Revanchepolitik

Dr. Bl. Jn Nr. 100 der Deutschen Freiheit" werden über Herrn Franz Mariaux  , der seit kurzem als Hitlerpropagandist in Paris   weilt, einige Mitteilungen gemacht. Alles, was in dem Pariser   Bericht mitgeteilt wird, stimmt durchaus. Das Wichtigste aber fehlt. Franz Mariaux   ist nicht etwa nur ein einfacher Journalist, sondern er ist der Verfasser des Konzepts der Hitlerschen Außenpolitik. Um dem Vorwurf des Landesverrates von vornherein die Spize abzubrechen, stellen wir fest, daß das Konzept der hitlerschen Außenpolitik im Druck erschienen ist( Franz Mariaur, Nationale Außenpolitik, Gerhard Stalling  , Oldenburg  ) und daß diese Schrift bis in den April des Jahres 1933 auch ins Ausland geliefert wurde. Wir machen unsere Ausführungen auf Grund eines Exemplares, das im März 1933 im Ausland erworben

wurde.

Wer die 84 Seiten starke Schrift durchblättert, findet, daß Hitlers   Politik sich Wort für Wort und Handlung für Handlung mit den Ausführungen von Mariaux deckt. Mariaux führt aus:

Die ganze deutsche   Außenpolitik, Locarno  , Völkerbund  und Youngplan sind irrig; erst wer zu dem ganzen System " Rein" jagt, kommt zur richtigen Außenpolitik. Die Wiederaufrichtung Deutschlands   im Rahmen der Welt. wirtschaft und in Gemeinschaft mit der Welt ist falsch. " Die Wiederaufrichtung Deutschlands   als Macht staat"( alle Sperrungen von Mariaux) ist der richtige Weg der deutschen   Außenpolitik. Dieser Weg kann nur gegangen werden durch die Revanche. Die Revanche ist da. Sie rückt im Schritt der Geschichte heran." Die Revision von Versailles   ist nur zu erzielen durch die Um­stürzung der ganzen europäischen   Ordnung, die durch Versailles   geschaffen worden ist. Diese Revision geht Wege, die abseits von der amtlichen deutschen   Außen­politik liegen. Mariaug drückt das so aus: Die Revision, die sich wirklich bereitet, geht andere Wege. Sie ist, soweit sie bereits Wirklichkeit geworden ist, auf Seitenwegen, abseits der amtlichen deutschen  Außenpolitik vorgerückt." Der erste Grundsaz zur deutschen   Politik hat die Ueberwindung der militä rischen Bariaſtellung Deutschlands   zu sein. Die militärische Pariastellung Deutschlands  ist durchaus überwindbar." Deutschland   bleibe nur solange abgerüstet, als es das wirklich wolle. Genf  ist nicht der Hauptschauplatz, und die Vor­bereitung und der Abschluß eines internationalen Ab­kommens erschöpfen längst nicht die Möglichkeiten, die für Deutschland   rüstungspolitisch geboten sind. Genf   ist Nebenschauplatz, ein Aktionsbezirk unter vielen anderen, und ein internationales Abkommen ist bloß ein Anhalts­punkt unter anderen. Der Hauptschauplatz und der Angel­punkt liegen in Deutschland   selber. Deutschland   verbleibt nur solange im Zustand der einseitigen Entwaffnung, wie es selber will." Der natürliche Bundesgenosse Deutsch­ lands   find alle unterdrückten Völker Europas  ", vor allem die unter fremde Staatshoheit ge

Musterung für die Hakenkreuz- Maliz

müht ist, ja keine deutsche   Sprachgruppe im Ausland aus zulassen, zeige folgendes Beispiel: in der sogenannten Zips( Slowakei  ) wohnen rund 160 000 Menschen, davon find maximal 35 000 Deutsche  . Man geht nun daran, sie zu mobilisieren. In allen möglichen deutschen   Zeitschriften wird für sie geworben und es wird( z. B. Die Koralle" Nr. 21) erklärt, es sei an der Zeit, eine verstärkte Wahr nehmung der deutschen   Volkstumsinteressen in der Zips" durchzusetzen. Außer dem VdA. wird im Wege der be­stehenden Organisation des deutschen   Auslandsbuchhandels das Auslandsdeutschtum mobilisiert. Vom 19. November bis zum 3. Dezember wird eine Reichswerbewoche für Das auslandsdeutsche Buch" veranstaltet. Während früher das Buchhändler- Börsenblatt auch diesem Zweig buchhänd lerischer" Tätigkeit seine Aufmerksamkeit zugewendet hat, hat man nun all diese Dinge in eine Zeitung Der völkische Buchhandel" Stuttgart  , verschoben. Jn Desterreich und in der Tschechoslowakei   besorgen nach Auflösung der Nationalsozialistischen   Partei allerlei Kulturvereine, die Nationalsozialistischen   Partei allerlei Kulturvereine, die ihnen nach dem außenpolitischen Konzept zufallenden Auf­

