Deutsche Stimmen Beilage zur Deutschen Freifieit" Ereignisse und Geschichten

Donnerstag, den 26. Oktober 1933

Deutsch der Rundfunk!

Die aufgedonnecten ,, Skandale"- Reichskommissare bei den Hochkapitalisten? Die vechaßten Intellektuellen Aber Kriminelle

Es wird wieder einmal gesäubert" in Deutschland . Eine neue Welle angeblich neu aufgebedter Korruptionen", geschickt lanciert durch die Diversen sandes- Propaganda­stellen, hält die Bürger des dritten Reichs" in Aufregung. Es " Disziplinarverfahren", um die Korruptionsfälle", Necher­rung usw. Schon vor Monaten sind doch gegen prominente Leute allenthalben Disziplinarverfahren eingeleitet worden; aber man hörte nichts mehr davon in Wahrheit weiß man nicht, wie man sich einigermaßen elegant aus der Affäre ziehen soll, denn in 90 Prozent der Fälle hat sich ergeben, daß direkt Strafbares gar nicht vorliegt... Man weiß nur den Dreh" nicht zu finden und appelliert, vielleicht mit Recht, an das schlechte Gedächtnis der Parteigenossen und

in Spannung gehalten werden.

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Und die Affären" folgen sich denn auch Schlag auf Schlag schließlich wird das Volk nicht satt von den ewigen Festen, Feuerwerken und Parademärschen; es will auch jeden Morgen zum Frühstück ſeinen frisch aufgemachten und fertig ins Saus gelieferten Storruptionsfall". Die Popularität, die schnell zu schwinden droht, wird um so lebhafter angefacht, ie Berfehlungen aufgedekt oder auch nur ihm angedichtet

werden.

so waren sie"

kommen zu Amt und Würden

achtete und die heute froh sind, daß sie Zeilen schleimen dürfen, kommt die Wut und die sadistische Lust darüber zum Ausbruch, daß sie mal wieder einen der verfluchten

amten selbst bezahlen mußte. Und außerdem zahlte jede Intellektuellen zu Fall gebracht haben. Was

anlagen kostete die Reichspost aber bei weitem nicht soviel, zumal da jede Sendegesellschaft den Betrieb der Ver­stärkerräume im eigenen Funkhause und die technischen Be­Sendegesellschaft der Reichspost auch noch sehr beträchtliche Sendegebühren. Für die Zeit, wo der Sender lief", mußte zahlen, was für die Stunde ungefähr 96 Mt. ausmacht. Die Reichspost steckte das Geld, das sie aus den Hörergebühren Rundfunk ſelbſt nein, sie tat es in ihren eigenen großen Beutel und suchte mit dieser Sondersteuer, die die Rundfunk­liches Defizit herabzumindern.

z. B. eine große Sendegesellschaft pro Tag mehr als 1000 Mt.

gezahlt erhielt, ein und verwendete es nicht etwa für den

hörer, ohne es zu wissen, zahlten, ihr eigenes beträcht=

Das ist ein Standal, ohne Zweifel, was die deutsche

Reichspost mit den 1,10 Wit. aus den Rundfunkgebühren

machte- aber kein Mensch denkt daran, diesen Skandal etwa

Korruption" zu nennen! Und dann ist ja auch bekannt, daß große Sendegesellschaften einen erheblichen Teil ihrer Einnahmen abführen mußten zur Unterstützung der soge= nannten Zuschuß- Sender", wie Stuttgart , Stettin , Königs­ berg

, die sich aus eigenen Mitteln nicht tragen konnten. Später wurde so scharf kalkuliert, daß die Sendegesellschaften

den größten Teil der Einnahmen, die ihnen verblieben, nach

Berlin an die Reichsrundfunk- Gesellschaft ab=

führen mußten und das pompöse Haus des Rund­funts" am Kaiserdamm in Berlin , das vor zwei Jahren eingeweiht wurde, ist von den Geldern aller deutschen Rund­funkgesellschaften gebaut worden. Und schließlich kam es

mußten mit den Geldern, die ihnen zur Verfügung standen, und es ist bekannt, daß vor ein paar Jahren unwidersprochen

festgestellt wurde, daß 3. B. dem Westdeutschen Rundfunk ganze 24 Pfg. zur Durchführung und Ausgestaltung des eigentlichen Sendeprogramms verblieben! Eine Groteske, Kassen der Reichspost auszufüllen, dafür bezahlte der Hörer

