DAS BUNTE BLATT
NUMMER 99-1. JAHRGANG TAGLICHE UNTERHALTUNGS- BEILAGE SAMSTAG, DEN 14. OKTOBER 1933
Konservativ
Ein junger Deutscher, zur Ausbildung in London , findet in Mr. Underwood einen zuverlässigen Führer und flugen Be rater. Einige Tage vor der berühmten Orford- CambridgeRegatta macht er seinem Schüßling überzeugend klar, daß unbedingt Cambridge gewinnen muß. Er kennt die Fähigkeit jedes einzelnen der Mannschaften, nennt deren Körpergewichte und beweist Cambridges sicheren Sieg.
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Der junge Ausländer sieht das ein:„ Ich weiß beim Buchmacher nicht so recht Bescheid; wollen Sie daher bitte Ihre Wette auf Cambridge um zehn Schilling für mich erhöhen!" Mr. Underwood lächelt etwas verlegen:„ Sicherlich, Sir, will ich Ihre Wette besorgen. Aber ich ich sehe auf Oxford !" „ Aber, Mr. Underwood- Sie haben mir doch eben erklärt, ja bewiesen, daß nur Cambridge Sieger sein kann!" Wird es auch gar nicht daran zu zweifeln. Aber sie verfteben mein ganzes Leben habe ich auf Orford gesetzt, all my life. Und auch diesmal wette ich Orford." Cambridge gewann.
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Der beste Ire
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Drei irische Farmer sind sehr stolz darauf, daß der sonst so hochmütige englische Landlord sie höflich gegrüßt hat. Da fie fich nicht einig werden können, wem von den dreien der Gruß galt, tragen sie den Fall ihrem Stammesältesten vor. Der entscheidet: der Gruß hat dem gegolten, der der beste Jre ist, also den größten Starrsinn besitzt.
Der erste Fre rühmt sich:„ Mit hundert Hammeln bin ich auf den Markt gezogen, und feinen weniger wollte ich ver Taufen. Auf 80 wurde mir ein guter Preis geboten, aber ich schlug ihn aus. Später hätte ich sogar 99 loswerden können, aber ich lehnte ab und trieb meine hundert Hammel wieder in den Stall zurück.
Das ist allerdings Starrfinn!", fagte der Richter.
Der Zweite erzählte:„ Nachts um dret Uhr tam ich von unserm Ernteball nach Hause. Da ich meinen Schlüssel vergessen hatte, flopfte ich, bis meine Frau an die verschlossene Türe fam. Sie fragte: Wer ist da?"
Ich antwortete: Ich."
Die Frau: Wer ist Ich?"
Ich:„ Ich."
Lustige Anekdoten aus England
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Vertrauens erklommen: die City hatte ihn zum Lord Mayor erwählt. Während des üblichen großen Banketts in der Guildhall, an dem das ganze offizielle England teilnimmt, stand der neue Oberbürgermeister auf und begann seine Rede mit den Worten:„ Dies ist der stolzeste Augenblick meines Lebens." Darüber ging bei der Zigarré die Unterhaltung noch weiter. Jeder der großen Männer und Würdenträger wußte zu erzählen, wann und bei welcher Gelegenheit er den stolzesten Augenblick seines Lebens genossen habe. Nur der alte Devonshire, Säule des Empire, Herzog und Minister, Gewinner des Derby, hatte bisher noch geschwiegen.„ Meine Herren," sagte er dann, ich habe viel, viel erlebt. Aber der stolzeste Augenblick meines Lebens war ficherlich der, in dem mein Zuchtochse den ersten Preis auf der landwirtschaftlichen Ausstellung bekam!"
Der Schirmdieb
Auf dem Anschlagbrett eines sehr vornehmen Londoner Klubs machte ein Mitglied befannt:„ Der Adlige, der meinen Regenschirm fortgenommen hat, soll ihn sofort zurückgeben."
Wegen dieser eigenartigen und tränkenden Bemerkung wird er zur Rede gestellt.
„ Sie sind im Irrtum," ist seine Antwort.„ Sehen Sie sich doch die Statuten an; nur Adlige und Gentlemen können bei uns Mitglied sein. Und Gentlemen stehlen keine Regen schirme."
Ein Dämon. Ein Weib.
