Benzingeruch im Reichstag  

Gescheiterte Versuche, Torgler   zu belasten

23. Verhandlungstag

Fortsetzung aus Nr. 108

Die gute Nachbarin

Als erste Zeugin wird dann die Ehefrau Pretsch aus Karlshorst   vernommen, deren Wohnung der Torglers gegen­über liegt. Die Zeugin befundet, sie habe am 27. Februar vormittags in der elften Stunde zusammen mit ihrem Sohn den Abg. Torgler   getroffen, der zwei schwere Taschen trug. Er habe sie etwas scheu angesehen, als er haarscharf an ihnen vorüberging. Als sie am nächsten Morgen vom Reichs­tagsbrand erfuhren, habe ihr Sohn gesagt, nun wisse er auch, warum Torgler   die schweren Taschen ge­tragen habe. Auf verschiedene Vorhalte bekundet die Beugin weiter, daß die Mappen größer als gewöhnliche Attentaschen gewesen seien. Nach Ansicht der Zeugin konnten bei der Begegnung daran getragen habe. Der Zeugin wird dann die mit Zeitungen gefüllte Aktentasche Torglers vor­gelegt. Sie erklärt jedoch, daß die vorgezeigte Mappe damals nicht dabei gewesen sei.

Die ,, Flüssigkeit"

Gs tritt dann eine Pause ein, um das Erperiment mit der selbstentzündlichen Flüssigkeit zu machen. Das Gericht und die Prozeßbeteiligten begeben sich zu diesem Zweck in den

Plenarjaal.

Nach der Pause wird der Sachverständige Dr. S ch a ß auch als Zeuge vereidigt. Er erklärt, er habe nach dem Branderpe= riment die selbstentzündliche Flüssigkeit und Petroleum auf seine Hände gerieben. Er habe gleich darauf zwei Schupo­beamte gefragt, ob sie an ihm einen bestimmten Geruch wahr= nehmen. Beide Beamte hätten das verneint. Zwei Reichs­tagsbeamte, die er aber nicht vorher aufmerksam gemacht habe, hätten an ihm keinen Geruch wahrgenommen, obwohl er seine Hände nahe an das Gesicht der Beamten heran­gebracht habe.

Dr. Schatz gibt dann weiter an, daß er nach dem Brande im Plenarsaal auf dem Läufer im Bismarc- Umgang, im Erdreich unter dem Präsidentensiz usw. Rückstände gefunden habe, die nur von der Zündflüssigkeit herrühren konnten.

Dr. Schazz äußert sich dann über die Brandspuren an dem weggeworfenen Mantel van der Lubbes. Die Spuren seien so eigenartig, daß sich die Vermutung aufdränge, van der Lubbe habe ein mit der Zündflüssigkeit getränktes Stück Kohlenanzünder in der Tasche gehabt. Dieser Kohlenanzünder habe sich dann selbst entzündet und im Mantel gebrannt. Van der Lubbe habe dann den Mantel abgeworfen. Es sei auch möglich, daß der Brand auf die anderen Kleidungsstücke übergesprungen sei. Van der Lubbe, fuhr Dr. Schatz fort, soll auch Brandwunden gehabt haben. Leider habe ich sie nicht gesehen. Sonst hätte man daraus wichtige Schlüsse ziehen können. Die durch solche Zündstoffe erzeugten Brandwunden haben nämlich typische Eigentüm­lichkeiten.

Es werden dann die beiden Reichstagsbeamten vernom­men. Beide sind völlig ahnungslos, worüber sie vernommen werden sollen, und beide bestätigen dann, daß sie keinerlei Geruch an Dr. Sch as wahrgenommen hätten.

Torglers Aktentaschen

Als Zeuge wird dann der Verkäufer Möller aus Karls­ horst   vernommen, der Sohn der zuerst vernommenen Zeugin Preßsch. Er bestätigt die Angaben seiner Mutter und erklärt auf die Frage des Vorsitzenden, ob er gemeint habe, daß der Inhalt der Taschen Torglers mit dem Reichstagsbrand in Busammenhang stehe. Er habe das gemeint, könne es aber nicht behaupten.

Dem Zeugen wird dann die Tasche Torglers gezeigt. Er erklärt, daß diese die eine gewesen sein könne, während die andere größer gewesen sei. RA. Dr. Pelkmann fragt, ob der Zeuge Möller es für möglich halte, daß die schweren Taschen Torglers mit Zeitungen gefüllt waren. Der Zeuge erwidert, daß das sein könne. Der Vorsitzende hält dem Zeugen vor, daß er bei der ersten Vernehmung gesagt habe, Zei­tungen hätten nicht in der Tasche sein können. Dazu seien die Taschen zu schwer gewesen. RA. Dr. Pelkmann bittet dann den Vorsitzenden, Torgler   zu gestatten, seine Aften­taschen so mit Zeitungen zu füllen, wie er das gewohnt war. Torgler   erhält die Genehmigung und geht dann, in jeder Hand eine der vollgepfropften Taschen tragend, im Verhand­lungsraum an dem Zeugen Möller vorüber.

