Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschen Freifieit" Ereignisse und Geschichten

Mitwoch- Donnerstag, den 1. u. 2. November 1933

Der Sieg der Schablone

Und das Trümmerfeld der deutschen   Kunst

Die gleiche große Unredlichkeit, die Hitler und seine Leute als Sprungbrett für ihren Einbruch in die Politik Deutsch lands genommen haben, nutzten sie, um die deutsche Kultur, wie sie bis dahin Geltung hatte, dem deutschen   Volke als Bebensgefahr zu denunzieren und mit allen Mitteln der Zer­störung zu berennen. Ein Begriff wurde erfunden und durch unermüdliche Propaganda zu einem fressenden Gößen aus­geweitet: Kulturboschewismus.

Nicht die geringste Ursache lag vor, gegen die bildenden Künste Deutschlands  , wie sie sich nach dem Kriege ent­wickelt hatten, den mordenden Bannstrahl zu schleudern. Alles in allem waren da gesunde Natur und klares Wollen am schweren, keineswegs erfolglosen Werk. Absurditäten, an denen es gewiß nicht fehlte, bewiesen nur, daß Most da war und daß er gärte. Der Lärm, den einige turbulente Spizen machten, zeigte nur an, daß die Meister ritten. Blind wütend beschimpften Hitler   und der Nationalsozialismus   die Architektur, die Malerei, die Plastik und das Kunstgewerbe eines revolutionär strebenden, aber zugleich besinnlichen Deutschland  , ohne auch nur einen Hauch zu spüren von der Geistesbrücke, deren Bau schon vor Jahrzehnten begonnen worden war, längst bevor Herr Hitler   auch nur ahnte, daß es neben der Anstreicherei und dem Pinseln dummer Orna­mente noch etwas anderes gab, nämlich Kunst als Ausdruck des innersten Wesens von Persönlichkeit und Volk.

Zwar wählte der Nationalsozialismus   solche Formel( für ihn war Formel, was der deutschen Kunst Lebensinhalt gab) zum Kampfgeschrei, aber er wußte nichts von den Etappen in denen Deutschland   vom bourgeoisen Zerfall der Sieb­zigerjahre des vergangenen Jahrhunderts, von deren pom­pösen Markarterie und kindischen Goldschnittlyrik aufgeftie­gen war zur sachlich disziplinierten, ehrlichen, das Wesen der Zeit ausschöpfenden Gestaltung. Der Nationalsozialismus wußte nichts von dem Aufstand der deutschen   Kunst gegen die französischen   Ludwigstile, gegen jegliche Verfälschung ge­schichtlicher Vergangenheit und deren Mißbrauch zu verstaub­ter Romantik. Der Nationalsozialismus wußte nichts von der Stufenfolge der Ausstellungen in Darmstadt  , Dresden  , Brüssel, die Deutschland   aus fauler Nachahmung zum neuen deutschen   Stil geführt hatten. Und so spreizte sich dieser Na tionalsozialismus mit angeblich neuen Entdeckungen und neuen Forderungen, von denen jeder halbwegs normale Ken­zer deutscher Kunst wußte, daß sie seit langem erkannt waren und verwirklicht wurden.

Nicht einen neuen Gedanken hat der Nationalsozialismus

zu den wesenhaften Problemen der deutschen   Kunst beigetra­gen, wohl aber hat er alle klaren Entscheidungen, begonnen bei der simplen Zweckmäßigkeit, endend in der nationalen Gefühlskraft jeder wahrhaft produktiven Leidenschaft künst­lerischer Persönlichkeit, verwässert, durch hemmungslose Phrafen verblödet und aus einer selbstverständlichen Tugend in ein widernatürliches Laster verwandelt.

Der Nationalsozialismus   in der Kunst ist nichts anderes als die Rebellion der Mittelmäßigkeit

gegen die gesunde Entwicklung und gegen die überragende

der Rechthaber geworden, ist wieder aufgetaucht und wurde zum Machthaber befördert. Das gleiche geschah mit Herrn Schmitthenner, einem harmlosen Durchschnittsarchitekten, der nur, weil er plößlich seine französische Tradition mit konjunkturellem Teutonismus vertauschte, zum Führer er­nannt worden ist. Solche kleinen Abseitigkeiten traten im Beichen des Hakenkreuzes in den Vordergrund, während Künstler, die Weltruf befizen, und deren Wert das Reifen einer neuen deutschen, europäisch gebundenen Form bedeutet, entfernt worden sind.