Was ist schlimmer als eine Tigerin?" Was ist schlimmer als ein Dämon?" Was ist schlimmer als ein Weib?"-Nichts.
Tutankamons Fluch
In London ist der 40jährige Edward Worridge von einem Auto überfahren worden und im Krankenhaus gestorben. Dieser an sich alltägliche Fall gewinnt dadurch an Bedeutung, daß Worridge ein Teilnehmer jener Expedition war, die Tutankamons Grab freilegte. Von den Erpegewöhnlichen oder unnatürlichen Todes gestorben, und durch „ Das ist freilich noch größerer Starrsinn!" meinte ber diesen neuen Todesfall erhält der unsinnige Aberglaube Richter. Und nun du, O'Flagan." von dem Fluch des ägyptischen Königs wieder neue Nahrung.
Und so ging es, hin und her, vier Stunden lang, bis mein ditionsteilnehmern ist schon eine ganze Reihe eines außerJunge heraus fam, um zur Schule zu gehen."
Ich hatte fürchterliche Zahnschmerzen und ging zum Zahnarzt. Der flopfte an den ersten Zahn: Ist es dieser, der Ihnen weh tut?"- Das weiß ich nicht, aber Sie, der Arzt, müssen es wissen!"
Da zog er mir den Zahn aus. Dann flopfte er an den aweiten Zahn und fragte wieder. Aber ich gab dieselbe Antwort. Und so zog er mir alle 32 Zähne aus!"
Der Richter zögerte nicht: Dich, O'Flagan, dich hat der Graf gegrüßt!"
Gesichtswinkel
Sir John P., früher Sattlermeister, dann größter Lederfabrikant Londons , hatte die höchste Sprosse bürgerlichen
Sontamara
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ROMAN VON IGNAZIO 81LONE
In guten Zeiten geht es dem Priester wirklich gut. Er liest bie Messe, die Tridui, die Novena, er tauft, firmt, gibt die lette Delung, begleitet auf den Friedhof und so geht alles in guten Zeiten wirklich gut. Aber wenn Hunger im Lande ist, wovon soll dann der Priester leben?
In solchen Zeiten gab es auch für die Cafoni nur einen Ausweg: den Kampf aller gegen alle.
Man fand in Fontamara kaum noch zwei Familien, die friedlich miteinander verfehren konnten. Die lächerlichsten Vorwände genügten, um die heftigsten Kämpfe zu entfesseln. Diese begannen während des Tages unter den Frauen, den Kindern und loderten abends bei der Heimkehr der Männer mieder auf. Einmal handelte es sich um ein entlichenes Stückchen Hefe, ein andermal um einen Backstein, oder um ein Faß, oder um ein Stück Eisen, ein Stück Holz, eine Henne oder um ein wenig Stroh.
In solchen Zeiten bot sich zehnmal am Tag Gelegenheit zum Streiten. Aber für uns blieb der Anlaß aller Anlässe doch immer das Wasser.
Die Straßenwärter hatten schnell das neue Bachbett gegraben und am Tag der Wasserteilung waren alle daran interessierten Cafoni auf dem Posten.
An der Stelle, wo das Wasser sich teilen sollte, hatte man zwei hölzerne Schleusen angebracht. Diese hatten die Aufgabe, die Wassermenge, die weiterhin in das alte Bett fließen, und jene, die auf die Seite des Impresario abzweigen sollte, zu regulieren. Das heißt also, daß die Entscheidung über die zwei geheimnisvollen Dreiviertel fallen sollte.
Aus der Kreisstadt waren rund hundert Carabinieri gekommen, die sich auf der Straße postierten. Von diesen fam eine Patrouille auf uns zu und drängte uns vom Bach ab, zu den Reben hin. Weil wir noch nie so viele Carabinieri gesehen hatten, ließen wir uns das gefallen.
Kurz darauf erschienen zwei Gruppen faschistischer Milis und schließlich die großen Herrschaften: ber Impresario, der
Gefüllte Hoffrüben mit- Tabak
Einem belgischen Zollwächter am Ufer der Lys fiel es auf, daß in gewissen Abständen riesige gelbe Kohlrüben den Strom herabgeschwommen famen. Er machte Meldung, man forschte nach und entdeckte, daß die Rüben ausgehöhlt waren und in wasserdichtem Papier ein Kilogramm Tabak enthielten. Nun sucht man die Leute, die in Frankreich die Kohlrüben auf die Reise geschickt hatten, und diejenigen, die in Belgien die seltenen Fische, angeln" sollten. Vorläufig noch chne Erfolg.