gaben, z. B. der Deutsche Schulverein Südmark  , der ehe­malige Berein für die Geschichte der Deutschen   in Böhmen  und andere mehr.

Tausende von Auslandsdeutschen sollen, damit in Europa   Unruhe erregt werde, in den sicheren Untergang gejagt werden, denn nur Wahnsinnige können sich ein Deutsches Reich   vorstellen, das groß genug ist, auch noch die rumänischen, slowakischen und südslawischen Deutschen  zu umfassen. Das alles, damit Deutschland   seine Revanche an Frankreich   nehmen könne. Diese ist das oberste Gesetz der außenpolitischen Konzeption des Reichs: Es gibt nichts an zeitweiligen Partnerschaften, das grundsätzlich unstatthaft wäre. Aber niemals kann eine, wie auch immer geartete französisch- deutsche Zusammenarbeit die Grund­richtung nationaler deutscher   Außenpolitik sein, sagt Mariaux.

Man hat einmal die Hitlerdeutschen tolle Hunde" ge­nannt. Mariaug enthüllt das System, das in dieser Toll­heit liegt und lehrt ganz Europa   das Verständnis der deutschen   Außenpolitik.

Mit Reitpeitschen auf Frauen

ſtellten beutschen Stämme". Mariaug zählt sie und andere Bilder aus dem dritten Reich"

auf:

" Das ist in Oberschlesien  , im alten Westpreußen  , in Böhmen  , im Baltikum so, wie es im Elsaß   ist und Eupen­Malmedy. Aber sie wollen von der deutschen   Politik alle mit ihrem besonderen Maßstab gemessen sein. Was dem einen billig ist, wäre dem anderen unrecht. Und sie müssen alle wissen, daß Deutschland   an sie denkt. Nicht bloß im Geiste kultureller Erinnerung, sondern im Blick auf die Vorbereitung der konkreten politischen Aktion. So muß man in Desterreich wissen, daß Deutschland   nie wieder die Hand dazu biete, einer Parteiensippe, die aus innen­politischen Machtspekulationen Oesterreich   an Frankreich  ausliefern will, das Spiel zu erleichtern. So muß man missen, daß Deutschland   noch längst nicht auf sein Recht ver­zichtet hat, die Deutschen   in Elsaß   und in Lothringen   von der französischen   Nationalhoheit zu befreien. So muß man wissen, daß Deutschland   von einem Stamm, der, wie die Sudetendeutschen, zu Millionen geschlossen angesiedelt ist und hinter sich deutschen   Staatsboden hat, erwartet, daß er, Deutschlands   im Rücken sicher, mit ganz anderen Mitteln sich noch gegen die Tschechen, die Freiheit zu erkämpfen entschlossen ist, als mit Stimmzetteln und Regierungs­foalitionen. Man muß überall dort, wo sich eine Front zur Revolution regt, wissen, daß Deutschland   feinen im Stich läßt. Die Geschichte wird immer noch mit Blut gemacht und die Zeit der Aufstände ist längst nicht zu Ende."

Bei dieser Politik ist das faschistische Italien   Deutsch­ lands   greifbarer" Bundesgenosse. Auf England kann das Deutschland   der Revanche zunächst nicht rechnen. Aber England wird zur Erkenntnis kommen, daß Deutschlands  Ende als Macht auch das Ende der englischen Macht be­deutet; hingegen ist das sagt Mariaux als Bekämpfer des Bolschewismus!- das nationalrussische Reich, das auf den Trümmern des zaristischen Despotismus erwachsen ist, mit Deutschland schicksalverhaftet". Eine Vorausseßung hat allerdings diese ganze deutsche   Außenpolitik: Die Revision von Versailles   beginnt mit der Revision von Weimar  .

