Pariser Berichte

Pariser Musikleben 1933 Orchestervereinigungen und große Konzerte - wer ist das Publikum?

( Von unserem Pariser Musikberichterstatter.)

Die Pariser Saison hat mit einer Sturmflut von Theater­an Orchestermusik vor allem, begonnen, wie es das oft zum Vergleich herangezogene Berlin kaum je gekannt, wie es auch die klassische Musikstadt Wien seit langem nicht mehr auf­weisen kann. Nicht weniger als sieben Orchesterver einigungen baben an den Grands Concerts" teil, die

den Gru..

die innere der modernen Orchesterkomposition, die äußere der Weltfinanz- hat hier also noch keine Beschränkung gebracht. Im Gegenteil, es herrscht Ueberfluß, und die Auslese fällt dem kritischen Beobachter zunächst nicht leicht.

Pariser Musiklebens bilden. Die Krise-

wirklich eine innere Beziehung zu den Inhalten und Formen unserer Zeit. Daß er tiefer Verinnerlichung fähig ist, daß er die große Form beherrscht, wissen wir aus seinem Orato= rium König David"; daß er Bewegungsrythmen der Gegen= wart musikalisch wiederzugeben und zu gestalten versteht, zeigten seine Lokomotivensymphonie Pacific 231 " und sein Sportcapriccio Rugby". Nun folgt als drei Dr­chesterwerk die zweiteilige, programmlose symphonische Be­wegungsmusik, deren Allegro wieder dem Maschinenrhythmus zu huldigen scheint, während der langsame Teil Beispiel einer zeitverbundenen, unsentimentalen Lyrik ist. Beide Elemente prädestinieren Honegger zum Filmkomponisten mit

Zyklus der Geschmack und Gewissen. Man darf auf seine erste Arbeit

allwöchentlichen im Salle Gaveau veranstalteten Concerts Lamoureux ein Stück echtester französischer Musikübung lebendig ist, daß ihr Leiter, Albert Wolff , die Tradition westlichen, mehr nach Klarheit als nach Gefühlsvertiefung strebenden Dirigententums fortsetzt. Nicht viele Pariser Or­chester sind so wie dieses fast ganz in einer leitenden Hand geblieben. Man blickt auf Paul Paray , der die Concerts Colonne im Theatre Chatelet leitet, auf den überaus sym­pathischen Philippe Gaubert , den die Societe des Concerts zum Führer bestellt hat, auf den prominenten Pierre Mon­teug mit seinem Orchestre Symphonique de Paris, und man ist am Ende. Denn schon die Concerts Poulet im Theatre Sarah- Bernhardt, die mit ihren interessanten Programmen manche Lücke füllen, sehen Gäste vor neben ihren beiden ständigen Orchesterchefs- dem bekannten russischen Diri­genten Emil Cooper und dem ausgezeichneten Opernkapell­meister der Comique M. G. Clöz-, und die Concerts Pas­deloup, die in dem luxuriösen Theatre des Champs- Elysees ihr besonderes Publikum vereinen, erheben das Gastdiri­

gententum zum Prinzip.

Wenn Konzertveranstaltungen in wenigen Tagen sich über­lagern, wenn Programme zur gleichen Stunde sich über­schneiden, wenn interessanteste Werke vor nur halb- oder gar viertelgefüllten Sälen erstaufgeführt werden, tauchen immer

auf. Wer bezahlt den kostspieligen Leerlauf, wo ist das " VoIf", in dem diese Kunst ihr Publikum, ihr lebendiges Echo besitzt? Finden wir es nur im Kino, wo man allen Genügen ihm die Plazmusiken in den Gärten dieser herr­lichen Seinestadt? Hat es keinen Anteil am Kunstleben seiner Metropole, an den Werken seiner großen Komponisten, die Landschaft schöpften?

Die Antwort ist gewiß nicht leicht. Fragen, um deren Lösung man sich in Mitteleuropa seit langem mühte, sind nur in sehr beschränktem Maße als Kunstunternehmer und Kunstförderer hervor. Eine Organisation, wie es bis vor furzem etwa die deutsche Volksbühne war, besteht kaum in den Händen privater, bürgerlicher Gruppen, die im Effekt mehr gegen- als miteinander arbeiten. Aber die Kräfte, die in dieser gewiß bemerkbaren Desorganisation verloren gehen, tragen doch zu der einzigartigen Buntheit eines bürgerlichen Kunstlebens bei, das nach der Faschisierung Deutschlands in Paris feine vielleicht letzte Heimat auf europäischem Boden sieht.

