Der Eid cincs Charakterathleten

Zur Naturgeschichte cincs nationalsozialistischen Abgeordneten- Nationalsozialistische

Eide vor dem Reichsgericht

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D. F. Der Kampf um Torgler entwickelt sich nun mit aller Kraft. Es erscheint als Zeuge der nationalsozialistische Persönlichkeit dieses hitlerischen Ehrenmannes und die Be­deutung seines Eides beurteilt, stelle man sich vor, was dieser der Welt zu glauben zumutet: Die Kommunisten haben vor, den Reichstag in Brand zu stecken. Um das recht geheim zu halten, entwickeln sie einige Stunden vor dem Feueranlegen in ihren Fraktionszimmern eine Betriebsamkeit wie nie. Die zur Brandstiftung Befohlenen gehen auffällig ein und aus. Der Organisator des Verbrechens, Ernst Torgler , setzt ſich mit seinen Mitverschworenen Popoff und van der Lubbe in den Vorraum des Hauptausschusses, den jeder, der sich in den korridoren bewegt, passieren muß. Nicht etwa, daß sich bie gepflegte Erscheinung des Abgeordneten Torgler mit dem auch äußerlich als Vagabunden erkenntlichen van der Lubbe in eines der zahlreichen Arbeitszimmer zurüd­gezogen hätte. Nein, Torgler hat sich nun einmal in den Kopf gesetzt, gerade dem nationalsozialistischen Abgeordneten Kar­wahne zu zeigen, wer die Hauptbeteiligten am Reichstags­brand sein werden. Torgler in selbstmörderischer Verblen­dung war gewillt, sich das Gegenteil eines Alibis und einigen nationalsozialistischen Abgeordneten das Ethos eines heiligen Eides deutscher Christen zu schaffen. Darum präsen­fiert er sich stundenlang mit van der Lubbe und Popoff den Vertretern der nationalsozialistischen Fraktion.

Nach fünf Minuten wurde er herausgewinkt und gefragt, was er über die Person van der Lubbes zu sagen habe. Er habe sofort erklärt: Der hier figende Mensch ist der, der mir mit Torgler im Reichstag entgegentam! Der Angeklagte van der Lubbe wird vor den Richtertisch

geführt. Der Zeuge erklärt auch heute, daß er mit aller

Bestimmtheit Lubbe als den wiedererkenne. den er damals mit Torgler zusammen im Reichstag traf. Van der Lubbe wird gefragt, ob er den Zeugen fenne oder einmal gesehen habe. Van der Lubbe verneint dies Als nunmehr auch der Abgeordnete Torgler vor den Richtertisch geführt und neben van der Lubbe gestellt wird, erklärt der Zeuge Kar wahne mit aller Bestimmtheit, an der Richtigkeit seiner Aus­jagen bestehe gar kein Zweifel. Die Frage des Ober­reichsanwalts, ob es vielleicht Dr. Neubauer gewesen

sei, der bei der zweiten Begegnung mit Torgler zusammen war, verneint der Zeuge. Er hätte Dr. Neubauer, der ihm seit Jahren gut bekannt sei, erkennen müssen. Senatsbeschluß über Fragen Torglers

Unter Heranziehung der Untersuchungsprotokolle kam es sodann zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Vor sizenden, dem Oberreichsanwalt, RA. Sack und dem Zeugen Karwahne . Dieser erflärt schließlich auf Vorstellungen des RA. Dr. Sack, er habe von Verbrecher­typen gesprochen, die sich in der Umgebung Torglers oder sonstiger fommunistischer Führer bewegten. Wenn die Wenn die Kommunistische Partei dazu übergehe, in Deutschland irgend­welche politische Massen zu organisieren, würden immer Menschen von irgendwoher genommen, die man als inter­nationale Verbrecher bezeichnen müsse. Aus dieser Erfennt nis heraus habe er seine Aeußerung getan. Auf die Person Torglers im besonderen habe er sie nicht gemünzt.

