Denkschrift über Saar - Terror

Die Saar - Sozialdemokratie an den Völkerbundsrat

Der Gang nach Genf

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Saarbrücken , 20. September 1933. Wir hören noch den müsten Lärm, den die Nazi­presse auch an der Saar früher anstimmte, wenn vom Bölkerbund die Rede war. Damals war der Gang nach Genf ,, Landesverrat". Aber nur damals seit­dem hat sich das grundlegend geändert! Am Montag, dem 11. Geptember 1933, schrieb selbst das offizielle Saar­Nazi- Blatt, die Saar- Front", hoffnungsvoll über das Mekka der Nationen: Dieser Umstand und das Ver­trauen auf die Einsicht der übrigen an dem Abrüstungs. problem interessierten Mächte gibt Deutschland auch heute noch das Recht, den Verhandlungen in Genf nicht ohne Hoffnung entgegenzusehen." Das ist nach der früheren wie stets phrasenhaften Terminologie des Nationalsozialismus glatter Landesverrat - aber so ändern sich die Zeiten!

Wir verwundern uns darüber ebensowenig, wie über ben immer noch nicht erfolgten Austritt Hitler- Deutsch­lands aus dem Völkerbund seit der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus( dessen Weg zur Macht, bas darf nie vergessen werden, über das Hintertürchen des Reichspräsidentenpalais führte!). Wir wußten immer, daß der Nationalsozialismus noch zu ganz anderen Felonie- Stückchen fähig ist, als zu der alltäglich gewor denen Tatsache, seit vierzehn Jahren in agitatorischer und demagogischer Skrupellosigkeit verkündete Programm punkte im Augenblick der Aufgabe der obstruktionellen Opposition auf dem Dunghaufen der gebrochenen Ver­sprechungen, Eide , Schwüre und feierlichster Versiche rungen zurückzulassen.

Also ist der Gang nach Genf auch für die National. fozialisten facrofankt soweit sie ihn selbst unter­nehmen. Für uns Marristen bleibt er selbstverständlich nationale Unzuverlässigkeit". Das wird uns allerdings ebensowenig stören, wie ein evtl. neues Gezeter kommu­nistischer Führer über angeblichen Klassenverrat"- trotz Herrn Litwinoffs ununterbrochener Genf - Besuche und Nichtangriffs- und Freundschaftspakte mit kapitalistischen Staaten( die übrigens einen seiner größten außenpoli­

Saarbrüden, den 20. September 1933.

Die Sozialdemokratische Partei bes Saars gebietes hat durch ihren Landesvorstand eine Eingabe an den Völkerbundsrat gerichtet, in welcher sie sich vor allem über den Terror, den Boykott, die Ver: femung und die Aechtung der nichtgleich geschalteten Preise des Saargebietes, insbes sondere der Volksstimme" und der Deutschen Freiheit", beschwert.

Ausgehend von§ 34 Abs. 4 des Saarstatuts, der dem Völkerbundsrat die Wahrung einer freien und unbeeinflußten Meinungsbildung an der Saar als Aufgabe stellt, weist die Denkschrift darauf hin, daß von einer unbeeinflußten Meinungsfreiheit an der Saar nur dann die Rede sein kann, wenn bereits der heutige politische Meinungskampf unbehindert und ohne Terror vor sich gehen kann.

Wörtlich sagt dann die Denkschrift:

" Wenige Monate erft währt das nationalsozialistische Regime in Deutschland , aber der dadurch heraufbeschwo rene Kampf gegen die Andersdenkenden an der Saar hat bereits erschreckende Formen angenommen. Die freiheitliche Presse wird boykottiert, der einzelne terros rifiert. Eine Welle des Hasses und der brutalen Verfol gung hat eingesetzt, auf die einzelnen, insbesondere in bezug auf die Presse, aufmerksam zu machen Sinn und Zweck der Eingabe ist."

