichische Re publik.
Dollfuß- Winkler
Konflikte um die Regierung
In der Regierung Dollfuß machen sich gewiffe Gegenfäße bemerkbar. In Graz erklärte der österreichische Bize= fanaler Winkler, daß seine liberale Nationalständische Front ein Aufgehen in der Vaterländischen Front des Bundeskanzlers Dollfuß a b- lehnen müsse. Seine„ Front" habe stets gegen den Faschismus gekämpft, mag er von Norden oder Süden kommen. Winkler droht mit seinem Rücktritt, wenn Dollfuß sich für den Faschismus entscheiden sollte. Dagegen hat sich zur gleichen Zeit Heimwehrführer Starhemberg in Kufstein unumwunden für den faschistischen Aufbau Desterreichs ausgesprochen und den Anhang Winklers als ungeeignet für die Staatserneuerung bezeichnet.
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,, Ich sah berühmte Gesichter... Englischer Journalist besucht Konzentrationslager London, 18. Sept. Der Korrespondent des„ Daily Expreß" erhielt die Genehmigung, einige Konzentrationslager zu be= fuchen. Sie treten ein," erzählt er, und die Tür schließt sich hinter Ihnen zu... Die Zellen sind sehr flein, sie enthalten ein Bett und einen Eimer für die Bedürfnisse... Ich befuchte den Kerker, wo es unmöglich ist sich zu setzen und sich während des Tages auszustrecken. In Sonnenburg habe ich mit tausend Gefangenen gemeinsam gegessen. Es gab eine Kartoffelsuppe und ein gemischtes Gericht ohne Fleisch... Ich sah berühmte Gesichter, Professoren, BuchHändler usw. sowie die Kinder von 19 Kommunisten, die wegen ihrer Ueberzeugung interniert waren.
Offiziershaltung, der freundlich lächelnden glatten Fraze ( möchte man sagen), bot die Erscheinung eines Menschen, jeder Situation gut zu leben, und er wußte, daß es sich in dem man das ansah, daß es ihm zunächst darauf ankam, in der Republik am besten lebte, wenn man gemäßigt gegen sie war. All dies sicherte ihm die Zuneigung des Gerichts. allerdings ist dabei nicht zu vergessen, daß er schon deshalb leichter das Ohr der Richter in politischen Prozessen hatte, weil man wußte, daß hier ein Gleichgesinnter für die Interessen der Angeklagten eintrat. Denn Sack war wie Er war neben Quetgebrune„ der" große politische Verteiein Großteil der deutschen Richter deutschnational eingestellt. diger der Rechten. Es machte wenig aus, daß man wußte, sein Büro sei manchmal weniger einer gut und ernst geleiteten Anwalts- Kanzlei ähnlich, sondern mehr einer gut eingerichteten Junggesellenbude, daß hinten der Chef noch bis in den Mittag hinein schlief, während vorne in der Kanzlei die patriotischen Vertreter der nationalen Vereine dem be Mitglieder übertragen wollten. Denn wenn es auch vorfant, kannten Verteidiger wieder eine Vertretung eines ihrer daß der schöne Alfons"( wie er in Anwaltstreifen genannt wurde) plößlich wieder mal eine Erholungsreise mit einer schönen Frau unternahm, so konnte man doch sicher sein, daß er am Tage des Prozesses in alter, etwas lebemännischer Manier, freundlich lächelnd, das Geficht der Presse für Großaufnahme ordentlich zugewandt, die Plänkeleien mit dem Staatsanwalt aufnehmen würde, um bald das ernsthafte Gefecht mit dem Gericht zu beginnen. Man munkelte mit einem gewissen Schmunzeln über dieses flotte Privatleben, nahm ihn als Anwalt in Zivilsachen, der immer wieder Referendare als Vertreter aufs Gericht schickte( heute wettert der Justizminister Kerri gegen die jüdischen Kartellanwälte, die nicht jede Frage des Richters bis ins kleinste Detail beantworten können), nicht ganz ernst, aber man hatte ihn als Kollegen ganz gern und applaudierte seinen oft mit großer Kunst aufgebauten und großer oratorischer Begabung hingelegten" Plädoyers.
Seine besondere Stärke war es, obwohl er nie eine Zeile ernsthafter Rechtskritik veröffentlicht hat, im Plädoyer zunächst rechtlich, möglichst nach allen Seiten objektiv, den Sachverhalt zu behandeln, um dann noch etwas skeptische Richter mit der Wucht seiner gut vorgebrachten nationalen Phrasen davon zu überzeugen, daß die vorgetragenen Rechtsgründe zum Freispruch vollauf genügten.