So die Erzählungen des Herrn Karwahne , die er feierlich beschwört! Wer aber ist dieser nationalsozialistische Charakter? Im Reichstagshandbuch äußert er sich über seine Bergangenheit und seine Verdienste mit einer Bescheidenheit, die vorteilhaft von der Ruhmredigkeit seiner Fraktions­follegen absticht. Man erfährt da nur, daß er katholisch ist, Betriebsangestellter in Hannover und im Jahre 1887 dem deutschen Volke geschenkt wurde. Nichts von seiner politischen Entwicklung, nichts von kriegerischen Seldentaten, nichts von Orden und Ehrenzeichen. Die anderen Nationalsozialisten fchreiben lange Riemen ins Reichstagshandbuch. Herr Kar­ wahne allein ist zurückhaltend. Er hat dazu allen Grund, denn er war noch vor einigen Jahren einer der allerradi­falsten Kommunisten. Die offizielle Partei war ihm nicht scharf genug. Er, der Antisemit, stellte sich hinter den über­radikalen Führer Iwan Kaß. Wegen bandenmäßiger Ueberfälle wurde der Bandit später aus der KPD. aus­geschlossen. Als Torgler ihm zusetzt, stellt es Herr Karmahne so hin, als habe er durchaus die kommunistischen Arbeiter aus den Klauen der russischen Bolschewiken und der jüdischen Internationale befreien wollen. Ausgerechnet Herr Kar- ,, Ich denke nicht daran... wahne mit Herrn Iwan Kaz!

Der Angeklagte Torgler stellt an den Zeugen einige Fragen über etwa sieben Jahre lang zurückliegende Vor­gänge, die mit der früheren 3ugehörigkeit des Beugen Karwahne zur Kommunistischen Partei im Zu­sammenhang stehen. Der Zeuge erklärt, er denke nicht daran, diese Frage zu beantworten. Auch der Oberreichs­anwalt erklärt die Frage als nicht zur Sache gehörig. Trotzdem ersucht RA. Dr. Sad um einen Senatsbeschluß, da die Fragen Torglers mit der subjektiven Einstellung des Zeugen zusammenhängen. Der Vorsitzende teilt mit, daß das Gericht in einer Pause darüber beraten werde, ob diese Frage zu beantworten sei.

Man tritt diesem hervorragenden Mitglied der National­fozialisten und diesem flaffischen Zeugen des Herrn Ober­reichsanwalts gewiß nicht zu nahe, wenn man von ihm sagt, daß er ein recht schwankender Charakter ist und seine Glaub­würdigkeit seinen Charakterschwächen entspricht. Was über­haupt Nationalsozialisten unter ihrem Eid alles aussagen. Da wurde am 23. Oftober der Tagespförtner des Reichstags, Hornemann vernommen, auch ein Nationalsozialist. Er hat den Abgeordneten Koenen mit scheuem Blick und hoch­geschlagenem Mantelfragen in den Reichstag kommen sehen. Das fam ihm verdächtig vor, weil an jenem Tage Tauwetter geherrscht habe, so sagte er unter seinem Eid. Es wird sofort nachgewiesen, daß am 27. Februar Frost wetter war mit fester Schneedecke und einer Temperatur bis zu 5 Grad unter Null. Nachdem der Zeuge so auf einem fleinen Meineid ertappt worden ist, fällt ihm plößlich ein, daß er Dimitroff am Brandtage nachmittags im Reichstag gesehen hat. Der Gerichtshof ist sprachlos und die Zuhörer lachen. Man weiß, daß Dimitroff an jenem Tage in München war und auch der Staatsanwalt dieses Alibi an­erfennt. Dimitroff , schlagfertig wie immer, gratuliert dem Oberreichsanwalt zu diesem Zeugen.

Noch mehr darf man die nationalsozialistische Fraktion und ihren Anklagevertreter, dem Herrn Oberreichsanwalt zu dem Charakterathleten Karwahne beglückwünschen. Daß die gleichgeschaltete Presse jeden Lumpen feiert, der Torgler au belasten sucht, versteht sich am Rande.

Als einer der nächsten Zeugen wird der frühere kommu­nistische Reichstagsabgeordnete Dr. Neubauer ver­nommen werden. Er wurde aus dem Konzentrationslager vorgeführt und sieht so aus, wie alle Gefangenen in diesen Höllen: abgemagert und krank.

