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Fretheil

Nummer 88-1. Jahrgang

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Sonntag- Montag, 1. Okt. 1933

Chefredakteur: M. Braun

Deutschland fordert Miliz!

Deutsch - französische Erklärungen

Deutsche Vorschläge

Schwere Gegensätze

Paris , 30. Sept. Der Petit Parisien" glaubt zu wissen, daß im Laufe des gestrigen Kabinettsrates Ministers präsident Daladier den festen Entschluß der französischen Regierung bekanntgegeben habe, sich an die vers fchiedenen Punkte zu halten, über die sich die

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recht ernst erscheinen. Man spricht davon, daß die Gegenforde rungen, die Deutschland teilweise mit Unterstützung Italiens stellen wolle, auch für England unerfüllbar seien. Man hofft aber, daß die Beratungen der Außenminister mit ihren Regierungen den Weg zu Erleichterungen der schwierigen Lage öffnen werden.

englische und die amerikanische Regierung Schriftliche Gegenvorschläge

mit der französischen hinsichtlich der Ab= rüstung geeinigt hätten,

Diese französische Meldung kennzeichnet, wie sehr sich Frankreich und Deutschland in der Abrüstungsfrage festge­fahren haben. Am Donnerstag war die erste Fühlungnahme zwischen dem französischen Außenminister Paul­Boncour und dem deutschen Reichsaußenminister von Neurath . Beide Minister sind unmittelbar nach diesem Gespräch in die Heimat zurückgereist, um sich neue Instruf­

Aus dem Inhalt:

van der Lubbe als Tausendkünstler

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Zu unserem

Zeitungsverbot

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Die Deutsche Freiheit"

hat sich in wenigen Wochen zu einer Zeitung von internationaler Bedeutung entwickelt. Wer sich über die wirklichen Zustände in Deutsch­ land unterrichten will, greift zur ,, Deutschen Freiheit". Wer die politische Perspektive sucht, wird ihr ständiger Leser. Die wachsende Be­deutung findet am besten ihren Ausdruck in der Verbreitung des Blattes. In wenigen Wochen ist es gelungen, fast über den ganzen Erdball vorzu­dringen. Die

Deutsche Freiheit"

wird gelesen Deutschland , Aegypten , Argen­ tinien , Belgien , Brasilien , Dänemark , England, Frankreich , Holland , Mexiko , auf der Insel Mal­ lorca , in Norwegen , Oesterreich, Rumänien , Palä­stina, Polen , Portugal , in der Schweiz , in Schwe­ den , Spanien , Süd- Afrika, in der Tschechoslo­ wakei , Türkei und in USA .

Einzelexemplare gehen nach Bulgarien , China , Estland , Italien , Rußland.

tionen zu holen. Schon daraus geht hervor, daß die Gegen gelegt find, und diese bei den verschiedenen Delegationen nicht Die österreichische Gefahr

fäße beiderseits noch als unüberbrüd bar empfunden worden sind. Ein Teil der französischen Presse spricht sogar von einem Ultimatum Frankreichs an Deutsch I and. Diese Formulierung überspitzt die Tatsachen. Richtig ist, daß Paul- Boncour den französischen Standpunkt sehr ernst und sehr nachdrücklich dargelegt und erklärt hat, daß die französische Regierung unmöglich jetzt schon eine wesentliche Verminderung der französischen Rüstungen vornehmen könne, wenn nicht eine einjährige Probe­zeit festgelegt werde. Während dieser Probezeit müsse eine internationale, automatische und periodische Kontrolle der gegenseitigen Rüstungen aller Länder durchgeführt werden. Der deutsche Außenminister von Neurath er­widerte, die deutsche Regierung werde sich mit einer Rüstungskontrolle einverstanden erklären, wenn gleich zeitig die deutsche Forderung auf Gleichberechti gung anerkannt werde. Inzwischen hat der Reichsaußen­minister von Neurath am Freitag schon an einer Kabinetts­fizung teilgenommen. In einer halbamtlichen Meldung wird der deutsche Standpunkt zu den Schwierigkeiten wie folgt formuliert:

Im Vordergrund steht die deutsche Forderung, daß dem Deutschen Reich die Gleichberechtigung hinsichtlich der Ver= teidigungswaffen bereits während der ersten Laufzeit der Konvention zugestanden werden müsse. Deutschland ver: langt die Abrüstung der schweren Waffen. Soweit die Ab­schaffung dieser Waffen nicht in einem gewissen Zeitraum erfolgt, besteht Deutschland darauf, daß die von den anderen Mächten zu ihrer Verteidigung für notwendig gehaltenen Waffen auch Deutschland zugestanden werden. Die Haupt­differenz besteht im Augenblick darin, daß Frankreich und England diese Forderung in der ersten Periode te ver abzu schließenden Konvention nicht erfüllen wollen. Deutschland fieht in diesem Punkte keine Möglichkeit eines Nachgebens. Da Frankreich und mit ihm England und Amerika diese deutsche Forderung bisher ablehnen, und der franzöfifche

Kabinettsrat sich von neuem festgelegt hat, ist ein Ausgleich bisher nicht zu erkennen. Es ist möglich, daß zunächst ver­sucht wird, auf einer Konferenz der Mächte des Viererpaktes die Meinungsverschiedenheiten zu bereinigen. Die englische Presse läßt auf Grund der Telegramme ihrer Genfer Berichterstatter die Lage der Abrüstungsfrage als

Paris , 30. September. Pertinax ichreibt im Echo de Paris": Man darf ohne weiteres annehmen, daß Paul- Boncour nur wenig von seinem Gesprächspartner( Herrn v. Neurath ) erfahren hat, der ebenso gut wie er aus erster Hand über alles unterrichtet ift, was sich zwischen den ehemaligen Verbündeten abgespielt. hat. Da andererseits die französischen, englischen, amerikanischen Vorschläge nicht schriftlich nieder­nuwesentlich voneinander abweichen, und da schließlich sich ihre Verschiedenheit jegt stärker bemerkbar macht, als die gemeinsamen Gesichtspunkte, ist Herr v. Neu­ rath keineswegs von der Rede betroffen oder überrascht worden, die ihm der kleine Rechtsanwalt gehalten hat. Er hat sehr höflich das Angebot zurückgewiefen und mit geteilt, daß er sich Samstag nach Berlin begeben würde, um mit dem Reichskanzler Hitler und seinen Kollegen zu be: raten. Wahrscheinlich haben die italienischen Delegierten ihn veranlaßt, diese Reise zu unternehmen. Sie sollen ihm übrigens auch geraten haben, nach Genf schriftliche Gegen­vorschläge zurückzubringen.

Wir werden also nächste oder vielleicht übernächste Woche die wahre Meinung der Reichsregierung über die schweben= den Fragen erfahren....

Hartnäckig verlangen die Deutschen die Verstärkung ihrer militärischen Kräfte, indem sie sich auf die Tatsachen beziehen, daß die Reichswehr verschwinden müsse, ohne die Probezeit von drei oder vier Jahren abzuwarten, ebenso wie die andern europäischen Armeen mit mehr oder weniger langer Dienstzeit. Dafür soll eine Art Miliz, in der die Mannschaften nicht länger als sechs oder sieben Monate dienen, geschaffen werden. Er sei gestattet, zu ver: muten, daß die Deutschen gleichzeitig bei den andern, vor allem in Frankreich , gewisse Herabsegungen und unmittel: bare Abschaffungen von Kriegsmaterial und vor allem der Bombenflugzeuge verlangen werden. Um diesen Preis würden sie eine Kontrolle annehmen, deren Mechanis­mus sie übrigens noch nicht vorgeschlagen haben.

Eine englische Stimme

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London , 30. Sept. In einer Versammlung des Natios nalen Friedensrates, in der Arthur Henderson eine Ansprache hielt, wurde eine Entschließung zur Abrüftungsfrage ange nommen, in der die Regierung aufgefordert wird, eine Konvention herbeizuführen, die wenigstens eine beträcht: liche fortschreitende Abrüstung herbeiführt. Der Rat sei davon überzeugt, daß die Möglichkeit, daß Deutschland wieder aufrüste, nur dann wirklich vermieden werden könne, wenn eine progressive und schnelle Verwirklichung der Gleich heit in der Abrüstung durchgeführt werde.

Neun Tote in der Synagoge

Die Katastrophe beim Versöhnungsfest

Bukarest , 30. Sept. Bei einem durch Kurzschluß ents standenen Brand in einer Synagoge fanden neun Frauen den Tod. 36 Personen wurden schwer verlegt.