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Erhält das Pariser Musikleben Antrieb, Mittel und Publi­fum hauptsächlich aus der Interessensphäre privater Unter­nehmergruppen, so gibt es doch auch hierin Ausnahmen. Wenn Arturo Toscanini , der Ehrenbürger Bayreuths,

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der Italien und nun auch Deutschland meidet, zwei Fest­abende des Orchesters Walther Straram leitet, muß der zweite Abend ein Wagner- Programm wiederholt werden. Hier eint sich die künstlerische Vollendung einer un­beugsamen menschlichen Persönlichkeit, die auch im politischen Leben dieser Zeit ihren Platz hat. Der Kreis der Interessier= ten und Interessenten erweitert sich, er durchbricht die Grenzen einer bestimmten Gesellschaftsichicht. Ein Sonaten­abend des Geigers Adolf Busch , der mit Rudolf Serfin sich aum Beethoven - Spiel zusammentut, zeigt das gleiche Bild: die mutige Anteilnahme an den Ereignissen der Zeit schafft dem Künstler ein neues Publikum.

Ronzert und Tanz

Auch die artistische Bereicherung vermag das. Wenn Pierre Monteur sich den Tänzer Serge Lifar als solistischen Helfer für eines seiner Zykluskonzerte mit dem Pariser Symphonie­Orchester verschreibt, so bedeutet das zunächst gewiß nur eine Sensation für die Snobs aller Arten. Aber der Gedanke ist zukunstweisend: nach dem Instrumentalisten, nach dem Sänger, dem Sprecher, nach der Farblichtmusik nun auch den Tänzer in den Rahmen des Konzerts miteinzubeziehen, ihn 3wischenwerfe wie Beethovens Prometheus" oder Debussys Prelude a l'apres- midi d'un faune" solistisch ausdeuten zu laffen. Die Einförmigkeit des Konzerts kann so äußerlich und innerlich gewandelt, ein neuer Publikumsfreis interessiert

werden.

Honegger als Filmmusiker- Die Comedian Harmonists

Es bleibt die Frage der zeitgenössischen Produktion. Die Ausbeute an neuen Werken ist bis jetzt gering. Von Honegger , der aus dem mehr oder weniger verspielten Kreis der Sir" einst hervorging, muß gleichwohl besprochen werden. Er leitet die Pariser Erstaufführung seiner" Mouvement Sym phonique Nr. 3" in zwei aufeinanderfolgenden Matineen der Concerts Pasdeloup . Dieser französischer Schweizer hat

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dieses Genres, die Musik zu La separation des races" Erwartungen seßen.

Denn Filmmusif", das kann ja sehr verschiedenes sein: man betrachte den Riesenschritt, der von der Welt Honeggers, des zeitnahen Musikers der den Bewegungsrhythmus unserer heutigen Welt in sein Material einfangen und mit seinen Formen gestalten will. zu dem Kunstgewerbe der Comedian Harmonists " führt, die einen ganzen Abend mit ihren rei­zenden Nichtigkeiten füllen. Beides Musik der Zeit, Film­musik der Zeit, aber die eine schöpferisch in die Zukunft weisend, die andere trotz aller Mondänität rückwärtsgewandt, Gesellschaftsspiel einer müden, an gedämpften Farben sich erbauenden Schicht. Auch diesen fünf Falsettstimmen, die in ihrer Art Außerordentliches leisten, scheint die deutsche Luft nicht mehr zuträglich zu sein. Paris wird sich von ihrer Eleganz gerne umschmeicheln lassen es wird auch sie gleich den vielen andern, die Italien und Deutschland verlassen haben, auf seinem demokratischen Boden willkommen heißen.

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Vorsitzender: Aber war es auch dieser?"( Er zeigt dos Bild Chambons.)

Dr. Rougon:" Der war es bestimmt nicht." Borsigender( zu Sarret): Noch ein Widerspruch." Sarret: Ich habe nicht gesagt, daß Chambon sich als Strohmann untersuchen ließ. Ich habe nur gesagt, daß er behauptete, er habe sich als Strohmann untersuchen lassen." ( Murren im Saal.)

Moro Gtafferi:" Haben Sie, Herr Doktor, eine der Schwestern Schmidt bei dieser Gelegenheit kennen gelernt?"

Dr. Rougon: Nein."

