Eupen- Malmedy- St. Vith
Ein umstrittenes belgisches Gebiet
Das sind die drei Kantone, die durch den Versailler Friebensvertrag Belgien zugesprochen wurden. Etwas mehr als 60 000 Einwohner bevölkern dieses 989 Quadratkilometer große Gebiet, in welchem die Städte Eupen und St. Vith die Hauptorte des deutschsprechenden Teiles und Malmedy der Hauptort des wallonischen Teiles ist.
Gemäß dem Versailler Friedensvertrag ist der Abtrennung eine Art Volksabstimmung voraufgegangen, deren Rechtsgültigkeit stets sehr umstritten, wurde. Die Abstimmung ge= schah auf die Weise, daß sich jeder, der wollte, in eine bei der vorläufigen belgischen Regierung offenliegende Liste zugunsten Deutschlands eintragen konnte.
Die Einwohner, durch den plötzlichen Wechsel der Natio nalität ängstlich gemacht, blieben diesen offenen Listen fern und so tamen nur wenige Stimmen für den Verbleib des Gebietes bei Deutschland auf die Listen.
Eine Bevölkerung, die bis nach dem Kriege fast völlig un politisch war, die lediglich, weil sie katholisch war, zu 99 Prosent Zentrum wählte, wurde auf einmal in die große Politik hineingezogen. Es entstand die christliche Volkspartet, die angeblich auf dem Boden des Zentrums stand, in der Hauptsache jedoch antibelgische Politik betrieb, indem sie im neuen Lande nur das Schlechte und niemals etwas Gutes fah. Sie war bis jetzt die weitaus stärkste Partei, doch gelang es ihr nie, einen eigenen Vertreter in die Kammer oder den Senat zu entsenden.
Die zweitstärkste Partei war die der belgischen Ar. beiterpartei, die der Sozialisten. Außer ihrem internationalen und nationalen Parteiprogramm vertrat sie die Forderung auf eine freie unbeeinflußte Volksabstimmung in den abgetretenen Gebieten, indem sie sich auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker und den Schutz der Minderheiten berief. Ihr Abgeordneter, Marc Somerhausen - ein junger belgischer Kriegsfreiwilliger-, erhob seine Stimme in der Kammer und forderte Selbstbestimmungsrecht für Eupen- Malmedy . Die sozialistische Partei unterhielt aus gezeichnete Beziehungen zur Bruderpartei in Deutschland und oft waren Arbeitervereine und Arbeitervertreter aus Eupen- Malmedy in Deutschland oder umgekehrt, deutsche Genoffen bei uns zu Besuch. Hier erinnert man sich gern des Arbeitersängerbundes, der stark besuchte Konzerte gab, oder der roten Falken, die bis nach Malmedy hin ihre Wanderun gen unternahmen.
Als dritte Partei, jedoch in minderer Bedeutung, trat die katholische Partei hervor, die von einer eventuellen Bolksabstimmung nichts wissen wollte und im übrigen dem Programm der Konservativen beipflichtete. Es gab außerdem einige liberale Parteigänger, jedoch waren diese politisch ganz bedeutungslos.
So war die Lage bis zu den Ereignissen in Deutschland , bie mit der Wahl vom 5. März ihren Anfang nahmen. Das Gift des Faschismus sprigte über die Grenze in unser stilles Ländchen, das trotz aller Parteigegenfäße recht still und beschaulich dahinlebte. Die Führer der chriftlichen Volkspartei stürzten sich dem Nationalsozialismus in die Arme und ließen sich gleichschalten.
Ihr Hauptorgan, der„ Landbote", brachte den Kopf des Ber "-Führers in Lebensgröße. Das Zentrum bekam auf seinem selbstbereiteten Sterbebett einige Efelstritte und der Rubel das heißt, die Hitlermark rollte. Man sagt, daß dem Hauptagenten, einem Vennbauern von fragwürdiger Bergangenheit, jeden Monat 100 000 Mark Propaganda gelder zur Verfügung ständen. Auf einmal machen sich Leute
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41A sta gelo Sport im Dritten Reich
in der Hitlerpolitik bemerkbar, die früher nur als Bankerot teure oder Marodeure bekannt waren und sie scheinen mit einem Male von aller Not befreit zu sein. Auf oder unter den Rockaufschlägen tragen sie das Hakenkreuz. Sie zeigen sich gegenseitig ihre schmierigen Handflächen und brüllen„ Heil". In ihren Kneipen erschallt das Lied vom Zuhälter Wessel- und alles das unter den Augen der belgischen Regierung.