von den 2 Mt. Monatsgebühren, die der Hörer zahlte, nur

,, Seht, Die neue Säuberungswelle", die in den settesten Schlag- soweit, daß die Sendegesellschaften aufs äußerste haushalten zeilen der Nazi- Zeitungen sich täglich demonstrieren, hat wieder einmal den deutschen Rundfunk und seine ehe­maligen Verantwortlichen, die Intendanten, Dezernenten Burzelbäume vor Freude, daß sie wieder einmal in echten oder vermeintlichen Standalen wühlen kann, daß sie wieder einmal gegen die verhaßten Intellektuellen, gegen die Träger ihren geduldigen und auf immer neue Sensation erpichten Lesern beweisen tann: Seht, so waren sie, die November­linge, die Raffer" und Verbrecher! Ihr könnt Gott und Adolf Hitler danken, daß wir gefommen sind und die radi­tale

haben! Heil!

Es ist ein erbärmliches Spiel, das heute wieder in Nazi­Deutschland getrieben wird. Immer schon haben sie den Rundfunk geschmäht und gelästert, weil sie, fraft ihres geistigen Unvermögens, nicht herangelassen wurden; darum tischten sie immer wieder ihren Lesern die Riesengehälter und die fantastisch hohen Honorare auf, die im Rundfunk gezahlt wurden. Alles war forrumpiert, was im Hause des deutschen Rundfunks arbeitete; entweder waren es Groß­verdiener" oder Marxisten, Juden, Linksliteraten wenn alles nicht zog: Kulturbolschewisten! Privat- nicht ,, Weimar "

oder,

nicht wahr? Nein, mehr als das: ein Skandal! Um die ( und bezahlt es wohl heute noch!) über 50 Prozent seiner Monatsgebühr! Und immer wieder muß festgestellt werden: es waren mit privaten Kapitalien ausgestattete Aftien­gesellschaften aber die Herren Kommissare, die 1933 vom

Reich zur Prüfung der Wirtschaftsverhältnisse bei den Rundfunkgesellschaften abkommandiert wurden, haben in thren Berichten, die in der Nazi- Presse tendenziös ausge­schlachtet wurden, nie ein Wort von der grand­legenden Umstellung in der wirtschaftlichen Struttur verianten lassen! Und hat man jemals ge­hört, daß etwa Reichskommissare in die privatwirtschaft­lichen Betriebe des Herrn Thyssen, Vögler oder etwa in

den Riesenkonzern beordert wurden, dem bis zu seiner Er­nennung zum Reichswirtschaftsminister Herr Dr. Schmitt vorstand? Oh gewiß, die Herren Kommissare hätten bei der Prüfung der Bücher in diesen Unternehmungen interessante Dinge ans Licht ziehen können, etwa in den Konten der Ge­schäftsspesen, der Tantiemen, der Provisionen usw. Aber der NSDAP . machen die Herren Lahusen in Bremen gerade genug zu schaffen- ob man wollte oder nicht, da mußte man nun einmal zugreifen! Nein, im übrigen bleiben die Herren Finanz- und Wirtschaftführer in ihrem privatwirt­schaftlichen Schalten und Walten unangetastet. Man

wird sich hüten, ihnen Kommissare in die splendid ausge­

Wir haben sicher feine Veranlassung, gewisse Dinge zu rechtfertigen, die bei großen Sendegesellschaften geschehen sind; wir haben auch kein Recht, gewisse Leute in Schuß zu nehmen, die weder geistig noch künstlerisch die Eignung be­Befugnissen selbstverantwortlich zu leiten. Der Fall des Professors Knöpfte von der Berliner Funkstunde, der dor vierzehn Tagen durch Selbstmord geendet hat, muß in kommissaren aufzudecken und was sie zu verschleiern hätten

diesem Betracht aus dem Spiel bleiben. Aber die Herr= schaften, die heute die sogenannten Rundfunk- Korruptionen" aufdecken, vergessen ja eins: der Rundfunk des Weimarer Syſtems" war ja fein Reichs- und Staatsunternehmen in dem Sinne, wie man es heute wahr haben will. Das Geld zum Aufbau der Sendegesellschaften war zur Hauptsache von Privatleuten eingebracht worden, und nur den Ländern und Kommunen stand durch ihre Vertreter eine gewisse Be­teiligung und eine gewisse Einflußnahme zu. Die Sende­waren in privatwirtschaftlichem Sinne

gesellschaften

Attiengesellschaften und erst unter Papen er­attionäre und die Ueberführung der bisherigen AG. in die Form der GmbH.