Dieser erklärt, daß Torgler   damals ungefähr dieselbe Hal: tung gezeigt habe wie jetzt. Dann nimmt der Zeuge selbst eine der Taschen in die Hand und erklärt, daß die Tasche sehr schwer set.

Die kommunistische Sekretärin

ther

Es wird dann die frühere Sekretärin der fo Reichstagsfraktion, Frau Rohme, vernommen. Sie bittet, den Zeugeneid ohne die religiöse Formel ablegen zu dürfen, was dann auch geschieht. Sie bekundet, daß sie am 27. Februar gegen 11.30 Uhr in den Reichstag gekommen sei. wo Torgler  schon anwesend war. Von den anwesenden kommunistischen  Abgeordneten nennt die Zeugin Florin, Ulbrich, Vogt, Hein und Frau Reese. Dr. Neubauer habe sie nicht gesehen, es sei aber sicher anzunehmen, daß er im Hause war. Könen sei um 6.30 Uhr in den Reichstag gekommen. Von fremden Be­suchern hat die Zeugin an diesem Tage nur die Erinnerung an einen Mann, der den Abg. Ulbrich sprechen wollte. Das sei zwischen 3 und 4 Uhr gewesen. Später sei dann auch noch ein gewisser Bruno aus dem Karl- Liebknecht- Haus er­schienen, der mit Torgler  , Könen und anderen gesprochen habe und etwa um 6.30 Uhr wieder gegangen sei. Auf weitere Fragen des Vorsitzenden gibt die Zeugin an, daß Torgler   sehr häufig im Vorraum zum Saal 12 gesessen und mit Besuchern gesprochen habe. Ob der Journalist Birken­hauer anaerufen habe, könne fie nicht sagen. Auf die Frage des Vorsitzenden, wann Torgler  , Könen und sie selber den Reichstag   verlassen hätten, antwortet die Zeugin,

nach ihrer Erinnerung müsse es furz vor 8.30 Uhr gewesen fein, feinesfalls aber später als 8.35 Uhr. Von einem fluchtartigen Verlassen des Reichstages könne keine Rede sein, weil sie selbst wegen eines dicken Verbandes um den Fuß nur langsam habe gehen können. ,, Bruno"

anderen nicht?

Dr. Gönders: Ist Ihnen Dimitroff   bekannt?- Beugin: Nein! Dr. Gönders: Das geht auf Ihren Eid! Haben Sie ihn nie gesehen? 3eugin: Nein, nur bei den Vernehmungen. Gönders: Auch Popoft und die 3eugin: Nein! Gönder 3: Sind mal irgendwelche Sachen auf Zimmer 9 abgegeben worden, Pafete oder sonstige Gegenstände? Zeugin: Daran fann ich mich nicht erinnern. Es war manchmal etwas bestellt oder angemeldet, Schreibmaterial usw. Das wurde dann geholt oder abgeliefert. Dr. Gönders: Ich frage Sie jetzt direft Sie können die Antwort verweigern- Sind Sie in irgendeiner Weise an der Brandstiftung beteiligt oder haben Sie Kenntnis davon gehabt? Das geht auf Ihren Eid! 3eugin: Nein!- Ueber die Nichtbeantwortung der

Lokaltermin im ausgebrannten Plenarsaal des Reichstags

อยาก 21

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Bon links nach rechts: Der Bulgare Dimitroff  , der Anwalt Torglers, Dr. Sack; der Anwalt der Bulgaren  , Dr. Teichert; und Marinus van der Lubbe  , das stumpfe Opfer seiner Auftraggeber.

Anrufe aus der Garderobe kann die Zeugin weiter feine Aufklärung geben. Der Oberreichsanwalt regt an, die Angelegenheit durch einen Telefonsachverständigen auf­klären zu lassen. Ueber die Person des Bruno" befragt, der in Wirklichkeit Bruno Petersen heißt, erklärt die Zeugin, daß er die technische Seite wegen der Versamm lungstermine und der Bestellung von Referenten zu er ledigen hatte. Parrisius: Es ist doch merkwürdig, daß der Mann Ihnen nur unter dem Vornamen bekannt war. Zeugin: Bei uns war es üblich, daß wir uns nur mit dem Vornamen angesprochen haben. Parrisius: Wissen Sie, wo Birkenhauer steckt? 3eugin: Nein. Vorsißender: Hatte Bruno" auch mit dem Emigrantenwesen etwas zu tun?-3eugin: Darüber bin ich nicht informiert. Vor­sißender: Popoff hat nämlich erhebliche Zahlungen an einen Bruno geleistet. Es wäre immerhin möglich, daß dieser Bruno damit zusammenhängt. Kennen Sie solche Zusam­menhänge? 3eugin: Nein, ich glaube es auch nicht.