Es folgt dann eine Schilderung der Boykotts und Aech tungsmaßnahmen gegen die Volksstimme" und die " Deutsche Freiheit", angefangen bei den wirtschafts lichen Boykott- und Aechtungsmaßnahmen kommunaler Behörden( Stadt Saarbrücken und andere) und auf­hörend bei den Maßnahmen selbst gegen die ein zelnen Bezieher der Blätter. Nach Aufzählung und Belegung der einzelnen terroristischen usw. Maßnahmen stellt dann die Denkschrift ausdrücklich fest, daß troz dieser ungeheuerlichen Eingriffe in die Pressefreiheit die gleich: geschaltete, von Hitler abhängige Presse an der Saar nicht nur niemals dagegen Stellung genommen, sondern zum Teil

den Terror durch ausdrückliche Zustimmung verschärft hat und daß weder der Verein deutscher Zeitungs verleger an der Saar , noch der Verein der Saar = presse, beides gleichgeschaltete Organisationen, sich gegen diese Beschränkung der Pressefreiheit durch ihre eigenen Gesinnungsgenossen gewandt haben.

Die Denkschrift verbreitet sich dann noch über die Diffas mierungsmaßnahmen der nationalsozialis stischen Seite gegen die politischen und ge des nichtgleich= wertschaftlichen Führer geschalteten Teiles der Saarbevölkerung und stellt fest, daß sie in der Lage ist, durch ein noch detail­lierteres Material den lückenlosen Nachweis zu erbringen, daß die Pressefreiheit und die Meinungsfreiheit an der Saar gerade von der Seite her beeinträchtigt werden, die als Ablenkungsmanöver gegenüber ihrem beständig steigenden Terror Haltet den Dieb!" schreit.

" Demgegenüber", so schließt die Denkschrift, stehen wir lediglich in der Abwehr. Wir erklären feierlichst, daß wir nie daran ge= dacht haben, irgend jemanden wegen seiner Stellungnahme in der Abstimmungsfrage #sw. zu diffamieren und zu ächten. Es wird von uns als selbstverständlich hingenommen, daß gewisse Bevölkerungsfreise eine von unserer politischen Meinung abweichende Stellung einnehmen. Wir tennen keine Totalitätsansprüche auf politischem Gea biet und bekämpfen sie. Dagegen hat der vom Hitlers regime proklamierte Totalitätsanspruch des deutschen Staates auch das Saargebiet ergriffen und bedroht jeden, der eine andere Meinung vertritt. mit der Vernichtung."

Die Denkschrift schließt dann mit dem Hinweis darauf, daß der Saar noch massivere Angriffe des nationalsozialistischen Terrors bevorstehen, als sie Oesterreich bis jetzt mit durchgemacht hat, was dem Bölkerbundsrat besondere Wahrung seiner sich aus dem Saarstatut ergebenden Pflichten an der Saar auferlegt. D

Neue Kopfprämie auf Max Braun

tischen Erfolge darstellen und für die er Herrn Hitler noch Die Hitler - Schergen arbeiten überall feinen Dank abzustatten hat!)

Unser Gang nach Genf war notwendig ge­worden. Es ließe sich heute bereits ein anständiges Braunbuch über die Summe der. Terrormaßnahmen gegen die Freiheit der Saar schreiben- aber das Furcht­barste läßt sich überhaupt im Rahmen einer Petition gar nicht dartun: Die ungeheuren seelischen Qualen und Fol­terungen, denen die einfachen nichtgleichgeschalteten Leute des Saarkampfes alltäglich und allstündlich seitens der außerordentlichen Macht- und Gewaltmittel des National­fozialismus ausgesetzt sind. Man muß es selbst mit­erlebt haben, wenn ein solch braver Soldat der Freiheit die Quälereien und Leiden, die fortgesetzten Nadelstiche und Diffamierungen mit zornerstickter Stimme dem Manne seines Vertrauens, zitternd vor Wut und Empörung, widergibt! Man muß dabei gewesen sein, wie solch kampferprobten Funktionären des Sozialismus und der freien Gewerkschaften die Tränen der Erbitte­rung vor soviel schreiender Ungerechtigkeit und Häufung der Aechtungs- und Verfemungsversuche in die Augen treten man vergißt das nie wieder und begreift, wie ein einziger Schrei nach Sühne die Herzen erhärtet!