Wie man sieht, hat sich Hitler sorgfältig an das Konzept des Franz Mariaug, der wohl in der unoffiziellen deutschen  Außenpolitik tätig ist, gehalten. Um England begreiflich zu machen, daß Deutschlands   Macht auch Englands Macht sei, hat es Rosenberg   nach England geschickt; um die " Schicksalsverhaftung" Deutschlands   und Sowjetrußlands in die Tat umzusetzen, hat es immer wieder Wirtschafts­berhandlungen mit Rußland   versucht. Sowohl bei Eng. land, als auch bei Rußland   fand die deutsche   These nationaler Außenpolitik keine Zustimmung. Das herz­hafte Nein" zur deutschen   Außenpolitik seit Versailles  hat Deutschland   zunächst nicht in Worten, sondern in Taten gesprochen, bis es schließlich auch mit dem Austritt aus dem Völkerbund der Konzeption von Mariaux folgend, laut und deutlich Nein" gesagt hat. Bleibt vom ganzen Plan noch die Revolutionierung der Auslandsdeutschen übrig. Die wird allerdings mit höchster Aktivität betrieben. Ihr Zentrum ist, soweit es nicht um Desterreich und die Tschechoslowakei   geht, der Verein für Auslands. deutschtum( Vda.), der in allen deutschen   Sprachinseln an der Mobilisierung der Deutschen   beteiligt ist. Bei den Siebenbürger Sachsen   ist es gelungen, eine revolutionäre Stimmung hervorzurufen, die Deutschen   in der Bukowine haben bereits versucht, in Czernowitz  ( Cerauti) einen kleinen Pogrom zu veranstalten. Wie sorgfältig man be­

Im Frauengefängnis

Inpreß. Ueber die unwürdige und unmenschlische Behand­lung von inhaftierten Frauen erhalten wir aus Berlin  folgenden Bericht:

In den Zellen, in denen bei" normalen" Verhältnissen eine Gefangene untergebracht wurde, befinden sich jetzt drei bis vier. Der vorhandene Raum läßt die Ausstellung von Betten nicht zu. So kampieren die Gefangenen auf dünnen Decken, die auf dem Fußboden ausgebreitet werden. Die ge­sundheitlichen Folgen sind unausbleiblich. Die Frauen müssen bei längerer Haft zugrunde gehen oder sie erkranken für ihr ganzes Leben. Frauen, die im Verdacht stehen, Verbindungen zur verbotenen fommunistischen Partei zu haben, werden in viehischer Weise mißhandelt und gefoltert, damit sie Namen. Adressen und Verbindungen preisgeben sollen. Bei diesen Mißhandlungen spielt gegenwärtig die Reitpeitsche eine außerordentlich große Rolle.

Das Frauengefängnis Berlin  , Barnimstraße, weist heute an gefangenen Frauen das Vierfache dessen auf, was normalerweise untergebracht werden kann.

In 24 Stunden ein Stück Brot

Jupreß. Die beiden Engländer Philipp Tenner und Dr. A. T. Hulton, die von einer Vergnügungsreise nach Deutsch­ land   zurückkehrten, erzählen, daß sie von der deutschen   Polizei

offenbar zur Verstärkung des Vergnügens zwei Tage eingesperrt wurden, weil man in ihrem Wagen ein Buch über Hitler   fand, das sie in einer Münchener   Buchhandlung

gekauft hatten. Sie wurden, wegen des legal gekauften ihrer Haft erhielten die beiden Engländer als einzige Nah­Buches, der Spionage verdächtigt. Während des ersten Tages rung ein Stück Brot und eine Tasse Kaffee. Der Wahlschwindel

Jupreß. Der Völkische Beobachter" teilt mit, daß die Wahl und Abstimmungshandlung sowie die Ermittlung des Ergebnisses in völliger Oeffentlichkeit sich vollziehe".

Weiter wird betont, daß der völlig leere Umschlag nicht als gültige Stimme" angesehen wird; er wird nicht gezählt. Was heißt dies, daß die Wahl, die bisher geheim war, in völliger Deffentlichkeit" geschieht, einer Deffentlichkeit, die

nur aus Nazis besteht? Und ist der Hinweis auf die leeren Briefumschläge" eine Mahnung dieser Deffentlichkeit" an die, die nicht für Hitler stimmen? Wer schießt?

Inpreß. Der Dortmunder General- Anzeiger" meldet: Auf der Weide wurde die Dienstmagd des Hegemeisters Koch, Schloß Oberwerries  , als sie mit dem Abtreiben der Kühe beschäftigt war, von einer verirrten Kugel getroffen. Der Schuß traf das Mädchen in den Arm und die Brust.