Dimitroff   setzt einem Zeugen zu

tal V gehen sehen? Der Zeuge weist auf den Angeklagten Dimitroff  : Nur der eine der Herren fällt mir auf, mir ist, als wenn er es war, der sagte, daß in zwanzig Minuten der Reichstag   in die Luft fliegen könnte. Angeflagter Dimitroff  : Wann hat mich der Zeuge im Reichstage gesehen? 3euge: Am Brandtage nach 3 Uhr. Dimitroff  : Haben Sie nach dem Brande mein Bild in der Zeitung gesehen? 3euge: Jawohl, ich hatte gleich das innere Gefühl, das könnte der gewesen sein Dimis troff: Haben Sie das dem Untersuchungsrichter mitgeteilt? 3euge: Nein!- Warum nicht?- 3euge: Weil ich nicht ganz sicher war. Jetzt sehe ich aber den Herrn besser und natürlich. Das Bild täuscht manchmal. Vorsitzender: Können Sie sich auch irren? 3euge: Ganz genau kann ich es nicht sagen. Dimitroff  : Welcher Partei gehört der Dimitroff  : Welcher 3euge: rechts. Zeuge an? Partei? Vorsißender: Das genügt.- Dimitroff  : Wer hat ihn beeinflußt, hier so auszusagen?- 3euge: Niemand. Vorsitzender: Ich weise das zurück! Das ist eine Beleidigung! Jezt entziehe ich Ihnen das Wort! Dimitroff  : Ich gratuliere! Oberreichsanwalt:

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Kommt dem Zeugen auch die Sprache Dimitroffs bekannt vor? Renae: Jawohl!- Der Angeklagte van der Lubbe wird nun vor den Richtertisch gerufen, um durch den Dol­metscher ihm das gestrige Gutachten des Sachverständigen Dr. Schatz vortragen zu lassen. Dann fragt der Vorsitzende: Lubbe, haben Sie zu diesem Gutachten irgend etwas zu er flären? Van der Lubbe: Nein!- Dann wird die Ver­handlung auf Mittwoch vertagt.

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Als nächster Zeuge wird Kanzleiassistent Hornemann vernommen, der am Portal V den Dienst des Tagespförtners verſieht. Aufgefallen fei ihm am 27. Gebruar das Berpalten des Abg. Könen, der zwischen 6.15 und 6.45 Uhr den Reichs­tag durch das Portal V betrat. Könen habe nicht zur Pförtnerloge, sondern nach links geschaut und sei mit herauf­geschlagenem Kragen ohne Gruß an der Loge vorbeigegangen. Auf die Frage des Vorsitzenden, wie sich der Abg. Könen sonst benommen habe, erwiderte der Zeuge, daß Könen ge= wöhnlich den Reichstag durch Portal II betrat. Der Zeuge Hornemann befundet weiter, daß einige Herren durch sein Portal gingen und ihn darauf aufmerksam machten, daß fie Führer der Stabswache: Drogist Benzin im Reichstag gerochen hätten. Er habe den Herren gesagt, daß das von dem kleinen Auto komme, das da stand. Vorsigender: Hat dieses Auto auch sonst nach Benzin gerochen? Das ist öfters vorgekommen. Für mich war es nichts Auffallendes. Einer der Herren machte aber so eine Aeußerung, daß der Reichstag   in die Luft fliegen fönne. RA. Dr. Teichert: Hat der Zeuge einen der bulga= rischen Abgeordneten am Brandtage oder früher durch Por­

Wie die kommunistische Presse mitteilt, war der Führer der Stabswache Görings, der SS.  - Gruppenführer Weber

Drogist! Dieser Weber ist bekanntlich, wie er vor wenigen Tagen selbst aussagte, sofort nach seiner Ankunft am Reichstag zusammen mit dem Nazi- Hauptmann Ja­coby und Göring  , von Jacoby beauftragt worden, de unterirdischen Gang zu untersuchen".

,, Wahrhaft freie Verteidigung hat es nicht gegeben!"

Willard gibt Bericht

Paris  , 25. Oktober.

Im Hotel der gelehrten Wissenschaften" zu Paris   sprach soeben der schlanke, sympathische Bulgare Det cheff über die Vertreibung der ausländischen Verteidiger vom Reichstagsbrandprozeß. Einer der allerangesehenſten Rechtsprofessoren der Berliner   Universität- Detchef nannte den Namen hat ihm erklärt: Ich kann mich nicht in dem Prozeß engagieren, unter den Umständen, in denen wir uns befinden. Wir haben uns mit Frau Torgler   an vier­zehn deutsche Anwälte gewendet. Daß sie gewollt hätten, ist eine Lüge. Warum wurde nur ein Offizialverteidiger für die drei Bulgaren   gestellt? Wir haben französische, eng lische, amerikanische, belgische Anwälte angeboten, die be­rühmtesten darunter: la cour a refuse, das Gericht hat nicht gewollt.