Der Parteigenosse Leo Hamm aus Verviers wurde in Aachen 25 Tage im Gefängnis gehalten; er bekam Hiebe und Gumntizelle, und alles das nur, weil er einem deutschen Flüchtling, einen ehemaligen Gewerkschaftsführer, bei sich beherbergt. Erst nach mehreren diplomatischen Schritten der belgischen Regierung in Berlin wurde er freigelassen. Ein Gendarm aus Reuland bei St. Vith erhielt einen Schlag mit einer Weinflasche auf den Kopf. Der Angreifer war ein Hitlerjüngling aus Bonn , der deutsche Kultur" über die belgische Grenze bringen wollte. In St. Vith liegt ein Mann im Krankenhaus, weil er einigen Rowdys den Hitlergruß verweigerte. Täglich mehren sich die Zwischenfälle, die provokatorisch von einer Handvoll Radaupolitiker heroll Rad vorgerufen werden.
Die Sozialisten verzichten auf die Volksabstimmung, denn für oder gegen einen Verbrecher, wie es Hitler ist, wollen sie nicht stimmen. Für oder gegen den Aufenthalt in einem Zuchthaus, wie es Deutschland augenblicklich ist, wollen sie fich nicht entscheiden.
Die Führer der Arbeiterpartei in Eupen- Malmedy- St. Vith sind in einer schwierigen Lage. Nach deutschem Vorbilde müssen sie sich von den Hitlerjungens beschimpfen und bedrohen lassen. Die belgische Gesezesmaschine arbeitet langsam und die demokratische Verfassung des Landes gibt keine Handhabe zu wirksamen Gegenmaßnahmen. Zwar ist die Gendarmerie verstärkt worden, zwar ist das Militär erforderlichenfalls zur Hilfeleistung verpflichtet, aber diese Schutzmaßnahmen" haben für den Sozialdemokraten einen unangenehmen Beigeschmack.
Schon ist die Arbeiterpartet gezwungen gewesen, verschiedene Mitglieder aus der Partei auszustoßen; Mitglieder, die dem deutschen Regierungsgeld nicht widerstehen konnten und dafür die Entschuldigung finden, daß ihnen ihr Deutschtum über die Partei ginge.
Andererseits hat sich die Arbeiterpartet neue Freunde erworben, und zwar bei denen, die da fürchteten, die Arbeiterpartei sei nur ein Deckmantel für bedingungslose Rückkehr zu Deutschland .
Hitler soll es wissen: Uns ist das Land, welches wir uns zwar nicht als Vaterland freiwillig ausgesucht haben, unendlich lieber als das braune Zuchthaus, zu dem er das einst so schöne Deutschland gemacht hat. Wir schäßen die Freiheit, die wir hier genießen, viel zu hoch, um sie mit der Barbarei eines britten Reiches" zu vertauschen. Wir haben zu viel Anstandsgefühl, um einen Funken Sympathie für die Machthaber eines Deutschland aufzubringen, die unsere Genossen und Freunde getötet, gefangen, verbannt oder in den Selbstmord getrieben haben.
Auf unseren Kopf soll eine Fangprämie gesetzt sein und unsere Namen stehen auf der schwarzen Liste". Wir pfeifen darauf, ihr braunen Verbrecher mit dem Hakenkreuz, denn in ein Haus, worin man unsere Brüder und Schwestern getötet hat, wo man unsere Freunde in unterirdischen Verließen gefangen hält, da geht ein anständiger Mensch nicht hinein, auch wenn er fürstlich bedient und bezahlt würde. Hibon
GERY
Es ging ein Mann durchs Syrerland, Führt ein Kamel am Halfterband.