24. Verhandlungstag Fortsegung aus Nr. 109

Berlin, 25. Oft. Die heutige Zeugenvernehmung be ginnt mit der Aussage des nationalsozialistischen Reichstags= abgeordneten& arwahne, der zusammen mit dem Reichs tagsabgeordneten Frey( München ) und dem Landesbetriebs­zellenobmann Kroyer aus Linz am Nachmittag des Brand­tages im Reichstag eine Begegnung mit dem Abgeordneten Torgler hatte, der sich in Begleitung des Angeklagten van der Lubbe befunden habe. Der Name van der Lubbe sei ihnen damals natürlich noch nicht bekannt gewesen. Torgler batte, so befundet der Zeuge, einen völlig anderen Eindruck als sonst gemacht. Er sah bleich aus und schreckte auch sofort zusammen, als er uns sah. Seine sonst zur Schau getragene Ruhe war vollkommen dahin. Später seien sie dem Abge­ordneten Torgler , der mit einer anderen Person auf einer Rederbank vor dem Haushaltsausschussaal saß, noch einmal begegnet. Um 4 oder halb 5 Uhr hätten sie, Karwahne, Frey und Kroyer , den Reichstag wieder verlassen.

Der Zeuge Karwahne gibt weiter an, er und seine Begleiter seien beim Verlassen des Reichstages das Gefühl nicht losgeworden, daß irgend etwas nicht stimme. Im tommunistischen Fraktionszimmer gingen viele Personen umber, die eine gewisse Aufgeregtheit zur Schau getragen hätten. Van der Lubbe habe er nach dem Bilde hauptsäch­lich am Gesicht wiedererkannt. Den Typus Lubbes fönne er nicht verwechseln, ob er ihn einmal oder zehnmal sähe. Starwahne schildert dann seine erste Vernehmung auf dem Polizeipräsidium in der Brandnacht. Er wurde in das Ver­nehmungszimmer geführt, wo van der Lubbe bereits war, und wurde so gesezt, daß er van der Lubbe unbemerkt be­obachten konnte.

Zu Beginn der Nachmittagssigung teilt der Vorsitzende mit, der Senat habe beschlossen, die Fragen Torglers zuzu­lassen.

Der Angeklagte Torgler wiederholt seine Fragen. Karwahne bestätigt, daß er in Hannover zu der Umgebung von Kaz gehörte; der Zeuge weigert sich aber, die anderen Fragen zu b antworten. Erst als der Vorsigende diese Fragen aufnimmt, erklärt er: Wenn von Links- oder Ultra­linksgruppen gesprochen wird, so handelt es sich um eine Darstellung, die nur in den Köpfen einzelner kommunistischer Führer gespukt hat. Die politische Auseinandersetzung der Kommunistischen Partei um 1925 ging nur darum, ob der deutsche Arbeiter länger in einer Bewegung bleiben solle, die von der Internationale in Moskau bevormundet würde. Ob links oder rechts, daß war nur ein dialektisches Aus= weichen vor dieser Frage seitens der Leute, die unter dem direkten Befehl von Moskau standen. Die Frage des Vor­sizenden, ob die Gruppe Katz besonders radikal ge­wesen sei, verneint der Zeuge. Daß Leute wie Kaz an der Spitze der Gruppe standen, erkläre sich daraus, daß Kaz als derjenige galt, der seit langem die Beeinflussung durch Ruß­ land ablehnte. Als sich herausstellte, daß Staz andere Ab­

sichten hatte, habe er das Feld räumen müssen. Zum Ruf Los von Moskau " habe sich als zweiter Ruf gesellt: Los vom internationalen Juden!"

Auf die Frage Torglers, ob Sarwahne 1925 an dem Sturm auf das kommunistische Parteihaus au führender Stelle beteiligt war, erwidert Karwahne, er denfe nicht daran, diese Frage zu beantworten, denn er wolle nicht deutsche Menschen an die Dritte Internationale aus. liefern. Das müsse aber geschehen, wenn er wahrheitss gemäß unter seinem Eid aussagen würde.

Neue Weigerung

Er weigert sich ferner, die Frage Torglers zu beant­worten, ob er 1925 nach seinem Ausschluß aus der Kommu­nistischen Partei Material an bürgerliche Zei tungen geliefert habe. Auch nach einem Hinweis des Vorsitzenden auf den Senatsbeschluß bleibt der Zeuge bei seiner Weigerung und protestiert energisch gegen seine Vernehmung durch den Angeklagten Torgler ". Als ein Beiber bemerkt, er brauche doch nur i a oder nein zu sagen, erklärt Karwahne, er habe niemals für bürgerliche Zeitungen Artikel geschrieben; auch Material habe er nicht geliefert.

