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Freiheil

Nummer 113-1. Jahrgang

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Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Dienstag, 31. Oktober 1933

Chefredakteur: M. Braun

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Am Mittwoch,

1. november( Allerheiligen) ist im Saargebiet

gesetzlicher Feiertag

Die ,, Deutsche Freiheit" muß infolgedessen

für diesen Tag ausfallen

., Gott strafe England"

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Der Oberste Kriegsherr der braunen Miliz macht neue moralische Eroberungen d England in starker Erregung- Die deutsche Presse schweigt und lügt

Am Sonntag, dem 22. Oktober, große Aufmärsche Uebungen der SA. bei Kehlheim in Bayern . Der deutsche Reichskanzler spricht zu seinen

braunen Truppen.

Der Korrespondent des Daily Telegraph " berichtet von der Parade Hitlers über 20 000 Mann. Der Vorbeimarsch babe im Tafte eines neuen Gesangs der Nazis stattgefun­den, deffen Refrain lautete: Volf, zu den Waffen." Tausende von SA. - Männern seien mit dem Gewehr auf der Schulter und aufgepflanztem Bajonett an dem Olaf Hauptmann Röhm vorübermarschiert. Reichs­ wehr und Polizei hätten sich beteiligt.

Am 23. Oftober erscheint Panthers Bericht, stark aufge­macht, im Daily Telegraph ".

Am 24. Oftober wird Noel Panther verhaftet. Der deutschen Presse wird untersagt, über den Vorfall zu berichten.

Am 25. Oftober beginnt die englische Presse Lärm zu Ichlagen. Auch die französische Presse nimmt die Angelegen­beit auf. Sämtliche deutschen Zeitungen schweigen. Der verhaftete Journalist Panther wird in das Gefängnis der Geheimen Staatspolizei nach Berlin Aberführt. Der britische Generalkonsul in München ver­sucht zunächst vergeblich, den angesehenen britischen Jour­nalisten im Gefängnis zu besuchen.

Am 26. Oftober wird der Reichsregierung klar, daß der Zwischenfall diplomatische Folgen haben muß und der deutsche Außenminister Freiherr von Neurath verfaßt eine Note an die englische Regierung. Darin wird gesagt, daß Panther des Hochverrats und der Spio­nage angeklagt sei und in Anwendung des Artikels 92 des deutschen Strafgesetzbuches vor das Reichsgericht in Leipzig gestellt werde. Dieser Paragraph sieht für die Verbreitung von Meldungen zum Schaden Deutschlands Gefängnis­strafen von 6 Monaten bis zu 2 Jahren vor. In deutschen Regierungsfreisen wird dem britischen Journalisten noch zur Last gelegt, daß er sich bemüht habe, Material zu er­balten und zu sammeln, das für den militärischen Charakter der SA. und S. Zeugnis ablege, Material, auf Grund dessen eine Verlegung des Versailler Bertrages konstruiert werden könnte. Die deutschen Zei­tungen dürfen noch immer nicht berichten.

von

Am 27. Oktober wird die deutsche Note dem Foreign Office in London übermittelt. Sir John Simon bittet unverzüglich den deutschen Botschafter Hoesch zu sich und legt ihm in sehr deutlichen Worten dar, welchen starken Eindruck die Verhaftung Panthers im eng­lischen Volk und bei der englischen Regierung macht. Sir John Simon verschweigt gleichzeitig dem deutschen Bot­schafter nicht, wie start sich die Stimmung in Genf gegen Deutschland verschlechtert. Die gesamte englische Presse bringt erregte Aufsäße gegen die Verhaf­tung Panthers. Man zieht Vergleiche zwischen Sowjetruß­land und Deutschland , die Presse muß noch immer schweigen. Das deutsche Volk, das täglich Reden von Hitler , Göbbels und Göring vorgesetzt erhält, erfährt von dem englisch­deutschen Konflikt nichts.

Am 28. Oftober legt der englische Botschafter in Berlin

bei der deutschen Regierung scharfen Protest gegen die Verhaftung Panthers ein mit der Begrün­die Berbaftung Panthers ein mit der Begrün- SA. marschiert... dung, es könne sich unmöglich um Spionage handeln, da ja

die SA. immer als zivile Miliz ohne jeden militärischen Charakter bezeichnet worden sei und deshalb ein Bericht über Uebungen der SA. nicht unter den Spionageverdacht fallen könne. Die deutsche Presse darf noch immer nichts be­richten.

Der Exekutivausschuß des Journalisten verbandes übermittelt dem Foreign Office eine einstimmig angenommene Resolution, in welcher gegen die Verhaftung Noel Panthers protestiert wird.