In einer westdeutschen Industriestadt existiert seit vielen Jahren eine wegen ihrer glänzenden Erfolge bekannt geworbene freie Schule. Als die Nationalsozialisten ans Ruder famen, wurde die freie Schule aufgelöst und der Leiter ging mit fliegenden Fahnen ins Nazilager über. Der Schuldienst wurde nach neuen heroischen Gesichtspunkten fortgesetzt. All morgendlich sang man: Deutschland , Deutschland über alles. Eines Tages stellte der Rektor fest, daß ein zwölffähriges Mädchen nicht mitsang. Zur Rede gestellt, antwortet sie: ich Deutschland loben, wenn mein Vater im Kon
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Man sollte glauben, daß sich Sportveranstaltungen gleich welcher Art überall und in allen Ländern in ähnlicher Weise entwickeln. Der Sport ist international. Er ist auf der ganzen Welt heimisch und die Sportler selbst sind auf den Tennis- oder Fußballplätzen, auf den Laufbahnen, Rennbahnen, in den Stadien Amerikas oder Englands genau so heimisch, wie auf denen Frankreichs , Deutschlands oder Italiens . Und doch merkt man erst jetzt den Unterschied zwischen der Abwicklung von Wettkämpfen im zweiten Reich" und im neuen Deutschland . Gewiß, auch heute sind die sportlichen Veranstaltungen in Deutschland ebenso wie früher das Ziel vieler Tausenden, auch jetzt werden gute Leistungen gezeigt und erzielt, die meisten der alten beliebten Sportgrößen sind noch dabei. Aber der Eindruck, den bas Bild der heutigen Sportkämpfe vermittelt, ist grundverschieden von dem, den man früher bekam.
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Ob man heute in Deutschland Schwimm- Meetings zusieht oder Tennistämpfen, ob man Zeuge von Fußball matchs ist oder von leichtathletischen Wettstreiten, ob man den Borring belagert oder sich für Wassersport interessiert, von Anfang an hat man den Eindruck: hier handelt es sich weniger um den friedlichen Wettstreit körperlicher Gewandtheit, Geschicklichkeit, Ausdauer, Kraft, sondern rielmehr um einen- fast möchte man sagen- altpreußischen Trill. Es geht immer furchtbar militärisch zu. Abgesehen von den Fußballspielen um den„ Hitlerpokal", die eine reine SA.- Angelegenheit waren- vor Beginn der Spiele wurden politische Reden geschwungen, das Horst Wessel - Lied ge= sungen, Hakenkreuzfahnen waren geflaggt, Heil Hitler wurde beim Anstoß des Balles vom Sturmführer, bei der Halbzeit und am Schluß des Spieles von den Mannschaften und natürlich auch vom begeisterten Publikum gebrüllt werden auch alle sonstigen Sportfeste im selben Sinne ausgetragen. Schon das Publikum sieht ganz anders aus als früher. Eehr viele Uniformen sind zu bemerken, in den Logen die Braunen und Schwarzen mit vielen Pletschen, Disziplin seckt in der Geschichte, die Mannschaftsführer stehen stramm or dem anwesenden Reichskommissar oder seinem Vertreter und warten, bis er das Zeichen zum Beginn gibt. Dann spielt das Deutschlandlied und in der Regel auch das Horst Wessel - Lied, wobei alles Hände an die Hosennaht steht und mit„ Heil Hitler" geht es los.
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Jeder weiß heute, und das ist von großer Wichtigkeit- ob dieser oder jener Sportheld in der Bewegung ist, ob er eine Charge besitzt usw. und darnach richtet sich seine Popularität. Der Wettstreit der einzelnen Sportler oder der Vereine ist zurückgetreten, heute ist es ein Wettstreit der Stürme, der Standarten, der Gaue geworden. Der Parteibonge des be= treffenden Gaues erhält Bericht, übt Kritif, erteilt Verweise und es ist schon so weit gegangen, daß er bei der AufFellungen von Mannschaften sein Votum abgegeben hat. Die Folgen werden bald zu spüren sein. Es wird eine Mittelmäßigkeit Platz greifen, aber das Niveau wird zurückgchen. Bestleistungen sind nur noch Einzelfälle.