Wo blieben ofer, Rotoschta, Räthe Rollwig, mo Poelaig, Gropius, Mies van der Rohe  , Wagner, der Berliner   Stadtbaumeister?

Illegally

Illegal

Bon P. Cornelins

Du gehst nach links an die Ede, Einer steht drüben am Tor, Das ist genügende Dede, Wir mit der Farbe gehn vor..

-

Schnell! Ram da nicht schon ein Zeichen? Zwei Worte noch an die Wand! Mensch, los! SA.  ! Wir sind Leichen,- Los! Und ums Leben gerannt!

Gleich um die Ecke, dann trennen, Nicht zu Genossen iezt gehn! Freiheit! Reine Namen nennen! Und morgen wieder um zehn!

Sie wurden an die Wand gequetscht und mit ihnen alle, die Friedrich der Große   an die SA.

etwas wirkliches fönnen, die ihre eigene Sprache sprechen, die nicht willens sind, sich wie stumme Tiere an die Kette legen zu lassen. Um nur noch zwei Beispiele zu nennen: Bruno Paul  , der Direktor der Vereinigten Kunstschulen in Berlin  , ein Künstler, der zumindestens den Ruf deutscher Innenarchitektur und deutschen Kunstgewerbes gefestigt hat, wurde durch Herrn Rutschmann, einen völlig belanglofen, früh vergreisten Dekorationspinsler, verdrängt; der Direktor der staatlichen Kunstbibliothet, Dr. Gurt Glaser, ein hervor ragender Kenner der einschlägigen Literatur, von allen europäischen   und amerikanischen   Fachleuten, auch von den japanischen Kollegen, geschäßt, befam als Nachfolger einen notorischen Lärmmacher, den halbverrückten Querulanten Hermann Schmitz  , nur weil dieser sich rechtzeitig bei den Nazis angeschmiert hatte. Die Personalpolitik Hitlers   ist auch im Bereich der Künste eine ebenso schmußige wie wider­finnige Angelegenheit. Sie wird verschlimmert durch die Entartung der bereits erwähnten Gleichschaltung.

Die organisatorische Vernichtung des Künstlerischen   und all jener Künstler, die dem eigenen Gesetz mehr gehorchen als dem Diktat der Willkür, nähert sich dem Höhepunkt. Alle Verbände der aus­übenden Künstler, der Bund der deutschen Architekten, der Werkbund, die großen Ausstellungsvereinigungen, der Wirt schaftsverband, find gleichgeschaltet, fie alle unterstehen dem Arierparagraphen und dem ganzen übrigen Humbug des Nationalsozialismus. Nur wer einer dieser Ver­einigungen angehört, darf künftig in Deutschland   noch Häuser bauen, Steine meißeln und Bilder malen. Wer könnte sich da nicht vorstellen, welcher Korruptheit, welcher Minderwertig­nicht vorstellen, welcher Korruptheit, welcher Minderwertig feit, welchem Charaktermangel, welcher Schablone, welcher Blutarmut, welchem erbärmlichen Tode die deutsche Kunst im britten Reiche" verfallen ist!?

"

Die Franzosen machen sich lustig

Eine patriotische Feier auf dem historischen Schlachtfeld

von Leuthen

Der Pariser Temps" schreibt: Friedrich der Große  in eigener Berson hat die völkischen Sturmabteilungen Schlesiens auf dem historischen Schlachtfeld von Leuthen  durch eine Ansprache geehrt. Es geschah anläßlich einer Feier, die sich in einer Kirche von Leuthen   abspielte. Diese war aufs glänzendste illuminiert; der Stabschef der SA, Röhm, war anwesend, ebenso Polizeipräsident seines und andere Persönlichkeiten. So berichten wenigstens die deutschen Nachrichtenagenturen, welche die Feier in folgen. der Weise beschreiben:

Im hellen Licht der Scheinwerfer erschien vor dem Den mal der Schlacht bei Leuthen   hoch aufgerichtet auf seinem Roß der alte König, der folgende Ansprache hielt:

Sturmabteilungen Oberschlesiens  , wir befinden uns auf heiliger Erde. Unsere Vorfahren haben hier ihr Blut für ihr Vaterland vergossen. Die Parole war damals: Siegen oder sterben. Meine letzten Worte vor der Schlacht bei Leuthen   waren: Ich werde den Feind gegen alle Regeln der Kriegstunst angreifen, gleich we ich ihn treffe. Ich muß es tun. Wir müssen gegen den Feind kämpfen oder uns unter unsern Batterien begraben lassen. Deutsche Jugend, lebe nach diesem Ideal und sei deiner Vorfahren würdig!"