Wir müssen uns frei von überschweng lichen Hoffnungen auf den Völkerbund. Wir kennen ihn zu genau als die Quersumme, als die Diagonale, als das Kompromiß einer Reihe von Kräften, die im diplomatischen Spiel miteinander ringen und ab­wägen. Wir wissen, daß Gott und der

Zeitungsschreiber

Herausforderung zu einem Greuelprozeß

In einer der täglichen Schimpfereien, die die Saar­brüder Zeitung" gegen uns veröffentlicht, zeiht uns das Blatt der Lüge.

Wir und mit uns tausende Gefolterte und Beraubte suchen schon lange nach einer Gelegenheit, durch eidliche Aussagen vor Gericht nachzuweisen, was in Deutschland vorgegangen ist und sich noch ereignet. Wir erklären zu den Anwürfen der Saarbrüder Zeitung":

Die Redaktion der Saarbrüder Zeitung", die eben erft ihre Lügenhaftigkeit durch die Veröffentlichung gefälschter Berichte über den Sauf- Mord Mehrling- Muchow bewiesen hat, unterschlägt alle Berichte über politische Folterungen und politische Morde im Reiche. Die Herren find bewußt Knechte eines Systems, dessen Anhänger mit dem Blute von tausenden Volksgenossen besudelt sind. Jeder anständige un= abhängige Journalist hat die Pflicht, um Deutschlands willen gegen die Schändung der deutschen Nation durch die Aus­schreitungen der SA. und der SS. fich zu wehren.

Die Saarbrüder Zeitung" gibt vor, überzeugt zu sein, daß es im Reiche weder politische Folterungen noch Mord noch Raub im Zuge der sogenannten nationalen Revolution ge= geben hat. Wir werfen ihr vor, daß sie das wider besseres Wiffen in genauer Kenntnis furchtbarer Ausschreitungen bes hauptet. Wird uns nun die Saarbrücker Zeitung " vor Ge= richt ziehen, damit wir hundert Zeugen für die Hitlerschande und für die Verlogenheit der Saarbrücker Zeitung " auf: marschieren lassen können? Wir erwarten Antwort und hof= fen, daß fie lauten wird: Die Klage gegen die Deutsche Freiheit" ist eingereicht.

Saarbrüden, 20. September.

In Nr. 260 der Forbacher Neuesten Nachrichten" wird folgender Tatbestand festgestellt: Dem Auslandsdeutschen Jean Rieffer aus Apach in Lothringen wurden von dem preußischen Gendarm Oberg aus Tünsdorf( Regierungsbezirk Trier ), dem Lehrer Spoden aus Büschdorf und dem Lehrer Etges aus Tünsdorf sechstausend Mart Prämie versprochen, wenn er bei der Ermittlung" des sozialdemokratischen Saarführers Mar Brann sich betätigen wolle. Kieffer stammt aus der Heimat dieser hitlerdeutschen Beamten, geriet aber schließlich mit ihnen in Aus­einandersetzungen und der Hitler - Gendarm versuchte, ihn noch auf französischem Boden zu verhaften! Es gelang aber dem betreffenden Kieffer, fich loszumachen und die Angelegenheit zur Anzeige zu bringen. Die Forbacher Neuesten Nachrichten" kündigen für ihre nächste Nummer Näheres über den Vorfall an.

Die beamteten Hitler - Helden haben sich auch sonst sehr anständig" aufgeführt, sowohl mit ihren Bes schimpfungen der Lothringer wie mit ihrem Versuch, das Fahrrad des betreffenden Kieffer mit über die Grenze zu schleppen. Die Forbacher" Neuesten Nachrichten" beschließen ihren Artikel mit folgender Be merkung: Daß es sich hierbei um fyftematisch arbeitende Hitler Schergen handelt, unterliegt feinem Zweifel mehr... Die gesamte Bevölkerung hiesiger Gegend ist lebhaft empört über diese Frechheit."