Auch noch ein anderes Kapitel ist bei dieser Gelegenheit anzuschneiden, das ernste Folgen zeitigen kann. Das ist die Lage verschiedener großer Vereine in finanzieller Hinsicht. Die betanntesten deutschen Fußballvereine, wie der 1. Fußballklub Nürnberg , die Spielvereinigung Fürth, Bayern München , wurden seit seher in ganz bedeutender Weise von Juden unterstützt und finanziell gehalten. Nachdem man nunmehr ir. Bayern den Juden das Betreten der Sportplätze und des Nürnberger Stadions verboten hat, nachdem man darüber hinaus die Mitgliedschaft auch die passive für Sportvereine nicht mehr opportun erklärte, sind große Geldquellen versiegt und bedeutende Kredite nicht nur zurückgezogen, sondern auch gekündigt worden. Wie die Vereine aus dieser Zwickmühle herauskommen werden, wissen sie selbst noch nicht. Außerdem sind gerade die Beziehungen privater Natur in Bayern zwischen bekannten Sportgrößen und der jüdischen Gesellschaft sehr eng gewesen. Die Folgen werden im kommenden Sportjahr deutlich zu spüren sein. Einige ganz bedeutende Sportler werden sich, von der Geschichte angewidert, aus dem aktiven Sportleben zurückziehen.
Der Sport im dritten Reich" ist keine erhebende Sache. Auch bei ihm machen sich die politischen Ranfünen bemerfEar. Konkurrenten denunzieren einander als Margisten und wenn einmal jemand schlecht in Form ist, so muß er gewärtig sein, daß ihm das Publikum Sabotage" vorwirft. übrigens schon vorgekommen ist.
Blerrede
ceha.
exam Der fröhliche Verkehrspolizist und der Schweinealhirt im Maybachwagen
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Auf einem akademischen Bierabend" des Verbandes der Aerzte und Apotheker redete der„ Treuhänder der Arbeit“ im Bezirk Berlin Engel . Aus seinem Phrasendrusch wollen wir ein paar Säße zitieren, die das Niveau dieser Bierrede kennzeichnen:
Man verspüre heute wieder Wärme im wirtschaftlichen Leben. Selbst der Verkehrspolizist sehe fröhlicher aus wie noch vor einem halben Jahre, weil er wieder Freude am Dienst empfinde. Kastengeist, Standesdünkel und Klassenkampf würden mit Stumpf und Stiel ausgerottet. Nur auf die seelische Qualität eines Menschen käme es an, und oft sei ein Schweinehirt wertvoller als Grafen und Barone , die sich ihre Kronen hätten vergolden lassen und im Zwölfzylinder- Maybach spazieren führen. Jedem, der seinen Mann stelle, soll und werde ein Ehrenplay angewiesen werden. Wer schwer schufte, habe ein Anrecht, auch Ansprüche an das Leben zu stellen...
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Und deshalb- so schloß Engel würden jetzt die Zwölfzylinderwagen den Grafen und Baronen samt ihrem arbeitslosen Einkommen weggenommen und an die schwer= schuftenden Schweinehirten gegeben werden... Ach nein, diesen letzten Satz hat Engel nicht gesagt. Nur die vorhergehenden Säße, die hat er alle wirklich gesagt.
Malkowski- Mordsturm aufgelöst Aber an der Stelle, wo er die Konsequenz seiner Worte
Der bekannte Charlottenburger Mordsturm Maikowski in Berlin , dessen ehemaliger Führer, der mehrfache Mörder Maikowski, Anfang dieses Jahres selbst einer Kugel erlag und von der Hitlerregierung mit ungeheurem Pomp auf Staatskosten beerdigt wurde, hat nunmehr zur Hälfte aufgelöst werden müssen. Es kam ständig zu Rebellionen gegen die Führung. Auch der gegenüber der AEG. untergebrachte SA.- Sturm Voltastraße wurde aufgelöst, nachdem 12 Mit
zenitationslager fist!" Erstaunt über soviel jugendliche Frech lieber auf Befehl des Sturmführers verhaftet worden
heit, donnert der gute Pädagoge" los: Aber Wohlfahrts Unterſtügung könnt ihr Euch holen?"
waren.
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hätte ziehen müssen, wie wir sie in dem- nicht ges sprochenen fettgedruckten Satz ihm in den Mund gelegt haben, da schnappte dieser Engel plößlich ab und rief:„ Es müsse wieder Korpsgeist in die Arbeiter kommen!" Um
versammlungen jetzt nur noch einmal alle Vierteljahr
stattfänden.
dern Akademiker. Arbeiter hätten, wenn sie es auch nicht Freilich, die ihm zuhörten, waren ja keine Arbeiter, sonlaut sagen durften, doch intensiv begriffen, daß es mit dem
„ Ehrenplay" für sie nicht getan ist, solange die Baraſiten der
Gesellschaft ruhig weiter im Zwölfaylinder- Maybach durchs Leben futschieren.