Und da der deutsche Rundfunk in den ersten Jahren feiner Entwicklung einen ungeheuren Ausschwung nahm, haben naturgemäß die privaten Aktionäre viel Geld verdient, es wurden hohe Dividenden und Provi­fionen gezahlt, und auch an die Leiter der Sendegesellschaften, die ihnen vertraglich aus der Steigerung der Hörerzahlen zustehenden Tantiemen. Und die Bilanzen lagen ja offen: Berlin und der Reichsrundfunkgesellschaft haben diese Ab­schlüsse vorgelegen, und die Herren in Berlin haben Ent­lastung erteilt.

Großverdiener Reichspost

Den Hörern, die ihre zwei Mark Monatsgebühr bezahlen mußten, ist nicht das geringste weggenommen worden oder doch etwa? Ach ja, aber daran denkt heute tein Mensch- und wenn er daran denkt, wird er es nicht in die Debatte werfen: die deutsche Reichs post war bon jeher der Großverdiener am deutschen Rundfunk! Die Reichspost, in deren amtlichen Bereich die Erstellung und Erhaltung der technischen Anlagen fiel, beanspruchte über die Hälfte der monatlichen Gebühr, genau gerechnet: von den 2 Mr., die jeder Hörer zahlte, bekam die Reichs­poft 1,10 Mt. Die Erstellung und Unterhaltung der Sende­

statteten Privatbüros zu schicken. Und wenn schon: die Herren Kapitalisten wüßten schon, was sie den Hitler­

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macht man ihnen mit lautem Gekläff zum Vorwurf? Daß sie zu hohe Gehälter bezogen haben, daß sie Tantiemen, steigend mit der Zunahme der Hörerzahlen, eingesteckt haben, daß sie sich Sondervergütungen anweisen ließen, wenn sie vor dem Mikrofon sprachen. Aber wie gesagt die, Sondervergütungen, die die Herren Kapi­listen, die heute führend in Hitlers General­wirtschaftsrat sigen, sich zahlen ließen, die werden von keinem Kommissar überprüft! Und es ist den Bürgern des dritten Reichs" ja oft genug eingehämmert worden, daß die neuen Machthaber mit den

bescheidensten Gehältern zufrieden sein müssen und sogar

das gebietet der Dienst am Volke".

,, ehrenamtlich"

tätig sind! Vergleiche den Führer" selbst, dessen ehren­amtliche Reichskanzler- und Führerschaft bekanntlich eines der größten Schwindelmanöver ist, die dem ahnungslosen deutschen Volke vorgeführt werden.

Ehce!

Apropos: Ehre! Es lohnt sich, in diesem Zusammenhang eine pikante Geschichte zu erzählen. In einem großen deutschen Rundfunkhause war ein Angestellter, der nach einigen Jahren wegen schweren Unterschlagungen fristlos entlassen wurde. Er war ein guter Zentrumsmann gewesen, aber die Zentrumspartei schüttelte den Defrau­danten energisch ab. Und siehe da: er fand schnell unter­schlupf in der NSDAP., wurde Parteimitglied und im Ver­lag der, Gauzeitung angestellt. Vorher hatte er noch, da es ihm schlecht ging, eine regelrechte Erpressung bei Intendanten des Rundfunks versucht: er wollte angestellt werden oder Geld haben, widrigenfalls er im Naziblatt auspacken" werde. Der Intendant wies das Anfinnen mit Entrüstung zurück. Wegen Unterschlagung, Betrugs und Urfunden fälschung wurde dann der Pg. mit Gefängnis bestraft; aber er brauchte, dank seiner Beziehungen zit leitenden Stellen der NSDAP., seine Strafe nie abzubüßen. Einige ehrenwerte Nationalsozialisten fanden es immerhin beschämend, daß ein solch krimineller Typ Anstellung in den Büros der NSDAP . fand- aber siehe da: der Defraudant wurde vom Verlagsleiter protegiert, in der Redaktion der Gauleitung befördert und steht unter dem besonderen Schutz und der Obhut des Herrn Gauleiters.

Ja, wenn einer Mitglied der Partei geworden ist, dann werden seine Verbrechen mit dem Mantel der christlich­deutschen Nächstenliebe überdeckt; ist er einmal gestrauchelt, dann hat er mit der Mitgliedschaft der NSDAP . den Weg zu Gnade und Barmherzigkeit gefunden! Und so ergibt sich heute das absurde Bild: der Intendant der betreffenden Rundfunkgesellschaft, dem man nichts Unehrenhaftes wird nachweisen können, sitt im Gefängnis und der ehemalige Angestellte, ein Erpresser und Urkundenfälscher, vom Gericht zu Recht verurteilt, sitt bei der Partei im Amt und Würden!