Völkerbund dem am meisten helfen, der sich selbsthilft! Wir geben uns darüber keinen Illusionen hin, welch immerhin 3 weitrangige Rolle die Saar frage bei den diesmaligen Genfer Fragen( Abrüstung und Desterreich) noch spielen wird­

- aber werden nicht einen Augenblick locker lassen, das Gewissen des Völkerbundes in seiner Saarfrage hellhörig zu machen und die öffentliche Weltmeinung für die Freiheit eines deutschen Volksteiles zu erwärmen, der das Glück hat, noch außerhalb der schreckhaften Geschehnisse des Haken. kreuzzuchthauses, genannt drittes Reich ", zu

Nazis in Danzig

Juden dürfen nicht belästigt werden

Zu der Unterzeichnung des Danzig - polnischen Hafenproto­kolls gibt die Pressestelle des Danziger Senats eine Mit­teilung aus, in der darauf hingewiesen wird, daß die pol­die Verpflichtung übernommen hat, nische Regierung eine Verminderung des gegenwärtig über den Danziger Hafen gehenden Verkehrs zu verhindern. Dem Danziger Hafen soll in Zukunft ferner nach Möglichkeit eine gleiche Beteiligung am seewärtigen Verkehr gewährt werden. In der Zeit vom 1. Oftober 1933 bis 30. September 1934 müssen bestimmte Mengen gewisser in einer besonderen Liste ent­haltenen Waren im Danziger Hafen umgeschlagen werden. Tritt bei dem Verkehr dieser Waren eine Verminderung ein, die nicht durch Zunahme einer anderen Ware ausge­glichen wird, so werden die beiden Regierungen über die Möglichkeit(!) eines Ausgleichs verhandeln. Beide Regie­rungen werden innerhalb ihrer Zuständigkeit und ihres finanziellen Leistungsvermögens Maßnahmen zur Senkung der Umschlagskosten im Danziger Hafen treffen, um den wirtschaftlichen Bedürfnissen des Hinterlandes zu ent­sprechen, um dem Danziger Hafen zu ermöglichen, dem Wett­bewerb anderer Häfen zu begegnen. Eine paritätische Kom­mission wird vierteljährlich über die Verkehrsentwicklung berichten.

Die Danziger Regierung, so heißt es in dem Kommunique, weist erneut darauf hin, daß die jüdischen Kaufleute im

sein und der nichts weiter will, als daß er nicht den Henkern und Massenschlächtern eines Systems a us geliefert wird, die nicht nur unser geliebtes Vater­land vergewaltigen, sondern Verbrechen auf Verbrechen häufen und gegen die das Weltgericht von London ein Verdammungsurteil aus. gesprochen hat, das allein genügen müßte, um den Aufstand Europas gegen den absurden Ge­danken zu mobilisieren, es könnten noch andere als die innerhalb der heutigen Hitlergrenzen lebenden Deutschen diesen Amokläufern ausgeliefert

werden!

M. B

Oesterreich gegen Emigranten

Die Regierung Dollfuß führt offiziell einen erbitterten Kampf gegen die Hitlerregierung. Das hindert sie aber nicht, zugleich in einer höchst merkwürdigen Weise gegen die Opfer des Hitlerregimes Stellung zu nehmen.

Die in Prag ansässigen Flüchtlingskomitees haben in letzter Zeit eine Anzahl von Flüchtlingen, die nach der Schweiz , nach Frankreich bzw. Jugoslawien gehen wollten, mit Reisegeld bis Linz und einem Empfehlungsschreiben an das dortige Komitee ausgestattet, um auf diese Weise eine Verbilligung der Ausgaben herbeizuführen, da in Prag sich das größte Flüchtlingszentrum befindet und die Mittel hierfür kaum noch beschafft werden können. Die Flüchtlingskomitees glaub­ten umsomehr, auf das Entgegenkommen der österreichischen Behörden rechnen zu können, als österreichische Staatsange­hörige, die wegen der politischen Spannung zwischen Deutsch­ land und Desterreich aus Deutschland ausgewiesen, sich in Prag aufhielten, von den Flüchtlingskomitees in entgegen­kommender Weise wochen-, zum Teil monatelang unterstützt worden sind. Aber die österreichische Regierung hat dieses Entgegenkommen privater Organisationen dadurch entgolten, daß sie auch den Flüchtlingen, die mit ordnungsgemäßen Reisepässen ausgestattet waren, die Einreise verweigert hat und diese zum Teil nach Prag zurückkamen, zum Teil ver­suchten, illegal durch Desterreich zu kommen.

Danziger Hafen bei ihrer geſchäftlichen Betätigung volle Abonniert die Deutsche Freiheit

Freiheit haben und daß diese Freiheit nicht angetastet oder beschränkt werden wird.