Am 29. Oktober dürfen endlich einige auch im Ausland verbreitete Zeitungen, wie die Frankfurter ", in einigen Zeilen den Vorfall erwähnen, jedoch müssen sie den ernsten Charakter des Protestes der englischen Regierung und die neue Verschlechterung der englischen Volksstimmung ver­schweigen. Der allergrößte Teil der deutschen Presse darf noch immer nichts über den Zwischenfall veröffentlichen, die für die breifen Volksschichten bestimmten Zeitungen müssen sich damit begnügen, den Geburtstag des deutschen Presse­ministers zu feiern und hervorzuheben, daß ihr oberster Chef, Herr Dr. Göbbels , die besten Artikel des 20. Jahr­hunderts schreibt.

So wird in Deutschland das Volk unterrichtet", und so

DF. Ein sehr kluger ausländischer Politiker hat den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbunde mit der Er­klärung des unbeschränkten Unterseebootkrieges ver­glichen. glichen. Er meinte damit dieselbe außenpolitische Wirkung: vollkommene Jsolierung des Deutschen Reichs. Damals standen immerhin noch Desterreich- Ungarn und die Türkei an Deutschlands Seite. Diesmal hat sich der einzige Alliierte", Jtalien, hörbar von den Berlinern Donnerern entfernt.

Auch hinsichtlich der öffentlichen Meinung Deutschlands paßt der Vergleich mit dem U- Bootkrieg. Damals ver­kündeten der Kaiser und seine Presse, die ganze Welt sei eingeschüchtert und auf den Meeren sei kaum noch ein Schiff zu sehen. Jetzt erzählen die deutschen Zeitungen einmütig dem Volke, überall bereite sich ein Stimmungs umschwung zugunsten Deutschlands vor. Insbesondere sei man draußen tief beeindruckt von den täglichen Friedens reden Adolf Hitlers . Genau so wie man vor zwei Jahr­zehnten in aller Welt bezaubert war von dem Charme der Beredsamkeit Wilhelm II. Die scheinbare Ruhe, die außenpolitisch in Paris herrscht, begünstigt diese

bleibt bei Millionen der Eindruck, der ruhmvolle Kanzler Täuschung des deutschen Volkes durch die deutsche Presse.

erobere moralisch die Welt.

Eine französische Stimme

WMF. schreibt unter der Ueberschrift Die deutsche Furie" im Figaro vom Sonntag, 29. Oktober:

Worum handelt es sich?

Ich habe den Artikel Noel Panters gelesen, der ihm die Feindschaft der Deutschen zuzog. Es ist eine einfache Repor­tage über den Aufmarsch in Kehlheim in Bayern , die u. a. auch folgende Mitteilung einer gut unterrichteten Stelle enthält:

" Durch das Propagandaministerium waren an die Presse folgende Anweisungen ergangen:

Alles vermeiden, was den militärischen Charakter der Veranstaltung beweist. Vor allem keine Erwähnung der Schießübungen, der Inspektion der Truppen und der Be­teiligung der Reichswehr .

Auch die Bildberichterstatter hatten strengste Anweisung, nur Bilder zu veröffentlichen, die den friedlichen Charak­ter der Veranstaltung beweisen sollten."

Diese Ausführungen genügten, um den englischen Kollegen unter der Beschuldigung der Spionage festnehmen zu lassen. Es scheint also doch, daß Deutschland etwas zu verbergen hat und daß seine nach außen getarnten friedlichen" Kund­gebungen den Zweck haben, vor dem Ausland seine Auf­rüstungssucht und seine militärische Reorganisation zu ver­bergen. Glücklicherweise nimmt England die Sache sehr

ernst. Und man weiß, daß die Engländer, wenn es sich um einen ihrer Volksgenossen handelt, für ein solches Vorgehen Sühne verlangen. Es ist lediglich eine Pflicht der Kamerad= schaftlichkeit unserem englischen Kollegen gegenüber, wenn wir uns dem Protest gegen dieses ungeheuerliche Vorgehen ebenfalls anschließen.

Katholische Priester gegen Papen

Der katholische Kommis Hitlers im Saargebiet

Der Pariser Rempart" berichtet: Die Anwesenheit des Vizekanzlers v. Papen im Saar­gebiet wurde vor einigen Tagen gemeldet. Der Mitarbeiter Hitlers ist, wie man weiß, Eigentümer des Schlosses Wal­Terfangen, das er durch seine Frau besißt, die aus der Fa­milie Villeroy und Boch, den bekannten feramischen Indu­striellen, stammt. Inzwischen hat Herr von Papen das Saar­Gebiet wieder verlassen, um in Berlin den wilden chmähreden des Kanzlers gegen den Versailler Ver­trag und die Alliterten Beifall flatschen zu können. Welche Absichten hatten von Papen ins Saargebiet ge­führt? Das wollte ich in Erfahrung bringen.