Er war einer derjenigen, der es besonders geschickt verstand, die These zu vertreten, daß seine Mandanten aus natio= die Richter noch am Anfang zögerten, diese goldene Brücke nalem Notstand" beraus gehandelt hätten; und wenn zu beschreiten und Mörder freizusprechen, so hat schließlich das Reichsgericht diese Rechtsprechung der unteren und Schwurgerichte schließlich in dem berüchtigten Urteil der schwarzen Fahne" gebilligt, wo es sich um ostpreußische revoltierende Bauern" handelte. Gerade weil Sack so bediger bekannt ist, scheint die Uebernahme der Verteidigung fähigt und in Deutschland allgemein als politischer Berteidurch ihn gerade für den Angeklagten Toraler besonders gefährlich. Es war fein guter Ratgeber, der diefem eingab, sich an Sack zu wenden oder ihn zu akzeptieren. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Tatsache der Berteidigung durch Sack die deutsche Oeffentlichkeit in zmeierlei Richtung irreführt und gleichzeitig beruhigt. Es ist wahrscheinlich, daß die deutsche Deffentlichkeit sich sagt, die Schuld Torglers sei klar, denn sonst würde Sack kaum die Verteidigung übernommen haben.
Jedermann weiß, daß diefe Verteidigung Ruhm im Sinne des„ britten Reiches" oder Konzentrationslager bringen tann, daß diese Verteidigung unfrei ist.
Wenn, so wird die gleichgeschaltete Presse verkünden, troẞdem Sack sich dazu entschloffen habe, so wiffe er wohl, daß nichts zu machen( also auch nichts zu riskieren) sei; und man wird vor aller Oeffentlichkeit, wie man sie jest in Hitlerdeutschland versteht, erklären fönnen: hier konnte der beste Verteidiner nicht mehr helfen. Nach der anderen Seite besteht die Gefahr, daß die Oeffentlichkeit sich bei einem Todesurteil beruhigt, da ihr gesagt wird, es sei sicher alles mit rechten Dingen zugegangen, da doch" Sack" verteidigt habe, der aus Großmut auch für den politischen Gegaer sein Bestes hergegeben habe, wenn auch bei der klaren Sachlage ohne Erfolg.
Es ist durchaus wahrscheinlich, daß die Regierung mit dies fer Mentalität rechnet und deshalb gegen diesen Verteidiger nicht nur Einwände nicht erhoben, sondern diese Vertei= digung vielleicht gerade veranlaßt hat.
Es besteht darüber hinaus die Gefahr, daß diese Anschauung durch Sack noch dadurch unterstrichen wird, daß er geschickt formulierte Beweisanträge stellt( die möglicherweise zu einer Vertagung des Prozesses führen sollen, wenn es der Regie rung gelegener fommt), um zu beweisen, daß er echt" vertei rung gelegener fommt), um zu beweisen, daß er echt" vertei bigt, während tatsächlich wohl jeder folche Beweisantrag ( vielleicht mit dem Gericht ausgehandelt) in einen Schuldbeweis gegen den Angeklagten mündet. Es ist eine alte Verteidigerregel, Belastungszeugen als Verteidiger nicht viel zu fragen, und Entlastungszeugen immer dann zu fürchten,
Wenn Sack es übernommen hat, den äußeren Rahmen für eines der größten Justizverbrechen aller Zeiten zu liefern im Tiefsten vielleicht doch mit bangem Herzen, so ist Vogt der alte Routinier. Hochgewachsen, wie Sack, doch massiger, trägt er seinen fettgenährten Körper unelegant in der Haltung des fatten Philifters, der seelische Regung und Mitgefühl mit den Leiden des Untersuchungsgefangenen nicht kennt. Er war der gelernte Spürhund der deutschen Republik, wenn es gegen Kommunisten oder Ueberzeugungstäter von Links ging, mit Daumenschrauben für die Häftlinge an den Pfoten. Es bleibt Schande der Machthaber der Republik, daß fie Leute wie Jorns bis zur Reichsanwaltschaft und Vogt bis zum Reichsgericht( als Untersuchungsrichter) förderten.
Es bleibt Schmach, daß diefer die Treppe herauffallen fonnte, nachdem die linte Presse in Berfolg des Tichekas prozesses Sturm gegen ihn lief, daß er diesen Lenten die Geeignetheit zum Untersuchungsrichter beim Reichsgericht dur seine brutalen, skrupellosen, infamen Methoden bes wiesen haben konnte.
Vogt hatte die Lehren der Reaktionsperioden Italiens und Metternichs gut studiert, nur daß er nicht mehr förperlich Daumenschrauben ansetzte, sondern meisterhaft die feelische Massage" verstand. Diese Methode hatte er nur zu gut studiert. Erst ließ er den Gefangenen kommen und ver suchte ihm Honig ums Maul zu schmieren. Schwieg der Häft Ing, dann wurde er abgeführt, und Vogt ließ ins Protokoll schreiben: der Gefangene ist störrisch, ihm ist die Schreiberlaubnis zu entziehen. Das nächstemal ließ er den Gefangenen, wenn er auf Fragen nicht antwortete, stundenlang vor sich am Tische fiben und versuchte ihn mit höhnischen Be merkungen in Wut zu bringen. Oft gelang das. Ergebnis: verschärfte Haft- tein Brief, kein Besuch, monatelange Ein zelhaft, manchmal Fesseln, Brotentzug, Entziehung der Leseerlaubnis, der Freizeit zum Spazierengehen und schließlich Dunkelarrest. Hier und da verfing auch die Methode, Spize! heranzubilden, Atmosphären des Berrats zu erzeugen durch die falsche Behauptung, der andere habe schon ein Geständnis abgelegt, Leugnen habe doch keinen 3wed mehr, die Partei hobe bereits den Angeschuldigten fallen lassen und als Svizzel erklärt. Offensichtlich ist ihm diese Methode bei Neumann, dem Kronzeugen und Mitangeklagten im Tichekaprozeß, geIungen, von dem ich, der ihn in Moabit als Verteidiger einmal sprach, nicht annehme, daß er schon vorher Spizzel war, sondern daß es sich nur um einen leicht beeinflußbaren epileptisch veranlagten Psychopaten handelte.