Notar, Don Circostanza,„ Der Denker," Don Cuccavascio, Don Pompino, Don Tarandella, der Kanonikus Don Abbac= chio, Don Pelino im schwarzen Hemd, andere Herren, die wir nicht kannten und hinter allen Filippo der Schöne und Innocenzo La Legge.
Don Circostanza tam straks auf uns zu, gab, allen die Hand und empfahl uns, zu unserm eigenen Besten, Vertrauen zu ihm zu haben. Dann wurde beschlossen, wir hätten eine Kommission älterer Leute zu ernennen, die bei der Teilung des Wassers zugegen sein sollten. In der Kommission waren Pontius Pilatus , Jacobo Losurdo und ich. Den anderen Cafoni wurde erlaubt, sich auf der Hauptstraße hinter einem Cordon Carabinieri aufzustellen.
Nachdem das geschehen war, las der Notar den wegen Teilung des Baches zwischen der Bevölkerung von Fontamara und dem Impresario vollzogenen Vergleich vor.
" Der Vergleich ist äußerst klar... Dreiviertel des Wassers werden in das neue, von der Gemeinde gemachte Bachbett geleitet und die Dreiviertel, die dann noch übrig bleiben, werden weiterhin im alten Graben fließen."
„ Halt, so ist das nicht!" protestierte Pontius Pilatus sofort. „ Der Vertrag sagt Dreiviertel und Dreiviertel. Nichts an= deres. Also halb und halb... das heißt Dreiviertel für uns und Dreiviertel für den Impresario. Jedem gleich viel..." Nein, mein!" begann Jacobo Losurdo zu schreien.
„ Der Vergleich ist nicht so. Der Vergleich besagt, daß wir die Dreiviertel des Wassers bekommen und daß der Rest, wenn es überhaupt einen gibt, an den Impresario geht. Da es aber nur wenig Wasser ist, kann womöglich gar kein Rest bleiben."
,, Dreiviertel und Dreiviertel, das ist eine Erfindung des Teufels," sagte ich. So etwas verrücktes ist noch nicht dagewesen... Tatsache ist, daß das Wasser Fontamara gehört und bei Fontamara bleiben muß."
Durch unser Gefuchtel und Geschrei begriffen die hinter den Carabinieri auf der Straße stehenden Cafoni, daß die Teilung des Waffers zu unsern Ungunsten vollzogen werden sollte und begannen Krach zu schlagen. Besonders Raffaele Scarpone, von seiner Gruppe fopfloser Burschen sekundiert, heulte wie ein Besessener.
Da die Fontamaresen eine herausfordernde Haltung einnehmen und die Mitglieder ber Weltesten- Kommission night
Heimat im Herbst
Kleinstadt und Dorf und Gartengeheg, Nebel duftig im Wiesengrund, goldbraunes Laub auf waldstillem Weg, Herbsttage reich und von Farben bunt. Kahlbraune Aecker, von Aehren leer, Hafen und Krähen im Stoppelfeld, Ferne und Nähe von Einsamkeit schwer, schweigender Himmel und schweigende Welt. Tanndunkle Berge, geliebt und vertraut, Wege zu Höhe und talweiter Sicht, Heimat, so weit das Ange schaut, unter des Herbstes durchfilbertem Licht. Deutschland , o Heimat, Sehnsucht und Glüd, wo wir auch wandern, wir tragen dich mit; einst gehn wir alle die Wege zurück, die unser Fuß in der Fremde beschritt. Mar Barth.
Weldie Firma ist bankrott Von Wilhelm v. Hebra
Der Grieche Agion, welcher viele ägyptische Aktien besitzt, hört Gerüchte, daß eine große ägyptische Aktiengesellschaft dem Bankrott nahe sei, hat wohl seine Vermutungen, weißẞ aber nichts Bestimmtes, fann den genauen Namen nicht in Erfahrung bringen, geht zu seinem Freund Pyrgos, der ebenfalls Grieche ist und ebenfalls viele ägyptische Aktien besitzt, und fragt ihn, ob er Näheres wisse.