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Mit einem Wort kann man sagen, daß von Papen zur Beit der Reisende in fatholischen Angelegen­heiten des Reichskanzlers Hitler ist. Es ist bekannt, daß er das Konfardat in Rom ausgehandelt hat. Man weiß auch, daß, wäre nicht das Zerwürfnis mit Wien gekommen, er die

österreichischen Christlich- Sozialen zum Hakenkreuz befehren sollte.

Seine Gegenwart im Saargebiet, einem wesentlich fatho: lischen Lande, hatte keinen anderen Beweggrund, als die Gleichschaltung des saarländischen katholischen Zentrums zu betreiben.

Bis zu einem gewissen Grade scheint von Papen Erfolg ge habt zu haben, da in dem kleinen Landesparlament des Saargebiets der Vorsitzende der Zentrumspartei im Namen der politischen Parteien, die mit dem Zentrum zusammen die sogenannte nationale Front" bilden, eine Erklärung abgegeben hat.

Der Vorsitzende der Zentrumspartei , der aus Saar­ louis stammt, wo er als Rechtsanwalt tätig ist, trägt den sehr französischen Namen Levacher. Er war in Schloß Wallerfangen empfangen worden.

Fortschung Seite 2.

Wie wenig Anlaß vorliegt, sich in Sicherheitsträumen zu ergehen, beweisen die Verhandlungen in der auswärtigen Kommission des Senats, über die wir schon kurz berichtet haben. Eine ausführliche Pariser Meldung lautet:

In der heutigen Sigung der auswärtigen Staats­fommission gab Senator Henri Berenger einen längeren Bericht über die außenpolitische Lage auf Grund von Informationen, die ihm am Quai d'Orsay zuteil ge­worden sind. Das Exposé befaßte sich mit vier Haupt­punkten: 1. Auffassungen der verschiedenen Mächte zu dem Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund und aus der Abrüstungskonferenz. 2. Die Folgen, die sich für Frankreich aus der Vertagung der Abrüstungskon­ferenz bis zum 4. Dezember in militärpolitischer und dip­lomatischer Hinsicht ergeben. 3. Die Lage im Donau­becken und auf dem Balkan , die Beziehungen Desterreichs und Bulgariens zu den üb­rigen europäischen Mächten. 4. Die Annäherung zwischen Rußland und den Vereinigten Staatent von Amerika und ihre Auswirkungen auf die inter­ nationale Politik im Fernen Osten.

Nach einer längeren Debatte über diese Punkte machte der elsässische Senator General Bourgeois dem Ausschuß eine längere Mitteilung über den gegenwärtigen Stand der deutschen Armee und die Macht der industri­ellen Mobilisierung", die, wie es in dem offi ziellen Communiqué heißt, einen tiefen Eindruck auf die Zuhörer machte. Der Ausschuß beschloß, sich gemeinsam mit den zuständigen militärischen Ausschüssen von Kammer und Senat an die Regierung zu wenden, um sich über die praktischen Folgen, die sich aus dem Bericht des Generals Bourgeois ergeben könnten, zu verständigen.

Diese ernste Geste aus Paris wird in der deutschen Bresse, soweit sie überhaupt registriert wird, mit einigen Zeilen im kleinsten Drucke abgetan. Von der neuen un ruhe, die Deutschland in London verursacht hat, durfte die deutsche Oeffentlichkeit bis zum Sonntag überhaupt nichts erfahren. Auch jetzt beginnen nur die Berichters statter einiger großer Zeitungen in den vorsichtigsten Formen auf den schweren deutsch - englischen Zwischenfall, die Verhaftung des Korrespondenten des Daily Tele­ graph ", Noel Panter, wegen Spionage( Siehe Deutsche Freiheit" Nr. 111) hinzuweisen. Der englische Korrespon­dent soll wegen Spionage und Hochverrat vor das Reichsgericht gestellt werden. Was hat er getan?

Er hat einem Worte des bayrischen Ministers Esser vertraut, der in öffentlicher Rede die ausländische Presse aufgefordert hat, sich in Deutschland umzusehen, und zwar mit offenen Augen und Ohren", denn Deutschland habe nichts zu verstecken. Der unvorsichtige Brite hat aber übersehen, daß Herr Minister Esser keineswegs einge laden hat, nun über das Gesehene auch wahrheitsgemäß zu berichten. Herr Panter aus London kennt wahrschein­lich nicht das Wort unserer roten westfälischen Bergleute, die jetzt zu sagen pflegen Augen und Ohren op, Muul to"! So hat er den Mund aufgetan und nach England berichtet, was er sah, und das kann eben das dritte Reich" nicht vertragen. Bei einem Jnländer heißt die

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