Eine wahrhaft freie Verteidigung hat es nicht gegeben. Der Untersuchungsrichter Vogt hat immer gesagt: Ich bin ein Deutscher, ich heiße Vogt," aber er hat behauptet, daß Dimitroff   am Attentat auf die Sofioter Kathedrale beteiligt war, was völlig unwahr ist. Das Gericht hat nichts getan, trotz all unserer Bemühungen, diese Legende zu zerstören. Vier frühere bulgarische Minister, die das Gegenteil be= schwören wollten, wurden nicht vernommen.

Für uns, die wir die Dinge aus der Nähe betrachteten, ist van der Lubbe nichts als ein Werkzeug in den Händen der wahren Brandstifter. Dieser Mensch ist wirklich krant, warum wird er nicht durch eine deutsch­ausländische Kommission untersucht, warum wird nicht ein holländischer Arzt zugelassen? Die erste Dolmetscherin des Holländischen wurde abgewiesen, weil sie nicht ein Protokoll unterzeichnen wollte, in dem Worte von Lubbe standen, die er nicht gesagt hat. Der zweite Dolmetscher ist ein Nazi.

Lubbe kann nicht richtig Deutsch  , also fonnte er auch nicht die von der Polizei behaupteten Reden führen

Der wichtigste Rechtssay wird daurch verletzt, daß die Ver­handlung nicht ins Bulgarische übersetzt wird, obwohl zwei der drei bulgarischen Angeklagten fie gar nicht verstehen. Der Offizialverteidiger Teichert schweigt wie Lubbe! unsere Verhaftung, unsere Abschiebung wird die Kräfte des internationalen Verteidigungsfomitees nur noch steigern!

Nach dem durch seine große Ehrlichkeit und die Tatsachen­

logik überzeugenden Plaidoyer des Bulgarea

Von unserem Pariser   Korrespondenten

Iprach hinreißend der Franzose Willard, der bleich und sichtlich durch den fünftägigen Hunger­streit noch geschwächt auftrat: Warum, rief er, find wir nach Leipzig   gegangen? Wir fannten das Risiko, die Ge­fahren, die Hemmnisse technischer, iuristischer, politischer Art. Aber wir übernehmen die schreckliche Verantwortung, um den Unschuldigen zu helfen. Wir gaben, was wir konnten, aber in welcher Atmosphäre!

Wir waren nur zur Mitarbeit zugelassen, eine subalterne Rolle, der wir niemals zustimmten. Und das Propa­ganda ministerium war reichlich vertreten. Der Offi zialverteidiger Teichert Sie werden entschuldigen, daß ich keine brüderlichen Gefühle für ihn empfinde( Heiterkeit), schwieg selbst, als sein Angeklagter, der mit ihm, dem Amts­verteidiger, gesprochen hatte, aus dem Saale geschleppt wurde. Luppes Verteidiger pußt dem Angeklagten nur die Nase. Sad mit seinem Monokel ist ein freiwilliger Regierungsvertreter. Teichert hat unsere Pässe mit allen Einzelheiten kontrolliert, er fragte auch nach unserer Partei­zugehörigkeit, aus Diskretion fragte ich ihn nicht nach der seinen...

Unsere Ausschließung auf Grund eines nicht be­leidigenden, gemeinsamen Briefes war ein bloßer Vorwand. Wir waren durch unser Auftreten und die von uns vor­gebrachten Tatsachen, die wir in Copien an die auß­ländische Presse gaben. immerhin eine Macht geworden.

Meine Hafterlebnisse muß ich in Notizen auf einer Zigarettenschachtel vortragen. Am 14. Oktober wurden wir eingesperrt und ins Berliner   Polizeigefäng nis gebracht. Am 17. trat ich in den Hungerstreik. Am 18. wurden wir mit Handschellen nach Hannover   in ein weit schärferes Gefängnis gebracht. Endlich am 21. Of­tober nachts tam ich frei. Im Gefängnis schrieb ich Protest briefe, insbesondere einen Brief an den Vorsitzenden des Gerichts in dem ich unsere Vertreibung als ein Ausfluß der Schwäche und das Verfahren als eine Farce der Justiz be= zeichnete Das wahre Gericht. das nicht die vier unschuldigen Angeklagten. sondern diese Richter verurteilt, sind Sie, ist die öffentliche Meinung.( Be­wegung und starfe Zustimmung.)