Die Hungerstreits im Zuchthaus Sonnenburg und im Uns tersuchungsgefängnis Moabit sonst ein ziemlich mensche lich geleitetes Gefängnis- sprechen eine deutliche Sprache. Wenn die Flüche und wilden Verwünschungen der Gefange nen, die einmal das geräumige Zimmer im Erdgeschoß des Kriminalgerichts Moabit mit dem kleinen Vernehmungszim mer passierten, auch nur die geringste Kraft hätten, Herr Vogt wäre längst in tausend Fezzen zerrissen. Aber Vogt lachte nur über die schmerzhaften Wutausbrüche der Inhaf= tierten und beklagte sich nur zynisch manchmal beim Berteidiger über die„ nußlose Aufregung und die Scherereien, dte er dadurch habe". Ihm tam es nur darauf an, Geständnisse zu espressen, ganz gleich wie: dem Reichsgericht mußte alles schön parat gemacht werden, wie sollte Herr Vogt auch sonst avancieren. Nur einmal war seine Karriere in Gefahr, als die tapfere Olga Benario- Tochter des Münchner Verteidigers den Kommunisten Braun gemeinsam mit einigen tapferen Genossen aus dem Vernehmungszimmer mit Waffengewalt herausholte, und beide nach Rußland gelangten. Aber dieser " Unfall" schadete ihm nicht im geringsten: er wurde Untersuchungsrichter beim Reichsgericht, und die Räume im Erdgeschoß des Kriminalgerichts Moabit wurden vergittert- aber die ganze Welt lachte über diesen mutigen Streich gegen Herrn Vogt, gegen ein System. Wer weiß, welche Ueber raschungen in dieser Richtung der Prozeß bringt, mit welchen Methoden es Herrn Vogt Vogt im wahrsten Sinne des Wortes gelungen ist, Geständnisse zu erpressen, wenn auch vielleicht nicht von Torgler, so von anderen Angeflagten oder Zeugen. Ist es doch eine mir bekannte Tatsache, daß einer der angeklagten Bulgaren man sah ihn mehr tot als lebendig, abgemagert, flackernden, irren Blicks- der Polizei im Juni erklärte, in welchem Hause und in welcher Wohnung er einige Tage vor dem Reichstagsbrand in Ber lin genächtigt hatte( die grauenhaften Folgen für die Leute, die im Unterstand gewährt hatten, konnten durch Glückszufälle abgewendet werden). Deshalb darf man in dieser Beziehung nicht optimistisch sein.
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Herr Vogt versteht sein seelisches Schlächterhandwerk. Auch er wird es sich zur Ehre gemacht haben, mit den berüch tigten Methoden im Untersuchungszimmer den Grundstein für den Aufbau eines grandiosen Prozesses zu liefern, mit bem Ziel eines bewußten, von der Regierung weil unbedingt für die deutsche Oeffentlichkeit notwendig ver. langten Justizmordes. In diesem Prozeß fürchte ich, wird nicht der Präsident und nicht der Angeklagte die Hauptwahr. rollen spielen, sondern der Untersuchungsrichter und scheinlich das trauriaste Kapitel der deutschen Anwaltschaft- der Verteidiger Sack.
wenn sie nicht ganz stich und hiebfeft find. Ein geübter Auch tschechische Verteidiger abgelehnt Reichsrichter fann aus den Aussagen der Entlastungszeugen immer einen Punkt im Urteil anführen zuungunsten des Angeklagten, wenn er es nur gefchickt tut, und die Herren Reichsrichter befißen darin eine gewisse Erfahrung. Daß diese Art der Verteidigung durch Sad vieles für fich hat, dafür spricht die ein wenig skrupellofe Art des Verteidigers, dem nichts über das sich gut ins Szene setzen" geht, der es sich zur Ehre anrechnen wird, geschickt und doch nur scheinbar
Brünn, 17. Sept.( Inpreß) Die beiden Brünner Rechts. anwälte Felix Loria und Immanuel Stern richteten an das Reichsgericht eine Eingabe, in der sie um Bewilligung zur Uebernahme der Verteidigung von Ernst Torgler ersuchen. Zugleich verständigten sie den Abgeordneten Torgler selbst und ersuchten um Vollmacht. Torgler antwortete, daß Dr. Sad es prinzipiell abgelehnt hat, zusammen mit einem ausländischen Anwalt seine Verteidigung zu führen.