Das ist die Gesellschaft, die Kriminelle in ihren Schutz nimmt und mit wütendem Haß, mit Schmähung und Tortur die Intellektuellen begeifert! Das sind die Zeute die den Wahlspruch im Mund führen: 30J1Deutsch der Rundfun f!

-sie verstehen sich ja von jeher auf jede Art von Ver- st schleierung!

Die ,, Intelligenzbesten"

Aber beim Rundfunk sind es ja nur ein paar Intellet tuelle mit denen kann man umspringen wie man will. Ein Pg., ehemals verkrachter Bankbuchhalter, wird ihnen als Kommissar des Reichs zur Prüfung der Bücher ins Haus

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gesetzt, und der Herr Kommissar, fabelhafte Karriere witternd wie lange hat er als simpler Buchhalter evtl. mit Prokura darauf gewartet, daß Hitler ihm das längst versprochene Pöstchen anbietet, der Herr Kommissar also

prüft und schnüffelt und weiß recht bald haarsträubende Dinge nach Berlin zu berichten. Des armseligen Buch­halters lange zurückgedämmter Haß gegen die Intelligenz beim Rundfunk kommt spontan zum Ausbruch; die seit Jahren genährte Wut der offiziellen Nazi- Bonzen gegen alles, was intellektuell, also fulturbolschewistisch ist, feiert die herrlichsten Orgien. Der geistige Mensch, der In­tellektuelle, der sich nicht gleichschalten läßt, ist staatsge= fährlich- er muß vernichtet werden wie die Marristen, die Juden. Und das beste Mittel ist, ihn als korrupt"

zu entlarven. Professor Neubeck in Leipzig hat sich, weil er die Schande nicht ertragen fonnte, in der Zelle erhängt; Bischoff aus Breslau sitzt in Haft, Ernst Hardt , der deutsche Dichter, Intendant in Köln , ist ins Gefängnis ein­geliefert worden- und die Bande gröhlt hinter ihm her, als sei er einer der schlimmsten Verbrecher. Kein Wort davon, daß dieser Mann zusammengebrochen ist und einen Schlaganfall erlitten hat. Kein Wort davon, daß diese Leute dem geistigen Gesicht des deutschen Rundfunks ent­scheidende Züge eingeprägt haben, kein Wort von dem, was fie an neuen Gedanken und Formen dem deutschen Hörspiel gegeben haben- nur Kübel von Haß und Schmuß werden auf sie ausgeleert.

Und in den fetten Schlagzeilen der Nazi- Zeitungen, in den Berichten kleiner Jämmerlinge, die man früher nicht be­

,, The müßt"

E. Fabry.

Autocitäce Erziehung durch den Rundfunk

Wenn ein Theater dauernd Stücke spielt, die dem Publikum nicht gefallen, wird das Publikum nicht mehr in dieses Theater gehen. Wenn ein Schriftsteller Bücher schreibt, die den Leser langweilen, wird niemand die Bücher kaufen. Wenn der Rundfunk ein Programm sendet, das die Hörer ablehnen, werden die Hörer auf das zweifelhafte Vergnügen verzichten. Das war bisher selbstverständlich; aber das alles war, ohne daß wir es wußten, die efelerregende Konsequenz der Korruptionsdemokratie, die Niedertracht eines entarteten und unsittlichen Untermenschentums, die widerwärtige Un­moral, die jeden befällt, der nicht von autoritären Obrig­feiten gleichgeschaltet wird. Niemand interessierte sich für die Sendungen des gleichgeschalteten Rundfunks; nun erläßt die deutsche Rundfunkkammer einen Aufruf an die Hörer, in dem es heißt:

Die politischen Ereignisse haben bewiesen, daß Rundfunk­hören keine Angelegenheit der persönlichen Unterhaltung, sondern eine staatspolitische Pflicht ist."

So werden die Leute allmählich autoritär erzogen, bis sich die schlimmen Untermenschen in gute Untertanen ver­wandeln. Ihr habt geglaubt, der Rundfunk, den ihr bezahlt, sei zu eurer persönlichen Unterhaltung da? Ihr habt euch ge= täuscht; es ist eure staatspolitische Pflicht, euch täg­lich den Quatsch der entfesselten Autorität anzuhören. Und überhaupt, mit der persönlichen Unterhaltung ist es endgültig zu Ende: Ihr werdet geboren, weil Gebären staatspolitische Pflicht ist. Ihr werdet heiraten, weil die Ehe staatspolitische Pflicht ist. Ihr werdet im Theater, im Kino, am Radio lang­sam verblöden, weil Verblödung staatspolitische Pflicht ist. Ihr werdet eines Tages an Hunger oder an Giftgas sterben, weil der Tod staatspolitische Pflicht ist.