Es darf nicht verschwiegen werden, daß Friedrich II.   an jenem Abend durch einen bekannten deutschen Schauspieler( Otto Gebühr  ) dargestellt wurde, der in allen großen historischen Filmen, die feit etwa sehn Jahren in Deutschland   gedreht werden, die Rolle des Königs von Preußen spielt..

Wer ist's" im, deitten Reich"

im ,, dcitten

Beiftung. Gegen die nüchterne Zweckform, die bewußt des Das Lexikon der Großmütter und Schwiegermütter

tauben Schmuckes entbehrt, rebellieren die Ornamenten macher, die Fabrikanten gedankenloser Dekorationen, die Quetschfaltentapezierer, die Kleinkrauter des verstorbenen Ueberflusses. Das wird durch die Mittelstandspolitik, wie sie sich in Hitlers Schwachkopf zu einer Karikatur verzerrt, bedingt. Man braucht hier nur daran zu erinnern, daß Hitler   für den von ihm gewollten gigantischen Kunstpalast", mit dem er München   segnen möchte, aus der Mottenkiste Herrn Trost herausholt, den schwächlichen, längst vergessenen Versüßer einer barocken Abirrung modernen Ausdrucks. An­zumerken wäre hier auch, daß Hitler sich von Leuten porträ tieren läßt, die er für Maler halten mag, die in Wirklich­

leit nichts anderes sind als bunt aufgewichste Photographen

der guten Stube. Gewiß, ein( Verzeihung) Staatsmann braucht nichts von Kunst zu verstehen, er kann künstlerischen Erscheinungen gegenüber blind und taub sein, aber dann muß er entsprechende Zurückhaltung wahren und darf nicht, wie Hitler   und sein Nationalsozialismus, sich zum Kunst­präzeptor eines großen Volfes aufwerfen.

Degeners Zeitgenöffen- Leriton Wer ist's" ist in neun Auflagen weit verbreitet worden. Nun soll unter Hitlers  Herrschaft eine zehnte Auflage erscheinen und da genügen die Angaben, die bisher gegeben wurden, bei weitem nicht mehr. Jeder Beitgenosse", der im Beriton erwähnt wird, erhält den Ausschnitt wie er nach den uns zur Zeit zu­gänglichen Unterlagen in der neunten Ausgabe erschienen ist" mit der großgedruckten Mahnung:

Ee bedacf deingend

der Berichtigung und Ergänzung

Worin die Ergänzung" bestehen soll, wird aus einer be­sonderen Drucksache. klar. Er handelt sich um die Kon= fession nicht bloß des Zeitgenossen", seines Vaters, seiner Mutter, seiner Frau, sondern der beider­feitigen Großeltern" und u m die ent­

Wer sich weigern wollte, die maßgeblichen Wünsche im Interesse der Pflege des Familienfinns und der Familien­forschung" nicht zu erfüllen, dem wird gedroht:

Bei Unterlassung wesentlicher Angaben steht es der Schriftleitung frei, diese zu ergänzen."

Wer aber brav seine Großmütter und Schwiegermütter bekanntgibt, der hat die Genugtuung, mitzuwirken an einem großen Wert, denn:

Politik

Degeners Wer ift's?" soll und will die Brücke zu führens den Personen des neuen Deutschlands   in Kultur­Rechtswesen usw. sein."

In der Tat, die Kultur" des neuen Deutschland   fann erschaut werden in dem Lexikon der Großmütter und Schwiegermütter.

Ein Trümmerfeld hat der Nationalfosta sprechenden Angaben über die Eltern ber nichtarischer Walzerkrieg

lismus aus der deutschen   Kunst gemacht, er hat sie gelähmt und verwirrt, er hat sie ihrer besten Männer beraubt. Er hat sie durch die hündische Mode der Gleich­schaltung um die Voraussetzung aller fünstlerischen Schöpfung, um die Freiheit betrogen. Statt dessen hat er ihr die efel­hafteste Streberei, die Verwirrung, ein Hin und Her der Instanzen, ein unerträgliches Raufen um die Futterkrippe beschert.