" Ja," erwiderte Pyrgos.
Welche Aktiengesellschaft ist es?"
„ Das sage ich wicht."
Warum?"
Weil ich die Aftien verkaufen will, solange sie noch hoch ftehen."
„ Das will ich auch."
Wenn es zu viele wollen, dann stehen die Aktien nicht mehr hoch."
,, Du würdest mir durch die Nennung des Namens einen großen Freundschaftsdienst erweisen."
„ Es würde aber vielleicht ein Schaden für mich sein." " Du tust es also nicht?"
„ Nein."
,, Willst du mir einen kleineren Dienst erweisen?" „ Das weiß ich noch nicht."
" Ich schreibe zehn Firmennamen auf und du wirst mir sagen, ob die bankrotte Firma darunter ist." ,, Gut. Das will ich tun."
Agion schreibt die Namen auf.
Pyrgos jagt: Die bankrotte Firma ist darunter." " Dann weiß ich, welche es iſt." Wieso?"
„ Weil unter den zehn Firmennamen nur einer wirklich erestiert."
" Das hast du sein gemacht."
" Ja."
,, Willst du mein Kompagnon werden?"
„ Ja."
So entstand die Firma Pyrgos und Agion", deren In haber die größte Hochachtung füreinander hatten und zu be trächtlichem Reichtum gelangten.
Die griechischen Schulbehörden beabsichtigen, die Geschichte von Pyrgos und Agion in das Lehrbuch für Handelsschulen aufzunehmen, weil sie ein so schönes Beispiel dafür sei, wie Raufleute denken und handeln sollen.
einmal unter sich einig sind," erklärte plötzlich der Impre sario, mache ich von meinem Recht als Gemeindevorstand Gebrauch und ernenne hiermit den Cacaliere Pelino, Hauptmann der faschistischen Miliz, und Don Circostanza zu den Vertretern von Fontamara."
Sogleich stürzten sich sechs Karabiniere auf uns und führten uns auf die Hauptstraße zu den andern Fontamaresen, wäh rend Don Circostanza uns nachrief:
„ Habt Vertrauen in mich! Bleibt ruhig!"
Hinter dem Cordon der Carabinieri konnte man nur unt deutlich verfolgen, was sich am Bache zutrug. Im Grunde war uns diese Wendung nicht unangenehm, weil wir den andern Cafoni gegenüber gar keine Verantwortung mehr hatten. Es war besser, daß unsere Verteidigung einem gebildeten Mann wie Don Circostanza anvertraut war.
Zuerst näherte sich der Notar dem Bach, dann ein Architekt, dann vier Straßenarbeiter mit ihren Schaufeln. Wir beobach teten, wie Don Pelino und Don Circostanza mehrmals mit dem Architekten diskutierten.
Die Straßenböschung, die große Zahl Carabinieri und Autoritäten, die um die beiden Schleusen versammelt waren, hinderten uns, die endliche Teilung der berühmten zwei Dreiviertel zu sehen. Aber ungefähr hundert Meter weiter hinten, wo das alte Bachbett zwischen dem Obstgarten von Giacinto Barletta und Papajisto eine Biegung machte, fonn ten wir deutlich feststellen, in welchem Maße unser Wasser weniger wurde und wieviel davon überhaupt noch übrig blieb.
So waren unser aller Augen dorthin gerichtet und ver suchten, dort zu erraten, was die Obrigkeit und unsere Ver treter in unserer nächsten Nähe, einige Schritte von uns ent fernt, entschieden hatten.
Raffaele Scarpone meldete als Erster, daß der Wasserstand abnehme. Obwohl keiner von uns angenommen hatte, daß die Wassermenge sich gleich bleiben würde, so begannen wir doch alle beim Anblick des sich langsam senkenden Wasserspiegels zu schreien und gegen den Impresario und die ehren werte Gesellschaft zu fluchen. Langsam fiel das Niveaut unseres Wassers bis auf die Hälfte des Grabens, aber auch hier machte es nicht Halt...
Diebe! Diebe! Diebe!" schrien wir.
( Fortsetzung folgt.l