Der Angeklagte Torgler behauptet dann, daß er bei der ersten Begegnung mit Karwahne im Reichstag am 27. Febrvar auf dem Sofa gesessen habe. Der Zeuge Kars wahne erklärt diese Behauptung für absolut falsch. Erst bei der zweiten Begegnung habe Torgler auf dem Sofa gesessen.

Noch ein Edelmensch

Als nächster Zeuge schildert der nationalsozialistische Reichstagsabgeordnete Frey, München , die Begegnung mit Torgler im Reichstagsgebäude . Auch ihm sei die Verstört= heit Torglers aufgefallen. Seinen ersten Begleiter habe er nicht genau betrachtet, er könne deshalb nicht mit Gewißheit behaupten, daß van der Lubbe der Mannwar, der mit Torgler vorbeiging. Er habe aber den Eindruck eines Menschen gemacht, der nicht in den Reichstag hineingehörte. Deshalb sei ihm auch der zweite auf dem Sofa sigende Begleiter Torglers aufgefallen, der ein blasses Gesicht und einen außerordentlich stechenden Blick gehabt habe. Bei der Gegenüberstellung habe er ihn als Popoff wiedererkannt.

Der Vorsitzende hält dem Zeugen vor, daß er bei seiner Vernehmung in der Nacht zum 28. Februar auf dem Polizeipräsidium van der Lubbe mit aller Bestimmtheit als den ersten Begleiter Torglers wiedererkannt habe. Der Zeuge gibt das zu, erklärt aber, daß van der Lubbe bei einer späteren Gegenüberstellung auf ihn den Eindruck eines größeren Menschen als des damaligen Begleiters von Torgler machte. Es war möglich, daß van der Lubbe bei der Begegnung mit Torgler mehr zusammengeduckt war, aber mit Bestimmtheit tönne er nicht sagen, daß van der Lubbe der Begleiter Torglers gewesen sei.

Nunmehr wird der Angeklagte Popoff vor den Richter­tisch gerufen. Der Zeuge Frey beobachtet ihn scharf und sagt dann: Das ist der Mann, der neben Torgler gesessen hat!" Eine Verwechslungsmöglichkeit hält der Zeuge für ausgeschlossen, es sei denn, daß Popoffeinen Doppel gänger habe.

Das Gericht beschließt, im Vorraum des Haushaltsaales einen Lokaltermin zur Rekonstruktion der von den Zeugen beobachteten wiederholten Begegnung abzuhalten.

Nach dem Lokaltermin, der über eine Stunde in Anspruch nahm, wird die Sigung geschlossen. Das Ergebnis der In­augenscheinnahme wird voraussichtlich in der nächsten Sizung mitgeteilt werden, die am Freitag stattfindet. Der Donners­tag bleibt fizzungsfrei.

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Ein junger Jude, Bräutigam einer Christin, wird im Auftrage Streichers, des intimen Freundes Hitlers , unter Vorantritt einer Musikkapelle durch die Straßen Nürnbergs geführt

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einziges Mal gelungen, der Täter habhaft zu werden. In Zukunft sollen, wie es in der amtlichen Verlautbarung heißt, falls die Täter nicht ermittelt werden können, hervorragende

Dollfuẞ behandelt die Nazis nach ihren eigenen Führer oder einflußreiche Persönlichkeiten der NSDAP. in Methoden

Die österreichische Bezirkshauptmannschaft Kufstein hat drakonische Strafen für das Abbrennen von Hakenkreuz­feuern auf den Bergen, das sich troß den Verboten immer wieder wiederholte, verordnet. Bisher war es nicht ein

den betreffenden Gemeinden festgenommen und in sogenannte " Anhalte- Lager" gebracht werden, und zwar für die Dauer eines Jahres. Die Kosten der Anhaltung" haben die Häfts linge selbst zu bezahlen. Die Auswahl der in Betracht kom menden Persönlichkeiten, so heißt es dann in der Verlaut­barung weiter, ist bereits getroffen.