Herr Schulze- Naumburg  , ein längst Begrabener, einst ein netter fleiner Kunstpaufer, inzwischen ein greinen­

Das Stammlokal Französisch  

Billiard und gepflegte Biere! Gedeck eins zwanzig! Hente lange Nacht! Das sind des deutschen Bürgers Stammquartiere; Dort wird die Zeit in Massen umgebracht.

Da drischt man Stat, wenns hochgeht, um die Ganzen; Die Augeln donnern auf der Regelbahn. Am Stammtisch ranken sich die Reckpflanzen, Verworren um den eigenen Größenwahn. Dort tocht des Volkes heldenhafte Seele; Revanchekrieg und Diktatur find Trumpf! Indessen stopft zu Hause die Adele

Dem Reden feufzend den zerrissenen Strumpf.

Frau oder des Mannes". Aber man soll wörtlich genießen, was man von unseren Zeitgenossen" wissen will. So lautet die Mahnung:

Zur Beachtung

Wir bitten in Berücksichtigung vielfach geäußerter maß­geblicher Wünsche und im Interesse der Pflege des Familienfinns und der Familienforschung besonders um Angaben über Geburtsort ( auch evtl. Wechsel der Konfeffion) bei den Eltern, Groß­eltern und Kindern

Geburtstag

Ronfession

Renaissance des deutschen Films

Man schreibt der Neuen Weltbühne" aus Berlin  : Unter ihrem neuen indenreinen" Kurs und im Dienste der hohen fulturellen Mission, die ihr das Propagandaministerium des Herrn Göbbels gestellt hat, brachte die Ufa   bisher- außer dem Hitlerjungen Quer"- nur einen einzigen großen Film heraus, den ganz unpolitischen Film Walzerkrieg", ber auch in Paris   in französischer Version unter dem Titel guerre de valse" gezeigt werden wird.

Der Film ist wirklich ausgezeichnet und hat einen ver dienten großen Erfolg. Und die nationalsozialistische Kritik ist und bei Ihnen selbst gegebenenfalls auch um Angabe des begeistert von dieser filmischen Talentprobe des neuen

Ortes der Trauung.

3m ganzen handelt es sich zwecks zuverlässiger Angaben um die Beantwortung folgender Fragen:

-

Kurses.

Nur einige Kleinigkeiten werden dabei gefliffentlich über sehen: 1. der Walzerkrieg" gehörte ursprünglich zur Erich Pommer   Produktion. Als Pommer jüdischer Abstammung schuldig befunden, seine Tätigkeit bei der Ufa   einsteller 1. Name. 2. Vornamen( Rufnamen unterstreichen). mußte, hatte er bereits die Vorbereitungen für der 3. Stand, Titel, Beruf, Beschäftigung. 4. a) Wann und Walzerfrieg" bis ins kleinste Detail vollendet, und wer sid wo geboren, b) Konfeffion. 5. Name, Stand, Beruf, Ge­burtsort und-tag, Konfeffion a) des Vaters, b) der Mutter, auskennt, weiß, wie entscheidend Pommers Vorarbeit c) ber beiderseitigen Großeltern( bei den Frauen der einen Film ist. 2. Regisseur des Walzerkriegs" ist Ludwi Mädchennamen). Berger 6. Angaben über besonders be­merkenswerte Vorfahren. 7. Verheiratet, wo, wann und mit wem( mit Angabe von Geburtsort,-tag und Ron­feffion nebst entsprechenden Angaben über die Eltern der Frau oder des Mannes).

Während in den neuen ersten Auflagen man nicht einmal die Konfession des Zeitgenossen erfahren hat, wird man nun über die Konfession seiner Eltern, Großeltern und Schwiegereltern gründlich belehrt werden.

Wer ist's?"

-

auch er, gleich Pommer, nach den Grundsätzel der nationalsozialistischen Rassenlehre ein Fremdstämm ling", der in den Tempeln deutscher Kunst nichts zu suche hätte. 3. Die Hauptrolle im Walzerkrieg" spielt Rof Barsoni, einst Röschen Sonnenschein geheißen. 4. Ver faffer des Manuskripts sind Liebmann und Han Müller, beides Juden: ihre Namen sind im deutschen Per sonenverzeichnis unterschlagen.

Alles zusammen beweist, wie gute Gründe Herr Göbbel an seiner Großmutter und an seiner hat, mit der Renaissance" des deutschen Films zufriede Schwiegermutter sollst du ihn erkennen, zu sein.