Zu dem Unglück wird noch berichtet: Als infolge Kurz­schlusses aus der elektrischen Leitung Flammen ausschlugen, schrie man euer und Rette sich, wer fann". Es brach eine furchtbare Panik aus. Die Frauen, die auf einer Holzgalerie dem Gottesdienst beiwohnten, begannen sich unter entsetzlichen Schreien von der Galerie her unterzu stürzen. Die Versuche Besonnener, der Panik Einhalt zu tun, waren vollkommen vergeblich. Man versuchte,

#su rodila

sich mit allen Mitteln den nächsten Ausgang zu erkämpfen, während die Frauen sich weiter von den Galerien in den Bet­raum hinunterwarfen. Die herbeigeeilten Feuerwehrleute und die Polizei konnten die Türen nicht öffnen, da sie nach innen schlossen und die Massen gegen die Türen drückte. Als

man endlich die Ruhe wiederherstellte und feststellen konnte, daß es möglich war, den Brand im Keim zu ersticken, hatten bereits neun Frauen den Tod gefunden, 36 Per­sonen waren schwer verlegt, 14 weitere hatten leich­tere Brandwunden davongetragen. Die Synagoge bot ein Bild des Grauens und Entset 3. Der Gottesdienst galt dem Versöhnungsfest.

Von Dr. Richard Kern

Doppelt ist die österreichische Gefahr: eine schwere Ge fahr für den Frieden, wenn nicht heute, so doch in naher Zukunft.

Die Neubildung der Regierung Dollfuß hat die Krise nicht gelöst, sondern verschärft. Das wird ohne weiteres verständlich, wenn man weiß, daß die Lösung nicht eine österreichische, nicht die von Kanzler Dollfuß vorbereitete und gewollte war. Die Lösung ist eine italienische, sie ist durch die direkte Intervention durch den italieni­schen Gesandten Auriti herbeigeführt worden.

Wir sind darüber bis in die Einzelheiten informiert. Nach dem faschistischen Vorstoß des Fürsten Starhemberg, der unmittelbar nach seiner Rücksprache mit Mussolini erfolgt war und nach dem Gegerstoß des bisherigen Vizekanzlers Winkler, der im Namer des Landbundes gegen jeden Faschismus Stellung nahm, war die Situation des Kabinetts unhaltbar geworden. Dollfuß beabsichtigte die Umbildung des Kabinetts sowohl durch Ausschaltung des Landbundes, dessen Anhang im Volke schwach ist, als auch durch Entfernung des Vertrauens­manns der Heimwehr , Fe y. Dollfuß legte dabei gerade auf die Ausschiffung Fens das größte Gewicht, denn gen leitete das wichtige Sicherheitsministerium, das ihm die Möglichkeit von Butschen gab. Dollfuß wollte also ein Ministerium, das als Ministerium der von ihm neugebil deten vaterländischen Front erscheinen und unter offi ziellem Ausschluß aller Parteieinflüsse" den Kampf um die österreichische Selbständigkeit gegenüber den Natio­nalsozialisten fortführen sollte. In dieser Situation inter venierte Mittwoch, 20. September, in den Mittagstunden der italienische Gesandte.

"

Die Folgen der italienischen Einmischung waren dies

Dollfuß erklärte plöglich, er könne Jen nicht ausschalten, die Heimwehren nicht aus der Regierung herauslassen, weil sie sonst, aller Verantwortung bar, putschen würden. Die Regierung wurde also ohne den antifaschistischen Landbund, aber mit den italofaschistischen Heimwehren gebildet. Der bisherige Heeresminister Vaugoin , zu gleich der Führer der christlich- sozialen Partei, ging gleich falls, weil er mit Fen nicht zusammenarbeiten wollte. Diese Lösung der Krise hat nicht nur bei den Landbünd­lern, sondern auch innerhalb der christlich sozialen Partei große Erbitterung hervorgerufen. Denn Dollfuß hat die Forderungen des Vertreters Mussolinis erfüllt, ohne die Christlich- Sozialen auch nur zu informieren. Diese sind über den verstärkten Einfluß der Heimwehren bestürzt, da sie wissen, daß ihnen auch bei der italienischen Form des Faschismus das Schicksal der Populari und des Zentrums bevorſtünde.

Die Umbildung der Regierung bedeutet also innen­politisch einen gefährlichen Ruck nach rechts. Die Heimwehr fordert immer wieder ein Vorgehen gegen die Sozialdemokratie, vor allem einen Vorstoß gegen Wien . Wie weit Dollfuß sich dieser Forderung fügen wird, ist augenblicklich noch nicht sicher zu übersehen. Auf alle Fälle bleibt aber nach den eigenen Ankündigungen von Dollfuß das Endziel der Regierung eine faschistische