=

Moro Gia feri: Wer hat also den wegen Ver­sicherungsbetrugs mitangeklagten Brun mit Deltreuil zu­sammengebracht?"

Brun( erhebt sich): Sarret."

Sarret beißt sich auf die Lippen.

Ein zweiter Arzt, Dr. Murat sagt aus, Katharine habe ihn in das Hotel gebeten, in dem ihr sterbender Mann lag. Sarret habe ihn hingeführt. Er traf einen Schwerkranken,

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Der Mordprozeß in Aix

Sarret beißt sich auf die Lippen magerung um 90 Pfund

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Die Ab­

Aix- en- Provence, 27. Oktober.

Im Prozeß gegen den Mörder Sarret und die baye­rischen Schwestern Schmidt wurde am fünften Tage über den verstorbenen Ehemann von Katharine Schmidt ver= handelt. Katharine hatte den alten Kolonial- Bewohner Deltreuil geheiratet, um Französin zu werden. Vier Monate vor seinem Tode hat Deltreuil, der ein forscher Mann war, eine Lebensversicherung von 100 000 r. zu= gunsten seiner Frau abgeschlossen. Deltreuil starb ab­gemagert, arm und verlassen in einem Marseiller Hotel.

Eine Näherin, die Deltreuil jeden Morgen die Milch brachte, wurde darüber vernommen. Sie war beim Todes­fampfe Deltreuils anwesend. Der Alte sagte eines Tages zu ihr: Bringen Sie meine Papiere und Chemie- Bücher, wenn ich nicht mehr sein werde, zum Maitre Sarret."

Vorsitzender: Haben Sie einmal bei Deltreuil einen Mann namens Chambon gesehen?"

Er reicht ihr eine Fotografie. Diese Frage ist von Wich­tigkeit, weil Sarret behauptet, er habe den später in der einsamen Villa ermordeten Erpriester Chambon als Stroh­mann für Deltreuil zu einer Versicherung geschickt, und seit­dem habe Chambon ihn chanter" lassen, d. h. ihn erpreßt. Dies sei der Grund zu dem Streit, in dessen Verlauf er ihn erschlagen, nicht ermordet habe.

Die Näherin entfinnt sich nicht, den Expriester Chambon gesehen zu haben.

Der Zeuge Dr. Rougon beschwört, einen Menschen von guter Gesundheit für die Versicherungsgesellschaft unter­sucht zu haben.

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der nur 50-55 Kilogramm wog, fand aber nichts Ver­dachtiges.( Der Fall Deltreuil steht ja auch nicht unter Anflage.)

Vorsitzender: War das auch Deltreuil?"

Dr. Murat: Ich glaube; denn er sagte, er heiße so. Auch sprachen wir von der Dordogne, unserem gemeinsamen Heimatland. Ich schrieb ein Rezept und gab es Sarret. Fünf Tage später erfuhr ich, daß Deltreuil tot war. Ich untersuchte genau die Leiche, befragte auch den Zimmer­kellner, fand aber nichts Verdächtiges."

Staatsanwalt: ft es möglich, daß ein Mann wie Teltreuil, der 90-95 Kilogramm miegt, in 4 Monaten auf 50 Kilogramm abmagern kann?"

Die beiden Aerzte:" Im Falle von Krebs ist es unter Umständen.medizinisch möglich."

PARISER STRASSENKALENDER

Am Bahnhof St. Lazare findet von 7 bis 20 Uhr ein Verkauf der guten Früchte von Frankreich" durch die Staatsbahn statt. Zuerst wird drei Wochen lang der gesunde Apfel", ein besonders gutes Produkt von 5000 Obstbäumen, verkauft.

Eine sehr moderne 4000 Quadratmeter große Garage für 2000 Wagen, acht Stockwerke hoch, wurde vom Seine: Präfekten und vom Bariser Stadtrat gegenüber der Petite Roquette eröffnet. Das Geld hat der Crédit Municipal gegeben. Die Wagen werden nach der Einlieferung ge= waschen, getrocknet und gefielt.

Verhaftet wurde ein Westschweizer namens Georges Wezin, der die Opferstöcke in der Kathedrale Notre Dame beraubte.

In der Kirche des Flugplatzes von Bourges wurde ein eigenartiges neues Kunstwert, ein Bas- Relief einer Maria mit den Flügeln", die als Statuette vor einem Oval von Flügeln steht, von dem Kardinal von Paris eingeweiht.

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