Mit erheblichen Verlegungen mußte es dem Krankenhaus Hamm   zugeführt werden."

Das ist im dritten Reich" so selbstverständlich, daß das Nazi­blatt weder angibt noch fragt, wer denn da geschossen hat.

Hungersnot in Bayern  

Jupreß. Anläßlich der bayerischen Oftmark- Ausstellung schreibt das 12- Uhr- Blatt" unter der Ueberschrift Bayern  bittet ums Wort":

Ostbayerns Grenznot gehe über die allgemeine deutsche  Wirtschaftskrise noch weit hinaus. In weiten Gebieten herrscht Hunger. Von den Wohnungsverhältniffen könne sich der Außenstehende kein Bild machen. Verzweiflung greife um

sich. Die Besten des Landes seien ausgewandert, um aus der unerträglichen Not herauszukommen. Die Löhne, die von der Bevölkerung erzielt werden können, seien katastrophal. Stundenlöhne von 10 bis 11 Pfennig gelten für die Heim­arbeit. In der Handweberei werden Wochenlöhne für zwei Personen von 8 bis 12 Mart bei angestrengtester Arbeit er­zielt. Die Gemeinden seien so verarmt, daß sie außerstande feien, zu helfen.

Zweifel werden bestraft

Inpreß. In Zweibrücken   wurden vier Personen uga.et, weil sie.. Zweifel an der Durchführbarkeit der Politik der Hitler  - Regierung geäußert hatten.

Drei Monate Gefängnis

Inpreß, Vom Sondergericht in München   wurde die 55jähr. Schriftleiterin Jeanette Rind zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, weil sie in dem von ihr geleiteten Laufener Wochenblatt" für das benachbarte, auf österreichischem Gebiet liegende Oberndorf   einen Kirchenzettel abgedruckt hatte, worin eine Messe für die verfolgten Katholiken Deutsch­ lands  " angekündigt wurde.

,, Entreißt sie den Henkern!"

An einem der letzten Tage fand in Berlin  - O, Straußberger­plaz, eine Ansammlung von etwa 300 Arbeitern statt, die sich geschlossen auf dem Bürgersteig die Frankfurter Allee   entlang bewegte. Rufe fielen: Entreißt den faschistischen Henkern Dimitroff  , Torgler  , Taneff, Popoff". Alarmierte Ueberfall­tommandos, Hilfspolizei und SA. stürzten sich auf die Demonstranten und schlugen völlig wahllos auch auf unbe­teiligte Passanten ein. Eine Reihe von Verhaftungen wurde vorgenommen. Von fünf Teilnehmern, die besonders schwer mißhandelt worden waren, sind zwei beim Transport zum Krankenhaus ihren Verlegungen erlegen.

..Hechtsprung" des Kommunisten

Der nationalsozialistische Westdeutsche Beobachter" be­richtet:

Aus Brauweiler   wurde ein in jeder Beziehung übel beleumundeter Kommunist mit Namen Martin, ein 22­jähriger, Donnerstag abend nach Köln   übergeführt. Er sollte nun noch einmal im Polizeipräsidium von der politischen Polizei zur letzten Vernehmung gehört werden und hat dann dabei auch unumwunden viele Dinge zuge­geben, die ihm nach der bestehenden Rechtsordnung zum Verhängnis werden mußten. Unter dem Eindruck seiner großen Schuld ist sich dieser Kommunist klar darüber ge­worden, daß sein Dasein feinen Zweck mehr habe. Er benutzte unmittelbar nach seinem leßten Ver hör und nach dem er seine Protokolle unter schrieben hatte, die Gelegenheit, beim Austritt aus dem Vernehmungszimmer, sich in einem Hechtsprung aus dem offenen Fenster des dritten Stodwerks des Polizeipräsidiums zu stürzen. Dieser Sturz aus ziemlicher Höhe hatte den so­fortigen Tod zur Folge gehabt."

Ein forrefter Mann dieser Kommunist. Erst unterschreibt er sorgfältig die Polizeiprotokolle und geht dann in tadel­loser sportlicher Haltung in die Tiefe. Der bedauerliche Unglücksfall, den die Nazis, wie der Bericht deutlich verrät so schmerzlich empfinden, wäre nicht passiert, wenn die Nazis nicht in ihrer bekannten Humanität den Gefangenen zuviel Freiheit ließen.